Lübeck – zum hoffentlich letzten Mal…

Der Aufmarsch der Neonazis in Lübeck floppte mit gerade mal noch ca. 100 Teilnehmer_innen auf ganzer Linie, nach Plön verirrten sich im Anschluss gerade mal ca. 25 Nazis um den NPD-Landesvorsitzenden Jens Lütke, abgeschirmt von und vor ca. 300 spontan mobilisierten Gegendemonstrant_innen. Hier gibt es jetzt Fotos und einen NDR-Beitrag über den Streit um die Radio-Berichterstattung.
Einige Fotos gibt es auf der neugestalteten und aktualisierten Homepage von Recherche Nord. Welcome back! an dieser Stelle.
http://recherche-nord.com/gallery/2012.03.31.html
Das NDR Medienmagazin ZAPP! hat einen Beitrag und Interviews zum Streit über den Eingriff der Polizei in die Radio-Berichterstattung im Offenen Kanal gesendet. Peter Willers, der Leiter des „Offenen Kanals Schleswig-Holstein“, beschwert sich aufgrund der in der vorherigen Nacht offensichtlich aus Protest mit Kleber verschlossenen Türschlösser des OK, und nicht aufgrund der Intervention der Polizei, über einen „erheblichen Eingriff in die Rundfunkfreiheit“. Wir erinnern nochmals daran, dass das ein ähnlicher Vorfall bereits 2005 in der Nacht vor dem Naziaufmarsch am 29. Januar in Kiel stattfand, nur dass dort die Schlösser vom OK auf Weisung der Polizei selber ausgetauscht wurden und so die Berichterstattung über den Naziaufmarsch komplett verhindert wurde (Artikel auf heise.de). Auch das war ein erheblicher Eingriff in die Rundfunkfreiheit!
Den NDR-Beitrag gibt es hier zu sehen.
Pressemitteilung der Freie Radioinitiative Schleswig-Holstein im Vorfeld: http://www.antifa-kiel.org/index.php/news/items/luebeck-polizei-greift-schon-wieder-in-radioberichterstattung-ei.html
Artikel in der Jungle World: http://jungle-world.com/artikel/2012/13/45142.html

Lübeck: Polizei greift schon wieder in Radioberichterstattung ein

Wir dokumentieren eine Pressemitteilung der Freie Radioinitiative Schleswig-Holstein:

Zum Naziaufmarsch am 31. März in Lübeck will die Polizei den Offenen Kanal Lübeck zum eigenen Verlautbarungsorgan umfunktionieren

Der Offene Kanal Schleswig Holstein AöR (OKSH) unterläuft derzeit in infamer Art und Weise die bereits formell angemeldete und redaktionell vorbereitete Live-Berichterstattung, die Mitarbeiter_innen des Offenen Kanals Lübeck zum Naziaufmarsch und den antifaschistischen Gegenaktivitäten am 31. März 2012 planen. Der OKSH hat entschieden, dass zwei Polizisten an diesem Tag die Hälfte der angemeldeten Sendezeit für eigene Berichterstattung erhalten sollen. Der OKSH stellt sich dabei auf den Standpunkt der Beamten, sie würden als „Privatpersonen“ senden und daher keine Berichterstattung im Sinne der Polizei machen.
Dass Polizeibeamte in ihrer „Freizeit“ im Bürgerfunk über einen sehr heiklen Polizeieinsatz berichten sollen, wurde den Sendenden des Offenen Kanals Lübeck während eines Vorgesprächs durch Peter Willers, Leiter des OKSH, mitgeteilt. Die ursprünglich angemeldete Sendezeit soll demnach um 2 Stunden reduziert werden, die andere Hälfte der Berichterstattung soll von den zwei Polizisten bestritten werden. Zum Sendekonzept wurde während des Gesprächs erläutert, es sollten „Kolleginnen und Kollegen im Einsatz zu Wort kommen“, die Einsatzleitung der Polizei solle interviewt werden, außerdem sei vorgesehen, „Angehörige von im Einsatz befindlichen Polizisten“ live im Radio zu befragen.
„Der OKSH plant allen Ernstes, über den Offenen Kanal Lübeck eine unmittelbare Polizeiberichterstattung zu senden“, kritisiert die Freie Radioinitiative Schleswig-Holstein, ein Zusammenschluss von Radioaktivist_innen. „Anstatt die demokratische Aufgabe eines Offenen Kanals ernst zu nehmen, nach journalistischen Kriterien über politische Ereignisse zu berichten und dabei auch das Verhalten staatlicher Stellen kritisch zu beleuchten, soll die Berichterstattung am 31. März direkt in Polizeihand genommen werden.“ Dass die Polizei über ihren eigenen Einsatz im Radio berichten wolle, sei geradezu grotesk, so die Initiative. „Sollte die Polizei die Unabhängigkeit der Medien wirklich derart mit Füßen treten, wird dies ein politisches und juristisches Nachspiel haben.“
Das derzeitige Geschehen im OKSH hat eine längere Vorgeschichte: Im Januar 2005, als in Kiel ein Naziaufmarsch stattfinden sollte und der Offene Kanal Kiel dazu eine Live-Berichterstattung plante, ließ die dortige Leitung auf Weisung der Polizei über Nacht die Schlösser zu den Sende- und Redaktionsräumen auswechseln. Die Redaktion stand am nächsten Morgen vor verschlossenen Türen, die Berichterstattung konnte nicht stattfinden.
Als im März vergangenen Jahres Nazis in Lübeck aufmarschierten, rief die Polizei bereits vor dem eigentlichen Sendetag zwei Mal im Offenen Kanal an und gab dabei Hinweise, wie die Berichterstattung abzulaufen habe. Am Tag der Sendung versuchte die Polizeipressestelle „auf Anordnung des Leiters der Befehlsstelle“ bei der Leitung des Offenen Kanals zu erreichen, dass die „eskalative Berichterstattung“ umgehend beendet würde. Generös live auf Sendung genommen, führte ein Polizeisprecher zur Begründung an, von den Sendenden sei eine falsche Anzahl der im Einsatz befindlichen Wasserwerfer veröffentlicht worden. Er selber wollte allerdings keine richtige Anzahl nennen. Auf zwei Berichterstatter_innen wurde an diesem Tag außerdem eine CS-Reizgasgranate abgefeuert, woraufhin sie beide zu Boden gingen.
„Dass Medien eine demokratische Kontrollinstanz sind und sein sollen, um Legislative, Judikative und Exekutive kritisch zu hinterfragen, scheint die politisch Verantwortlichen in Lübeck und Kiel nicht zu interessieren“, so die Freie Radioinitiative Schleswig-Holstein. „Der unverfrorene Versuch, einen staatlichen Verlautbarungsrundfunk durchzudrücken, verstößt klar gegen das Grundgesetz. Wir können den Verantwortlichen nur raten, noch einmal in ihrer Behördenbibliothek das Stichwort ‘Staatsferne des Rundfunks‘ nachzuschlagen.“
Freie Radioinitiative Schleswig-Holstein
Lübeck-Kiel, 07. März 2012