Prozesserklärung / Amtsgericht HH-St. Georg // 26.7.13

Prozesserklärung zum Prozess gegen einen Kieler Antifaschisten am 26.7.13 in Hamburg anlässlich des Naziaufmarsch in Hamburg am 2. Juni 2012

Ich bin heute angeklagt, weil mir auf Grundlage der Aussagen dreier Polizisten vorgeworfen wird, am Abend des Aufmarsches von etwa 600 Neonazis am 2. Juni 2012 in Hamburg-Wandsbek am Hamburger Hauptbahnhof einen dieser Polizisten mit einer abenteuerlichen Schlag-Knie-Kombination angegriffen und verletzt zu haben und mich bei der anschließenden Festnahme zur Wehr gesetzt zu haben. Vorausgegangen sei meinem angeblichen Angriff der Versuch seiner Polizeieinheit, mich und andere als Antifaschist_innen ausgemachte Personen durch Umzingelung davon abzuhalten, in das Bahnhofsgebäude zu gelangen, das etwa zeitgleich von abreisenden Neonazis passiert worden sein soll.

Wir werden im Laufe des Prozesses voraussichtlich noch Polizei-eigene Videoaufzeichnungen von der Abführung meiner Person zu Gesicht bekommen, die nicht zufällig erst nach den vermeintlichen Handlungen, die mir vorgeworfen werden, einsetzen, aber trotzdem eine andere Version des Geschehens als naheliegender erscheinen lassen: Da physischer Widerstand ohne übernatürliche Kräfte nahezu eine Sache der Unmöglichkeit ist, wenn drei gepanzerte Personen ihre volle Körperkraft einsetzen, um eine ungepanzerte Person auf dem Boden zu fixieren, wird es wohl auch keinen entsprechenden Widerstand gegeben haben. Und wenn der angebliche Täter, also ich, mit blutiger Nase über den Bahnhofvorplatz und vorsätzlich gegen eine Schiebetür geschubst wird, drängt sich der Verdacht auf, dass irgendeine Art von Schlagkombination wohl kurz zuvor eine Körperverletzung hervorgerufen hat, Empfänger und Absender in den der Anklage zu Grunde liegenden Aussagen aber offensichtlich vertauscht wurden. Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass ich anschließend während einer Odyssee durch verschiedene Polizeiwachen, Gefangenenzellen und Amtszimmer noch etwa fünf Stunden meiner Freiheit beraubt wurde.

Nun könnte ich empört feststellen: „Mir ist hier ganz offensichtliches Unrecht widerfahren, dies ist ein Skandal!“ Und diesen gelte es nun mit der Kundtat meines Wissens über die tatsächliche Vorgänge am frühen Abend des 2.6., Tatort Hauptbahnhof, aufzudecken, um vor dem unabhängigen Gericht seine Richtigstellung zu erwirken. Dies ist aber nicht die vordergründige Motivation, die mich veranlasst hat, Widerspruch gegen den für Gericht und Staatsanwaltschaft äußerst komfortablen, weil arbeitssparenden und im nicht-öffentlichen Raum zum Ziel führenden, Strafbefehl einzulegen, den ich vor ein paar Monaten erhalten habe. Denn dagegen, mir als linker Antifaschist, der hier auch nicht vor hat, seine politischen Überzeugungen und damit auch nicht die selbstredende Teilnahme an den Gegenaktivitäten zum Naziaufmarsch am 2.6. zu leugnen, vor Gericht realistische Chancen auszumalen, sprechen durch zahllose Fälle unterfütterte Erfahrungswerte. Diese veranlassen mich im Gegenteil leider dazu, anzunehmen, dass bürgerliche Gerichte spätestens bei der heutigen Konstellation – unbelehrbarer linker Trotzkopf vs. drei im Verprügeln von Demonstrant_innen und seinem juristischen Nachspiel wohl erfahrene Angehörige einer kasernierten Truppe Bereitschaftspolizist_innen – schnell mal seine vorgebliche Unabhängigkeit verliert und Judikative und Exekutive eine letztlich kaum verwunderliche Interessengleichheit bei der Wahrung ihrer Sicherheit und Ordnung beweisen. Eine Aussage meinerseits würde somit kaum mehr als den Zweck erfüllen, als den Schein einer unvoreingenommen und jenseits politischer Interessen urteilenden Gerichtsbarkeit zu wahren, um am Ende trotzdem der Einheitsaussage des von Beruf aus glaubwürdigen polizeilichen Gegenübers zu unterliegen.
Ein Fünkchen Hoffnung, hier heute vielleicht trotzdem noch meinen Kopf ein Stück weit aus der Schlinge zu winden, setze ich wenn überhaupt darin, dass die drei Brandenburger Kollegen, die uns später noch im Gerichtssaal beehren werden, dann vielleicht doch nicht so routiniert sind, wie bei der am 2.6. unter Beweis gestellten in Perfektion praktizierten Disziplin des Aufmischens von Demonstrant_innen. Für einen Genossen hat dieser eher die Regel bestätigende Ausnahmefall ebenfalls im Zusammenhang mit dem 2.6.2012 im Februar ja immerhin überraschenderweise einen vorläufigen Freispruch bedeutet.

Aber was verspreche ich mir stattdessen davon, wenn ich mich im Vorfeld des Prozesses für die Anklagebank entschieden habe, obwohl dies wohl einer der letzten Orte ist, an dem man für Gewöhnlich gerne Platz nimmt? Nun, ich bin es leid, dass das Gelaber von der zunehmenden Gewalt gegen Polizist_innen, dass auch im Nachklang des 2.6. mal wieder, z.B. unter erheblicher Beihilfe der rechtspopulistischen „Deutschen Polizeigewerkschaft“, durch die Mainstream-Medien geisterte, unwidersprochen hinzunehmen. Insbesondere dann, wenn auch meine zu erwartende Verurteilung u.a. den Zweck hat, Zahlen herbeizuführen, die dieses Märchen dann statistisch belegen sollen. Dass die Aussagekraft solcher Beweisführungen über tatsächliche Verhältnisse dann auch tatsächlich der eines Märchens gleichkommt, bezeugen u.a. die heute zu verhandelnden Geschehnisse: Polizeiübergriffe, wie sie ganz alltäglich alle möglichen Menschen erleiden müssen, die sich den nicht selten auch willkürlichen Spielregeln der selbstherrlichen Hüter_innen der bürgerlichen Ordnung nicht fügen wollen – z.B. aus politischen Gründen oder weil sie lieber ihren eigenen, viel besseren Regeln vertrauen – oder dies gar nicht können – etwa weil ihnen das hierzu nötige Kleingeld oder das richtige Ausweisdokument fehlt – gehen nicht als solche in die öffentliche Wahrnehmung ein. Im Gegenteil: Ist dem Kollegen bei einem Einsatz mal wieder Faust oder Knüppel über das gesetzlich gebilligte Maß hinaus ausgerutscht, etwa weil das Feindbild passte oder ihm nicht die gewünschte Unterwerfung entgegengebracht wurde, ist die Anzeige mit umgekehrten Vorzeichen schnell geschrieben, die Aussage abgestimmt, die herzzerreißende Pressemitteilung über die Polizei als Opfer inkl. Forderung nach „drastischen Strafen durch die Justiz“ und keinen „Kuschelskurs mit Antifaschisten“ in Umlauf gebracht und das Urteil damit bereits weitestgehend festgeschrieben. Und – voilà : Obwohl die Straße ein anderes Lied zu singen weiß, nimmt in den Parlamenten, den Medien, an den Stammtischen und wahrscheinlich sogar in der polizeilichen Selbstwahrnehmung nun nicht mehr Polizeigewalt, sondern Gewalt gegen Polizist_innen zu.

Aber auch eine andere Funktion eint bürgerliches Märchen und Propaganda à la DPolG und Verbündete: Beide arbeiten bewusst mit Unwahrheiten, die gezielt verbreitet und so penetrant wiederholt werden, dass selbst der nüchterne Verweis auf das überdeutliche Verhältnis von 450 während des Polizeieinsatzes am 2.6. verletzten Antifaschist_innen gegenüber 19 angeblich verletzten Beamten nicht mehr gegen deren Horrorszenario eines „in Schutt und Asche gelegten Stadtteils Wandsbek“ anzukommen weiß. Aber es ist nicht nur der polizeiliche Eigennutz nach belieben die Sau raus lassen zu dürfen, der dahinter steht, sondern es geht vielmehr noch auch um eine übergeordnete gesellschaftliche Zielsetzung. Das Zerrbild des zunehmend geschundenen Opfers Polizeibeamte_r und die Lüge von dem Ansteigen von Kriminalität und Gewalt sind die propagandistische Vorbereitung dafür, ohne breiten gesellschaftlichen Widerspruch auf gesetzgebender Ebene das Feld der polizeilichen Befugnisse immer mehr auszuweiten, das Strafmaß zu erhöhen sowie Grundrechte einzuschränken und auszuhöhlen. Ziel solcher Maßnahmen ist es natürlich nicht, das Leben der Menschen sicherer zu gestalten, wie dann suggeriert wird, sondern einen staatlichen Kontroll- und Repressionsapparat zu installieren, der die herrschende Ordnung selbst dann in der Lage ist aufrecht zu erhalten, wenn das soziale Konfliktpotenzial der gleichzeitigen Verarmungs- und Verunsicherungspolitik als Prävention und autoritäre Antwort auf die andauernde kapitalistische Weltwirtschaftskrise sich auch hier im Land der Profiteure einmal, in welcher Form auch immer, droht aufzubrechen, wie es – im Vergleich vielleicht etwas hinkend – anderswo längst der Fall ist.

Und an diesem Punkt lohnt es sich dann auch mal, kurz von der moralisierenden zur nüchternen Perspektive überzugehen: Denn solange es den beruflichen Tätigkeiten des_der Polizist_in inbegriffen ist, der Gesetzeslage entsprechend Wohnungslose von öffentlichen Plätzen zu vertreiben, rassistische Kontrollen durchzuführen, Abschiebungen zu vollziehen, Mieter_innen aus ihren Wohnungen zu räumen, Ladendiebe festzunehmen, von Zeit zu Zeit mal einen x-beliebigen Störenfried aus nichtigen Gründen zu erschießen oder eben Nazi-Demos durchzusetzen, kurzum: eine Ordnung zu hüten, die linke Aktivist_innen gemeinhin als menschenfeindlich ablehnen, herrscht zwischen diesen und der Polizei ein Interessengegensatz, den selbst die noch so ernst gemeinteste Deeskalationstrategie nicht in der Lage wäre, zu versöhnen. Folglich ist es kaum vermeidbar, dass linke Aktivist_innen und die Polizei von Zeit zu Zeit aneinandergeraten. Am heute zu verhandelnden Tag sind tausende Antifaschist_innen mit dem Ziel auf Hamburgs Straßen unterwegs gewesen, den Naziaufmarsch nach Möglichkeit zu verhindern. 4500 Polizist_innen wiederum waren damit beauftragt, ihn mit allen Mitteln möglich zu machen. Dieser Antagonismus wurde an diesem Tag in unzähligen Fällen physisch, in übergroßer Mehrheit zu Ungunsten der Meinigen.
Doch solange deutsche Neonazis in unfassbarer Regelmäßigkeit Menschen ermorden können, wie erst am Mittwoch letzter Woche wieder im bayrischen Kaufbeuren geschehen, als das Pack auf einem Volksfest einen 34-jährigen aus Kasachstan stammenden Mann aus rassistischen Gründen totprügelte und danach für ein Gros der örtlichen Bevölkerung die entscheidende Sorge gewesen zu sein scheint, dass es die Fortsetzung seiner Festwoche gefährdet sah, weiß ich, dass meine Wut und mein Verantwortungsbewusstsein, dabei nicht tatenlos zuzusehen, gegenüber der Angst vor drohender Gefährdung meiner körperlichen Unversehrtheit und staatlicher Bestrafung obsiegen wird und auf welcher Seite ich auch das nächste Mal stehen werde, wenn die Polizei den Mördern den Weg bahnt und ihnen die Möglichkeit gibt, das ideologische Hintergrundgebrüll zu dem allein seit 1990 mindestens 184-fachen neonazistischen Töten in der BRD auf die Straße zu tragen.

Mein Dank gebührt den Genoss_innen, die mich hier heute im Gerichtssaal unterstützen und allen Menschen, die trotz Polizeigewalt und Repression weiter für ein soziales Miteinander aller in grenzenloser Gleichheit, Freiheit und Solidarität aufbegehren. Insbesondere möchte ich aus aktuellem Anlass denjenigen Anwohner_innen meine Hochachtung aussprechen, die in den vergangenen Wochen eindrucksvollen Widerstand gegen rassistische Polizeischikanen in Altona geleistet haben. Damit möchte ich schließen und habe ansonsten keine weiteren Worte zu der nun folgenden tragisch-komischen Vorstellung zu verlieren.

Alles eine Frage der Perspektive! Solidarität mit unserem angeklagten Genossen!

Aufruf der Autonomen Antifa-Koordination Kiel und der Roten Hilfe e.V. Ortsgruppe Kiel zum Prozess gegen einen Kieler Antifaschisten am 26.7.13 in Hamburg anlässlich des Naziaufmarsch in Hamburg am 2. Juni 2012.

Am 2. Juni 2012 wird in Hamburg Wandsbek ein Neonaziaufmarsch unter dem Motto „Tag der deutschen Zukunft“ von viereinhalb tausend Bullen trotz eines vehementen Widerstandes von bis zu 10.000 Antifaschist_innen durchgesetzt. Unter demselben Motto fanden bereits Neonaziaufmärsche in Pinneberg, Hildesheim, Braunschweig / Peine und dieses Jahr in Wolfsburg statt. Blockaden der Aufmarschroute der Neonazis in Hamburg von mehreren tausend antifaschistischen Aktivist_innen, zu welchen das Hamburger Bündnis gegen Rechts (HbgR) sowie das autonome-antifaschistische Bündnis “Keine Zukunft für Nazis” (aaB) aufgerufen hatten wurden von der Polizei mit all ihr zur Verfügung stehenden Mitteln angegriffen um dem rechten Auflauf einen angenehmen Verlauf ihrer geplanten Demonstration zu ermöglichen. Über sechs hundert Antifaschist_innen wurden zu diesem Zwecke von der Staatsgewalt über mehrerer Stunden in einem Polizeikessel ohne Zugang zu medizinischer Versorgung, Wasser oder Toiletten festgehalten. Im gesamten Tagesverlauf verletze die eingesetzte Polizei zielgerichtet zahlreiche Demonstrant_innen. Das Versammlungsrecht für Antifaschist_innen wurde am 2. Juni faktisch polizeilich unterbunden – hingegen der Neonaziaufmarsch mit aller Gewalt durchgeprügelt.

Jetzt, gut ein Jahr nach den Ereignissen des 2. Juni 2012 erhält ein Kieler Antifaschist, der sich ebenfalls an den antifaschistischen Aktionen gegen den „Tag der deutschen Zukunft“ beteiligt hatte von der Hamburger Staatsanwaltschaft einen Strafbefehl. Er soll am frühen Abend des 2. Juni am Hamburger Hauptbahnhof einen Polizeibeamten attackiert und leicht verletzt haben. Er wird den Stafbefehl nicht akzeptieren, nicht einfach zahlen, auch wenn es aus juristischer Perspektive womöglich der einfachste und kostengünstigste Weg wäre. Es wurde Widerspruch gegen den Strafbefehl eingelegt, am Freitag den 26.07.13 um 9.00 Uhr findet die Hauptverhandlung am Hamburger Amtsgericht St. Georg statt.

Eine „unerträgliche Gewaltorgie“ (Deutsche Polizeigewerkschaft, 2.6.2012)

Der Polizeieinsatz in Hamburg-Wandsbek wurde bereits im Verlauf des Tages und in seinem Nachklang von Antifaschist_innen scharf kritisiert. Schon während des Tages zeichnete sich ab, dass die politisch Verantwortlichen aus Polizei und Innenbehörde zu keinem Zeitpunkt den Willen hatten, den Naziaufmarsch trotz der massiven Proteste abzubrechen. Am 21. Juni 2012 beschäftigte sich ein Innenausschuss der Hamburger Bürgerschaft mit dem polizeilichen Vorgehen. Waren unmittelbar nach dem 2. Juni einerseits zwar einige kritische Stimmen zu vernehmen, die eine Aufklärung der Geschehnisse forderten, dominierten auf der anderen Seite völlig unkritische, aber leider nicht wenig gelesene, gehörte und gesehene Darstellungen des Tages die Mainstream-Medien, die es in plumpster populistischer Manier verstanden, die Geschichte so umzuschreiben, dass am Ende ein durchsetzungsstarker Staat erfolgreich über die „Links“- und Rechtsfaschisten gesiegt hatte und Ruhe und Ordnung verteidigt werden konnte. Kollateralschäden inbegriffen.

Die Frage wird nicht sein was geschehen ist, sondern wer die Macht hat, die Erinnerungen an das Geschehen zu bestimmen

Die konkrete Auseinandersetzung auf der Straße, der Akt sich als Antifaschist_in Neonazis entgegen zu stellen, die zu Hundert für ihre vernichtende Ideologie auf die Straße gehen wollen, und im Voraus möglichst viele Menschen zu erreichen und aufzufordern sich anzuschließen, ist ein essentieller Teil praktischer Antifa-Arbeit, er ist jedoch nicht der einzige. Um eine gemeinsame Perspektive entwickeln zu können, müssen wir mit unseren Positionen auch ein Jahr nach einem gewalttätig durchgesetzten Neonaziaufmarsch wahrnehmbar sein. Und zwar deutlicher, als z.B. die rechte Hetze einer DpolG (Deutsche Polizeigewerkschaft) oder eines Verfassungsschutzes, der eben zwar noch wegen seiner Kooperation mit der neonazistischen Mörderbande NSU in der öffentlichen Kritik stand, um mittlerweile längst wieder völlig unhinterfragt über sämtliche Kanäle öffentlicher Meinungsmache u.a. mittels Verfassungsschutzberichten gegen linke Bestrebungen zu hetzen. Ziel dieser „anti-extremistischen“ Propaganda in antikommunistischer Tradition ist es, die Grundlage für die ständige Verschärfung repressiver Herrschaftssicherung zu schaffen.

Wenn wir unseren Genossen nun bei seiner Entscheidung unterstützen, den Strafbefehl nicht unwidersprochen zu akzeptieren, geht es uns um die Deutungshoheit im Konkreten wie im Allgemeinen. Es geht darum, nach Ereignissen wie dem Polizeieinsatz am 2. Juni 2012 in Hamburg populistische Auswürfe wie die von z.B. der DpolG Hamburg, die nach am selben Tag in einer Pressemitteilung „für drastische Strafen durch die Justiz“ plädiert und „keinen Kuschelkurs mit Antifaschisten“ einfordert, nachdem sie vorher von einem „von randalierenden Antifaschisten verwüstetem“, gar „in Schutt und Asche gelegtem Standteil Wandsbek“ halluziniert und dem „besonnenen [!] Einschreiten der Polizei“ dankt, „dass nicht mehr passiert ist“, nicht unwidersprochen im Raum stehen zu lassen.

Konkret geht es auch darum, es nicht einfach zu akzeptieren, wenn am Ende (oder im Verlauf) eines solchen Tages, Antifaschist_innen von der Polizei geprügelt und dafür auch noch brutal festgenommen werden. Denn natürlich geht es hierbei nicht in erster Linie um die Vereitelung oder Ahndung vermeintlicher Straftaten, was in diesem Fall ohnehin synonym für allgemein wünschenswertes praktisches Vorgehen gegen Neonazis verwendet werden darf. Es geht bei solchen Polizeiübergriffen – neben den immer bestehenden Abschreckungs- und Einschüchterungseffekten zur Bewahrung von Ruhe und Ordnung – darum, entsprechende Zahlen von renitenten Aktivist_innen vorweisen zu können, die dann in einem Innenausschuss zur Rechtfertigung von über 450 verletzten Demonstrant_innen und der Außerkraftsetzung des Demonstrationsrechtes und der Bewegungsfreiheit präsentiert werden können. Es ist eine kausale Absurdität, wenn der Tenor der Mainstream-Medien in der Berichterstattung ob 19 verletzter Polizeibeamter über „gewaltbereite Chaoten“ herzieht, während über 450 durch den Polizeieinsatz, teils schwer verletzte Antifaschist_innen, keinen Anlass zur Empörung zu sein scheinen.

Oder deutlicher: wenn nach dem Ende eines Neonaziaufmarsches ein Antifaschist vorm Hamburger Hauptbahnhof von Bundespolizisten niedergeschlagen, verletzt und festgenommen wird, wofür die einzige offizielle Begründung der angebliche Versuch ist, ein Aufeinandertreffen mit in der U-Bahn sitzenden Neonazis verhindern zu wollen und dieser jetzt einen Strafbefehl wegen Widerstand und vermeintlicher Körperverletzung an einem der vier Beamten, die auf ihm gesessen und ihm die Nase blutig geschlagen haben, erhält, dann zielt dieses Manöver darauf ab, die Deutungshoheit über die Geschehnisse am 2. Juni 2012 im Sinne des Staatsapparates durchzusetzen.

Im Kontext der sich steigender Beliebtheit erfreuenden Darstellung der Polizei als Opfer zunehmender Gewalttaten, können die Statistiken mittels einfacher Strafbefehle entsprechend herbeigeführt werden. Denn ein akzeptierter Strafbefehl ist eine Verurteilung, gleichwertig der im Gerichtssaal und ein bezahlter Strafbefehl kommt einem Schuldeingeständnis gleich. Viel zu häufig werden Strafbefehle, die ins Haus geflattert kommen einfach unwidersprochen hingenommen und zähneknirschend bezahlt. Es scheint oft das kleinere Übel, da im Falle des Widerspruchs ja eine Hauptverhandlung droht, die zumeist als weitaus unangenehmer wahrgenommen wird. Mag es für den_die Einzeln_e ganz persönlich, vielleicht juristisch, wohl eher nicht politisch, eine verfechtbare Entscheidung sein, so sind die Konsequenzen für eine politische Bewegung fatal.

All around us…

Was bleibt denen, die am 2. Juni 2012 nicht auf Hamburgs Straßen unterwegs waren und von den Umständen nur aus dem Radio, der Zeitung oder dem Fernsehen erfahren haben im Gedächtnis? Kurzfristig mit Glück auch kritische Stimmen, aber im weitaus stärkeren Maße werden sie bombardiert mit öffentlichen Darstellungen, die nicht zwischen historisch mörderischer rechter Ideologie und emanzipatorischen Linken Bestrebungen zu unterscheiden wissen, Neonazis und Antifaschist_innen in einen Topf werfen und die armen Polizisten bedauern, die sich immer mehr Missbilligung, Nichtakzeptanz und Gewalt ausgesetzt fühlen. Steigende Zahlen von Gewalttaten gegen Polizeibeamte, deren Grundlage abgeurteilte „Straftäter_innen“ sind, dienen Verschärfungen der Gesetzeslage und rechtfertigen Einsätze wie Beschriebenen.

Das ist in der gegenwärtigen Situation, in der – nun auch im globalen Norden – die soziale Lage großer Teile der Gesellschaft mit fortschreitender Weltwirtschaftskrise stetig verunsichert und verschlechtert wird, für die Aufrechterhaltung des bestehenden Systems auch notwendig. Denn wenn Menschen in der Logik und Realität des Kapitalismus massenhaft zu billigem Humankapital oder gar zu Überflüssigen werden, bürgt dies zumindest potenziell Sprengstoff für die soziale Ordnung. Auch wenn das, was an verschiedenen Orten der Welt, wo sich Reibungspunkte zuspitzen und Zigtausende veranlassen, zusammen zu kommen um zu für die Verbesserung ihrer Lebensbedingungen einzutreten, in der BRD bisher wie gehabt nicht im größeren Maßstab absehbar ist: Mit der Krise steigt für die kapitalistisch verfasste Gesellschaft ganz grundsätzlich auch die Gefahr ihrer Störung, deshalb bedarf es ebenfalls und gerade in der BRD einer starken Polizei, die sich heute schon an der gewaltsamen Durchsetzung von Naziaufmärschen auch gegen den Widerstand Tausender erproben kann, ohne dass dies zu einem größeren Aufschrei führt. Denn nicht nur ihre Weltmeisterschaft im Gürtel-enger-schnallen und im Waffenexport lässt die BRD derzeit als Krisengewinner dar stehen, auch diejenige in der Perfektion ihres auch präventiv in alle sozialen Bereiche wirkenden Repressionsapparates trägt ihren Teil dazu bei. Aber so etwas wie Widerspruch ist hierzulande ja ohnehin eine Rarität, weshalb seine permanente Ausweitung auch reibungslos vonstatten zu gehen weiß.

Die Entscheidung unseres Genossen, den Strafbefehl nicht zu akzeptieren und stattdessen den Prozess zu führen ist eine Entscheidung sich zu widersetzen, renitent, ungemütlich und vor allem nicht einverstanden zu sein. Die Entscheidung, den Strafbefehl nicht zu akzeptieren bedeutet in erster Linie, den entsprechenden Instanzen, also der Gerichtsbarkeit, etwas mehr Mühe zu abzuverlangen, wenn sie Antifaschist_innen wegen was auch immer aburteilen möchten, sie zu nötigen, nicht nur einen Standartbrief ausfüllen und ausdrucken zu müssen, sondern sich in einer Hauptverhandlung als politische Justiz zu positionieren. Gleichwohl ist diesem Entschluss übergeordnet der Wille, den Kampf um die Deutungshoheit der Geschehnisse am 2. Juni 2012 in Hamburg zu führen.

Wir rufen dazu auf, am Freitag, 26.07.2013 in das Amtsgericht St. Georg zu kommen, um den angeklagten Antifaschisten dabei solidarisch zu unterstützen!

 

Autonome Antifa-Koordination Kiel | Rote Hilfe e.V. Ortsgruppe Kiel

HH: Am Freitag Prozess gegen Kieler Genossen

Am 2. Juni 2012 wurde in Hamburg-Wandsbek ein Neonaziaufmarsch unter dem Motto „Tag der deutschen Zukunft“ von viereinhalbtausend Polizist_innen trotz eines vehementen Widerstandes von bis zu 10.000 Antifaschist_innen durchgesetzt. Blockaden der Aufmarschroute der Neonazis von mehreren tausend antifaschistischen Aktivist_innen, zu welchen das Hamburger Bündnis gegen Rechts (HbgR) sowie das autonome-antifaschistische Bündnis “Keine Zukunft für Nazis” aufgerufen hatten, wurden von der Polizei mit all ihr zur Verfügung stehenden Mitteln angegriffen um dem rechten Auflauf eine möglichst störungsfreie Demonstration zu ermöglichen. Über sechshundert Antifaschist_innen wurden zu diesem Zwecke über mehrere Stunden in einem Polizeikessel ohne Zugang zu medizinischer Versorgung, Wasser oder Toiletten festgehalten. Im gesamten Tagesverlauf verletze die Polizei zielgerichtet zahlreiche Demonstrant_innen. Das Versammlungsrecht für Antifaschist_innen wurde am 2. Juni faktisch polizeilich unterbunden – hingegen der Neonaziaufmarsch mit aller Gewalt durchgeprügelt.

Knapp ein Jahr nach den Ereignissen des 2. Juni 2012 erhielt ein Kieler Antifaschist von der Hamburger Staatsanwaltschaft einen Strafbefehl. Er soll am frühen Abend des 2. Juni am Hamburger Hauptbahnhof einen Polizeibeamten attackiert und leicht verletzt haben. Anders als in dieser auf der Darstellung der beteiligten Polizisten beruhenden Behauptung, war es der nun Angeklagte, der bei diesem Ereignis von Bundespolizisten niedergeschlagen sowie verletzt und anschließend festgenommen wurde.
Der Angeklagte wird den Stafbefehl nicht akzeptieren, nicht einfach zahlen. Es wurde Widerspruch gegen den Strafbefehl eingelegt, am Freitag den 26.07.13 um 9.00 Uhr findet die Hauptverhandlung am Hamburger Amtsgericht St. Georg statt. Anlässlich dieser kündigen antifaschistische und Antirepressions-Gruppen einen Solidaritätsspaziergang zum Gericht an, der um 8 Uhr auf dem Hachmannplatz am Hamburger Hauptbahnhof beginnen wird und rufen zur kritischen Begleitung des Prozesses auf.
Die Intention hinter der Führung des Prozesses ist es, nach Ereignissen wie dem Polizeieinsatz am 2. Juni 2012 in Hamburg populistische Auswürfe wie z.B. die der DpolG (Deutschen Polizeigewerkschaft) Hamburg, die noch am selben Tag in einer Pressemitteilung für drastische Strafen durch die Justiz plädiert und keinen Kuschelkurs mit Antifaschisten einforderte, nachdem sie vorher von einem von randalierenden Antifaschisten verwüstetem, gar in Schutt und Asche gelegtem Standteil Wandsbek halluziniert und dem besonnenen [!] Einschreiten der Polizei dankt, nicht unwidersprochen im Raum stehen zu lassen.
Die Entscheidung, den Strafbefehl nicht zu akzeptieren bedeutet in erster Linie, den entsprechenden Instanzen, also der Gerichtsbarkeit, etwas mehr Mühe abzuverlangen, wenn sie Antifaschist_innen verurteilen möchten, und sich in einer Hauptverhandlung als politische Justiz zu positionieren. Gleichwohl ist diesem Entschluss übergeordnet der Wille, den Kampf um die Deutungshoheit der Geschehnisse am 2. Juni 2012 in Hamburg zu führen.

Kieler Rathaus: Ein Ort für Nazis

+++ 50 Antifaschist_innen demonstrieren vor konstituierender Ratssitzung gegen Nazi-Gutsche +++ Antifaschistische Unmutsbekundungen auch im Ratssaal +++ Hausverbote und Platzverweise für Antifaschist_innen +++ Hermann Gutsche für weitere fünf Jahre zum Ratsherrn vereidigt +++

Am verregneten Donnerstagnachmittag des 13. Juni 2013 beteiligten sich insgesamt etwa 50 Antifaschist_innen an Aktionen gegen den Wiedereinzug des NPD-Mitglieds Hermann Gutsche für seine Tarnliste WaKB ins Kieler Rathaus anlässlich der zeitgleich stattgefundenen konstituierenden Ratssitzung. Unmittelbar vor Beginn der ersten Zusammenkunft der neuen städtischen Vertretung, die aus den Kommunalwahlen vom 26. Mai hervorgegangen ist, hielt der Runde Tisch gegen Rassismus und Faschismus Kiel eine Kundgebung auf dem Rathausplatz ab und verteilte Flugblätter.

Kundgebung Rathausplatz

Eine Rednerin des Runden Tischs rief die Ratsmitglieder dazu auf, nicht widerspruchslos die Zugehörigkeit eines Neonazis zur Ratsversammlung hinzunehmen und forderte das u.a. auch am Rathaus prangende Schild der städtischen Image-Kampagne „Kein Ort für Nazis“ ernst zu nehmen und konsequenterweise Hermann Gutsche vor die Tür zu setzen. Ein anschließender Redebeitrag der Autonomen Antifa-Koordination Kiel warf einen Blick auf die breit gefächerte rechte Infrastruktur im Land, die den verschiedenen faschistischen Listen auch ohne aufwändigen Wahlkampf eine stets abrufbare Wähler/innenbasis sichere. Sowohl NPD, Rechtsstaatliche Liga und WaKB hatten bei den Kommunalwahlen Sitze in schleswig-holsteinischen Rathäusern und Kreistagen erlangen können. Um diesen Sumpf langfristig auszutrocknen, gelte es auch die Vielzahl an rechten Kneipen, Verlagen, und Läden im Norden ins Visier antifaschistischer Politik zu nehmen. Abschließend wurde eine Solidaritätserklärung in Gedenken an den linken Aktivisten Clément Méric verlesen, der am 5. Juni in Paris von Faschisten ermordet wurde.

Clément Méric – ni oubli, ni pardon!

Während einige Kundgebungsteilnehmer_innen auch parallel zur Sitzung noch vor dem Rathaus präsent blieben, beobachteten andere als kritische Besucher_innen die Eröffnung der neuen Ratsversammlung. Als beim obligatorischen Überprüfen der Anwesenheit der Ratsmitglieder der Name Hermann Gutsches aufgerufen wurde, wurde von der Besucher_innentribüne ein Transparent „Keine Zukunft für Nazi-Gutsche“ gezeigt und mit „Nazischwein“- und „Gutsche aus dem Rathaus fegen!“-Rufen lautstark gegen dessen Anwesenheit demonstriert. Die Alterspräsidentin Erika Diehr (CDU) kam darauf jedoch nicht etwa der zuvor auf der Kundgebung aufgestellten Forderung nach einem Hausverbot für den NPDler nach, sondern kehrte diese in ihr Gegenteil: Sie erteilte ein solches den protestierenden Antifaschist_innen. Drei Besucher_innen wurden anschließend von bereits im Saal lauernden Polizist_innen aus dem Ratssaal befördert, ihre Personalien kontrolliert und mit einem Platzverweis selbst für den Rathausplatz belegt. Die Sitzung konnte danach weitestgehend ohne größeres Aufsehen fortgesetzt werden, lediglich die Fraktion der Grünen machte während der Vereidigung Gutsches noch einmal durch eine T-Shirt-Aktion ihre Ablehnung symbolisch deutlich.

Einmal mehr hat sich gezeigt, welch Farce eine vermeintliches städtisches Engagement gegen Neonazis ist, das sich auf das Aufhängen von Blechschildern beschränkt und obendrein wiederholt Hausverbote für Antifaschist_innen ausspricht. Der braune Sitz Hermann Gutsches im Kieler Rat, den 810 Kieler/innen mit ihrem Kreuz ermöglicht haben, ist mit dessen Vereidigung am Donnerstag währenddessen ein weiteres Stück mehr unschöne Kieler Normalität geworden, die allen Antfaschist_innen in der Landeshauptstadt eine Aufforderung sein sollte, in den kommenden fünf Jahren auf vielfältige Weise an ihrer baldigen Beendigung zu arbeiten.

 

>> Artikel von KN-online

Clément à jamais lun des notre !

Photo en hommage de Clément Méric, qui a été assassiné par les fascistes le 5 juin 2013 à Paris.

Solidarité avec sa famille, ses ami(e)s et ses camarades!

Contre le fascisme partout ! No pasaran !

Amitiés solidaires du TattooCircus Kiel & de lAutonome Antifa-Koordination Kiel

 

clement

(15.6.2013, TattooCircus Kiel @ Alte Meierei)

 

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Bild in Gedenken an Clément Méric, am 5. Juni 2013 in Paris von Faschisten ermordet. Solidarität mit seiner Familie, seinen Freund_innen und seinen Genoss_innen!

Kampf dem Faschismus überall! No pasaran!

Solidarische Grüße vom TattooCircus Kiel & der Autonome Antifa-Koordination Kiel

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Picture in commemoration of Clément Méric, murdered by fascists in Paris on 5th of June, 2013.
Solidarity with his family, friends and comrades!

Fight fascism everywhere! no pasaran!

Solidary regards from TattooCircus Kiel & Autonome Antifa-Koordination Kiel
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+++ Spendet für antifaschistische Arbeit in Paris! +++ Donate for antifascist action in  Paris ! +++ Appel aux dons à soutien à lAFA Paris ! +++
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Hintergründe & aktuelle Infos:
AFA Paris-Banlieue | La Horde
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„Vive la solidarité internationale !“ Antifa-Demo Paris, 23.6.2013

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In Bewegung bleiben gegen repressive Verhältnisse, mordende Faschisten und rechte Strukturen überall

Es sind bewegte und bewegende Tage derzeit, die selbst am hohen Norden nicht spurlos vorübergehen.

So demonstrierten am Donnerstag, 6. Juni 2013 bis zu 200 Menschen in Kiel von Gaarden zum Hauptbahnhof gegen Polizeigewalt und staatliche Repression und folgten damit Aufrufen der Linksjugend [solid] und autonomer Gruppen. Sie erklärten sich solidarisch mit dem mittlerweile seit knapp zwei Wochen andauernden Aufstand gegen das konservativ-autoritäre Erdogan-Regime in der Türkei einerseits und den Blockupy-Aktionstagen für mehr Widerstand in kapitalistischen Krisenzeiten in Frankfurt andererseits. Eine weitere Kundgebung zu den Kämpfen in der Türkei mit 80 Teilnehmer_innen, die von DIDF initiiert wurde, fand am Samstag ebenfalls am Kieler Hauptbahnhof statt.

 

Solidemo gegen Polizeigewalt in Kiel

Am Samstag, 8. Juni versammelten sich etwa 800 Antifaschist_innen in Billstedt am Hamburger Stadtrand, um von dort aus über die Landesgrenze hinweg nach Glinde (Kreis Stormarn) zu demonstrieren, wo seit knapp zwei Jahren der Laden „Tönsberg“ die rechte Bekleidungsmarke „Thor Steinar“ vertreibt. Die Demo wurde vom Hamburger Jugendbündnis – Keine Zukunft für Nazis! organisiert. Die Autonome Antifa-Koordination Kiel beteiligte sich mit einem Redebeitrag zu rechten Strukturen in Schleswig-Holstein und antifaschistischen Gegenstrategien sowie einer Solidaritätserklärung in Gedenken an den Mord, den Neofaschisten am Mittwochabend des 5. Juni in Paris an dem 18jährigen Antifa-Aktivisten Clément Méric begangen haben.

 

Demo gegen „Tönsberg“ in Glinde

Aus letztgenanntem Anlass fand zudem am Sonntag, 9. Juni eine spontane antifaschistische Gedenkdemonstration von etwa 300 Menschen in Hamburg statt, die sich am frühen Abend in zügigem Tempo vom Schanzenviertel zu den Landungsbrücken bewegte. Die Demo unter der lautstarken Parole „Clément Meric – das war Mord! Kampf dem Faschismus an jedem Ort!“ blieb unangemeldet.

 

Gedenkdemo an Clément Meric in Hamburg

Eine weitere Gelegenheit in Bewegung zu bleiben oder es noch zu kommen, bietet sich am Donnerstag, 13. Juni, wenn anlässlich der konstituierenden Ratssitzung im Kieler Rathaus in der Innenstadt eine antifaschistische Kundgebung des Runden Tischs gegen Rassismus und Faschismus stattfinden wird. Diese richtet sich gegen den Wiedereinzug des NPDlers Hermann Gutsche in die städtische Ratsversammlung infolge der Kommunalwahlen vom 26. Mai, wo seine Tarnliste WAKB 1,1% (810 Wähler/innen) der Stimmen erlangen konnte. Die Kundgebung beginnt um 14 Uhr auf dem Rathausplatz.

„Gegen Nazistrukturen und rechten Lifestyle vorgehen!“ – Redebeitrag 8.6.2013 / Antifa-Demo Glinde

Liebe Genoss_innen, liebe Antifaschist_innen, liebe Glinder_innen!

Wir demonstrieren hier heute in Glinde abermals gegen den den Laden „Tönsberg“, der nun leider schon seit fast zwei Jahren Nazis, rechtsoffenene Deppen und ignorante Geschmackslegastheniker aus Hamburg und Schleswig-Holstein mit seinen durch nationalistische, rassistische und faschistische Symbolik durchtränkten Klamotten versorgen kann. Das kapitalistische Prinzip lehrt uns nicht wenig penetrant: Dort wo sich ein Angebot über einen längeren Zeitraum auf dem Markt halten kann, muss auch eine entsprechende Nachfrage vorhanden sein. Nun denn, werfen wir doch mal einen Blick in die Landschaft des potentiellen Tönsberg-Kundenkreises in Schleswig-Holstein.

Wer die Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein vor zwei Wochen verfolgt hat, musste leider zähneknirschend zur Kenntnis nehmen, dass es neofaschistische Wahllisten gelungen ist, immerhin drei ihrer Kandidaten für die nächsten fünf Jahre in Rathäuser und Kreistage zu schicken und das, trotz eines weitestgehend nicht wahrnehmbaren Wahlkampfes und Kandidaturen in gerade einmal vier Kreisen landesweit.

Der NPDlerHerrmann Gutsche konnte trotz sinkender Wähler/innenzahlen seinen Sitz in der Kieler Ratsversammlung verteidigen, diesmal nicht unter dem NPD-Label, sondern für die Tarnliste “Wahlalternative Kieler Bürger” (WAKB). Auch Kay Oelke, der erst kurz vor der Wahl aus der NPD ausgetreten war, erreichte mit seiner Splittergruppe “Rechtsstaatliche Liga” im Herzogtum-Lauenburg mit 1,6% der Stimmen das nötige Ergebnis für die Verteidigung seines Sitzes im Kreistag, wie auch für den Einzug ins Geesthachter Rathaus. Ebenso Mark Proch, der in Neumünster offen für die NPD angetreten war, konnte sich auf genügend Nazi-Wähler/innen verlassen und sitzt nun im Neumünsteraner Rathaus. Die nüchterne Bilanz aus antifaschistischer Perspektive am Wahlabend war damit, dass es neo-faschistischen Bewerbern in Schleswig-Holstein gelungen ist, die Anzahl ihrer Ratsvertreter im Land von zwei auf drei bzw. vier zu erhöhen.

Welche Schlüsse müssen wir also daraus ziehen, wenn es dem hiesigen Rechtsaußenlager gelingt, ein gemessen an seiner allgemein desolaten Verfassung und den Erwartungen im Vorfeld durchaus als Erfolg zu benennendes Wahlergebnis zu erzielen? Zur Erinnerung: Die schleswig-holsteinische NPD und ihre Umfeldstrukturen befinden sich seit einigen Jahren im stetigen Niedergang, das vergangene Jahr steht exemplarisch dafür: Auf der Straße entpuppte sich die Neonazi-Szene als so schwach, dass sie über ein nur äußerst bescheidenes Mobilisierungspotenzial verfügt, dass den dreistelligen Bereich an Teilnehmer/innen bei ihren Aktionen nur mit viel Mühe anticken kann und auch darüber hinaus nicht fähig ist, ihre Demonstrationen durchzusetzen. Dies hat sie am 1. Mai 2012 in Neumünster vor viel Publikum vorgeführt. Konsequenz ist eine öffentliche Präsenz von organisierten Neonazis, die sich aktuell auf wenige, in der Regel unangekündigte Stände und Kleinstkundgebungen meist auf Dörfern und in Kleinstädten beschränkt, beunruhigende Ausnahmen waren die nicht expliziten Nazimobilisierungen zum Thema sexueller Missbrauch von Kindern vor allem in Leck und Neumünster, wo Neonazis, darunter besagter Mark Proch, entsprechende Wutbürger-Proteste mit zeitweisem Erfolg angeführt haben. Selbst das einzige regelmäßige Event der Szene mit zumindest einer gewissen Ausstrahlungskraft, der sogenannte „Trauermarsch“ in Lübeck, ist seit diesem Jahr endgültig die Fahrt nach Walhalla angetreten und auf dem Müllhaufen der Geschichte gelandet, was sicherlich der genannten abgenommenen Mobilisierungskraft, vor allem aber ausgeprägten und andauernden parteiinternen Querelen geschuldet ist. So haben im vergangenen Jahr verschiedene wichtige Personalien die NPD im Streit verlassen, zum einen z.B. der einstige Anmelder des Lübecker Trauermarsches Roland Siegfried Fischer aus Kiel, zum anderen als aktuellstes Beispiel mitten im angelaufenen Wahlkampf genannter Kay Oelke aus Lauenburg. In Kiel musste Herrmann Gutsche nach dem Wegbrechen der zwischenzeitlich sehr aktiven freien Strukturen um die „AG Kiel“ gar auf den nazi-unterwanderten Hobbyfußballclub „Bollstein Kiel“ zurückgreifen, um seine Wahllisten zu füllen. Dessen Mitglieder scheinen für alles andere mehr geeignet als zu dessen krampfhaft bürgernaher Parteipolitik. Bei den freien Kräften sieht es keinesfalls anders aus: Zwar in einigen Landesteilen mit bekannten Begleiterscheinungen in Form von Nazipropaganda und Übergriffen noch existent und aktiv, vor allem in Nordfriesland, Stormarn und Ostholstein, ist der politische Aktivismus und die Vernetzung aber nicht annähernd mehr mit dem zwischenzeitlichen Hype von „autonomen Nationalisten“ in S-H vor wenigen Jahren zu vergleichen. Auch das faschistische Spektrum jenseits der NPD und klassischen Freien kann hier bis dato nicht in größerem Maßstab in dieses tendenzielle Vakuum vordringen: Die „Freiheit“, die „Identitären“ oder auch die „Rechte“ sind zwar mal mehr, mal weniger existent, wirkliche Relevanz konnten sie aber bisher auf keinem Gebiet erzielen.

Kurzum: Organisierte Nazi-Strukturen kriseln in Schleswig-Holstein nicht erst seit gestern größtenteils vor sich hin und doch haben faschistische Parteien ihre Sitze in den Rathäusern und der Glinder „Tönsberg“ genügend Kund/innen und – apropos! – nicht nur der. Denn was Antifaschist_innen und kritische Journalist_innen zwar regelmäßig aufdecken, aber in der antifaschistischen Praxis bisher oft zu kurz gekommen ist, ist eine nicht zu unterschätzende rechte Geschäftswelt und Infrastruktur, die teilweise bundesweit Ausstrahlungskraft hat. Allein in der und um die Landeshauptstadt Kiel gibt es so einige Läden, deren Betreiber/innen und teils auch Sortiment einige Unappetitlichkeiten zu bieten haben – einige Beispiele seien im Folgenden genannt: Der Regin-Verlag aus Kiel, vor allem aber das Verlagsimperium von Dietmar Munier in Martensrade (Kreis Plön) versorgen die ganze Bundesrepublik mit nationalistischer, verschwörungstheoretischer, militaristischer und faschistischer Literatur. Letzterer kann gar mit Großkalibern wie der Zeitschrift „Zuerst!“ – einer Art Focus für Neonazis – oder der „Deutschen Militärzeitschrift“ aufwarten, die zum Standartsortiment von Bahnhofsbuchhandlungen gehört. Eine namhafte Heilpraxis, das „Heilcentrum Pless“ wird mitten in der Kieler Innenstadt von Henning Pless betrieben, einem in den frühen 1990ern als Vorsitzender der „Heimattreuen Jugend“ bekannt gewordenen Neonazi, der heute vor allem im Bereich des organisierten Gebietsrevisionismus eine prägende Funktion einnimmt. In Kiel-Gaarden existiert seit einigen Monaten der Laden PLS-Werkzeuge, der von dem langjährigen Nazischläger und Mittlerweile-Bandido Alexander Hardt geschmissen wird. Dieser gehört zum Umfeld des ebenfalls immer noch existenten Club88 in Neumünster, der immerhin schon seit 15 Jahren einer der bekanntesten Treffpunkte der Neonaziszene in ganz Deutschland ist, wenngleich mit abnehmender Relevanz. In derselben Stadt ist die Kneipe Titanic nicht nur Anlaufpunkt für die rechte Szene der Region, sondern wird von dem seit seiner diesjährigen Kandidatur für die NPD mittlerweile sogar offen als Nazis selbst erklärten Horst Micheel betrieben. In Nessendorf (Kreis Plön) war mutmaßlich sogar der NSU beim langjährig bekannten NPD-Unterstützer Eckart August Reiten, dessen Eselspark zu den führenden Ausflugstipps schleswig-holsteinischer Reiseführer gehört. Und hier in Glinde, da schließt sich der unvollständige Kreis der rechten Wirtschaftswelt, wird die Szene eingekleidet, um sich fesch auf rechten Events zwischen grauzonigen „Wir sprechen Deutsch – ehrlich und laut!“-Stumpfrock-Festivals in Schacht-Audorf, Freiwild-Konzerten in Dithmarschen, Kategorie-C-Konzerten in Flensburg, Kiel oder Neumünster und Nazi-Liederabenden an geheimgehaltenen Orten zur Schau zu zu stellen. Denn all sowas gab es in Schleswig-Holstein in den vergangenen Jahren an mal mehr, mal weniger beachteter rechter Erlebniswelt ebenfalls.

Dass überdies in einigen Teilen des Landes Nazi-Übergriffe auch ohne sich öffentlich spektakulär in Szene setzende Gruppen zum Alltag gehören, belegen zu viele Beispiele. Deshalb nur ein aktuelles, durchaus erschreckendes Beispiel aus der Schleiregion vor den Stadttoren Eckernfördes, die Antifaschist_innen nicht erst seitdem als Hochburg von dörflichen Nazicliquen bekannt ist: In Kosel belagerten am diesjährigen Himmelfahrtstag über ein Dutzend Neonazis unter Naziparolen, Böllerwürfen und Hitlergrüßen das Grundstück einer iranischen Familie und bedrohten diese über einen langen Zeitraum ungestört. Erst als die Polizei nach Stunden genügend Kapazitäten frei gemacht hatte, löste sich der Nazi-Mob auf.

Wenn wir also den rechten Sumpf, der auch in Schleswig-Holstein zwar nicht immer übermäßig stark, aber zwischen einflussreichen Publizisten, unscheinbaren Geschäftsleuten, NPD-Umfeld, Nazikneipen-Szene, rechter Dorfjugend und Sarazzin-Leser/innen weitergehend austrocknen und damit das ohne größere Mühen stets abrufbare faschistische Wähler/innenpotenzial, genauso wie die Thor Steinar-Kaufkraft dezimieren wollen, müssen wir als Antifaschist_innen unseren Blick außer auf die letzten paar verbliebenen großen Namen auf den NPD-Wahllisten, was in der letzten Zeit ausgesprochen gut geklappt hat, auch dort hinrichten, wo sich ihr Klientel seine Nischen, Geldquellen, ideologischen Versicherungen und Erlebniswelten geschaffen hat. Also auf Felder, die uns mitunter nicht zwangsläufig auf offener Straße ins Auge springen. Insofern sind die heutige und die vorhergegangenen Initiativen hier in Glinde ein positives Beispiel für die richtige Richtung. Eine andere verlässliche Komponente im Kampf gegen rechte Strukturen und Erlebniswelten wurde in den letzten Jahren zwar auch in Glinde von engagierten Jugendlichen angegangen, aber von der hier vorherrschenden reaktionären und autoritären konservativen dorfpolitischen Hegemonie abgewürgt: Die hiesige Initiative, mit einem alternativen Jugendzentrum ein Gegenentwurf zum rechten Dummfug zu schaffen, scheiterte an obligatorischer Extremismuskeule und Lokalpolitikern, die den Unterschied zwischen emanzipatorischen Jugendlichen und rechtem Menschenhass ob ihrer eigenen simplen und verbitterten Weltsicht nicht begreifen können. Insofern lautet unser Fahrplan für Glinde: Am Ball bleiben und den „Tönsberg“ dichtmachen zum Einen, her mit einem alternativen Jugendzentrum zum Anderen. Und das Ganze wiederholen wir dann in ganz Schleswig-Holstein – Deal!?

Gegen Nazistrukturen und rechten Lifestyle vorgehen – linke Gegenkultur stärken!

Glinde neu einkleiden – bunte Haare statt Thor Steinar!

Keine Geschäfte mit Neonazis – nicht in Glinde, Kiel, Neumünster oder wo auch immer!

» Clément à jamais l‘un des notre ! « – Paris-Solierklärung 8.6.2013 / Antifa-Demo Glinde

Zur Stunde findet in der französischen Hauptstadt Paris, wie in den letzten Tagen dort und in vielen anderen Städten in ganz Europa schon, eine Demonstration in Gedenken an Clément Meric statt.

 

Der 18jährige Antifa-Aktivist und Gewerkschafter Clément wurde am Mittwochabend, 5 Juni 2013 in Paris der am helllichten Tage auf offener Straße von Faschisten überfallen und schwer verletzt. Wenige Stunden später starb er in der Nacht im Krankenhaus an den Folgen seiner Verletzungen.

 

Der Mord an Clément ist geschehen in Tagen, an denen die Straßen von Frankreich von einer anhaltenden Welle faschistischer Gewalt überrollt werden. Diese ist Folge eines erstarkten Selbstbewusstseins vieler neo-faschistischer Gruppen im Zuge der massenhaften homophoben Mobilisierungen der politischen Rechten in den vergangenen Wochen in Frankreich.

 

Unsere Solidarität und Trauer erklären wir den Angehörigen, Freund_innen und Genoss_innen von Clément. Viel Kraft, Ausdauer und Glück ersehnen wir allen Antifaschist_innen in Paris. Unsere Wut und unser Kampf gilt allen Faschisten und ihrer mörderischen Ideologie überall.

 

Clément – für immer einer der Unsrigen!

Kein vergeben, kein vergessen – no pasarán!

810 Kieler/innen wählen NPD-Gutsche erneut ins Rathaus

Kommunalwahlen S-H 2013: Sitze für Neo-Faschisten in Kiel, Neumünster, Geesthacht und Lauenburg

Bei den gestrigen schleswig-holsteinischen Kommunalwahlen hat Hermann Gutsche, der seit 2008 für die Neonazi-Partei NPD im Kieler Rathaus vertreten ist, mit seiner Tarnliste Wahlalternative Kieler Bürger (WAKB) für viele überraschend den Wiedereinzug in die Ratsversammlung der Landeshauptstadt geschafft. Einer historisch niedrigen Wahlbeteiligung von 37,1% (46,6% auf Landesebene) und vier Ausgleichmandaten für Überhänge anderer Listen hat der braune Ratsherr zu verdanken, dass trotz realem wie relativem Stimmenverlust im Vergleich zur Kommunalwahl 2008 (1478 NPD-Stimmen/1,7%) die Zustimmung von 810 Kieler/innen (1,1%) zur offen rassistischen und nationalistischen WAKB-Programmatik genügte, um für weitere fünf Jahre als Einzelvertreter im Kieler Rat sitzen zu können. Ihr höchstes Ergebnis erlangte die WAKB erwartungsgemäß in Mettenhof (2,9%/103 Stimmen), wo ein Großteil ihrer Kandidat/innen wohnhaft ist, gefolgt von Elmschenhagen (2,2%/101 Stimmen), Ellerbek/Wellingdorf (2%/66 Stimmen) und Gaarden (1,8%/51 Stimmen).
Vorausgegangen war ein vergleichsweise schwacher Wahlkampf für die rechte Liste, deren Füllmasse vor allem von Mitgliedern des Neonazi-unterwanderten Hobbyfußballclubs Bollstein Kiel gestellt wurde. Stadtweite Postwurfsendungen und ein paar Aufkleber reichten allerdings aus, um das an der Förde traditionell vorhandene braune Klientel ausreichend zu den Urnen zu mobilisieren.

Wieder im Kieler Rat: NPDler Hermann Gutsche (WAKB)
Auch in anderen Kreisen bzw. Städten gelang es Neo-Faschisten, Sitze in den Kommunalvetretungen zu gewinnen: In Neumünster zog Mark Proch, der im vergangenen Jahr als Initiator mehrerer Demonstrationen gegen einen Sexualstraftäter bekannt geworden war, für die NPD ins Rathaus ein, die insgesamt 408 Stimmen (1,6%) für sich vereinnahmen konnte. Im Herzogtum-Lauenburg zog der erst kurz vor der Wahl aus der NPD ausgetretene Kay Oelke in den Kreistag ein, dessen Parteineugründung Rechtsstaatliche Liga (RL) ein Ergebnis von 1,6% (1209 Stimmen) erlangte. Lediglich Ingo Stawitz, NPD-Landesvositzender und Spitzenkandidat im Kreis Pinneberg, verpasste mit 1% (1105 Stimmen) auf Kreisebene und 1,6% in Uetersen sowohl den Einzug in den Kreistag, als auch in den Stadtrat Uetersen.

NPD-Sitz in Neumünster: Mark Proch     Ex-NPDler Kay Oelke: Für RL im Kreistag Lauenburg
Insgesamt muss festgestellt werden, dass es neo-faschistischen Bewerbern in Schleswig-Holstein gelungen ist, trotz offenkundiger Schwäche ihrer organisierten Strukturen, interner Zerstrittenheit, nur weniger Kandidaturen und einem kaum zu vernehmenden Wahlkampf, mit niedrigem Aufwand die Anzahl ihrer Ratsvetreter im Land von zwei auf drei zu erhöhen. Das Stammklientel der rechten Listen, das ohne großen Aufwand durch stumpfeste rassistische Hetze und nationalistische Selbstbemitleidung angesprochen werden kann, ist für sie in Schleswig-Holstein weiterhin abrufbar.
Nicht nur die Kandidat/innen von NPD und anderer neo-faschistischer Parteiprojekte gilt es für Antifaschist_innen daher in Wahlkampfzeiten und darüber hinaus im Auge zu behalten, sondern auch das Konglomerat aus rechtem Lifestyle, gesellschaftlichem Stammtisch-Chauvinismus und offensichtlicher wie unscheinbarer Infrastruktur, das ihre Wahlbasis bildet, muss im Blickfeld antifaschistischer Interventionen bleiben. Nichtsdestotrotz sollten sich auch die braunen Ratsherren Hermann Gutsche, Kay Oelke und der Neuling Mark Proch auf eine unruhige Amtsperiode verlassen dürfen.

Update (6.6.13): Leider wurde in diesem Artikel zunächst nicht berücksichtigt, dass Kay Oelke für die Rechtsstaatliche Liga außer mit seinem Sitz im lauenburgischen Kreistag nun auch in der Ratsversammlung von Geesthacht vertreten ist. Zum Wahlausgang der an dieser Stelle bisher ebenfalls noch nicht thematisierten obskur-faschistischen WSDV berichtet die Antifa Pinnberg: „Für die Wir sind das Volk – Deutsche Volkspartei (WSDV), die aus dem Spektrum der „Reichsdeutschen“ kommt und Anfang Mai noch bundesweites Medieninteresse für sich verbuchen konnte weil die zwei Gründer der WSDV, Winfried-Hassan Siebert und Hans Müller aus Norderstedt, sich die Markenrechte für den Slogan „Wir sind das Volk“ gesichert haben, reichte es wie nicht anders erwartet weder für den Einzug in den Kreistag noch in die Norderstedter Stadtvertretung. Angetreten ist die WSDV sowieso nur in Norderstedt und in zwei weiteren Wahlkreisen in Segeberg.“
Weitere Wahlanalysen: LinX | KielKontrovers | Antifa Pinneberg

Erneut Angriff gegen PLS-Werkzeuge in Kiel-Gaarden

Der von Neonazis betriebende Laden „PLS-Werkzeuge“ in Gaarden wurde offenbar erneut Ziel einer direkten Aktion. Wie Anwohner_innen berichteten, wurde die Eingangstür des Geschäftes in der Nacht auf den 23.5.13 schwer beschädigt und ist momentan mit einer Holzplatte geschützt, an den Schaufenster-Rolladen sollen Graffitis mit der Aufschrift „Keine Geschäfte mit Neonazis“ zu lesen gewesen sein.
Betreiber Alexander Hardt hat die Graffitis schnell wieder entfernt und ist offensichtlich, im Gegensatz zum Angriff im Januar, darum bemüht seine Fassade schnell wieder sauber zu bekommen. Nach der Aktion am 24.1.13, diversen Flugblattverteilungen und einer Demonstration von 600 Menschen gegen das Geschäft inklusive Farbbeutelwürfe scheint sich der Unmut über den Laden mitten in Gaarden weiter zu halten.