Mit einigen Minuten Verspätung aufgrund des großen Andrangs begann am 31.10.12 die Filmvorführung des von Matthias Durchfeld und Nico Guidetti gedrehten Dokumentarfilms „Die Geige aus Cervarolo“ im Kommunalen Kino der pumpe, die im Rahmen der bundesweiten Filmtour „mai più fascismo“ stattfand. 117 BesucherInnen füllten den ausverkauften Saal bis auf den letzten Platz.
Auf eine kurze Begrüßung durch einen Mitarbeiter des KoKis folgte eine inhaltliche Einleitung durch einen Vertreter der Autonomen Antifa-Koordination Kiel. In dieser wurden die Entstehungsgeschichte der Filmtour sowie ihre politische Motivation und was das alles mit Kiel zu tun hat, erläutert: Der NS-Täter Erich Koeppe, der nebst sechs weiteren Angehörigen der Wehrmachtsdivision „Hermann Göring“ 2011 wegen Kriegsverbrechen in Norditalien vorm Militärgericht in Verona verurteilt wurde, verbringt seinen ungestörten Lebensabend unweit Kiels im Badeort Laboe. Die Filmtour habe das Ziel, durch die Schaffung von Öffentlichkeit über die Massaker, die Bennenung der Täter und der Kritik an der Verweigerung von Entschädigungszahlungen durch die Bundesrepublik Deutschland, der Forderung der Überlebenden und Angehörigen der Opfer nach Gerechtigkeit entgegenzukommen.
Nach einer kurzen Vorstellung der bei der Veranstaltung anwesenden Filmemacher Nico und Matthias folgte der 75minütige Film.
Im Anschluss erläuterten die beiden Filmemacher noch einmal den historischen Kontext der von der deutschen Division „Hermann Göring“ 1944 begangenen Massaker in der Toskana und der Emilia Romagna im Norden Italiens, beantworteten Fragen zu den italienischen PartisanInnen und zum damaligen Leben in der Region und verwiesen auf den Umstand, dass einige der in erster Instanz verurteilten Nazi-Täter vergangene Woche in zweiter Instanz in Rom freigesprochen wurden. Dies sei jedoch nicht als Entlastung der Täter zu werten, da niemand deren Zugehörigkeit zur für die Massaker nachweislich verantwortlichen Division „Hermann Göring“ bestreitet. Eingebettet in den Umstand, dass Deutschland seine Kriegsverbrecher nicht ausliefert und den Verurteilten bisher auch in Deutschland keine Umsetzung des italienischen Urteils droht, erläuterte Matthias die europäische Rechtssprechung, die eine Entschädigung ziviler Opfer von Kriegen durch die ausführenden Staaten, erstritten von der schon mehrfach zu Entschädigungszahlungen verurteilten BRD vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag, nicht vorsieht. Denn dadurch würden Präzedenzfalle für Verbrechen anderer und auch kommender Kriege auf der ganzen Welt geschaffen, die dem Interesse aller kriegsführenden Staaten entgegen stünden, da Klagewellen zu befürchten seien.
Erst am späten Abend endete die insgesamt dreistündige Veranstaltung, der bis zum Ende erfreulich viele Teilnehmer_innen beiwohnten.
Alle an der Durchführung des Abends beteiligten Kooperationspartner_innen zeigten sich sehr zufrieden: Wie schon in den Tagen zuvor in Osnabrück und Hamburg konnte vielen Interessierten ein vielschichtiger Einstieg in den Themenkomplex rund um die Kriegsverbrecherprozesse gegen die Angehörigen der Division „Hermann Göring“ gegeben werden, der eine vielversprechende Grundlage dafür bietet, auch in den kommenden Monaten Öffentlichkeit zu schaffen, insbesondere in Hinblick auf den bei Kiel lebenden Erich Koeppe. Dass dies auch trotz der ausverkauften Filmvorführung weiterhin von Nöten sein wird, haben nicht nur die Freisprüche von Rom, sondern auch die bisherige Nicht-Beachtung der Prozesse durch die etablierten lokalen Medien gezeigt, deren Vertreter_innen, anders als in Osnabrück und Hamburg, auch am 31.10. durch Abwesenheit glänzten.
>> Filmankündigung
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Begrüßung 31.10.2012 / Filmveranstaltung „Die Geige aus Cervarolo“, die pumpe Kiel
Im Namen des Kommunalen Kinos, der Rosa Luxemburg Stiftung und der Autonomen Antifa-Koordination Kiel begrüße ich Euch alle recht herzlich zur Aufführung des Films „Die Geige aus Cervarolo“, der die im Jahr 2011 zu Ende gegangenen Prozesse vorm Militärgericht in Verona gegen ehemalige deutsche Wehrmachtssoldaten der Division Hermann Göring dokumentiert, die während des 2. Weltkriegs an verschiedenen Massakern in Norditalien beteiligt gewesen sind. Diese Veranstaltung findet statt im Rahmen der bundesweiten Filmreihe „Mai piu fascismo“ – italienisch für „Nie wieder Faschismus“ – die in diesem und im nächsten Monat in sechs deutschen Städten halt macht. Hinter „Mai piu fascismo“ verbergen sich verschiedene Gruppen aus der antifaschistischen Linken, die sich zum Ziel gesetzt haben, die jahrzehntelange Forderung der Überlebenden und Angehörigen der Opfer der Massaker nach Gerechtigkeit, der mit den Urteilen von Verona nach 67 Jahren des Verschleppens erstmalig auch von staatlicher Seite entsprochen wurde, auch dorthin zu tragen, wo die Täter – im Gegensatz zu vielen ihrer Opfer – bis heute eine gesicherte und ungestörte Existenz verbringen können. Denn von der vorgeblich geläuterten Bundesrepublik Deutschland ist in dieser Hinsicht auch im Jahre 2012 nichts zu erwarten: Weigert diese sich doch nicht nur, die Nazi-Täter auszuliefern oder selbst juristisch zur Verantwortung zu ziehen, sondern mit größter Vehemenz auch, als rechtliche Nachfolgerin des NS-Terrorstaates für materielle Entschädigungen aufzukommen, zu denen sie – nicht nur in Verona – zum wiederholten Male verurteilt wurde.
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Bundesweite Filmreihe an Wohnorten von NS-Kriegsverbrechern auch in Kiel
„Die Geige aus Cervarolo“ (IT 2012) berichtet über einen der letzten NS-Prozesse / Vorführung in Anwesenheit der Filmemacher am 31.10., 20.30 Uhr, Kommunales Kino der pumpe.
Die Filmemacher Nico Guidetti und Matthias Durchfeld touren im Oktober und November mit ihrer neuen Dokumentation „Die Geige von Cervarolo“ durch sechs deutsche Städte. Es sind die Städte, in denen die ehemaligen deutschen Wehrmachtssoldaten wohnen, die am 6. Juli 2011 am Ende eines über einjährigen Verfahrens vor dem Militärgericht Verona wegen ihrer nachgewiesenen Beteiligung an mehreren Massakern an der italienischen Zivilbevölkerung zu lebenslanger Haft verurteilt wurden. Der Film dokumentiert den Prozess aus Perspektive der Überlebenden und Angehörigen der Opfer, die seit über 68 Jahren für Gerechtigkeit kämpfen.
Die InitiatorInnen der Filmreihe vom Bündnis „Mai Più Fascismo“ (Nie wieder Fachismus) wollen den Stimmen der Überlebenden und Angehörigen gerade auch dort ein Gehör geben, wo die verurteilten NS-Mörder bis heute einen ruhigen Lebensabend genießen können, ohne sich für ihre Taten verantworten zu müssen.
Italo Rovali aus Cervarolo, Protagonist des Films, verliert 1944 bei einem der von Deutschen verübten Massaker seinen Großvater und seinen Onkel. Er beginnt 2005 die Fakten mit den letzten noch lebenden ZeitzeugInnen zu rekonstruieren. Jahrelang wurden die Akten in Italien auf staatliche Anweisung im so genannten „Schrank der Schande“ verborgen und erst 1994 an die zuständigen Staatsanwaltschaften weitergegeben. Dank seiner Nachforschungen und den Ermittlungen einer Gruppe von StaatsanwältInnen war der im Film dokumentierte Prozess überhaupt möglich.
Auch der in Laboe bei Kiel lebende Erich Koeppe wurde in diesem Prozess zu lebenslanger Haft verurteilt. Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass er an Massakern im Frühjahr 1944 in Norditalien beteiligt war, bei denen mehr als 350 ZivilistInnen ermordet wurden – zu einem großen Teil Alte, Frauen und Kinder.
Während die Opfer der Massaker einen grausamen und würdelosen Tod erlitten, verbringen die Täter einen ruhigen Lebensabend mitten unter uns. Sie müssen sich weder den Überlebenden noch den Angehörigen der Opfer stellen. Die Verantwortung dafür trägt die deutsche Regierung, die sich bis heute weigert, NS-Kriegsverbrecher ohne ihr Einverständnis auszuliefern.
Bei dem Prozess handelte es sich voraussichtlich um einen der letzten NS-Prozesse dieser Größenordnung. Insgesamt wurden sieben Deutsche zu lebenslanger Haft verurteilt, zwei wurden freigesprochen. Im gleichen Verfahren wurde die Bundesrepublik als Gesamtschuldnerin zu mehreren Millionen Euro Schadensersatz an hunderte Angehörige der Opfer, norditalienische Provinzen und lokale Gemeindeverwaltungen verurteilt.
Die Filmemacher werden bei den Vorführungen in allen Städten zur weiteren Erläuterung der Hintergründe und zur Diskussion anwesend sein und stehen für Interviews zur Verfügung.
Die weiteren Termine der Filmreihe sind:
28.10. HAMBURG Metropolis, Theaterstr. 10, 17 Uhr
29.10. OSNABRÜCK Filmtheater Hasetor, Hasestr. 27, 20 Uhr
19.11. MÜNCHEN EineWeltHaus, Schwanthalerstr.80, 19.30 Uhr
20.11. NÜRNBERG Filmhaus, Königstr. 93, 19 Uhr
21.11. BERLIN Movimento, Kottbusser Damm 22, 19 Uhr
>> Hintergründe
„Mai piu fascismo!“- Flugblatt / Bundesweite Filmtour
Vogliamo giustizia – per non dimenticare – mai piu fascismo!
Kein Vergeben, kein Vergessen, keine Ruhe für deutsche Nazi-Kriegsverbrecher!
Sofortige und umfassende Entschädigung aller NS-Opfer!
Urteile gegen sieben deutsche Kriegsverbrecher in Verona
Im Juli 2011 wurden am Ende eines über eineinhalbjährigen Verfahrens vor dem Militärgericht in der norditalienischen Stadt Verona sieben ehemalige deutsche Wehrmachtssoldaten wegen ihrer nachgewiesenen Beteiligung an mehreren Massakern an der italienischen Zivilbevölkerung während des Zweiten Weltkriegs zu lebenslangen Haftstrafen und Entschädigungszahlungen verurteilt. Allesamt waren sie Angehörige der Division „Hermann Göring“, einer „Eliteeinheit“ der Wehrmacht, die sich durch ideologische Überzeugung und Freiwilligkeit auszeichnete. 67 Jahre nach den Gräueltaten in der Toskana und der Emilia Romagna, bei denen mindestens 390 Menschen jedweden Alters ermordet wurden, war für die Überlebenden und die Angehörigen der Opfer nach jahrzehntelangem Kampf um offizielle Anerkennung zumindest auf dem Papier ein kleines Stück Gerechtigkeit hergestellt: Erstmals wurden zumindest einige der als Planer und Kommandanten hauptverantwortlichen Täter nach langen Jahren des Schweigens auch durch staatliche Behörden als solche beim Namen genannt: Hans Georg Karl Winkler, Fritz Olberg (†), Wilhelm Karl Stark, Ferdinand Osterhaus, Helmut Odenwald, Alfred Lühmann und Erich Koeppe haben sich als Soldaten Nazideutschlands des gemeinschaftlich begangenen, mehrfachen, schweren Mordes schuldig gemacht. Drei weitere Angeklagte waren bereits vor dem Urteilsspruch verstorben, zwei wurden freigesprochen. Sechs der verurteilten Kriegsverbrecher verbringen noch heute unbehelligt ihren Lebensabend in Deutschland.
„„Mai piu fascismo!“- Flugblatt / Bundesweite Filmtour“ weiterlesen
Kampagne „mai più fascismo“ läuft an!
Im Juli 2011 wurden am Ende eines über eineinhalbjährigen Verfahrens vor dem Militärgericht in der norditalienischen Stadt Verona sieben ehemalige deutsche Wehrmachtssoldaten wegen ihrer nachgewiesenen Beteiligung an mehreren Massakern an der italienischen Zivilbevölkerung während des Zweiten Weltkriegs zu lebenslangen Haftstrafen und Entschädigungszahlungen verurteilt. Allesamt waren sie Angehörige der Division „Hermann Göring“, einer „Eliteeinheit“ der Wehrmacht, die sich durch ideologische Überzeugung und Freiwilligkeit auszeichnete. 67 Jahre nach den Gräueltaten in der Toskana und der Emilia Romagna, bei denen mindestens 390 Menschen jedweden Alters ermordet wurden, war für die Überlebenden und die Angehörigen der Opfer nach jahrzehntelangem Kampf um offizielle Anerkennung zumindest auf dem Papier ein kleines Stück Gerechtigkeit hergestellt: Erstmals wurden zumindest einige der als Planer und Kommandanten hauptverantwortlichen Täter nach langen Jahren des Schweigens auch durch staatliche Behörden als solche beim Namen genannt: Hans Georg Karl Winkler, Fritz Olberg (†), Wilhelm Karl Stark, Ferdinand Osterhaus, Helmut Odenwald, Alfred Lühmann und Erich Koeppe haben sich als Soldaten Nazideutschlands des gemeinschaftlich begangenen, mehrfachen, schweren Mordes schuldig gemacht. Drei weitere Angeklagte waren bereits vor dem Urteilsspruch verstorben, zwei wurden freigesprochen. Sechs der verurteilten Kriegsverbrecher verbringen noch heute unbehelligt ihren Lebensabend in Deutschland.
Im Rahmen der Kampagne mai più fascismo arbeiten wir in Kooperation mit weiteren Gruppen bundesweit zu den Prozessen gegen die ehemaligen Wehrmachtssoldaten und Offiziere, die 1944 in Norditalien während der deutschen Besatzung Massaker verübten.
Wir werden die Nazi-Kriegsverbrecher in ihrer unverdienten Altersruhe stören und sie nicht unkonfrontiert mit ihrer mörderischen Vergangenheit das Zeitliche segnen lassen. Wenigstens dort, wo es uns möglich ist, werden wir den deutschen Schlussstrich der Läuterung unter die mörderische NS-Geschichte, mit der nie nachhaltig gebrochen wurde, durchkreuzen.
Im Rahmen der Kampagne zeigen wir am 31.10.2012 den Film „Die Geige aus Cervarolo“ (Nico Guidetti/Matthias Durchfeld, Italien 2012) in Kiel. Der Film dokumentiert die Kriegsverbrecher-Prozesse von Verona aus Perspektive der Überlebenden und Angehörigen der Opfer. Ihnen, die seit über 68 Jahren für Gerechtigkeit kämpfen, gibt der Film eine Stimme. Wir wollen dieser Stimme auch dort ein Gehör geben, wo die verurteilten NS-Mörder bis heute einen ruhigen Lebensabend genießen können, ohne sich für ihre Taten verantworten zu müssen. Die Filmemacher werden bei den Vorführungen in allen Städten zur weiteren Erläuterung der Hintergründe und zur Diskussion anwesend sein.
Den ausführlichen Aufruf mit einer historischen Einordnung und weitere Infos gibt es auf der Homepage http://maipiufascismo.blogsport.de/