Hintergründe zum “Polizeiskandal” in Schleswig-Holstein

Quelle: quimera.noblogs.org

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Alexander Hardt (rechts) mit Lars Bergeest (links daneben) im dänischen Kolding

Seit einigen Monaten erschüttert der so genannte “Polizeiskandal” die Landespolitik in Schleswig-Holstein. Wir wollen mit diesem Artikel einige Hintergründe aus der Mischszene zwischen Rockern, Neonazis und Polizist_innen beleuchten. Einer Mischszene, in der Grenzen zwischen den Beteiligten fliessend und persönliche Intrigen, Machtstreben und menschenfeindliche Ideologien kaum noch voneinander zu trennen sind. So äußerlich unterschiedlich der spießige Polizeifunktionär, der zigfach vorbestrafte Neonazi und der Rockerboss wirken mögen: Wenn es ihnen nützt, sind unheilige Allianzen genauso recht wie Rechtsbrüche zur Durchsetzung der eigenen Dominanzansprüche billig. Und so erinnert die Situation frappierend an das staatlich geförderte und gedeckte Biotop, in dem der NSU sich Jahrzehnte lang ausbreiten konnte.

Im Mai deckten die Kieler Nachrichten, ein sonst nicht gerade für seine kritische Herangehensweise bekanntes Lokalblatt, einen vermeintlichen “Skandal” im LKA Schleswig-Holstein auf. Wobei das Wort “Skandal” zu unrecht suggeriert, dass es sich um einen besonders schlimmen Einzelfall handelt, was mit diesem Artikel widerlegt werden soll. Der Kreis der Beteiligten umfasst eine machtbessene Clique um den Landespolizeidirektor Ralf Höhs, seinen Vorgesetzten im Kieler Innenministerium Jörg Muhlack, den Chef des LKA Schleswig-Holstein Thorsten Kramer, Vize-Leiterin der Landespolizeischule (und Ehefrau von Kramer) Maren Freyher, sowie LKA-Vize Stephan Nietz und Chefermittler der SOKO Rocker Mathias Engelmann. Außerdem mit von der Partie: Rockerboss Ralf Bacher von den verbotenen “Bandidos Neumünster” sowie sein Vize, der langjährige Neonazifunktionär Peter Borchert. Wer an einer detaillierten Darstellung der Schmierenkomödie in scheinbar zahllosen Akten und mit offene Ende interessiert ist, dem sei die Lektüre der Lokalpresse empfohlen. Für alle anderen hier eine kurze Zusammenfassung der bisher öffentlichen Erkenntnisse: Am 13. Januar 2010 überfiel eine unbekannte Anzahl


Peter Borchert

“Bandidos” verfeindete “Red Devils” im Eingangsbereich des “Subway” in der Innenstadt von Neumünster. Mehrere “Red Devils” wurde u.a. durch Messerstiche schwer verletzt. Für den Angriff wurde der ehemalige NPD-Funktionär Peter Borchert zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. In dem Verbotsverfahren gegen die “Bandidos Neumünster” wurde der Angriff als wichtiges Argument für ein Vereinsverbot verwendet. Die Kieler Nachrichten haben nun recherchiert, dass Ralf Bacher ein Spitzel der Polizei war und somit besondere Privilegien besaß, insbesondere die Strafverfolgung betreffend. Außerdem sagte er aus, dass Peter Borchert nicht an dem Angriff auf die Red Devils beteiligt gewesen sei. Diese entlastende Aussage wollten zwei Ermittler der SOKO Rocker des LKA zu den Akten nehmen. Die Clique um Ralf Höhs verhinderte dies und mobbte die beiden Ermittler massiv. Die “Bandidos” wurden in Neumünster verboten und Peter Borchert öffentlichkeitswirksam verurteilt. Die Polizei hat vermeintliche Erfolge bei der Bekämpfung von Rockerstrukturen vorzuweisen. Vermutlich hätte beides mit der Aussage Bachers und dem Wissen, dass die “Bandidos Neumünster” staatlich gelenkt wurden, vor Gericht keinen Bestand gehabt. Im Nachgang der Veröffentlichungen der Kieler Nachrichten und anderer Medien taten die Beamten, was sie am besten können: Sie bliesen zum Angriff.

Vermeintlich kritische Polizist_innen wurden abgehört und observiert, da LKA-Funktionär Nietz praktischerweise auch Polizeigewerkschafter des BDK (Bund deutscher Kriminalbeamter) ist, leitete er eine Öffentlichkeitskampagne gegen Kritiker_innen ein, ein Emailkonto der Kieler Nachrichten wurde gehackt und das Auto eines KN-Redakteurs verwanzt. Dass ein großer Teil dieser Maßnahmen illegal ist, verwundert in dieser Gemengelage eigentlich niemanden mehr. Ebensowenig, dass Konsequenzen bisher ausgeblieben sind.

Was öffentlich bisher nicht bekannt ist: Der Polizei liegen noch andere Aussagen vor, die sich mit der Aussage von Bacher decken. Es wird sogar ein konkreter Tatverdächtiger benannt. Doch der Reihe nach: Zu einem bisher unbekannten Zeitpunkt, vermutlich so um die Jahre 2011 und 2012 kam es zum Zerwürfnis zwischen dem Wirt der Neonazikneipe “Titanic” in Neumünster, Horst Micheel, und den “Bandidos”. Genaue Gründe liegen bisher im Dunkeln. Möglicherweise hatte der Klinsch mit seinem Sohn Björn zu tun, der sich von den “Supportern” der “Bandidos”, den “Contras”, abgewandt hat. Vielleicht gab es finanzielle Streitigkeiten oder eine Kneipenschlägerei zuviel, wobei sich alle Beteiligten alkoholbedingt weder an Ursprung noch Verlauf der Auseinandersetzung erinnern können dürften. Jedenfalls hieß es, die “Bandidos” hätten ab jetzt Hausverbot in der “Titanic”. Uneins ist man sich, ob dieses Hausverbot von den “Bandidos” für ihre Mitglieder oder von den Micheels ausgesprochen wurde. So oder so: die Fronten sind verhärtet. Die Micheels haben bei diversen Gelegenheiten gegen die “Bandidos” ausgesagt, was für Alexander Hardt zu einer Haftstrafe führte , Im Gegenzug wird aus Kreisen der “Bandidos” die “Titanic” mit Vorwürfen überzogen. So heißt es, die “Titanic” habe die Neonaziszene um Geld betrogen, indem sie nach antifaschistischen Anschlägen von Rechten Geld gesammelt hat und gleichzeitig von der Versicherung die Schäden ebenfalls ersetzt bekam.

Im Herbst 2013 sah nun Horst Micheel eine neue Chance den “Bandidos” eins auszuwischen. Der frühere Borchert-Vertraute Dirk Zollondz wurde aus der Haft entlassen. Während der gemeinsamen Haft in der JVA Lübeck hatte sich das Verhältnis zwischen Borchert und Zollondz massiv verschlechtert. So berichten Quellen in der rechten Szene, dass Zollondz gegenüber den Behörden Angaben über Borchert gemacht habe. U.a. soll er regelmäßig die JVA über Vergehen von Borchert während der Haft informiert haben. In mindestens einem Fall wurden bei Borchert in der Folge verbotene Gegenstände in seiner Zelle aufgefunden. Borchert rächte sich, indem er die “Bandidos” in Neumünster anwies, die Sache mit Zollondz nach dessen Haftentlassung zu “klären”. Der Grund für das Zerwürfnis ist banal: Eifersucht. Beide beanspruchten die ehemalige “Aktionsgruppe Kiel”-Aktivistin Malena Gericke für sich (wie im übrigen auch die AG Kiel Führungsfigur Daniel Zöllner). Dass dabei Gerickes Meinung dazu höchstens am Rande interessierte, überrascht wenig.


Horst Micheel

Gerade aus der Haft entlassen, taucht Zollondz in der “Titanic” von Horst Micheel auf und berichtet von seinen Sorgen. Er hat den Plan, sowohl der Verfolgung durch Borchert zu entgehen, als auch Malena Gericke für sich zu gewinnen: Er hängt Borchert Straftaten an, damit dessen Haftstrafe verlängert wird und will die gewonnene Zeit nutzen, um mit Gericke nach Sylt zu fliehen. Dass Gericke ihn gerade wegen Stalking angezeigt hat und nichts mit ihm zu tun haben will, betrachtet Zollondz als die kleinste Hürde bei seiner ausgefeilten Strategie. Horst Micheel erkennt seine Chance, den “Bandidos” wieder mal eins auszuwischen, und bestellt befreundete Polizist_innen zu einem Hinterzimmergespräch mit Zollondz in die “Titanic”. Zollondz belastet Borchert bei dieser Gelegenheit mit allem, was ihm einfällt: Er berichtet über Drogenhandel und weitere Verbrechen. In einem aber bleiben Zollondz und Micheel bei allem Belastungseifer klar: Peter Borchert sei nicht der Täter der Messerstiche vor dem “Subway”. Björn Micheel sei ebenfalls vor Ort gewesen und die Messerstiche habe Alexander Hardt ausgeführt. Peter Borchert sei erst später hinzugekommen. Borchert habe aufgrund des Ehrenkodex der Rocker sich nicht selbst entlastet und die Haftstrafe für Hardt angetreten. Im Gegenzug sichert Hardt Borchert während der Haft finanziell ab.

Auch wenn bisher unbekannt ist, von welcher Dienststelle die Polizist_innen mit guten Kontakten zu der “Titanic” waren: Die SOKO Rocker wurde in die Vorgänge einbezogen. Erkennbar wird das u.a. daran, dass Beamte dieser SOKO anschliessend wegen dem angeblichen Drogenhandel im Umfeld von Borchert ermittelten.

Die Version, die Zollondz und Micheel der Polizei über die Messerstiche im Subway berichteten, ist in Neumünster ein offenes Geheimnis. Viele Rocker waren bei dem Angriff dabei und längst nicht alle haben “dichtgehalten”. Insgesamt ist die Geschichte plausibel. Im Nachgang der Tat trug Hardt einen “Expect no Mercy”-Patch auf seiner Kutte. Diesen Patch dürfen nur Mitglieder tragen, die für die “Bandidos” eine schwere Gewalttat begangen haben. Bei Hardt ist bislang keine derartige Tat bekannt. Was aber bekannt ist: Hardt kümmerte sich um Borcherts finanzielle Angelegenheiten während der Haft und auch auf dem Geschäft “PLS Werkzeuge” in Kiel stand anfangs Borcherts Name. Schon damals gab es Vermutungen, dass es als eine Art Absicherung für Borchert gedacht war .

Insgesamt scheint sich rund um die Neumünsteraner Neonazi- und Rockerszene ein Sumpf gebildet zu haben, in dem auch Polizist_innen fleissig mitmischen. Durch finanzielle und freundschaftliche Verbindungen zwischen Rockern und der Polizei werden bestimmte Ermittlungen vorangetrieben und andere unterschlagen. Für Machtspiele der auf ihre Karriere fixierten Beamten und der auf ihren Vorteil bedachten Rocker und Neonazis lässt sich die jeweils vermeintlich andere Seite willig einspannen. Und dabei brechen beide Seiten ihren vermeintlich unumstößlichen Kodex: Die Polizei pfeift auf den Rechtsstaat und die Verbrecher_innen arbeiten der Polizei zu.

Kein Wunder, dass Betroffene rechter Gewalt sich in vielen Fällen nicht an die Polizei wenden.


Daniel Zöllner und Malena Gericke

La Quimera – Antifascist Watch Group S-H, 29.9.2017

„Kategorie C“ Konzert im Clubhaus der Bandidos in Wahlstedt

Am vergangenen Samstag, den 13.05.2017, fand im Clubheim des „Bandido MC Northgate“, dem sogenannten „Kuddels Inn“ im schleswig-holsteinischen Wahlstedt ein Neonazi-Konzert mit den Bands „Kategorie C“ und „Hausverbot“ statt [1]. Die zuvor im Internet beworbene Veranstaltung entwickelte sich zum Stell-Dich-ein der organisierten Neonaziszene im Norden und offenbarte abermals die Verbindungen in die organisierte Kriminalität, insbesondere ins Rocker-Milieu. So schienen die Räumlichkeiten des „Bandido MCs“ nicht zufällig gewählt. Deren Mitglieder beteiligten sich aktiv an der Ausrichtung des Events, so übernahmen sie die Schleusung anreisender Neonazis und versuchten anwesende Journalist_innen bei der Dokumentation zu behindern.

http://www.neu.antifa-kiel.org/wp-content/uploads/import/prochbandidos.jpg

Anreisende Teilnehmende wurden ab 17 Uhr über zwei Schleusungspunkte an der A21 und der B206 zum Konzert in die kleine Stadt unweit von Bad Segeberg geführt. Nachdem ein Großteil der Neonazis bereits ab 18 Uhr die Räumlichkeiten des sogenannten „Outlaw Motorcyleclubs“ im Wahlstedter Industriegebiet erreichte, erschien die Polizei erst ab 19 Uhr mit Einsatzkräften am Ort des Geschehens. Eine schwer bewaffnete Spezialeinheit der Eutiner Polizei sperrte eine Zufahrt an der Hauptstraße zum Clubheim und führte Vorkontrollen durch, was offensichtlich eher dem Veranstaltungsort als der politischen Ausrichtung der Veranstaltung geschuldet war. Einige der anreisenden Neonazis machten ihre Zugehörigkeit zur organisierten Neonaziszene durch das Verwenden von Szenekürzeln wie „BH“, „C18“ oder „1488“ in ihren Autokennzeichen deutlich. Während die Polizei im Nachhinein von etwa 60 Teilnehmenden sprach, konnten insgesamt wohl über 100 Neonazis und Personen aus dem Rocker-Milieu aus verschiedenen Bundesländern in Wahlstedt zusammenkommen.

Unter ihnen befanden sich bekannte Personen wie beispielsweise der Hamburger Neonazi Thorsten de Vries. Der langjährige Neonazi scheiterte zuletzt mit dem Versuch zum 12.09.2015 in Hamburg eine Hooligan-Demonstration anzumelden. In den letzten Wochen postete er in sozialen Netzwerken wiederholt Bilder mit dem Label „KC Crew Hamburg“. Ein langjähriger Freund von de Vries, Sven Johansson, war ebenfalls Gast der Veranstaltung. Johansson war früher im Umfeld von „Blood [&] Honour“ organisiert, ist gut mit Stefan Silar aus Tostedt befreundet und mittlerweile bei den Rockern von „Gremium MC“, einem der letzten MCs die sich nicht den „Hells Angels“ oder den „Bandidos“ angeschlossen haben.

Ebenso anwesend waren Neonazis aus den Strukturen des Terrornetzwerks „Combat 18“ (C18) wie Marco Eckert und Lars Bergeest aus Ostholstein, die erst im vergangenen Jahr, zum „Tag der deutschen Zukunft“ in Dortmund gemeinsam mit dem C18-Gründer Will „the Beast“ Browning in Erscheinung traten [2]. Neben Neonazis die sich aus Strukturen von „Blood [&] Honour“ (B[&]H) rekrutierten, waren auch Mitglieder der „Hammerskins“ vertreten, wie z.B. der Möllner Thorsten Wolff, welcher regelmäßig das „Thinghaus“ in Grevesmühlen besucht und an die Mecklenburger „Hammerskin“-Struktur angebunden ist [3].

Auch alte NPD Kader wie Mark Michael Proch und Jan Steffen Holthusen nahmen an der Veranstaltung teil. Proch übernahm teilweise auch das Schleusen der Neonazis am Treffpunkt.

Interessant war die Anwesenheit des Neonazis Rene Callesen, einem bekennenden „Hells Angels“ Supporter, der dem Milieu-Laden „Lokalpatriot“ auf der Hamburger Reeperbahn zugeordnet werden kann. Callesen ist eng befreundet mit Thorsten de Vries und Sacha Bothe, einem ehemaligen „Blood [&] Honour“-Kader aus Niedersachsen, der mittlerweile bei dem größten „Hells Angels“ Supporter Club „Red Devils MC“ in Hannover aktiv ist.

Fraglich ob die „Bandidos“ wussten, dass sie sich mit diesem Rechtsrock-Konzert auch einige Supporter der verfeindeten „Hells Angels“ in ihr Clubhaus holen oder ob in diesem Falle die Nazi-Kameradschaft über der Rockerfeindschaft steht. Die Überschneidungen zwischen Neonazis und Rockern in Schleswig-Holstein sind nicht neu, vielmehr ist das gesamte Chapter „Northgate“ von ehemaligen „Blood [&] Honour“ Leuten aufgebaut worden [4].

Deutlich wurde auch bei diesem Konzert wieder, dass bei Rechtsrockveranstaltungen die Musik für viele Besucher nur eine untergeordnete Rolle spielt. Besonders stehen hier der Austausch und die Vernetzung zwischen alten und neuen rechten Kadern, militanten Neonazis, sowie der Ausbau der Beziehungen zu Rocker-Strukturen und dem kriminellen Milieu im Vordergrund.

Stellungnahme der Antifaschistischen Aktion Neumünster und der Antifa Koordination Lübeck

Bilderstrecke bei recherche-nord

Artikel bei KN Online (15.5.17)

linksunten.indymedia.org

„Neumünster wehrt sich” – da wächst (nicht) zusammen, was (nicht) zusammen gehört

Folgend dokumentieren wir einen Artikel von La Quimera: antifascist watch group S-H:

„Am 23. April will die neonazistische Organisation “Neumünster wehrt sich” wieder durch die Stadt an der Schwale marschieren. Die bisherigen Auftritte waren die ersten ernsthaften Versuche seit dem 1. Mai 2012 Aufmärsche in Schleswig-Holstein durchzuführen. Dementsprechend werden die Aktivitäten auch von anderen rechten Akteur_innen genau beobachtet, um das eigene Potential “auf der Straße” ebenso abschätzen zu können, wie jenes der politischen Gegner_innen. Diese Heterogenität spiegelt sich auch in der Organisationsstruktur wider. Wie wir schon berichteten , übernehmen dort Neonazis verschiedener politischer Herkunft Verantwortung, was, wie dargestellt , auch schon den einen oder anderen Konflikt mit sich brachte. Nicht zuletzt deshalb dürfte der letzte geplante Auftritt am 28. Februar abgesagt worden sein. Dass die offizielle Begründung schlicht gelogen war, ist leicht daran ersichtlich, dass als Grund abwechselnd “organisatorische und technische Gründe”, eine “Erkrankung” oder eine “Sportverletzung am Knie” von Manfred Riemke genannt wurden. Zeichnet es schon ein desolates Bild, dass sich die Neonazis nicht einmal auf eine Ausrede einigen konnten, setzte Riemke dem erbärmlichen Schauspiel noch die Krone auf, als er am Tag der geplanten Kundgebung bei bester Gesundheit in Neumünster unterwegs war. Doch wie wir in diesem Artikel darstellen wollen, ist dies längst nicht das einzige Konfliktpotential. An der Organisation beteiligte Strukturen, haben sich in der Vergangenheit zum Teil massiv hintergangen und angeschwärzt. Diese Vorgänge wurden nie öffentlich thematisiert und selbst ein großer Teil der direkt betroffenen Neonazis kennt die genauen Zusammenhänge nicht. Das werden wir heute ändern.


Jörn Lemke (m.) und Nico Seifert (r.)

Wir schreiben das Jahr 2012. Der NPD-Landesverband muss mal wieder einen Landtagswahlkampf stemmen, in der Hoffnung, mit ausreichend Stimmen, zumindest an die staatliche Parteienfinanzierung zu gelangen. Doch eigentlich ist die Partei zu einem flächendeckenden Wahlkampf nicht in der Lage. Auf diese Ausgangslage sind wir schon in der Vergangenheit eingegangen . In dieser fragilen Situation meldet sich kurz vor der Wahl eine bis dahin unbekannte “Nationalsozialistische Störungsgruppe Holstein” (NSH) zu Wort. Der gleichnamige Blog versteht sich als Enthüllungsplattform über die NPD in Schleswig-Holstein. In einem langen Pamphlet wird u.a. dem Landesgeschäftsführer Wolfgang Schimmel “Rassenschande”, also ein Kind mit einer “nicht-deutschen” Frau, vorgeworfen, der Autismus des damaligen Landesvorsitzenden Jens Lütke öffentlich gemacht, werden die Landesvorstandsmitglieder Jörn Lemke und Roland Siegfried Fischer als V-Leute des Verfassungsschutz “enttarnt” und allerlei Interna, wie Treffpunkte der rechten Szene, ausgeplaudert. Für Beobachter_innen der Szene decken sich viele Informationen mit anderen Quellen, so dass dort sehr gut informierte Kreise am Werk gewesen sein müssen. Sogar die “Enttarnung” der beiden V-Leute, für deren Arbeit für den Inlandsgeheimdienst es nach wie vor keinen Beleg gibt, erscheint heute in einem anderen Licht. Denn Anfang Dezember 2012 trat Roland Fischer von allen Ämtern zurück und aus der Partei aus. Inzwischen ist durch das NPD-Verbotsverfahren bekannt, dass genau zu diesem Zeitpunkt, nach Angaben der Innenminister_innen, die letzten Quellen in den Führungsgremien der Partei abgeschaltet worden seien.

Doch wer steckte hinter dem Blog und dem Aufruf zum Boykott der NPD? Schnell wurden damals Spekulationen laut. Für möglich gehalten wurde eine “false flag”-Aktion gut informierter antifaschistischer Gruppen. Doch glaubhaft ist dies nicht. Bekanntermaßen entspricht es nicht dem politischen Stil von Antifaschist_innen, offensiv Neonazi-Propaganda zu verbreiten. Innerhalb der rechten Szene wurde schnell mit Namen jongliert, welche Kandidat_innen in den eigenen Reihen in Frage kämen. Insbesondere Dennis Brandt, der zu diesem Zeitpunkt erst kürzlich eine umfassende Aussage bei der Polizei gemacht hatte , und Kevin Stein, schon in handfeste Auseinandersetzungen in der Szene verwickelt , schienen in Frage zu kommen.


Sebastian Alexander Struve

Doch all diese Rechnungen wurden ohne zwei altbekannte Querulanten mit denkbar schlechtem Verhältnis zur NPD gemacht: Sebastian Alexander Struve (ehemalige Führungsfigur “Aktionsgruppe Eutin”) und Nico Seifert (ehemalige Führungsfigur “Aktionsgruppe Neumünster”). 2012 standen beide vor dem politischen Nichts. Ihre jeweiligen Gruppierungen waren zerfallen und den “Rückweg” zur NPD haben sich beide verbaut. Die Gründe im Fall von Sebastian Struve haben wir schon in unserem letzten Artikel zu diesem Thema dargelegt , weshalb wir hier vorwiegend die Vorgänge um Nico Seifert darstellen werden. Seifert war eine zentrale Figur der rechten Szene in Neumünster. Insbesondere mit seinem Freund Daniel Zöllner (“Aktionsgruppe Kiel”) stand er für einen sehr aktionistischen Neonazismus im Stil der “Autonomen Nationalisten”. Doch nachdem die “Aktionsgruppen” um das Jahr 2010 ihren Zenit überschritten hatten, nahm das Konfliktpotential um Seifert in Neumünster zu. Es hieß, Seifert schulde dem, damals ebenfalls im Niedergang begriffenen, “Club 88” Geld. Dieses Geld versuchten die im “Club” zunehmend dominanten “Bandidos” und ihre Unterstützer einzutreiben. Beteiligt war u.a. der heute bei “Neumünster wehrt sich” eingebundene Manuel Fiebinger. Dass die Schulden im Falle Seiferts besonders gern und nachdrücklich zurück gefordert wurden, mag auch daran liegen, dass er, über Daniel Zöllner, Kontakte zu den Erzfeinden der “Bandidos”, den “Hells Angels”, hat. Auch der Weg zur NPD war versperrt. Hier rächte sich, dass Seifert in der ganzen Szene damit geprahlt hat, den damaligen Landesvorsitzenden Jens Lütke verprügelt zu haben. Als die Lage zunehmend brenzlig wurde, verließ Seifert Neumünster in Richtung Witzwort (Nordfriesland).


Laut Struve Kundgebung mit Unterstützung vom Verfassungsschutz: Mike Östreich, Daniel Nordhorn und Roland Fischer (v.l.n.r.)

Nun befanden sich Struve und Seifert in einer ähnlichen Lage: Beide vereint ein Führungsanspruch innerhalb ihrer Szene, aber beiden fehlte in Schleswig-Holstein jeglicher Rückhalt, um diesen auch durchzusetzen. Als Konsequenz diskutierten die beiden neue Strukturen jenseits von Rockern und NPD aufzubauen. Seifert kontaktierte 2012 “Die Rechte” und 2013 den “III. Weg”, um Möglichkeiten einer Expansion nach Schleswig-Holstein zu diskutieren. Selbstredend mit sich selbst als “Führer” der neuen Bewegung. Diese Pläne scheiterten jedoch an der mangelnden Basis und der organisatorischen Unfähigkeit Seiferts. Struve, ganz der “Autonome Nationalist”, schwebte mehr eine kompromisslos nationalsozialistische Kameradschaft, fern jeder Partei, vor. Auch diesen Plänen war Seifert nicht abgeneigt, ging es ihm ja primär sowieso nur um eine Führungsrolle jenseits der Kreise, die ihn gerade verfolgten. In der Verfolgung dieses Ziels waren theoretische Grundkonzepte verhandelbares Beiwerk. Auf der Suche nach einem Ausweg intensivierten beide bundesweite Kontakte. Struve stand im Austausch mit Dortmunder “Autonomen Nationalisten” (die ihm auch bei seiner später beschriebenen Intrige halfen), Seifert nach Gütersloh zu Julian Fritsch (Nazi-Rapper “Makss Damage”). Dieser war zu diesem Zeitpunkt mit Belinda B. (ehemals “Aktionsgruppe Kiel”, inzwischen lebt B. in Gütersloh) in einer Beziehung. Zusammen mit Janina H. (ehemals “Aktionsgruppe Kiel”) waren Seifert und B. in dieser Zeit, auf Einladung von Fritsch, mehrfach in der westdeutschen Kameradschaftsszene unterwegs, u.a. bei Axel Reitz in Köln.


Belinda B. (r.) als Ordnerin bei einem Auftritt der “Aktionsgruppe Kiel” am 8. Mai 2010 vor dem Kieler Hauptbahnhof

Sogar die Finanzierung ihrer neuen Bemühungen haben Struve und Seifert intensiv diskutiert. Während sich Struve vorwiegend um Vernetzung innerhalb der Rechten bemühte, versuchte Seifert Finanzquellen zu finden. Zunächst beteiligte er sich am Versand “Support Wear” des Kieler Neonazis Matthias Kussin (früher Matthias Lehnecke). Als das Vorhaben im Streit endete, versuchte Seifert vergeblich eigene Versände verschiedener Ausrichtung ins Leben zu rufen. Die Pläne scheiterten samt und sonders an einfachsten organisatorischen Schritten, zu denen Seifert nicht in der Lage war. Doch ganz Geschäftsmann hatte Seifert natürlich mehrere Eisen im Feuer. Als weiteres Standbein schwebte ihm eine Karriere als Pornostar vor. Da sich aber absolut keine Darsteller_innen fanden, die bereit waren mit Seifert einen Porno zu drehen, erörterten Struve und Seifert die Chancen im Geschäft der Zuhälterei, auch bekannt als Menschenhandel. Naheliegenderweise hatten die beiden Neonazis keine inhaltlichen Skrupel, sexuelle Ausbeutung als weiteren Stein in ihr Mosaik der Menschenfeindlichkeit zu setzen. Allerdings schienen ihnen die Rocker in diesem Bereich zu dominant, Seifert hatte ja gerade erst schlechte Erfahrungen mit den “Bandidos” gemacht.
Doch all diese Bemühungen hatten nicht den gewünschten Effekt. Irgendwie müssten die bisherigen Strukturen in Schleswig-Holstein destabilisiert werden, damit die Szene auf die beiden selbsternannten Nachwuchs-“Führer” angewiesen wäre. Gleichzeitig müsste leidige Konkurrenz um den zukünftigen Thron schon einmal vorbeugend auf Distanz gehalten werden. So ersann Struve zusammen mit Seifert einen Plan: Auf einem nicht auf ihn zurückführbaren Blog bringt er Interna und Intrigen der NPD an das Licht der Öffentlichkeit. Bei den, hoffentlich folgenden, internen Spannungen im NPD-Landesverband könnten er und Seifert einspringen und sich von der NPD abkehrende Neonazis für ihre Zwecke einsammeln. Die “Nationalsozialistische Störungsgruppe Holstein” war geboren. Gleichzeitig bekam Struve Wind davon, dass Ray Vogel (inzwischen Führungsfigur “Identitas Gemeinschaft” ) in Eutin und Umgebung eine neue Gruppierung gründen wolle. Diese sollte, in Anlehnung an die “Spreelichter” aus Vogels Heimat Brandenburg, “Nordlichter” heißen. Diese Gruppierung könnte allerdings Struves genialen Plan zunichte machen und die versprengten “Kameraden” nach dem Zusammenbruch der NPD an sich binden. Also kontaktierte er Marcel Forstmeier (Führungsfigur “Spreelichter”), um “Nordlichter” gewissermaßen die Franchise-Genehmigung entziehen zu lassen. Ironischerweise existiert inzwischen auf Facebook ein Profil der “Nordlichter”, das Beobachter_innen Struves Umfeld zurechnen.
Der Ausgang der Intrige um die NSH war ebenso ernüchternd wie vorhersehbar: Das ganze Unterfangen entpuppte sich als große Luftnummer und beide Protagonisten verschwanden für Jahre von der Bildfläche. Zurück bleibt aus antifaschistischer Perspektive einzig der Blick in menschliche Abgründe, in der gescheiterte Existenzen sich gegenseitig in ihrer Menschenfeindlichkeit überbieten, um eines Tages vielleicht einmal der große “Führer” zu werden.

Spannend, aber nicht überraschend ist, dass Struve sich aktuell stark innerhalb von “Neumünster wehrt sich” engagiert. Da stehen also Menschen aus der NPD, die Struve mittels einer Intrige abschaffen wollte, Seite an Seite mit ihm und organisieren Kundgebungen. Denn der Umgang mit dem Verrat ist genauso verlogen, wie der Verrat selbst. Nachdem Struve abgetaucht war und selbst treue Weggefährten wie Tobias J. (inzwischen “Identitas Gemeinschaft”) nicht mehr zu ihm stehen, biedert er sich jetzt wieder bei der verfeindeten NPD an. Profitieren tut er wohl davon, dass die genauen Zusammenhänge der Intrige fast allen Beteiligten unklar sind. Zwar herrscht innerhalb des NPD-Landesverbands ein Unbehagen gegenüber Struve, was sich auch darin ausdrückt, dass vom Führungspersonal einzig Mark Proch maßgeblich an “Neumünster wehrt sich” beteiligt ist, aber für eine konkrete Distanzierung von ihrem ehemaligen Kandidaten Struve fehlten die handfesten Belege. Beobachter_innen dürfen gespannt sein, wie es weiter geht. Fest steht allerdings, dass es im Umfeld vom Struve nie ohne Machtkämpfe zugehen wird. Insbesondere da seine neue “rechte Hand” Malte Magnussen auf diesem Gebiet auch kein unbeschriebenes Blatt ist. So steht für “Neumünster wehrt sich” in den nächsten Monaten viel auf dem Spiel. Das dürfte auch Neonazis aufhorchen lassen, die sich bisher nicht an den Neumünsteraner Kundgebungen beteiligten, denn in der Schwale-Stadt steht stellvertretend die Kampagnenfähigkeit der ganzen radikalen Rechten Schleswig-Holsteins zur Disposition. Ein Scheitern der Aufmärsche würde das Ansehen der neonazistischen Strukturen im nördlichsten Bundesland nochmals beschädigen und somit das Mobilisierungspotential zukünftiger Aktionen schwächen. Dumm nur, dass die Führungskader in Neumünster Dilettanten und Intriganten das Feld überlassen haben.“

https://quimera.noblogs.org/2016/neumunster-wehrt-sich-da-wachst-nicht-zusammen-was-nicht-zusammen-gehort/

Borchert bleibt frei, Hardt geht in die Verlängerung

Aufgrund mangelnder Beweise wurden Nils Hollm und Peter Borchert des Vorwurfs der Körperverletzung freigesprochen. Alexander Hardt, der bereits zu Anfang des Prozesses über seinem Anwalt Marquort ein Geständnis verlesen lies, wird wegen gefährlicher Körperverletzung zu einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt.

Knapp sechs Jahre liegt der Vorfall bereits zurück, als mehrere Personen in Kutten in die Kneipe „Titanic“ in Neumünster eindrangen um einen Dart-Wettbewerb zu überfallen. Das Ziel des Überfalls war die angereiste Gastmannschaft „DC Other Place“, benannt nach einer Hell’s Angels Kneipe. Laut der Aussage eines Zeugen sollte durch „Präsenz zeigen“ der Gebietsanspruch der Bandidos verteidigt werden.

Den drei Angeklagte Hardt, Holm und Borchert wird vorgeworfen, den Geschädigten aufgrund seiner Hells Angels Supporterkleidung, schwer körperlich verletzt zu haben. Dabei soll Borchert an der Tür Wache gestanden haben, während Hardt und Holm den Geschädigten mit seinem eigenen Gürtel verletzte.

Während Alexander Hardt durch sein Geständnis angab, die Tat alleine begangen zu haben, wurden die anderen beiden Angeklagte durch Horst Dieter Micheel, Wirt der Kneipe „Titanic“, und seinen Sohn Björn belastet, an der Tat beteiligt gewesen zu sein.

Seitens der Verteidigung wurden beide Zeugenaussagen wegen widersprüchlichen Angaben, in den Vernehmungsprotokollen und deren Aussagen vor Gericht, schwer in Zweifel gezogen.

Der Staatsanwalt rechtfertigte dies, dass deren Aussagen einem Entwicklungsprozess unterlaufen seien. Der Vorsitzende Richter sah das anders. Die Zeugenaussagen waren insgesamt nicht ausreichend um eine Mittäterschaft festzustellen. Beide wurden freigesprochen.

Für Hardt, der eigentlich Ende August aus der Haft entlassen werden sollte, verlängert sich sein Haftaufenthalt um acht Monate, weil ihm aufgrund der Verfahrensdauer vier Monate angerechnet werden. Nils Hollm beteuert weiterhin seinen Ausstieg und Peter Borchert, der bereits Mitte April aus der JVA Lübeck entlassen wurde, hat bereits seine Bandido-Kutte entstaubt. Diese unterlag allerdings einigen Änderungen. Aufgrund des Verbots der MC Bandidos Neumünster, posiert Borchert in einer Kutte des dänischen Ablegers in Padborg im Internet.

Begleitet wurde der Prozess von mehreren Zuhörern aus der Neonazis-Szene, sowie von Mitgliedern der Rockergruppierungen „Bandidos“ und deren Unterstützer „Chicanos“.

Peter Borchert kurz nach seiner Haftentlassung im April 2015

Quelle: Facebook


www.enoughisenough.eu

Neues von den schleswig-holsteinischen B&H-Strukturen

Bereits mehrfach berichteten wir über die „Blood and Honour“-Strukturen aus dem nördlichen Ostholstein. Aufbauend auf einen Überblick über die Zusammenhänge und einem Artikel zu grenzüberschreitender Beziehungspflege rund um das „Blood and Honour“-Netzwerk, die NPD und den NSU, wollen wir an dieser Stelle einige aktuelle Informationen über die Protagonist_innen und ihr Umfeld darstellen. Bei der Lektüre sollte auch stets im Hinterkopf behalten werden, dass „Blood and Honour“ in Deutschland seit dem Jahr 2000 verboten ist und die Behörden scheinbar als einzige die Fortführung der verbotenen Strukturen nicht sehen wollen, obwohl der Fortbestand der alten Netzwerke oft nicht einmal kaschiert wird.

Insgesamt lief das Jahr 2014 für den aktiven Kern der schleswig-holsteinischen Rechtsrockszene eher schlecht. Verurteilungen, Motivationsverlust und Intrigen schienen vor allem ein Bedürfnis gestärkt zu haben: Statt brotlosem Idealismus für die neonazistische „Sache“ soll endlich auch etwas verdient werden. Wo die neonazistischen Netzwerke dabei nützlich sind, werden sie weiterhin gern genutzt, wo nicht, wird auch auf profanere Geschäfte zurückgegriffen.

Motivationsverlust und ein bisschen Verrat bei „Words of Anger“
Als musikalisch beste Band galt die ostholsteinische Combo „Words of Anger“ noch nie. Aber in einer Szene, in der Konzerte konspirativ organisiert sind, Anhänger_innen oft weite Strecken fahren, ohne zu wissen, ob sie überhaupt ein einziges Lied hören werden und Produktion und Vertrieb von Alben und Merchandising zum Teil fernab der öffentlichen Wahrnehmung stattfindet, kann Motivation und gute Vernetzung das ersetzen, was musikalisch fehlt. In diesem Sinne war „Words of Anger“ in den letzten Jahren im europäischen Rechtsrock relativ erfolgreich. Nicht als der große Publikumsmagnet, aber als solide Ergänzung nahm die Band an vielen kleineren und größeren Veranstaltungen teil, vor allem das „Blood and Honour“-Netzwerk und die NPD griffen des öfteren auf die reisefreudigen Musiker aus der norddeutschen Provinz zurück. Durch ihr verzweigtes personelles Netzwerk aus dem Umfeld von „Blood and Honour“ und Rockergruppierungen knüpften sie Kontakte und sind inzwischen an anderen Bandprojekten beteiligt. Marco Eckert spielt nebenbei auch bei „Oidoxie“, eine der tonangebenden Bands des deutschen Ablegers von „Combat 18“, dem militanten Arm von “Blood and Honour” und, zusammen mit Daniel Tamm, ist er Mitglied von „Sturmwehr“.

Allerdings ist der vermeintliche Erfolg teuer erkauft. Die Bands und Liedermacher_innen der Zweiten Garde des Rechtsrocks, wie „Words of Anger“, fahren für Auftritte und Aufnahmen durch ganz Europa und bekommen wenig Geld dafür. Teilweise ist nicht einmal Geld für Benzin vorhanden, obwohl die Versände und Veranstalter_innen mit dem braunen Musikspektakel durchaus einträgliche Geschäfte machen. Während das lange Zeit als Zugeständnis an die „Sache“, nämlich den Kampf für den Nationalsozialismus, akzeptiert wurde, geht der Truppe um Marco Eckert zunehmend die Motivation aus. Wenn Veranstaltungsorte wie im November 2013 mal eben vom Ruhrgebiet um 400 Kilometer nach Süden ins badische Söllingen verlegt werden, bleibt man lieber gleich in heimischen Gefilden. Daran konnte auch der Anlass, nämlich der Geburtstag des neonazistischen Hooligans Siegfried Borchardt (Dortmund) nichts ändern.

Abhilfe könnten international etablierte Veranstalter_innen schaffen, bei denen die Räumlichkeiten der Konzerte meist besser abgesichert sind und abgesprochene Gagen eingehalten werden können. Der Auftritt am 5. April 2014 bei „Blood [&] Honour UK“ war solch einer, genauso wie das „In.Bewegung“ am 9. August 2014 im thüringischen Sondershausen. Die Deklarierung als politische Kundgebung der NPD dürfte zwar nicht allen im subkulturellen Neonazi-Milieu gefallen, aber verspricht sie doch eine gewisse rechtliche Absicherung. Allerdings wurde daraus nichts, denn Tino Engelmann, bis dahin Schlagzeuger von “Words of Anger“, gab kurz vor der Veranstaltung seinen Austritt aus der Band bekannt. Schnell machten Gerüchte über Verrat die Runde. Tino Engelmann habe die Seite gewechselt, hieß es in der Szene. Daraufhin beeilte sich die Band, ihren Ruf zu retten, indem sie versuchte den Ausstieg als ganz normalen und sich seit längerem abzeichnenden Prozess darzustellen. Auch sei Engelmann mit den übrigen Mitgliedern der Band weiterhin freundschaftlich verbunden. Nur geglaubt haben dürfte diese Geschichte einer einvernehmlichen Trennung, kurz vor einem der wichtigsten Auftritte des Jahres, niemand. Auch die Ankündigung, vorerst keine Konzerte mehr zu spielen, wird die Gerüchte nicht verstummen lassen. Nachdem es schon um die befreundete Band „Timebomb“ merklich ruhiger geworden ist, liegt der aktivste Teil der ostholsteinischen Rechtsrockszene bis auf weiteres brach.

Während sich Tino Engelmann in der Rechtsrockszene um neue Projekte bemüht, fiel die Wahl seines Nachfolgers bei „Words of Anger“ ebenfalls auf einen Neonazi aus Ostholstein: Niclas Bruhse. Bruhse, bisher vor allem als rechter Fan des Hamburger SV und im subkulturellen Umfeld der lokalen Neonaziszene aufgefallen, soll sich in den nächsten Monaten mit der Band einspielen. Neben seinem Dasein als Neonazi ist Bruhse lokal vor allem als Amateurfussballer bekannt. Früher spielte er beim SV Hansühn, wo auch der HSV-Fanclub „High Sun“, zu dessen Umfeld er gehört, beheimatet ist, aktuell kickt er für den TSV Schönwalde.

Doch momentan beschäftigen Marco Eckert andere Dinge. Während andere Neonazis mit guten Kontakten zu Rechtsrock und organisierter Kriminalität finanziell lukrative Netzwerke bilden, beschwert sich Eckert über die Doppelbelastung aus normalem Beruf und neonazistischen Musikwelten. Einige „Blood and Honour“-Kader wie Oliver Malina („Honour [&] Pride“) und insbesondere die im Vergleich zu „Blood and Honour“ elitäreren „Hammerskins“ wie Sven Krüger („Hammerskin Chapter Nordmark“) nutzen die verzweigten Netzwerke, die ihre Machtbereiche in der Szene und zugehörige Einnahmen sichern. Ihnen nacheifernd versucht Eckert aktuell seine Verbindungen innerhalb von „Blood and Honour“, aber auch über „Sturmwehr“ zu den „Hammerskins“, zu nutzen, um den neuen „Sturm18“-Versand für rechte Musik und Bekleidung aufzubauen. Dieser Versuch, endlich Kasse mit dem Hobby zu machen, scheint auf den ersten Blick folgerichtig. Durch die jahrelangen Auftritte und über Jugendfreunde wie Alexander Hardt und Lars Bergeest verfügt Eckert über Kontakte zu vielen relevanten Akteuren der rechten Szene und zur organisierten Kriminalität. Der Name „Sturm18“ des offiziell auf Yvonne Eckert und Christian Möring laufenden Versandhandels ist als Zweitname von „Sturmwehr“ schon weithin bekannt und rund um seinen Wohnort Grube stehen den Neonazis helfende Hände und Lagerräume für die Logistik zur Verfügung. Nur sind manchmal auch in der Neonaziszene Kontakte und Engagement nicht alles. Die Skepsis, ob Marco Eckert in der Lage ist, einen erfolgreichen Versand zu führen, bestätigte sich gleich in den ersten Wochen. Der Onlineshop war fast durchgehend nicht erreichbar, da die Neonazis mit der Technik nicht zurecht kamen.

Billard statt braune Musik bei Lars Bergeest

Lars Bergeest wählte im Vergleich zu seinen langjährigen Weggefährt_innen einen eher profaneren Weg, den Lebensunterhalt zu bestreiten. Nachdem er lange Zeit in Dänemark wohnte und in Skandinavien zu einer gut vernetzten Figur der rechten Szene wurde, versuchte er sich danach mit Alexander Hardt im Vertrieb von Einbruchswerkzeugen. Als es im Nachgang einer Veröffentlichung von uns im Januar 2013 medialen Wirbel um seine Geschäfte rund um die Neonaziszene und den „Bandidos MC“ gab, trat Bergeest als Geschäftsführer des gemeinsamen Geschäfts ab und vermied vorerst die große Öffentlichkeit. Seit einigen Monaten nun betreibt er den “Norddeutschen Billardservice”, einen Vertrieb für Billard-, Dart- und Kickerbedarf. Das Geschäft hat seinen Sitz in Cismar, in der Nähe von Lars Bergeests Elternhaus.

Gerüchte und Gefängnis bei Alexander Hardt
Alexander Hardt, Jugendfreund von Eckert und Bergeest und Betreiber des Kieler Neonazi-Geschäfts „PLS-Werkzeuge“, ist aktuell inhaftiert. Er wurde bezüglich diverser Anklagepunkte für schuldig befunden und hat weitere noch offene Verfahren, sodass sich die ursprüngliche Haftstrafe noch deutlich erhöhen könnte.
Doch das ist beileibe nicht das einzige Problem von Hardt. In der Kieler und Neumünsteraner Unterwelt halten sich seit Monaten hartnäckig Gerüchte, dass er kein „Bandido“ mehr sei, da er Gelder des Clubs veruntreut habe. Für den Wahrheitsgehalt der Gerüchte spricht, dass Hardt seit geraumer Zeit keine Symboliken der „Bandidos“ mehr verwendet. Vollständig gebrochen mit dem alten Umfeld hat er allerdings nicht. Er fungiert weiterhin als Geschäftsführer von „PLS-Werkzeuge“, wo auch andere Personen aus der Mischszene zwischen Neonazis und Rockern arbeiten, wie der Kieler „Bandido Supporter“ Tobias Schulz.

In jedem Fall schwächt sich die Neonaziszene mit Affinität zu den „Bandidos“ aufgrund der Prozesse und Intrigen selbst. So ist mit Peter Borchert eine weitere führende Figur beider Szenen ebenfalls inhaftiert und das Konfliktpotential innerhalb der Szene bleibt hoch. Im aktuellen Verfahren gegen Hardt, Borchert und Nils Hollm weicht insbesondere letzterer von ungeschriebenen Regel ab, sich gegenüber Gerichten völlig unkooperativ zu verhalten. Überhaupt konnte das Verfahren um den Übergriff in der Kneipe „Titanic“ des Neonazis Horst Micheel nur geführt werden, weil „neue Aussagen“ vorliegen, sprich einer der beteiligten Rocker oder Neonazis gegen das Schweigegelübte verstossen hat.

http://quimera.noblogs.org/

Weitere faschistische Organisierungen in S-H aufgedeckt

Die schlechten Nachrichten für die Neonazi-Szene in Schleswig-Holstein reissen nicht ab: Antifaschistische Recherche-Gruppen veröffentlichten in den letzten Wochen mehrere Hintergrundartikel zum Zustand der hiesigen rechten Strukturen und verweisen auf direkte Verbindungen zwischen Neonazis und Rockergruppen.

Nachdem bereits im letzten Wahlkampf im Rahmen der Kampagne „DIY“ und auf Indymedia Linksunten viele Neonazis im Internet geoutet wurden, legt momentan die Kampagne „An die Substanz!“ weitere Strukuren der umtriebigen rechten Geschäftswelt aus Schleswig-Holstein offen. Durch Veröffentlichungen und Aktionen will die Kampagne „Nazis in die Pleite treiben“ und so Rückzugsraum und Finanzen der Szene angreifen.

In den letzten Tagen brachten zudem Veröffentlichungen der Recherche-Gruppen La Quimera und Enough is Enough weitere Nazi-Strukturen ins Licht der Öffentlichkeit. La Quimera veröffentlichte einen Artikel unter dem Titel „Rechtsrock in Schleswig-Holstein: “Blood and Honour” bei der Dorffeuerwehr“ in dem über Personen und (bundesweite) Verbindungen von Neonazis aus dem Ostholsteiner Raum in die Rechtsrock-Szene berichtet wird.
Die Enough is Enough berichtet derweil über die nach wie vor bestehenden Verbindungen zwischen Bandidos und Nazi-Szene sowie über das Phänomen der so genannten „Bruderschaften“, in denen sich Neonazis auch in Schleswig-Holstein, namentlich in der „Brigade 8“, nach dem Vorbild von Rockergruppen organisieren.

Die somit mal wieder öffentlich gewordenen Verbindungen von militanten Rechtsrockstrukturen, Rockerclubs und rechten Geschäftswelten belegen, dass sich abseits der momentan schwachen öffentlich-politischen Strukturen wie NPD und Freien Kameradschaften/Aktionsgruppen eine vitale Szene von aktiven Neonazis und UnterstützerInnen in Schleswig-Holstein etablieren konnte, die bisher auch seitens antifaschistischer Initiativen zu wenig beachtet wurde.

Von Neonazis betriebenes Ladengeschäft „PLS-Werkzeuge“ in Kiel-Gaarden sorgt für Aufsehen

In den vergangenen Wochen wurde bekannt, dass Anfang Dezember 2012 am Vinetaplatz in Kiel-Gaarden von bekannten schleswig-holsteinischen Neonazis das Geschäft „PLS-Werkzeuge“ eröffnet wurde. Neben dem Neumünsteraner Neonazi und seit einiger Zeit als Mitglied der Rocker-Gang „Bandidos“ auftretenden Alexander Hardt und dem im Umfeld des internationalen Neonazi-Netzwerkes „Blood and Honour“ agierenden Ostholsteiner Lars Bergeest, scheint auch Peter Borchert in das Geschäft verwickelt zu sein – einstige langjährige Führungspersonalie der landesweiten Neonaziszene, mittlerweile ebenfalls „Bandidos“-Mitglied und zur Zeit noch wegen mehrerer schwerer Gewalttaten in Lübeck inhaftiert.
Nachdem das antifaschistische Rechercheportal „La Quimera“ Mitte Januar ausführlich die braunen Hintergründe von „PLS-Werkzeuge“ aufgedeckt hatte, ist in dieser Woche nun auch die Lokalpresse auf den zunächst unscheinbaren Neonazi-Laden, über den vor allem Einbruchswerkzeuge vertrieben werden, aufmerksam geworden. So berichteten die Kieler Nachrichten in ihrer online-Ausgabe vom 22.1.2013 nicht nur über dessen Existenz, nur zwei Tage später war gestern an selber Stelle von einem Angriff auf das Geschäft zu lesen: In der Nacht zum 24.1.2013 sollen demnach mit einem Weckglas eine Scheibe zerstört und die Fassade mit grüner Farbe besudelt worden sein.

Dies, aber vor allem die Erfahrung der letzten Jahre, dass Neonazi-Umtriebe im Stadtteil Gaarden mit Widerstand zu rechnen haben, lässt die öffentlich vertretene Sorge im Landesamt für Verfassungsschutz, „dieses Geschäft“ begründe „die Gefahr der Konfrontation mit der örtlichen linken Szene in dem multikulturellen Stadtteil“, ausnahmsweise als realistische Einschätzung erscheinen. Kieler Antifaschist_innen sollten in nächster Zukunft wachsam sein, das Ladengeschäft im Auge behalten, regelmäßig nach Ankündigungen Ausschau halten und Andere informieren.

Wer schoss 2010 auf die Alte Meierei?

Kronzeuge im Kieler „Hells Angels“-Verfahren behauptet, NSU hätte Waffen in Kiel gekauft und die Schüsse auf die Alte Meierei in Auftrag gegeben.

Mehrere Medien, u.a der Norddeutsche Rundfunk, berichten, dass der Kronzeuge im Kieler „Hells Angels“-Verfahren, Steffen R., behauptet hat, die Neonazis des NSU („Nationalsozialistischer Untergrund“) hätten mehrere Waffen in Kiel gekauft und die Schüsse auf die Alte Meierei in der Nacht zum 20. Januar 2010 in Auftrag gegeben. Diese sollen demnach von zwei damaligen Aktiven der neonazistischen „Aktionsgruppe Kiel“, Daniel Z. und Michel S. auf Geheiß von Uwe Mundlos und Beate Zschäpe abgegeben worden sein.
Die Kieler Staatsanwaltschaft und die Bundesanwaltschaft halten diese Aussage für unglaubwürdig, da R. bereits mehrere Falschaussagen gemacht habe. Trotzdem gilt er als Hauptbelastungszeuge im aktuellen Verfahren gegen die Kieler „Hells Angels“. Kieler AntifaschistInnen halten diese Geschichte zwar nicht gänzlich für ausgeschlossen, dennoch für äußerst unwahrscheinlich. Sowohl das Ziel des Anschlags, als auch eine aktionistische Kooperation mit offen auftretenden lokalen Neonazistrukturen entsprechen nicht der bisher bekannt gewordenen Praxis des NSU. Fakt ist aber, dass bis heute nicht aufgeklärt wurde, wer damals die zwei Schüsse auf die beleuchteten Fenster der Alten Meierei abgegeben hat.
Eine mögliche Urheberschaft der Schüsse in der Neonazi-Szene war von den Betroffenen und antifaschistischen Initiativen allerdings immer in Betracht gezogen worden. Im Aufruf zur antifaschistischen Meierei-Demo vom Frühjahr 2010 hieß es: „Die Schüsse auf die Alte Meierei sind […] nicht vom heiteren Himmel gefallen. Dass Neonazis immer wieder durch den Gebrauch von Schusswaffen und Morden an ihren GegnerInnen und Menschen, die nicht in ihr Weltbild passen, auffallen, ist weder in der BRD noch anderswo etwas Neues. Es ist nicht überraschend, dass auch die lokale Neonaziszene Zugang zu Schusswaffen hat: Nachweisliche Verwicklungen von schleswig-holsteinischen Neonazis, die teils in Verbindung zur Kieler Naziszene stehen, in den Waffenhandel sind bekannt. Und nicht zuletzt zielt die nationalsozialistische Ideologie programmatisch auf die rassistisch und antisemitisch motivierte Vernichtung und der gewaltsamen Unterdrückung von Menschen ab„. Nach den Schüssen demonstrierten am 13. März 2010 etwa 1300 AntifaschistInnen in Solidarität mit der Alten Meierei und allen Betroffenen faschistischer Gewalt in Kiel.
>> Video des NDR, 9.10.12: http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/schleswig-holstein_1800/media/shmag18093.html
Presse:
>> Kontakte zu NSU-Terroristen. War Rocker-Zeuge ein V-Mann? (kn-online.de, 5.10.12)
>> Kronzeuge gegen Hells Angels. Die unglaubliche Geschichte (spiegel.de, 8.10.12)
>> Ermittlungen zu NSU und Hells Angels. Phantastischer Zeuge (süddeutsche.de, 8.10.12)
>> Ex-Rocker vor Gericht. Spitzel, Lügner, Kronzeuge (shz.de, 9.10.12)
http://www.antifa-kiel.org/http://www.neu.antifa-kiel.org/wp-content/uploads/import/ynwa/Bilder/demo-front-1-s.jpg

Auch Kieler NPD-Ratsherr Gutsche Ziel von Razzia gegen „Hells Angels“

Im Rahmen der großangelegten Razzia gegen die „Hells Angels“ bekam am 24.5.2012 auch der Kieler NPD-Ratsherr Hermann Gutsche ungebetenen Besuch von der Polizei. Hintergrund ist dessen mutmaßliche Verwicklung in Waffengeschäfte.

Laut einem Bericht der Kieler Nachrichten drang die Polizei zeitgleich zu den Razzien in der norddeutschen Rocker-Szene auch in die Kellerwohnung der Kieler NPD-Führungsperson in der Königstraße 22 in Kiel-Holtenau ein. Vermutet wird „eine Verbindung zwischen Hells Angels und rechter Szene in Bezug auf Waffenhandel“. Laut Eigenangaben Hermann Gutsches soll der rechtliche Hintergrund der Durchsuchung Verstöße gegen das Waffengesetz und das Kriegswaffenkontrollgesetz sein. Dem vor vier Jahren ins Kieler Rathaus gewählte Mitglied des NPD-Landesvorstandes wird demnach vorgeworfen, zwei Pistolen, zwei AK47-Maschinengewehre sowie Munition erworben zu haben.
Welche genaue Zielsetzung und welches Ausmaß die mutmaßliche Verwicklung Hermann Gutsches und möglicherweise weiterer schleswig-holsteinischer Neonazis in den Waffenhandel hat, sollten Antifaschist_innen in nächster Zukunft weiter genauestens im Auge behalten. Denn dass Neonazis Waffengeschäfte betreiben, ist leider auch im Norden kein neues Phänomen. Prominentes Beispiel hierfür ist die 2004 erfolgte Verurteilung des einstigen NPD-Landesvorsitzenden Peter Borchert wegen 16fachen Waffenhandels zu einer mehrjährigen Haftstrafe.
Dass deutsche Neonazis zudem bereit sind, diese Waffen auch zu benutzen, hat zuletzt die grausame rassistische Mordserie des selbsttitulierten und durch staatliche Behörden hofierten Nationalsozialistischen Untergrund an mindestens zehn Menschen unter Beweis gestellt.

(Hermann Gutsche bei einem NPD-Infotisch am 26.2.2011 in Bad Schwartau)

(Mehrparteienwohnhaus mit Hermann Gutsches Kellerloch in der Königstr. 22 in Kiel-Holtenau)

Hauptquartier dänischer Faschisten bei Flensburg enttarnt

projektantifa.dk // Übersetzung von singuia Die faschistische Organisation Danish Defence League war in der letzten Zeit auf dem Vormarsch und versucht sich im Land verteilt zu etablieren. Jetzt können wir den wichtigsten Sammelpunkt für Aktivitäten der DDL enttarnen: Das neue Hauptquartier der Organisation in Bov bei Pattburg (knapp 2 km nördlich der Grenze bei Flensburg).

Am Freitagabend (18.05.12) hielt die Danish Defence League (DDL) wieder ein Fest für Mitglieder und Sympathisanten aus dem ganzen Land ab. Dies fand statt in dem neuen nordschleswiger Klubhaus, welches im Dorf Bov, zwei Kilometer ausserhalb von Pattburg liegt.
Vor dem Fest am Freitag, führte eine Gruppe von 40 DDL-Mitgliedern und anderen Faschisten gegen 19 Uhr eine Kundgebung am islamischen Kulturhaus im Krudthusvej in Horsens durch. Ein massives Polizeiaufgebot hinderte die Faschisten jedoch daran direkt zum Kulturhaus zu kommen, und ihnen wurde von der Südostjütländischen Polizei stattdessen ein naheliegender Parkplatz zugewiesen. Nach einer kurzen Versammlung, setzte sich der Hauptteil in ihre Autos und fuhr Richtung Süden nach Bov, wo sie etwa gegen 21:30 ankamen.
An der Demonstration nahmen auch Mitglieder der Danmarks Nationale Front sowie eine Delegation von White Pride, unter anderem Andreas Holmenlund Snedker, der vor kurzem wegen Gewalttaten verurteilt wurde.

Das Klubhaus

Das DDL-Fest des Abends ging im nordschleswiger DDL Klubhaus von statten, welches nur einen Steinwurf entfernt von der deutsch-dänischen Grenze bei Flensburg an der Adresse Hærvejen 13A liegt. Das Klubhaus hat bereits mehr als ein halbes Jahr Treffpunkt für DDL Aktivitäten in Nordschleswig funktioniert. Unter anderem hat das Haus den Rahmen geboten für eine Reihe Feiern und DDL-Treffen, z.b. einem multieuropäischen Fest mit Teilnahme der English Defence League (EDL) und einer Reihe anderer europäischer Defence Leagues, im Anschluss zur der EDL-Demonstration in Aarhus (DK) am 31. März diesen Jahres.
Das Klubhaus ist ein 279 Quadratmeter großes Scheunen- und Stallgebäude, welches zusammen mit dem Rest der Gebäude des Komplexes und dem gut 3000 Quadratmeter großen Grundstück seit September 2003 im Besitz einer Person mit Namen Søren Lehmann ist. Die Kerngruppe, die das Klubhaus im Alltag für Feste und soziale Veranstaltungen nutzt, ist der Freundeskreis um die Hauptpersonen der Danish Defence League Abteilung Sønderjylland.

DDL Sønderjylland

Danish Defence League Divison Sønderjylland ist der offizielle Name der Abteilung. Sie besteht aus einer Gruppe von etwa zehn Personen und wird vom Vorsitzenden der DDL geleitet, der für Gewalttaten verurteilte Kasper Mortensen, welcher auch tovholder des Klubhauses im Hærvejen in Bov.
DDL Sønderjylland ist klar die größte und aktivste der DDL Abteilungen, und macht auch den Hauptkern von Aktivisten aus, die an den Happenings und Demonstrationen der Organisation teilnehmen. Obwohl die Südjütländische Abteilung der DDL hauptsächlich aus Personen besteht, die nicht zuvor in anderen faschistischen Bewegungen in Dänemark in Erscheinung getreten sind, haben sie doch Verbindungen zu früheren Mitgliedern der Dansk Front, Personen aus der Nazipartei DNSB (Dänemarks Nationalsozialistische Bewegung) und der nazistischen Hooligangruppe White Pride. Im inneren des Klubhauses hängt auch Propaganda sowohl von der Dansk Front, Danmarks Nationale Front und dem politischen Zweig von White Pride, der Vereinigung Vederfølner aus Aarhus.
Kasper Mortensen hat darüber hinaus enge Verbindungen zu Abteilungen der Devils Choice im Umland (einer Support Gruppe der Hells Angels), so wie auch andere Mitglieder der DDL Sønderjylland nähere Verbindungen zu den Hells Angels haben.

Breivik-Sympathisanten

Kasper Mortensen trat am 28. April diesen Jahres im Ekstra Bladet (Extra Blatt) auf, wo er sich bemerkt machte indem er seine rassistischen Haltungen offenbarte, und besonders seine Sympathien für die politischen Haltungen des faschistischen Terroristen und Massenmörders Anders Behring Breivik äußerte. Gegenüber dem Ekstra Bladet verkündete Kasper Mortensen u.A., dass Breiviks „Ideologie an unsere Erinnert“, aber das er nichts mit DDL zu tun hätte. Kasper Mortensen zufolge war Breiviks Mord an 77 Menschen letzten Sommer, das Werk eines Verrückten Mannes, aber anscheinend nicht so verrückt, als dass ein DDL-Vorsitzender einig mit Breivik in seiner Ideologie ist: „Grundsätzlich hat er Recht. Es gibt nichts zu kritisieren an dem was er sagt. Er weiß, worum das Ganze geht.“ (Anmerkung: Die Übersetzung dieses Zitates ist nicht ganz präzise)
Auf Fotos aus dem letzten Jahr, trat die DDL Sønderjylland maskiert und mit Keulen bewaffnet auf. Kasper Mortensen wurde selbst drei Mal für schwere Gewalttaten verurteilt. Vor kurzem wurde er zu sechs Monaten Gefängnis verurteilt, nachdem er einen Türsteher in Apenrade (DK) mit einem Elektroschocker überfallen hatte.

DDL – eine faschistische Straßenbewegung

Während Kasper Mortensen als offiziellen Erscheinungsbild nach aussen fungiert, ist der eigentliche Leiter der DDL der Kopenhagener Neonazi Philip Traulsen, der ebenfalls an der Kundgebung und dem nachfolgendem Fest am Freitagabend teilnahm. Traulsen hat eine Vergangenheit in der faschistischen Dansk Front sowie der neonazistischen Organisation Danmarks Nationale Front (DNF). Eben diese Verbindung zu Mitgliedern des Ex-gegangenen Nazinetzwerks ist wichtig für die DDL, da die Organisation dadurch Erfahrungen aus den Versuchen in letzten zehn Jahren eine Starke, landesweite faschistische Straßenbewegung aufzubauen beziehen kann.
Das Klubhaus in Bov ist ein wichtiger Teil der Strategie der DDL eine solche faschistische Straßenbewegung nach englischem Vorbild aufzubauen, da es als Treffpunkt und dient und den Rahmen bildet, für die Werbung neuer Mitglieder aus der lokalen Jugend durch soziale Veranstaltungen.
DDL ist, wie man bei ihrer Demonstration in Aarhus sehen konnte gewaltbereit, und in Kombination mit der antimuslimischen und rassistischen ideologischen Grundlage, Kontakten zu Personen aus militanten, neonazistischen Gruppen und einer klassischen, faschistischen Straßenstrategie bedeutet dies, das DDL eine Bedrohung auf Straßenebene für Alternative und Minderheiten, die nicht ins faschistische und antimuslimische Weltbild der Organisation passen. Der Versuch, am Freitagabend eine Straßen-Manifestation bei dem islamischen Kulturhaus in Horsens durchzuführen, ist ein gutes Beispiel für die Strategie der DDL sowie für das Selbstbild als faschistische Straßenbewegung. Das gleiche gilt für die Mobilisierung der DDL in Gullestrup (DK) letztes Jahr, wo die Organisation 30 gewaltbereite Faschisten in das kleine mittjütländische Dorf lockte in Verbindung mit einer Vergewaltigung, wo der Verdächtige somalischen Hintergrund hatte. Die Danish Defence League ist zurzeit die aktivste, faschistische Organisation auf Straßenebene in Dänemark.

Nicht das erste Mal

Südjütland hat bereits früher als Wohnort und für Aktivitäten von Faschisten gedient. Nachdem sie in Deutschland verboten wurde, ließ die deutsche Naziorganisation Nationalistische Front (NF) sich 1994 in einem Haus im Dorf Kværs nieder, welches knapp 19 Kilometer von Bov entfernt liegt. Hier errichtete die NF eine Druckerei, welche Nazipropaganda für Deutschland produzieren sollte. Es wurde den lokalen Bewohnern jedoch zu viel, die bereits im Vorfeld im Konflikt mit dem lokalen Nazi und früherem SS-Mann Thies Cristoffersen lagen. Eine große Demonstration, veranstalten von lokalen und der Antifaschistischen Aktion im September des gleichen Jahres setzte NF unter Druck, und kurze Zeit später stürmten Anwohner die Naziburg und jagten die Nazis aus Kværs. Als sie nur wenige Kilometer weiter nach Kollund zogen, wurde die NF durch lokale sowie Antifaschisten aus dem Rest des Landes endgültig aus Sønderjylland verjagt.
Mehr Glück hatte die dänische Nazipartei DNSB damit in der Mitte des letzten Jahrzents eine Reihe von Konzerten in der Grenzregion durchzuführen, welche ungestört von statten gehen konnten. Diese Veranstaltungen waren besonders an zureisende deutsche Neonazis gerichtet.
Original Artikel in Dänisch: http://projektantifa.dk/nyheder/article/fascistisk-hovedkvarter-i