Der geplante Naziaufmarsch in Neumünster am 21. August 2010 fand nicht statt und wurde zum Reinfall für die schleswig-holsteinische Neonazi-Szene. Wir dokumentieren Berichte und Presseartikel.
Neumünster: Naziaufmarsch war ein Reinfall
von Indymedia
+++ Aufmarsch von knapp 100 Nazis in Neumünster endet am Bahnhofsausgang +++ 400 Antifaschist_innen in der Stadt vielfältig aktiv +++
Für heute, 21. August 2010 hatten schleswig-holsteinische Neonazis einen Aufmarsch in Neumünster angekündigt. Vorgeblich wollten diese „Preußenkönig“ Friedrich II. anlässlich dessen Todestag am 17. August gedenken. Offensichtlich war jedoch, dass es sich hierbei um einen Vorwand handelte, eine Ersatzveranstaltung für das seit einigen Jahren verbotenene, in der NS-Szene bedeutsame Gedenken an den NS-Kriegsverbrecher und Hitler-Stellvertreter Rudolf Hess durchzuführen, dessen Todestag sich gleichzeitig mit dem Friedrichs II. jährt.
Seit Bekanntwerden vor zwei Wochen mobilisierten antifaschistische Gruppen aus Schleswig-Holstein und das Neumünsteraner Bündnis gegen Rechts kurzfristig zu Gegenaktivitäten. Bereits ab 9 Uhr versammelten sich zahlreiche Antifaschist_innen am und um den Neumünsteraner Bahnhof. Einige beteiligten sich an der antifaschistischen Bündnis-Kundgebung auf dem Konrad-Adenauer-Platz, andere begannen an der Bahnhofstraße nahe des erwarteten Naziauftaktortes an einem Parplatz am Kleinflecken die angekündigten Route des Aufmarsches zu blockieren. Um etwa 10.15 Uhr zog infolge der Anreise von etwa 70 Antifaschist_innen mit dem Zug aus Kiel eine Spontandemo von gut 100 Menschen vom Bahnhof zur Blockade. Ein Großteil der Teilnehmer_innen begab sich daraufhin direkt weiter zum Kleinflecken. Hier kam es zu einem kurzen aber brutalen Polizeieinsatz mit anschließendem Schlagabtausch, bei dem einige Antifaschist_innen verletzt wurden. Zu Hochzeiten beteiligten sich an der Blockade um die 150 Menschen. Parallel dazu bewegten sich zahlreiche Gruppen von Antifas durch den Innenstadtbereich oder an der angekündigten Naziroute.
Gegen 11 Uhr kam schließlich eine Gruppe von 70 Neonazis im Bahnhof an, die sich größtenteils zuvor in Hohenweststedt gesammelt hatte. Im Tunnel des Bahnhofs wurde die Gruppe, zu der nach und nach noch weitere Nazis stießen, von der Polizei am Ausgang zum Postparkplatz, in dessen unmittelbarer Nähe sich der linke Treffpunkt AJZ befindet, am Rausgehen gehindert. Uunter anderem, weil der Demoanmelder Jörn Gronemann aus Lübeck alkoholisiert gewesen sein soll und weil die Polizei nach eigenen Angaben die Sicherheit der Nazis nicht garantieren konnte, wurde ihnen eine Kundgebung auf dem Postparkplatz statt der angemeldeten Demorute angeboten. Nachdem die Nazis sich hierauf nicht einlassen wollten, beendeten sie ihre Veranstaltung freiwillig und kassierten kurzer Zeit später Platzverweise, woraufhin der Großteil der Nazis schon gegen 12.30 Uhr wieder in Zügen Richtung Hohenweststedt und Kiel die Stadt verließ. In Hohenweststedt sollen sich ein paar Nazis infolge dessen noch mit Polizist_innen angelegt haben. Andere dürften sich auf das heute Abend stattfindende NPD-Sommerfest auf einer Koppel in Bünsdorf bei Rendsburg verzogen haben.
Im Laufe des Tages soll es im Bereich der Neumünsteraner Innenstadt immer wieder zu energischen Unmutsbekundungen und auch erfolgreichen Angriffen auf herumirrende Nazis, die ihre eigene Demo nicht finden konnten oder die sich nach der Auflösung am Bahnhof durch die Stadt bewegen wollten, gekommen sein. Insgesamt zog sich dieses für Nazis sehr ungemütliche Szenario noch über den gesamten Nachmittag hin. Dabei kam es zu einigen Personalienfeststellungen und auch (nach Polizeiangaben) 9 Fest- und Gewahrnahmen von Antifaschist_innen, von denen aber nach derzeitigem Kenntnisstand alle wieder draußen sind.
Insgesamt war der heutige Tag ein absoluter Reinfall für die schleswig-holsteinische Naziszene: Kein Aufmarsch, keine Öffentlichkeit, Platzverweise und einige blaue Flecken sprechen dafür. Dass der Ausfall des Naziaufmarsches scheinbar politisch gewollt war und durch eine entsprechende Polizeistrategie provoziert wurde – was für Neumünster ein absolutes Novum darstellt – ist kaum von der Hand zu weisen. Eine aus dem Boden gestampfte Antifa-Mobilisierung im Vorfeld, die auf den Hitergrund des Hess-Gedenkens aufmerksam machte und das vielfältige Agieren von bis zu 400 Antifaschist_innen am heutigen Tage hat jedoch einen würdigen Anteil dazu beigetragen.
http://antifanms.blogsport.de | http://www.antifa-kiel.org
>> Hier gibt es den Redebeitrag der Autonomen Antifa-Koordination Kiel zum lesen und zum anhören als mp3
>> Artikel: Neumünster: Situation vor dem Naziaufmarsch (18.8.10)
Presseberichte:
KN (21.8.10)
SHZ (21.8.10)
SHZ (23.8.10)
Presse im Vorfeld:
SHZ (12.8.10)
KN (16.8.10)
SHZ (18.8.10)
SHZ (19.8.10)
SHZ (20.8.10)
Aufruf: Kein Naziaufmarsch in Neumünster!
Für den 21. August kündigen Neonazis aus Schleswig-Holstein einen „Ehrenmarsch“ anlässlich des Todestages des Preußenkönigs Friedrich des Großen in Neumünster an. Friedrich der Große starb am 17.8.1786 – für die Nazis allerdings wohl nur ein Vorwand an diesem Datum aus einem ganz anderem Grund auf die Straße zu gehen. Der 17. August steht innerhalb der Naziszene vor allem für das „Gedenken“ an den Hitler-Stellvertreter und Nazi-Kriegsverbrecher Rudolf Hess, welcher am 17.8.1987 im Gefängnis in Spandau Selbstmord beging. Hess war u.a. an der Judenverfolgung im besetzten Polen beteiligt.
Den zentralen Aufmarsch der Szene, der bis 2004 im bayerischen Wunsiedel, dem Ort wo Hess begraben liegt, stattfand, gibt es in dieser Form auch dank antifaschistischer Intervention nicht mehr. Seit dem kommt es jährlich immer wieder, auch in Schleswig-Holstein, zu „spontanen“ Aktionen von Neonazis rund um dieses Datum, die Bezug auf den Tod von Hess nehmen.
Den angekündigten Aufmarsch in Neumünster bewerben sowohl der Landesverband der NPD, als auch ein aus dem Kreis der neonazistischen „Aktionsgruppen“ betriebenes Internetprojekt. Nachdem es am 16.8.2008 zu einer nächtlichen „Spontandemonstration“ von etwa 40 Nazis in Kiel kam und 2009 etwa genauso viele Nazis am 17.8. einen „Fackelmarsch“ in Kellinghusen durchführten, wollen die schleswig-holsteinischen Neonazis nun offensichtlich einen legalen Rahmen für ihre Verehrung des Kriegsverbrechers Hess schaffen. Aus diesem Grund wurde wohl nun auch Friedrich der Große aus der Mottenkiste gezerrt. Bundesweit werden solche Veranstaltungen immer wieder von den Behörden verboten, da es sich um offensichtliche Ersatzveranstaltungen für den verbotenen Aufmarsch in Wunsiedel handelt.
Die Nazis wollen am Samstag den 21.8. um 11 Uhr am Bahnhof in Neumünster aufmarschieren.
Wir werden diesem geschichtsrevisionistischen und NS-verherrlichenden Aufmarsch nicht tatenlos zuschauen. Dort, wo Neonazis ihre Ideologie der Ausgrenzung und Unterdrückung, ihren Rassismus, Nationalismus und Antisemitismus auf die Straße tragen, werden wir ihnen mit aller Kraft und Entschlossenheit entgegentreten.
Gemeinsam werden wir den Naziaufmarsch stoppen!
Samstag | 21. August 2010 | Antifa-Aktionen
9 Uhr | Bahnhof | Neumünster
Infos auf: www.antifanms.blogsport.de | www.antifa-kiel.org
Achtet auf weitere Ankündigungen.
Antifaschistische Gruppen aus Schleswig-Holstein
Abends: Antifa-Soli-Konzert in der AJZ mit Stumbling Pins