Am vergangenen Donnerstag und am Wochenende fanden mehrere öffentliche Aktionen von FaschistInnen in Schleswig-Holstein statt. Neben einer kleinen Kundgebung der NPD in Kiel, einem NPD-Infostand in Nortorf und einer DVU-Miniaktion in Lauenburg gab es auch eine größere Nazi-Aktion in Bargteheide nahe Hamburg, an der vor allem schleswig-holsteinische und hamburger Neonazis aus dem Spektrum der so genannten „autonomen Nationalisten“ teilnahmen.
Bereits am Donnerstagabend, 17. Juni kam es in Kiel zu einer Kundgebung von ungefähr 15 Neonazis aus dem Kreis der lokalen NPD und „Aktionsgruppe Kiel“. Die Neonazis tauchten gegen 19 Uhr in der Holstenstraße auf, hielten eine stationäre Kundgebung ab und verschwanden gegen 20 Uhr wieder in ihren Autos. Thema der Kundgebung neben beliebiger Nazi-Propaganda war der 17. Juni 1953 – dem Tag des ArbeiterInnenaufstands in der damaligen DDR. Während ihrer Aktion zogen sie den Unmut vieler Passant_innen auf sich und mit der Zeit trafen auch immer mehr Antifaschist_innen in der Innenstadt ein, zu nennenswerten Störungen der Nazi-Aktion kam es aber leider nicht mehr.
Am Samstag, 19. Juni, kam es dann zu drei weiteren faschistischen Aktionen in Schleswig-Holstein: In Bargteheide plante die Neonazigruppierung „NaSo Stormarn“ einen Aufmarsch durchzuführen. Für diese Aktion mobilisierten die Nazis landesweit aber nicht öffentlich. Gegen 12 Uhr versammelten sich ca. 50 Neonazis am Bahnhof in Bargteheide, welche aus allen Teilen des Landes und aus Hamburg kamen, um von dort aus zum Marktplatz zu gehen. Kieler Neonazis der „Aktionsgruppe Kiel“, darunter Daniel Zöllner und Thomas Breit, waren hier genauso anwesend wie der Hamburger Neonazi Christian Worch, welcher später noch auf der DVU-Kundgebung in Lauenburg sprach. Die Neonazis hielten eine Kundgebung auf dem Marktplatz ab, ihre Selbstdarstellung war martialisch, viele waren schwarz gekleidet, mit Knüppeln bewaffnet und teilweise vermummt. Die ganze Aktion war angemeldet, wurde jedoch seitens der Polizei und der bürgerlichen Presse im Vorfeld konsequent verschwiegen. Trotzdem waren über 100 Nazigegner_innen in Bargteheide unterwegs. Örtliche Antifaschist_innen mobilisierten mit Flyern gegen die Kundgebung und die Nazis sahen sich immer wieder direkten Aktionen von autonomen Antifas ausgesetzt. Die Faschist_innen wurden mehrfach direkt, u.a. mit Flaschen und Steinen angegriffen, so dass ihr klandestin geplanter Auftritt wohl nicht zum gewünschten Erfolg werden konnte.
Angekündigt hingegen hatte sich die in Bedeutungslosigkeit versinkende DVU mit einer Kundgebung in Lauenburg. Doch auch hier wurden die diesmal nur mit lediglich 8 Teilnehmer_innen vertretenen Nazis gegen 15 Uhr von über 100 Nazigegner_innen empfangen. Die Kundgebung der DVU fand auf einem menschenleeren Platz statt, nur wenige Menschen dürften überhaupt etwas von dieser Aktion mitbekommen haben. Ähnlich sah es in Nortorf aus, wo ganze 6-10 Nazis aus Neumünster gegen 12 Uhr einen Infotisch der NPD aufbauten.
Nazi-Veranstaltung im Eckmann-Speicher
(Update 26.4.) Am Abend des 23. April 2010 fand im „Eckmann-Speicher“ am Kieler Hauptbahnhof eine Neonazi-Veranstaltung zum so genannten „Tag der deutschen Zukunft“ statt, an der zwischen 30 und 50 Neonazis aus Schleswig-Holstein und darüber hinaus teilnahmen. Der „Tag der deutschen Zukunft“ ist eine relativ neue Kampagne von Neonazis aus Norddeutschland, in deren Rahmen letztes Jahr erstmals in Pinneberg aufmarschiert wurde. Dieses Jahr soll der dazugehörige Naziaufmarsch in Hildesheim stattfinden.
Bereits am späten Nachmittag registrierten Kieler Antifaschist_innen Gruppen von Neonazis, die sich in der Innenstadt bewegten und zeitweise Flyer verteilten. Um kurz vor 18 Uhr sammelten sich ca. 20 Neonazis, die optisch allen gängigen Nazispektren und verschiedenen Altersklassen zuzuordnen waren, auf dem Exerzierplatz. Dieser Treffpunkt fungierte als Schleusungspunkt, von dem aus diese zum „Eckmann-Speicher“ weitergeleitet wurden, einem kleinen mietbaren Veranstaltungsort direkt an der Kieler Hörn in unmittelbarer Nähe zum Hauptbahnhof. Zwischenzeitig mussten die Nazis den Exerzierplatz mit quietschenden Reifen räumen, nachdem dort einige Antifaschist_innen erschienen waren.
Bis 20 Uhr sammelten sich zwischen 30 und 40 Neonazis im und an der Wasserseite vorm „Eckmann-Speicher“. Diese reisten aus ganz Schleswig-Holstein und darüber hinaus an. Neben bekannten Kielern wie dem „AG Kiel“-Nazi Daniel Gericke, waren Neonazis aus Nordfriesland, Lüneburg, Kreis Plön, Kreis Rendsburg-Eckernförde und Neumünster vor Ort.
Die Veranstaltung war eine Infoveranstaltung zum Naziaufmarsch am 05.06.2010 in Hildesheim. Dort wollen Nazis unter dem rassistischen Motto „Tag der deutschen Zukunft, unser Signal gegen Überfremdung“ aufmarschieren. Letztes Jahr fand dieser Naziaufmarsch in Pinneberg statt. Nach außen hin war das Szenario für Unwissende auf den ersten Blick schwer als Nazi-Veranstaltung zu erkennen, zumal das Gebäude ob seiner weiträumigen Umzäunung und kleinen Fenster relativ schwer einsehbar ist und sich nur selten größere Gruppen von Nazis vor dem Gebäude aufhielten. Ab 0.30 Uhr begann sich die Veranstaltung aufzulösen, gegen ca. 2 Uhr verließen die letzten Nazis und ihre Autos den Ort des Geschehens. Weitere Nazi-Aktivitäten im Umfeld der Veranstaltung sind derzeit nicht bekannt.
Als Redner auf der Veranstaltung traten NPD-Ratsherr Gutsche, „AG Kiel“-Kader Daniel Zöllner und der NPD-Landesvorsitzende Jens Lütke auf. Hauptredner war der bekannte niedersächsiche Nazi Dieter Riefling. Riefling ist ehemaliger Kader der verbotenen Organisation FAP und tritt bundesweit als Redner bei rechten Aufmärschen und Kundgebungen auf.
Unerfreulicherweise konnte die Nazi-Veranstaltung weitestgehend störungsfrei stattfinden, auch wenn durchgehend einige kleinere Gruppen Antifaschist_innen die Veranstaltung im Auge hatten. Größere Aktionen blieben jedoch aus. Den ganzen Abend über war eine recht große Dichte an Polizeistreifen und Zivis im Innenstadtbereich zu beobachten, es kam auch zu Personalienkontrollen. Zudem waren auch polizeiliche Kampfeinheiten einsatzbereit vor Ort.
Wieder einmal hat sich gezeigt, dass NPD und so genannte „autonome Nationalisten“ eng zusammenarbeiten. Dass ein paar Dutzend Neonazis mitten in Kiel eine weitestgehend störungsfreie Veranstaltung durchführen konnten, ist selbstredend nicht hinnehmbar, auch wenn die Nazis im Internet alleine diese Tatsache schon als „vollen Erfolg“ bezeichnen. Um einer Wiederholung eines solchen Ereignisses vorzubeugen, werden wieder entsprechend verstärkte antifaschistische Maßnahmen von Nöten sein.
Dieter Riefling
Redebeitrag über Neonazi-Strukturen in Schleswig-Holstein auf der antifaschistischen Meierei Demo am 13.3.10 in Kiel
Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Genossinnen und Genossen.
Wenn wir heute anlässlich der enrneuten, schwerwiegenden Nazi-Übergriffe auf linke Projekte in Kiel auf der Straße sind, lohnt es sich auch einmal mehr, einen Blick auf die Entwicklungen der Neonaziszene in Schleswig-Holstein zu werfen, denn aktiver Antifaschismus ist nur möglich, wenn wir ihre Strukturen und Akteure kennen – um Aufzuklären und zu Handeln.
Die heutigen Nazistrukturen sind ein Ausdruck eines allgemeinen Wandels innerhalb der schleswig-holsteinischen Naziszene. Die Strukturen des aus Ende der 1990ern hervorgegangenen Spektrums der „freien Kameradschaften“, welche Anfang des Jahrtausends die Führung in der schleswig-holsteinischen NPD übernehmen konnten, waren mit dem Versuch „Combat18“-Gruppen aufzubauen selbst für die deutschen Repressionsorgane zu weit gegangen. Wichtige Nazi-Aktivisten diese Spektrums – wie z.B. Peter Borchert – sahen sich mit Gefängnisaufenthalten konfrontiert, waren in in dessen Folge unter einander zerstritten und außerdem zumindest in der NPD politisch entmachtet worden.
Um 2005 war die schleswig-holsteinische Neonazisszene dominiert und geführt von einem sich eher spießbürgerlich gebenden NPD-Landesverband, der die Reste der offen gewalttätigen Kameradschaftsszene in sich integrieren und weitestgehend ruhig halten konnte. Darüber hinaus war nicht viel los. Öffentliche Auftritte von Nazis waren, das können wir zumindest für Kiel sagen, dementsprechend geprägt vom isolierten, regungslosen „Hinter-Bullenketten-Stehen“, umzingelt von wütenden AntifaschistInnen. In Anbetracht dessen wurden Versuche von Aufmärsche, Kundgebungen und Demos ob der wenig motivierenden Situation immer seltener. Mit Ausnahme des Wahlkampfauftaktes in Steinburg 2005 fand Nazigewalt selten am Rande von offiziellen Nazi-Veranstaltungen statt, sondern hauptsächlich in Verbindung mit Alkohol und abseits politischer Aktionen.
Vor etwa 2 Jahren änderte sich diese Tendenz in Schleswig-Holstein wieder: Die bundesweite Nazi-Trenderscheinung „Autonome Nationalisten“ erreichte auch den Norden und verbreitete sich in Kiel – wo dieser Prozess durch die Haftentlassung Peter Borcherts erheblich beschleunigt wurde – und nahezu im gesamten Bundesland. Selbsternannte „Aktionsgruppen“ sprossen wie Pilze aus dem Boden, mal als Internet-Phantom, oft aber auch begleitet von einem hohen, extrem gewaltfixierten Aktionismus. Bisherige Höhepunkte dessen waren z.B. die Angriffsserien auf linke bzw. alternative Läden in Kiel in den vergangenen 2 Jahren, der Brandanschlag auf das alternative Kulturzentrum T-Stube in Rendsburg letzten Sommer oder auch die verschieden Angriffen auf Antifas in Neumünster. Eine vollständige Aufzählung der Naziaktionen der letzten Jahre in Schleswig-Holstein würde hier den Rahmen sprengen.
Schwerpunkte dieser modernisierten Kameradschaftstrukturen mit Namen „Autonome Nationalisten“ haben sich seitdem vor allem in Kiel, im Kreis Steinburg, in Dithmarschen, aber auch in Neumünster oder in Rendsburg herausgebildet. Und diese sind untereinander vernetzt: Man fährt gemeinsam zu Nazidemonstrationen auch in andere Bundesländer, unterstützt sich gegenseitig bei eigenen Aktionen und betreibt ein gemeinsames Internetportal. Es sind z.B. auch mehrere Busse voller Nazis aus Schleswig-Holstein am 13. Februar 2010 zum erfreulicherweise verhinderten verhinderten Aufmarsch nach Dresden gefahren.
Auch im einzigen offen bestehenden Nazitreffpunkt in Schleswig-Holstein, dem Club 88 in Neumünster, hat die Wiederbelebung so genannter „freier“ Nazistrukturen Spuren hinterlassen: Aus dem erklärten Interesse dieser neuen Nazigeneration heraus, die Existenz eines ihrer bundesweit wenigen, ausdrücklich nationalsozialistischen Treffpunkte zu sichern und zu nutzen, scheint der Club 88 in den letzten 2 Jahren eine kleine Renaissance erlebt zu haben. Nicht nur dadurch, dass erstmalig wieder größere Veranstaltungen abseits der obligatorischen Geburtstagsfeiern stattfanden, sondern auch dass der Club88 wieder öfter als offene Infrastruktur für politische Tätigkeiten genutzt wurde.
In der Gesamtsituation gibt es allerdings im Unterschied zu früheren Jahren trotz der Erneuerung des offen neonazistischen und gewaltfixierten Spektrums keinen wahrnehmbaren Flügelkampf in der rechten Szene Schleswig-Holsteins. Im Gegenteil: Immer wieder wurde deutlich, dass „Aktionsgruppen“ und NPD, deren Mitglieder sich ohnehin überschneiden, eng miteinander kooperieren: Der insgesamt vergleichsweise spärliche Land- und Bundestagswahlkampf der NPD 2008 wäre ohne die Mithilfe der erlebnisorientierten Aktionsgruppen wohl noch dürftiger ausgefallen. Aktionsgruppen und NPDlerInnen hängten zusammen Plakate auf, verklebten Aufkleber und NPD-Vorzeigespießer Ingo Stawitz tuckerte einträchtig mit einer der Führungspersonen der „Aktionsgruppe Kiel“, Daniel Zöllner, in einem alten Wohnmobil durch Teile Schleswig-Holsteins und beschallte die Umwelt mit schlechten Reden.
Aber auch die „Aktionsgruppen“ durften wie schon bei den letztjährigen Kommunalwahlen wieder ihre eigene aktionistische Note mit in den Wahlkampf einbringen: In Kiel, vor allem im Stadtteil Wik, versuchten bewaffnete Neonazis die NPD-Nazipropaganda vor PlakatpflückerInnen zu beschützen, und im letzten September kam es zu einem brutalen Angriff auf eine Gruppe alternativer Jugendlicher in zeitlicher und räumlicher Nähe zu einer Anti-NPD-Wahlkampfparty in der Alten Meierei.
Dass es nun schon wieder zu zwei Angriffen auf linke Projekte in Kiel kam, nämlich auf den Buchladen Zapata und die Alte Meierei, von denen einer auch mit Schusswaffen durchgeführt wurde, ist Ausdruck einer qualitativen Verschärfung dieser allgemeinen Tendenz innerhalb der Naziszene. Diesen und allen anderen Betroffenen von Nazigewalt sprechen wir an dieser Stelle unsere ausdrückliche Solidarität aus!
Der derzeitige Zustand der schleswig-holsteinischen Nazisszene lässt sich also zusammenfassend als politisch nach wie vor an der NPD orientiert beschreiben, wobei die Partei auf die Unterstützung der oft jungen und motivierten „Aktionsgruppen“ angewiesen ist, sich aber auch auf diese verlassen kann. Im Gegenzug scheinen die zeitweisen Gewaltexzesse der Aktionsgruppen vom gemäßigteren Parteiflügel der NPD akzeptiert zu werden.
Eine kleine Erneuerung hat es mittlerweile auch wieder bei einer anderen rechten Partei gegeben: Die DVU, welche lange Zeit in Schleswig-Holstein und fast im ganzen Bundesgebiet nur auf dem Papier existierte, versucht seit kurzem mit neuen Leuten wie dem Ex-NPDler Kevin Stein in Nordfriesland und dem bundesweit bekannten Neonazi-Kader Christian Worch wieder aus der Versenkung hervorzutreten. Sie kündigt öffentliche Auftritte und Propagandaaktionen an. Erstes wahrnehmbares Zeichen hinter diesen Ankündigungen war eine Kundgebung in Husum vor einer Woche, der nun noch mehr folgen sollen. So will die DVU am 17. April in Plön eine Kundgebung abhalten, zu der wir natürlich eine entsprechende Antwort finden werden.
Wie auch immer: Die insgesamt erstarkte offen neonazistische Szene in Schleswig-Holstein, die das Fundament der gewalttätigen Aktionen gegen linke und alternative Einrichtungen und Menschen ist, macht eine offensive alltägliche antifaschistische Praxis und das Anliegen der heutigen Demonstration umso erforderlicher. Beim Kampf gegen die Nazis verlassen wir uns jedoch weder auf unregelmäßige Versuche die Nazi-Organisationen zu verbieten, noch stellen wir irgendwelche Forderungen an die Polizei oder andere staatliche Organe, weil wir wissen, dass in der Logik des Staates auch wir als linke AntifaschistInnen durch den Verfassungsschutz und seine Extremismustheorie zu Feinden erklärt werden.
Wir vertrauen auf das solidarische Zusammenstehen aller emanzipatorischen Menschen gegen die Nazis und wir nehmen die Sache selber in Hand:
Nazi-Aktionsgruppen, NPD, DVU und alle anderen rassistischen, nationalistischen und antisemitischen Banden zerschlagen!
Übernehmt Verantwortung: Organisiert die autonome Antifa!
YOU’LL NEVER WALK ALONE!
Solidarität mit der Alten Meierei und allen Betroffenen faschistischer Gewalt!
Nazistrukturen in Kiel und andernorts zerschlagen – linke Gegenkultur stärken!
Demonstration | 13.3.2010 | 14 Uhr | Bahnhofsvorplatz | Kiel
In der Nacht zum 20. Januar 2010 wurde das linke Kultur- und Wohnprojekt Alte Meierei in Kiel mit scharfer Munition beschossen. Mindestens zwei Schüsse wurden auf ein beleuchtetes Fenster des Wohnbereichs abgefeuert. Die Projektile durchschlugen das Fenster und trafen die Decke des Zimmers. Eine Person, die sich zeitgleich in dem Raum aufhielt blieb glücklicherweise unverletzt.
Was es bedeutet, wenn auf die Alte Meierei geschossen wird; welche Entwicklung von Angriffen auf linke und alternative Projekte in Kiel den Schüssen voraus ging; welche Faktoren in der Stadt und im politischen Mainstream diese Entwicklung begünstigt haben; warum wir trotz unbekannt gebliebener TäterInnen kaum Zweifel daran haben, dass die Urheberschaft in der Neonaziszene zu suchen ist und warum wir dazu aufrufen, sich offensiv solidarisch mit den NutzerInnen und BewohnerInnen der Alten Meierei sowie allen Betroffenen von faschistischer Gewalt zu erklären, wollen wir an dieser Stelle zum Thema machen.
Die Alte Meierei: Lokales Hassobjekt emanzipationsfeindlicher Unsympathen
Dass die Alte Meierei Ziel von Angriffen wird, ist nichts neues. Die Alte Meierei, aus den Kämpfen der HausbesetzerInnenbewegung der 1980er hervorgegangen, steht seit mittlerweile 26 Jahren für den Versuch, Gegenkonzepte zur herrschenden Gesellschaftsordnung zu entwickeln: Dies tut sie, indem sie institutionalisierten Hierarchien das Prinzip der Autonomie und der Selbstverwaltung entgegensetzt und den Anspruch hat, alltägliche Unterdrückung und Ausgrenzung mit einem Klima der Solidarität unter den NutzerInnen einzudämmen. Darüber hinaus ist die Meierei Infrastruktur sowie ein Ausgangsort außerparlamentarischer linker Politik in Kiel. In ihren Räumlichkeiten treffen und vernetzen sich politische AktivistInnen, hier haben unkonventionelle Subkulturen ein zu Hause und es finden Veranstaltungen statt, die die großen und kleinen Unerträglichkeiten bürgerlich-kapitalistischer Verhältnisse zum Thema machen.
Mit diesem Selbstverständnis findet die Meierei nicht nur viele FreundInnen in der Landeshauptstadt und kann sich auf ein relativ großes Umfeld von NutzerInnen und UnterstützerInnen stützen, sondern ist auch immer wieder Versuchen ausgesetzt, ihre lebendige und von der Norm abweichende Kultur zu zerstören. Diese kamen einerseits von ordnungsfanatischen städtischen Behörden und reaktionären Regierungen im Rathaus der Stadt Kiel. Ihr Höhepunkt war ein unter dem Vorwand von Brandschutzforderungen durch die damalige schwarz-grüne Koalition verhängtes, fast einjähriges Veranstaltungsverbot in den Jahren 2005/06, welches erst durch eine groß angelegte Solidaritätskampagne abgewehrt werden konnte. Andererseits ist die Alte Meierei seit ihrer Existenz auch immer wieder mit ganz direkten, offen gewalttätigen Angriffen konfrontiert, die auf das Konto von Neonazis gehen. Diese verachten nicht zuletzt deshalb die Meierei, weil sie wissen, dass sie wichtiger Teil und Symbol der antifaschistischen Bewegung Kiels ist, welche seit Jahren dafür sorgt, dass die Versuche der Nazis in der Stadt Fuß zu fassen mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sind.
Seien es sich vor der Alten Meierei zusammen rottende Nazihorden Anfang der 1990er, seien es eingeschlagene Scheiben 2005, seien es der glücklicherweise nicht gezündete Brandsatz, Combat18 -Parolen und Aufmarschversuche gegen die Wiedereröffnung 2006 oder der Überfall auf vermeintliche BesucherInnen einer Antifa-Party im vergangenen Jahr: Den Schüssen vom 20.1. gingen eine Vielzahl Versuche von Neonazis voraus, die BewohnerInnen und NutzerInnen der Alten Meierei einzuschüchtern, zu bedrohen und zu gefährden, mit dem Ziel, deren offen nach außen getragenes antifaschistisches und linkes Selbstverständnis zu bekämpfen.
Wir sehen die Schüsse in diesem Zusammenhang in Anbetracht der Inkaufnahme der unmittelbaren Tötung von Menschen als eine andere, weitere Stufe der Eskalation von Angriffen auf die Alte Meierei.
Die Schüsse im Kontext der jüngsten Entwicklung Kieler Nazistrukturen
Die Angriffe auf die Alte Meierei stehen stellvertretend für eine Realität, mit der letztlich alle Projekte, die sich offen zu linker Politik, einer antifaschistischen Grundhaltung oder einem alternativen Lebensstil bekennen, konfrontiert sind.
Diese Realität wurde gerade auch in der Entwicklung der Kieler Neonaziszene, vor allem in den letzten zwei Jahren, immer wieder sichtbar. Im Fahrwasser des bundesweiten Trends der „Autonomen Nationalisten“ entstand hier aus langjährigen Nazikadern und jüngeren Nachwuchsnazis die sogenannte „Aktionsgruppe Kiel“, welche die kurzzeitige Dominanz einer sich eher spießbürgerlich gebenden NPD bei den Kieler Neonazis aufbrach.
Die „AG Kiel“ knüpft seit ihrer Gründung Anfang 2008 mit ihrem Habitus, ihrem offenen Bekenntnis zum historischen Nationalsozialismus und personellen Kontinuitäten an die Ausrichtung der hiesigen Naziszene um die Jahrtausendwende an. Sie machte seither vor allem durch Angriffe auf linke und alternative Projekte und Personen auf sich aufmerksam, eine Vielzahl eingeschlagener Scheiben und mehrere körperliche Angriffe auf vermeintliche oder tatsächliche NazigegnerInnen gehen auf ihr Konto. Aber auch Propagandaaktionen und Wahlunterstützung für die NPD, zu der durchgehend gute Kontakte und personelle Überschneidungen bestehen, gehören zum Programm der „AG Kiel“. (vgl. hierzu: www.antifa-kiel.org/index.php/chronologie.html) Doch nicht nur in Kiel sondern auch in anderen Teilen Schleswig-Holsteins kam es zu ähnlichen Entwicklungen, welche sich z.B. durch eine Vielzahl von Naziattacken in Neumünster oder durch den Brandanschlag auf das linke Zentrum T-Stube in Rendsburg im Juni ’09 zeigten.
Die Schüsse auf die Alte Meierei sind im Kontext dieser Abfolge von Naziaktivitäten zu sehen – sie sind nicht vom heiteren Himmel gefallen. Dass Neonazis immer wieder durch den Gebrauch von Schusswaffen und Morden an ihren GegnerInnen und Menschen, die nicht in ihr Weltbild passen, auffallen, ist weder in der BRD noch anderswo etwas Neues. Es ist nicht überraschend, dass auch die lokale Neonaziszene Zugang zu Schusswaffen hat: Nachweisliche Verwicklungen von schleswig-holsteinischen Neonazis, die teils in Verbindung zur Kieler Naziszene stehen, in den Waffenhandel sind bekannt. Und nicht zuletzt zielt die nationalsozialistische Ideologie programmatisch auf die rassistisch und antisemitisch motivierte Vernichtung und der gewaltsamen Unterdrückung von Menschen ab.
Was neu ist an den Schüssen auf die Alte Meierei, ist die Tatsache, dass diese im Kiel des 21. Jahrhunderts nicht mehr nur theoretische Möglichkeit, sondern Tatsache geworden sind. Es ist von daher wichtig zu überprüfen, welche Faktoren eine solche Entwicklung begünstigt haben und wie man ihr entgegen wirken kann.
KN und Kieler Polizei: Kleinreden, Totschweigen, Denunzieren
Verfolgt man die Kieler Neonaziaktivitäten der letzten Jahre regelmäßig, fällt auf, dass ihr Umfang in keinem Verhältnis zur Berichterstattung der lokalen Medien steht, deren weitgehendes Monopol in der Landeshauptstadt die Kieler Nachrichten innehaben. Hier ist von Naziübergriffen, wenn überhaupt und wider besseren Wissens nur in Randnotizen zu lesen – von Naziaktionen, die nichts mit spektakulären gewalttätigen Übergriffen oder Auseinandersetzungen zu tun haben, ganz zu Schweigen. Ausnahmen sind Fälle, in denen diese nach aufwendigen antifaschistischen Öffentlichkeitskampagnen nicht länger unter den Teppich gekehrt werden können oder wenn nach KN-Gesichtspunkten vermeintlich Unbeteiligte Opfer von Nazis wurden.
Wenn AntifaschistInnen versuchen, das Verteilen rassistischer Flugblätter zu stören, lassen in den KN „Extremisten […] die Fäuste fliegen“ (KN, 2.2.09). Wenn Neonazis öffentlich antisemitische Hetze verbreiten, ist im KN-Sprech in kaum zu überbietender Verharmlosung von einer „der rechten Szene nahestehenden Organisation“, von „Nationalen Sozialisten in deiner Stadt“, die „einen kritischen Umgang mit dem Nahostkonflikt“ fordern die Rede (KN, 10.3.09). Verhindern viele AntifaschistInnen, dass Neonazis ausgerechnet am 8. Mai in der Innenstadt mit einem geschichtsrevisionistischen Propagandatisch die durch die Alliierten herbeigeführte Befreiung Europas von dem Terror des deutschen Faschismus betrauern können, schreiben die KN von einem „Infostand der Rechten“, „auf dem etliche Informationsblätter lagen“ weil „vor 64 Jahren […] am 8. Mai der Zweite Weltkrieg [endete]“, auf den „Mitglieder des Runden Tisches gegen Rassismus und Faschismus versuchten, mit Lautsprecherdurchsagen […] aufmerksam zu machen“ (!) (KN-online, 8.5.09). Wird wie am 18. April 2009 ein Mensch aufgrund seines Erscheinungsbildes von Nazis ins Koma geprügelt, ist dies den KN zwar einige Schlagzeilen wert, allerdings ohne dies in aller Deutlichkeit als faschistische Gewalt zu benennen, sondern geschehen „während gewalttätiger Auseinandersetzungen zwischen extremen Linken und Rechten“ (KN-online, 18.4.09).
Die Argumentationen der KN folgen stets dem gleichen Muster: „Extremisten“ tragen ihre Privatfehde aus oder wahlweise werden sogar „der Rechten nahe stehende kritische FlugblattverteilerInnen“ von „linken Störern“ bedroht, während die Polizei die Lage immer schnell im Griff hat und die Leidtragenden entweder „Unbeteiligte“ oder auch nur der Straßenverkehr sind (KN, 8.4.09). Dutzende kaputte Fensterscheiben in linken Projekten passen nicht in dieses Schema und so erlaubt es die KN-Logik, dass auch Kinderläden wie der in der betroffenen Hansastraße 48, schnell mal Teil eines „unpolitischen Bandenkrieges“ werden.
Werden die KN mit ihrer Berichterstattung konfrontiert, welche Naziaktivitäten konsequent totschweigt oder verharmlost, verweist sie in guter deutscher Obrigkeitshörigkeit auf Anweisungen der Polizei, die Geschehnisse bewusst zu vertuschen, um diese „unpolitischen Bandenkriege“ auf Kiels Straßen nicht weiter anzuheizen. Diese Strategie der gezielten Entpolitisierung und Verharmlosung von Naziaktivitäten ist in Kiel nichts neues und wird von der lokalen Polizeiführung seit Jahren gefahren – und wird auch dort nachfragenden PressevertreterInnen nahe gelegt. Während Medien von außerhalb sich oft wenigstens ein Mindestmaß an kritischem journalistischem Selbstverständnis bewahrt haben und die Propagandamärchen der Polizei hinterfragen und eigenständige Recherchen vornehmen, will man in Kiel, wenn es um Neonazis geht, seinen guten Draht zur Polizei nicht riskieren, ruht sich aus im unbedingten Glaube an staatliche Autoritäten und ist vor allem ideologisch auf einer Linie. Dass die wenigen KN-Artikel zum Thema dann gern mal den exakten Wortlaut der dazu gehörigen Polizeimeldungen übernehmen, wundert da wenig. Dass den KN selbst scharfe Schüsse auf die Alte Meierei nur einige Sätze wert sind, genau so wenig.
„Lechts, rinks – alles dasselbe!“ – Extremismusbegriff und bürgerliche Ideologie
Die zutiefst unseriöse Berichterstattung der KN bei den Themen Neonazismus und Antifaschismus sowie Angriffen auf linke Projekte ist allerdings kein Zufall oder gar eine Kieler Besonderheit. Hinter ihr steht eine Ideologie, die politischer Mainstream ist und sich vom Bundestag bis zum Stammtisch in die Mehrheitshirne eingebrannt hat: Die sogenannte Extremismustheorie. Hierbei handelt sich es um eine vom „wissenschaftlichen“ Flügel des Verfassungsschutzes voran getriebene intellektuelle Tiefstleistung, die die Gesellschaft in eine so genannte politische Mitte und „extremistische“ Ränder aufteilt und alles, was sich gegen die bestehende Gesellschaftsordnung richtet oder dafür gehalten wird, gleichsetzt und bekämpfen will. Dabei sollte es selbst aus einer rein wissenschaftlichen Perspektive schon stark verwundern, dass ein Geheimdienst überhaupt so etwas wie politikwissenschaftliche Forschung betreibt und damit Einfluss auf die öffentliche Meinung nimmt. Der Extremismusbegriff ist in der Tat allein vom Verfassungsschutz und einigen seiner offiziellen und inoffiziellen Mitarbeiter in die Debatte eingeführt worden. Zusammen mit einigen anderen PolitikwissenschaftlerInnen begründeten sie eine neue Sparte der Politikwissenschaft – die Extremismusforschung.
Dieser ist es egal, warum oder zu welchen Gunsten das Bestehende abgelehnt wird: Ob an die Stelle der bürgerlich-kapitalistischen Grundordnung ein faschistisches Mördersystem, ein reaktionärer Gottesstaat oder eine Gesellschaft frei von Ausbeutung und Unterdrückung gesetzt werden soll, ist der Extremismustheorie einerlei. Sie hält das Bestehende für das einzig nicht-“extremistische“ und kann sich trotz weltweitem Kriegszustand, Armut, Hunger, Krisen, Umweltzerstörung und allgemeiner gesellschaftlicher Verwahrlosung nicht vorzustellen, dass es etwas besseres geben könnte. Mit solch einer Logik ist die Extremismustheorie zwar alles andere als rational und zu keiner wertvollen Erkenntnis zu gebrauchen, aber eignet sich hervorragend zur Betonierung gesellschaftlicher Herrschaftsverhältnisse und zur Abwehr jeglicher Kritik. Das Bestehende wird zum ideologischen Dogma und alles andere zum äußeren Feind: Ob jemand dabei für die Versklavung und Vernichtung von Menschen oder für deren Gleichheit und Freiheit einsteht – der Extremismusbegriff verschleiert politische und gesellschaftliche Zielsetzungen, erklärt nichts und nutzt ausschließlich dem Fortbestand des herrschenden bürgerlich-kapitalistischen Systems. Darüber hinaus dient die Gleichmacherei von „Links“ und „Rechts“ dazu, den ideologischen und historisch belegten Zusammenhang zwischen bürgerlicher Gesellschaft und faschistischer Herrschaft und Bewegung unsichtbar zu machen und sie war und ist in der postfaschistischen BRD ein beliebtes Mittel zur Abwehr und Verschweigung deutscher Schuld an der Shoa und dem nationalsozialistischen Vernichtungskrieg.
Dass die Extremismustheorie vor allem in Deutschland offene Türen einrennt, wo die Feindschaft gegenüber allem Linken von Bismarcks Sozialistengesetzen über den deutschnationalen und nationalsozialistischen Antikommunismus und die konservative Interpretation der Totalitarismustheorie bis heute eine lange Tradition hat, ist nicht verwunderlich. Der bürgerliche Wunsch nach Ruhe und Ordnung statt nach Austragung gesellschaftlicher Konflikte und der Reflexion gesellschaftlicher Verhältnisse ist fest in der nationalen Identität verankert.
Gerade aktuell wird versucht, die Extremismustheorie nicht nur als Ideologie weiter zu verfestigen, sondern auch verstärkt praktisch in die Tat umzusetzen: In der derzeitigen Diskussion der Bundesregierung Anti-Rechts-Programme in Anti-“Extremismus“-Programme umzuwandeln; in Politik und bürgerlichen Medien, wenn im Zusammenhang mit brennenden Autos in Berlin gegen „linke Hassbrenner“ und „rotlackierte Faschisten“ gehetzt wird; wenn über die Zunahme von Gewalt gegen PolizistInnen geschwafelt wird oder wenn antifaschistische Großmobilisierungen (wie gegen den Nazigroßaufmarsch in Dresden) kriminalisiert werden – all dies geschieht unter Bezugnahme auf die Extremismuskeule.
Dieser armseligen Logik folgt natürlich auch eine KN-Berichterstattung, die Nazis mit AntifaschistInnen gleich setzt und ausgerechnet die Polizei für die einzig glaubhafte Instanz hält. Diese „antiextremistische“ Logik, welche politische Zusammenhänge von Auseinandersetzungen zwischen AntifaschistInnen und Nazis nicht erkennen will und keinen Begriff von deren Notwendigkeit hat, offenbart ihre fatalen Folgen dann, wenn auf die Alte Meierei scharf geschossen wird, aber die Stadt von keinem Aufschrei der Solidarität erfasst wird, die über vergleichsweise kleine Kreise hinaus geht.
Unsere Antwort: Solidarität, Gegeninformation, antifaschistische Praxis und Gegenkultur
Wir werden dieses institutionalisierte Schweigen über die wiederkehrenden Angriffe auf linke und alternative Projekte in Kiel auch weiterhin nicht hinnehmen. Wenn der Großteil der städtischen Öffentlichkeit in ihrer „antiextremistischen“ Verblendung keine Notwendigkeit darin sieht, die Bedrohung durch bewaffnete Nazis und die Angriffe zu thematisieren, müssen einmal mehr alle Menschen, für die dies eine politische Selbstverständlichkeit ist, dafür sorgen, dass die aktuelle Notwendigkeit dieses Kampfes in den Köpfen der hier Lebenden ankommt.
Wenn die „extremistische Mitte“ den Betroffenen von Nazigewalt selbst mit einem ignoranten Achselzucken die Schuld für faschistische Übergriffe in die Schuhe schieben will, weil sie die Nazis ja nicht durch ihre antifaschistische Arbeit hätten provozieren müssen, weil sie ja niemand zwingt, mit ihrer dunklen Hautfarbe hier zu leben oder weil ihre Lebensform ja auch nicht ganz normal ist, werden wir uns solidarisch mit ihnen erklären, denn gemeint sind alle, die nicht in das beschränkte Nazi-Weltbild passen. Wir werden weiter Rassismus, Antisemitismus und Nationalismus in all seinen Formen kritisieren und angreifen. Dies ist nicht nur eine Notwendigkeit, die sich aus der mörderischen deutschen Geschichte als Mindestkonsequenz ergibt, sondern es ist eine Selbstverständlichkeit, die uns als Menschen, die auch weiterhin die radikale Verwirklichung von Freiheit, Gleichberechtigung und Solidarität unter allen Menschen zum Ziel haben, antreibt. Wir werden Nazis auf der Straße und wo immer sie auch sonst ihre Ideologie der Versklavung und des Massenmordes verbreiten wollen, mit nötiger Härte entgegentreten, ihre Strukturen offen legen und ihr menschenfeindliches Wirken verhindern – solange, bis diese endgültig auf dem Müllhaufen der Geschichte gelandet sind. Wir lassen und nicht von KN, Polizei und der Ideologie der handlungsunwilligen „ExtremistInnen der Mitte“ denunzieren und werden linke Politik verteidigen.
Wenn auf die Alte Meierei geschossen wird, werden wir die Kultur für die sie steht stärken, werden linke Zentren und alternative Lebensformen vor Angriffen, von wem auch immer sie kommen, schützen und ihre Infrastruktur nutzen und ausbauen. Wir werden weiter eine offensive antifaschistische Gegenkultur leben – in der Alten Meierei und überall sonst. Wir werden an all dem, dem die Schüsse auf die Alte Meierei galten, festhalten und sehen uns genau deshalb in seiner Wichtigkeit bestärkt!
Wir sind nicht allein und machen weiter:
Mit linken Zentren antifaschistisch in die Zukunft!
Kommt zur Demonstration:
Samstag, 13.3.2010
14 Uhr | Bahnhofsvorplatz | Kiel
Am Abend gibt es Essen, den Meierei-Film „Pfeffer in der Suppe“ und musikalisches Programm in der Alten Meierei
Den Aufruf unterzeichnen (Stand 11.3.10):
Autonome Antifa-Koordination Kiel | NutzerInnenplenum der Alten Meierei | Rote Hilfe Ortsgruppe Kiel | rebeltí@s musicales | Destructioncrew | black mosquito | Antifaschistische Aktion Lüneburg / Uelzen | Buchladen ZAPATA | Antifaschistisches Bündnis Dithmarschen | Café Irie Soundsytem | Free Mumia!-Plenum Kiel | Basta! – Linke Jugend Lübeck | Infoarchiv Norderstedt | Rotten Sprotten Entertainment | Entdinglichung | InstitutA – anarchist social center Jakarta (Indonesia) | FAU Kiel | Senffabrik Flensburg | Conspiracy Concerts Flensburg | Antifaschistische Aktion Neumünster | Ratsfraktion DIE LINKE Kiel | Wilwarin Festival | Archiv der sozialen Bewegungen Bremen | Hönkeldruck | Dremufuestias.de – Real Music for SH | Obrint Pas (Valencia) | Antifeixistes.org (Pais Valencia) | KOP (Barcelona) | Kieler Initiative für Tierbefreiung | Soziales Zentrum Norderstedt | BULG Hamburg | AK Kritischer Studierender Kiel | marlenehatesgermany | BewohnerInnen der Alten Meierei | Archivgruppe Kiel | Libertärer Laden Gaarden | Li(e)ber Anders | T-Stube Rendsburg | Herman Schwartz – Gigolo Records, Kiel | Antifaschistische Aktion Eckernförde [AAE] | Punkrock St. Pauli | Katzensprung | Antifaschistische Jugend Kiel (ajk) | Smiley Faces (USP) | Kollektiv der Buchhandlung im Schanzenviertel (Hamburg) | ATTAC Kiel | Antifa Café Kiel | SDAJ Kiel | (a²) – Hamburg | Rote Flora Hamburg | gruppe bricolage | Infocafe Anna & Arthur Lüneburg | Medienkollektiv Antifainfo NMS | Kneipenkollektiv Subrosa | Antifaschistische Aktion Rendsburg (aard) | Desechos (Madrid) | Antifaschistische Initiative Elmshorn (AIE) | PG Globalisierung beim ver.di Bezirk Kiel/Plön | SENG Hamburg | Initiative Rock gegen Rechts (since 1978) | Sare Antifaxista (Euskal Herria) | Hansastrasse 48 e.V. | Linke HSG Kiel | Kneipenkollektiv Hansa48 | Hafermarkt Flensburg | Antifaschistische Initiative Kreis Pinneberg | Studierendenzusammenschluss zur Förderung kritischen Denkens an der FH-Kiel | Club-Mestizo / Hafenklang, Hamburg | Fraktion DIE LINKE im schleswig-holsteinischen Landtag | DIE LINKE Schleswig-Holstein | Linksjugend (’solid) Kiel | Autonome Neuköllner Antifa (ANA) | junge antifaschistische Initiative Lüneburg (j.a.I.L.) | Overdrevet (København) | Bumzen-Kollektiv (København) | Projekt Antifa (København) | Antifascistisk Aktion (København) | Kritikmaximierung Hamburg | Jugendantifa Eutin | DIE LINKE. Rendsburg-Eckernförde | DIE LINKE. Kiel | FAU Flensburg | Rote Kogge Hansa Rostock | Arbeitskreis Antifaschismus Buchholz (akab) | AZ Mülheim | sous la plage (Hamburg) | Schwarze Katze (Libertäres Zentrum) Hamburg | Kulturverein KDW NMS
Zur Demonstration rufen auf:
Jusos RD-Eck | Ratsfraktion Direkte Demokratie | Jusos Kiel
Außerdem mobilisieren verschiedene Kieler Hochschulgruppen sowie der Runde Tisch gegen Rassismus und Faschismus Kiel mit jeweils eigenen Aufrufen zur Demo.
NPD Landesparteitag in Högel ging nicht unbemerkt über die Bühne
Am 28.02.2010 kamen etwa 70 Nazis zusammen, um erneut ihren NPD Landesparteitag in Högel/Nordfriesland abzuhalten. Mit kleinen und größeren Erneuerungen geht die NPD in das Jahr 2010.
Der 1938 geborene Kaufmann Uwe Schäfer trat nicht mehr zur Wahl des Landesvorsitzenden an. An seiner Stelle steht nun der 31-jährige Jens Lütke aus Martensrade bei Kiel, welcher 2008 u.a. wegen zeigen verfassungsfeindlicher Symbole verurteilt wurde. Lütke arbeitet für das Verlagswesen von Dietmar Munier und sitzt in der Redaktion der neuen Nazizeitung „Zuerst!“ und ist auch für die „Schleswig-Holstein Stimme“, die Zeitung der NPD Schleswig-Holstein verantwortlich.
Weitere Mitglieder des neuen Landesvorstandes: Als stellvertretende Landesvorsitzende wurden der wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung verurteilte Ingo Stawitz aus Uetersen und Kai Otzen aus Pinneberg, welcher 2009 für die NPD in Elmshorn antrat, gewählt. Schatzmeister ist weiterhin Wolfgang Schimmel. Als Beisitzer hinzu kommen Kay Oelke, ehemals Landeschef der „Schill-Partei“, Roland-Siegfried Fischer und Hermann Gutsche aus Kiel und Alexander Jäger aus Krupunder. Jäger unterhält gute Kontakte zu freien und parteizugehörigen Neonazis aus dem Raum Pinneberg/Elmshorn. 2009 trat er mit gewalttätigen Neonazis auf dem Elmshorner Hafenfest auf. Dort wurden mehrere Menschen von Neonazis aus dieser Gruppe verfolgt, angegriffen und verletzt.
Vor der Gaststätte demonstrierten etwa 30 AntifaschistInnen mit Transparenten, die Polizei war mit einem Großaufgebot vor Ort.
Dieser Artikel ist zum Teil einem Bericht der Antifaschistische Initiative Elmshorn entnommen.
Prozess gegen Nico Seifert in Neumünster endet mit Verurteilung
Ein Vorfall, der sich vor mittlerweile knapp 2 Jahre zugetragen hat, beschäftigte am Donnerstag, den 18.2., das Amtsgericht in Neumünster. Vor Gericht stand der aus Neumünster-Einfeld kommende Neonazi Nico Seifert (22), dem vorgeworfen wurde, am 12.6.2008 in Kiel zusammen mit einer Gruppe Neonazis eine kleine Gruppe antifaschistischer DemonstrantInnen angegriffen zu haben.
Am 12.6.2008 fand die konstituierende Ratssitzung im Kieler Rathaus statt, in das nach der Kommunalwahl am 24. Mai 08 erstmals auch die NPD in Person ihres Spitzenkandidaten Hermann Gutsche eingezogen war. Dies nahm die NPD zum Anlass eine Kundgebung auf dem Rathausplatz anzumelden. Zu dieser Kundgebung erschienen lediglich 7 Nazis, darunter auch der bundesweit bekannte Neonazi Thomas Wulff. Der Runde Tisch gegen Rassismus und Faschismus Kiel sowie die Autonome Antifa-Koordination Kiel riefen zu Gegenaktivitäten auf, denen etwa 200 AntifaschistInnen folgten.
Neben der durchgehend fortgesetzten Kundgebung des Runden Tisch bewegten sich parallel verschiedene Gruppen von AntifaschistInnen rund ums Rathaus. Hierbei kam es zu einer heftigen Auseinandersetzung mit den selbsternannten „autonomen Nationalisten“ aus Kiel und Neumünster: 11 Nazis, unter ihnen Peter Borchert und Thomas Krüger aus Kiel, griffen in der Waisenhofstraße hinter dem Rathaus eine kleinere Gruppe AntifaschistInnen an, wobei ein Mensch so verletzt wurde, dass er ins Krankenhaus eingeliefert werden musste. Immerhin soll ein Teil der Nazis bei ihrem Fluchtversuch dank eines antifaschistischen Gegenangriffs einige Meter weiter auch nicht gänzlich unbescholten davon gekommen sein. Die in Sichtweite anwesende Polizei schien damit überfordert, AntifaschistInnen und Nazis auseinander zuhalten und reagierte dementsprechend konzeptlos, konnte aber Seifert und einen anderen Neonazi beim Eintreten auf einen am Boden liegenden Gegendemonstranten festnehmen. Erst nach einiger Zeit gelang es ihr die insgesamt 11 Nazis festzusetzen. Während die festgenommenen Nazis abtransportiert wurden, hat die Polizei etwa 30 AntifaschistInnen, die sich mittlerweile aus Solidarität mit dem verletzten Genossen eingefunden hatten, eingekesselt und etwas später in Gewahrsam genommen. Auf der Wache wurden dann AntifaschistInnen von der Polizei absichtlich immer wieder zu den Nazis in die Zelle gebracht, was in einem Fall auch dazu führte, dass ein Punk über längere Zeit in der Zelle zusammen mit Peter Borchert und den festgenommenen Nazis saß und von diesen eingeschüchtert werden konnte.
Zwei der an diesem Tag festgenommenen Nazis sind wegen Körperverletzung an dem verletzten Gegendemonstranten angeklagt worden. In dem ersten nun stattgefundenen Prozess wurde Nico Seifert zu 60 Arbeitsstunden und einer Geldstrafe von 400 Euro nach Jugenstrafrecht verurteilt. Da er bei dem Angriff noch unter 21 war, wurde der Prozess vor dem Jugendgericht Neumünster verhandelt. Verteidiger von Seifert war der bekannte Szeneanwalt und NPD-Mitglied Christian Bangert.
Da es eigentlich ein öffentlicher Prozess sein sollte, wollten einige FreundInnen und UnterstützerInnen den Geschädigten vor Gericht unterstützen, was ihnen aber verwehrt wurde, da die Richterin offensichtlich relativ spontan beschlossen hatte, die Öffentlichkeit vom Prozess auszuschließen. Die Polizei war in der Stadt massiv präsent und begleitete die angereisten UnterstützerInnen den ganzen Tag in Sichtweite. Der Prozess selber dauerte dann jedoch nur eine gute Stunde und endete in der besagten Verurteilung Nico Seiferts, der in Begleitung des Neumünsteraner Neonazis Manuel Fiebinger erschien.
Der nächste Prozess in diesem Fall gegen einen Kieler Neonazi wird vorraussichtlich im Sommer 2010 in Kiel stattfinden.
Aktionen von Neonazis in Kiel im Jahr 2009 – Eine Chronik der Ereignisse
Die Kieler Neonazi-Szene machte im Jahr 2009 durch diverse Aktivitäten auf sich aufmerksam. Bereits 2008 stand die Szene durch die Haftentlassung des bekannten Neonazis Peter Borchert und dessen Bemühungen in Kiel eine Gruppe so genannter „Autonomer Nationalisten“ zu gründen wieder etwas organisierter da. Nachdem etwa zehn Mitglieder dieser Gruppe im Januar 2009 durch Antifaschistinnen und Antifaschisten an ihren Wohnorten und Arbeitsplätzen geoutet wurden, riefen die Neonazis dazu auf „Wehrwolfeinheiten“ zu gründen, erklärten Kiel zur „Frontstadt“ und 2009 zum „Kampfjahr“. Mit dem Gebrauch solcher Vokabeln machen die Kieler Neonazis keinen Hehl aus ihrem Bezug zum Nationalsozialismus.
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Wahlen in SH 2009: Faschistische Parteien loosen ab!
Die faschistischen Parteien NPD und DVU konnten bei den diesjährigen Bundes- und Landtagswahlen in Schleswig-Holstein am vergangenen Sonntag keine Stimmenzuwächse aus der gegenwärtigen kapitalistischen Krise schöpfen.
Bei den vorgezogenen Wahlen zum schleswig-holsteinischen Landtag konnte die neonazistische NPD 0,9% der abgegebenen Zweitstimmen für sich vereinnahmen, das entspricht 14977 NPD-Wähler/-innen landesweit. Im Vergleich zu den Landtagswahlen 2005 ist damit ein deutlicher Rückgang zu beobachten, als die Nazipartei noch 1,9% (=27676 Stimmen) erreichen konnte.
Bei den Ergebnissen der Bundestagswahl ist das NPD-Resultat mit 1,0% der gültigen Zweitstimmen in Schleswig-Holstein unter dem bundesweiten Durchschnitt von 1,5% und mit 15848 Nazi-Wähler/-innen landesweit leicht über dem der Landtagswahlen. Auch hier gab es einen leichten Abwärtstrend im Vergleich zu den Bundestagswahlen von 2005, als noch 17061 Schleswig-Holsteiner/-innen die NPD unterstützten. Dieser Rückgang ist mit dem zusätzlichen Wahlantritt der DVU erklärbar, die es mit 1764 Zweitstimmen gerademal auf ein miserables Abschneiden von 0,1% brachte, was ihrem bundesweiten Abschneiden entspricht.
In Kiel outeten sich bei den Landtagswahlen 1196 Wähler/-innen als Nazi-Unterstützer/-innen, was einem dem Landestrend entsprechenden Ergebnis von 0,9% entspricht. In Wahlkreisen betrachtet wählten 500 in Kiel-Ost (1,5%), 396 in Kiel-West (0,9%) und 300 in Kiel-Nord (0,6%) braun. Bei den Bundestagswahlen waren es mit 1274 (0,9%) NPD-Stimmen und zusätzlich 138 für die DVU (0,1%) noch ein paar mehr Stimmen für faschistische Parteien. Im Vergleich zu den Kommunalwahlen 2008 in Kiel, als 1478 Kieler/-innen die NPD wählten, ist dies ein leichter Rückgang, auch in Anbetracht der der deutlich niedrigeren Wahlbeteiligung bei den Kommunalwahlen.
Der Vollständigkeit halber seien noch die Kieler NPD-Direktkandidaten Uwe Schäfer (Dokumentation seiner angegebenen Adresse: Prinzenstr. 13, Kiel), der bei den Landtagswahlen 542 Erststimmen (1,6%) in Kiel-Ost erhielt und Nazi-Ratsherr Hermann Gutsche (Dokumentation seiner angegebenen Adresse: Königsstr. 22, Kiel), der bei der Bundestagswahl 1390 Erstimmen (1,0 %) stadtweit bekam, erwähnt.
Insgesamt lässt sich feststellen, dass es weder der NPD und noch weniger der DVU gelungen ist, mit ihrer rassistischen, antisemitischen und nationalistischen Hetze zusätzliche Wähler/-innenstimmen aus den derzeitigen Verunsicherungen anlässlich der weltweiten kapitalistischen Krise zu schöpfen, beim Landtagswahlergebnis kam es sogar zu deutlichen Verlusten im Vergleich zur vorherigen Wahl. Mit ihrem Wahlergebnis unter 1% steht ihr nun nichteinmal Wahlkampfkostenrückerstattung zu, sie muss die Kosten ihrer Wahlpropaganda also aus eigener Tasche zahlen. Dass die schleswig-holsteinische NPD in ihrem Kommentar zum Wahlergebnis sich selbst nun enttäuscht eine harte Parteizukunft voller finanzieller Sorgen und eine Zunahme linker Gewalt gegen NPD-Aktivisten prophezeit, lässt uns aus antifaschistischer Perspektive frohen Mutes die weitere Entwicklung der Nazipartei erwarten.
Wir danken an dieser Stelle nochmals allen Antifaschist/-innen, die in den letzten Wochen trotz zeitweilig erschwerter Bedingungen fleißig NPD-Plakate zerstört und andere Nazipropaganda unschädlich gemacht haben, die Flugblätter der Alles muss man selber machen!-Kampagne verteilt haben oder anderweitig den NPD-Wahlkampf sabotiert haben!
Redebeitrag über Nazistrukturen in Schleswig-Holstein auf der Demonstration gegen den Club 88 am 26.9.09 in Neumünster
Wenn wir heute anlässlich der nun leider schon 13 Jahre andauernden Geschichte des nicht unbedeutenden Nazitreffs „Club 88“ für dessen lang überfällige Schließung auf der Straße sind, lohnt es sich auch, einen Blick auf die Entwicklungen seines unmittelbaren BesucherInnenklientels zu werfen: Der Neonaziszene Schleswig-Holsteins. Denn hier kann mensch seit etwa zwei Jahren Veränderungen wahrnehmen, die sich zumindest ansatzweise auch in deren Nutzung des „Club 88“ niederschlagen.
Nachdem die ersten und auch erfolgreichsten Jahre des „Club88“ vor allem geprägt waren durch Nähe zur neonazistischen Musik- und Skinheadszene und Verbindungen z.B. zum „Blood+Honour“-Netzwerk, wurde es Mitte dieses Jahrzehnts vergleichsweise ruhig um die schwarze Box in Gadeland. Die BesucherInnenzahlen gingen zurück, Teile des einstigen festen Umfelds des „Club88“ war gealtert und inaktiv geworden oder mittlerweile in anderen unpolitischen, sogenannten „kriminellen Millieus“ aktiv. Es schien an Nachwuchs zu fehlen, die jungen Saufnazis vergnügten sich lieber in der „Titanic“ in der neumünsteraner Innenstadt.
Dies war u.a. ein Ausdruck eines allgemeinen Wandels in der schleswig-holsteinischen Naziszene. Die Strukturen des noch aus Ende der 1990ern hervorgegangenen Spektrums der „freien Kameradschaften“, das sogar Anfang des Jahrtausends unter Führung von Nazikader Peter Borchert die Führung in der schleswig-holsteinischen NPD übernehmen konnte, war mit dem Versuch „Combat18“-Strukturen aufzubauen und nach Tankstellenüberfällen selbst für die deutschen Repressionsorgane zu weit gegangen. Wichtige Nazi-Aktivisten diese Spektrums – wie z.B. Peter Borchert – sahen sich mit Gefängnisaufenthalten konfrontiert, waren in in dessen Folge unter einander zerstritten und außerdem zumindest in der NPD politisch entmachtet worden.
Um 2005 war die schleswig-holsteinische Neonazisszene dominiert und geführt von einem sich eher spießbürgerlich gebenden NPD-Landesverband, der die Reste der offen gewalttätigen Kameradschaftsszene in sich integrieren und weitestgehend ruhig halten konnte. Darüber hinaus war nicht viel los. Öffentliche Auftritte von Nazis waren – das können wir zumindest für die Landeshauptstadt Kiel sagen – dementsprechend geprägt vom isolierten, regungslosen „Hinter-Bullenketten-Stehen“, umzingelt von wütenden AntifaschistInnen. In Anbetracht dessen wurden Versuche von Aufmärsche, Kundgebungen und Demos ob der wenig motivierenden Situation immer seltener. Mit Ausnahme des Wahlkampfauftaktes in Steinburg 2005 fand Nazigewalt selten am Rande von offiziellen Nazi-Veranstaltungen statt, sondern hauptsächlich in Verbindung mit Alkohol und abseits politischer Aktionen.
Vor etwa 2 Jahren änderte sich diese Tendenz in Schleswig-Holstein wieder: Die bundesweite Nazi-Trenderscheinung „Autonome Nationalisten“ erreichte auch den Norden und verbreitete sich von Kiel aus – wo dieser Prozess durch die Haftentlassung Peter Borcherts erheblich beschleunigt wurde – im nahezu gesamten Bundesland. Selbsternannte „Aktionsgruppen“ sprossen wie Pilze aus dem Boden, mal als Internet-Phantom, oft aber auch begleitet von einem hohen, extrem gewaltfixierten Aktionismus. Bisherige Höhepunkte dessen waren z.B. zwei Angriffsserien auf linke bzw. alternative Läden in Kiel in den vergangenen 1 ½ Jahren, der Brandanschlag auf das alternative Kulturzentrum T-Stube in Rendsburg diesen Sommer oder auch die verschieden Angriffen auf Antifas in Neumünster in den letzten Monaten.
Schwerpunkte dieser modernisierten Kameradschaftstrukturen mit neuen Namen, manchmal anderen Klamotten und höherer Aktionsflexibilität haben sich seitdem vor allem in Kiel, im Kreis Steinburg, in Dithmarschen, aber auch hier in Neumünster oder in Rendsburg herausgebildet. Diese sind untereinander vernetzt: Man fährt gemeinsam zu Nazidemonstrationen auch in andere Bundesländer, unterstützt sich gegenseitig bei eigenen Aktionen und betreibt ein gemeinsames Internetportal.
Im Unterschied zu früheren Jahren gibt es trotz der Erneuerung des offen neonazistischen und gewaltfixierten Spektrums allerdings keinen offen wahrnehmbaren Flügelkampf in der rechten Szene Schleswig-Holsteins. Im Gegenteil: Gerade erst in den letzten Wochen wurde wiederholt deutlich, dass „Aktionsgruppen“ und NPD, deren Mitglieder sich ohnehin überschneiden, wie es z.B. nicht nur im Fall von Peter von der Born ist, eng miteinander kooperieren: Der insgesamt vergleichsweise spärliche Land- und Bundestagswahlkampf wäre ohne die Mithilfe der erlebnisorientierten Aktionsgruppen wohl noch dürftiger ausgefallen. Aktionsgruppen und NPDlerInnen hängten zusammen Plakate auf, verklebten Aufkleber und NPD-Vorzeigespießer Ingo Stawitz fuhr sogar einträchtig mit einer der Führungspersonen der „Aktionsgruppe Kiel“, Daniel Zöllner, in einem alten Wohnmobil durch Teile Schleswig-Holsteins und beschallte die Umwelt mit schlechten Reden.
Aber auch die „Aktionsgruppen“ durften wie schon bei den letztjährigen Kommunalwahlen wieder ihre eigene aktionistische Note mit in den diesjährigen Wahlkampf einbringen: In Kiel, vor allem im Stadtteil Wik, versuchten bewaffnete Neonazis in diesem Jahr verstärkt NPD-Nazipropaganda vor PlakatpflückerInnen zu beschützen, am vergangenen Wochenende kam es sogar zu einem brutalen Angriff auf eine Gruppe alternativer Jugendlicher in zeitlicher und räumlicher Nähe zu einer Anti-NPD-Wahlkampfparty in der Alten Meierei. Und auch anderorts gab es am selben Wochenende Beispiele für den Wahlkampfalltag der NPD: So wurde z.B. Lübeck das Büro der Partei DIE LINKE von Nazis massiv bedrängt.
Dass es nun zu Beginn der Woche in Schwarzenbeck zu einem explizit rassistischen, glücklicherweise fehlgeschlagenen Brandanschlag auf ein Lokal eines migrantischen Betreibers kam, ist unerträglicher Ausdruck einer qualitativen Verschärfung dieser allgemeinen Tendenz innerhalb der Naziszene. Diesen und allen anderen Betroffenen von Nazigewalt sprechen wir an dieser Stelle unsere ausdrückliche Solidarität aus!
Der derzeitige Zustand der schleswig-holsteinischen Nazisszene lässt sich also zusammenfassend als politisch nach wie vor an der NPD orientiert beschreiben, wobei die sich meist bürgerlich gebende faschistische Wahlpartei auf die Unterstützung der oft jungen und motivierten „Aktionsgruppen“ angewiesen ist, sich aber auch auf diese verlassen kann. Im Gegenzug scheinen die zeitweisen Gewaltexzesse der Aktionsgruppen vom gemäßigteren Parteiflügel akzeptiert zu werden.
Um den Bogen zurück zum Anlass unserer heutigen Demonstration zu schlagen: Auch im Club88 hat die Wiederbelebung vorgeblich „freier“ Nazistrukturen Spuren hinterlassen: Aus dem erklärten Interesse dieser neuen Nazigeneration heraus, die Existenz eines ihrer bundesweit wenigen, ausdrücklich nationalsozialistischen Treffpunkte zu sichern und zu nutzen, scheint der „Club88“ in den letzten 1 ½ Jahren eine kleine Renaissance innerhalb der Naziszene zu erleben. Nicht nur, dass erstmalig wieder größere Veranstaltungen abseits der obligatorischen Geburtstagsfeiern stattfanden, der „Club88“ wurde am 1. Mai dieses Jahres von norddeutschen Nazis, die zur zentralen Nazidemo nach Hannover wollten, als Treffpunkt und Ausgangspunkt der späteren Spontandemo in Itzehoe seit langem wieder als offene Infrastruktur für politische Tätigkeiten genutzt. Wie’s damit weiter geht und wie sich’s mit der zweiten aktuellen Komponente des Club-Lebens verträgt, der Verwicklung des „Club88“ durch ehemalige Naziführungskader in unpolitische Rockerkriege, bleibt zu beobachten.
Wie auch immer: Die insgesamt erstarkte offen neonazistische Szene in Schleswig-Holstein, die immer das Fundament des Club88 gewesen ist, macht eine offensive alltägliche antifaschistische Praxis und das Anliegen der heutigen Demonstration umso erforderlicher:
13 Jahre sind 13 Jahre zu viel – Club88 endlich dichtmachen!
Nazi-Aktionsgruppen, NPD und alle anderen rassistischen, nationalistischen und/oder antisemitischen Scheißbanden zerschlagen!
Übernehmt Verantwortung: Organisiert die autonome Antifa!
Naziübergriff in Kiel
Der Bundes- und Landtags-Wahlkampf faschistischer Parteien verläuft in der Region Kiel auch eine Woche vor den Wahlen am 27. September weiterhin auf Sparflamme. Während von der DVU noch gar nichts zu vernehmen war, beschränkt sich die Öffentlichkeitsarbeit der NPD bisher nach wie vor auf das obligatorische Aufhängen rassistischer und nationalistischer Plakate in verschiedenen Stadtteilen und das Verkleben ebensolcher Aufkleber. In den meisten Fällen wurde die Nazipropaganda – ebenso obligatorisch – seit ihrem Auftauchen bereits nach kurzer Zeit systematisch wieder entfernt und unbrauchbar gemacht. Zu öffentlichen NPD-Auftritten kam es bisher nicht, dafür führte der Runde Tisch gegen Rassismus und Faschismus Kiel an den beiden vergangenen Samstagen Anti-NPD-Infotische in der belebten Kieler Innenstadt durch.
Offensichtlich um zumindest die wenigen bescheidenen Errungenschaften ihres mauen Wahlkampfes zu verteidigen, spezialisierten sich die Kieler NaziaktivistInnen in den vergangenen Tagen statt auf eigene Aktionen, vor allem auf Bemühungen, Antifaschist/-innen bei ihrem Anti-NPD-Wahlkampf zu behindern. Vor allem in ihrer Möchtegern-Homezone in der Wik kam es immer wieder zu meist erfolglosen Angriffsversuchen von teils behelmten und mit Knüppeln bewaffneten Neonazis mutmaßlich aus dem Umfeld der sogenannten Aktionsgruppe Kiel auf Menschen, die sie für antifaschistische PlakatpflückerInnen hielten.
In der Nacht vom Freitag auf Samstag, 19.9. erreichte diese Vorgehensweise ihren Höhepunkt, als eine Gruppe vermummter Neonazis, die mit Autos und einem Motorrad unterwegs waren, in räumlicher und zeitlicher Nähe zur „Alles muss man selber machen!“-Antifa Party in der Alten Meierei, bei der eingesammelte Nazipropaganda gegen Cocktails getauscht werden konnte, in einer gezielten Aktion einige alternativ aussehende Jugendliche in der Hamburger Chaussee mit Knüppeln und einer Gaspistole angriffen. Einer der Betroffenen musste mit einer Platzwunde im Krankenhaus behandelt werden.
Kieler Antifaschist/-innen werden sich hiervon nicht einschüchtern lassen und an ihrem Anliegen, jegliche menschenverachtenden Nazipropaganda aus dem Stadtbild zu entfernen, festhalten. Mit Aktionen anlässlich des Naziübergriffs von Freitagnacht im Speziellen und den NPD-Wahlkampf im Allgemeinen wird in den nächsten Tagen zu rechnen sein.