Kiel: Zum Moltkestraßen-Gedenken – Deutsche Täter*innen sind keine Opfer

70 Jahre nach den Luftangriffen der Alliierten auf Kiel wird das Gedenken an die dabei Verstorbenen von der Stadt Kiel, der Hebbelschule, Geschichtslehrer Nils Lemke, dem Stadtarchiv Kiel, dem Verein Mahnmal Kilian und der Kirchengemeinde Heiligengeist zelebriert.

Die teilweise Zerstörung des Luftschutzstollens Moltkestraße am 3. April 1945 und der Tod von mehr als 270 Personen wird dabei als „tragisches Ereignis“ und als „folgenschwersten Unglück in Kiel während des Zweiten Weltkriegs“ beschrieben. Weder das eine noch das andere trifft zu.

Es handelt sich bei der Bombardierung durch die United States Army Air Force weder um ein Ereignis, das unvorhergesehen eintraf, noch um das folgenschwerste Geschehen von dem so pathetisch geschrieben wird. Dass auch die Kieler Bevölkerung zum Gelingen des mörderischen NS-Regimes beigetragen hat und die deutsche Bevölkerung sich im letzten Akt des Krieges im Volkssturm sammelte, um Volksgemeinschaft und Vaterland zu verteidigen, wird in dieser Erzählung verschwiegen.

Die Deutschen tragen Schuld an allem Elend und Leid, das der Krieg gebracht hat

Seit 1919 glaubten die Deutschen, sie seien ein „Volk ohne Raum“, das auf Grund einer angeblichen rassischen Höherwertigkeit zum Krieg berechtigt sei. Hitler hatte für „pazifistische Schwächlinge“ nur Verachtung übrig. 1933 trat Deutschland aus dem Völkerbund aus, beendete die Mitarbeit in der Genfer Abrüstungskonferenz und begann die Aufrüstung. Mit dem Angriff auf Polen am 1. September 1939 verwirklichte Hitler seine Kriegspläne.

Kiel war Stützpunkt der Kriegsmarine, Endpunkt des Nord-Ostsee-Kanals und Standort dreier Großwerften und somit direkt beteiligt am Kriegsgeschehen. Die Geschichte des deutschen Nationalsozialismus ist nicht „Vorgeschichte” oder „Hintergrund” sondern Grund der Bombardierung deutscher Städte.

Ermordung nahezu aller Kieler Jüdinnen*Juden

Ab Januar 1933 kam es vermehrt zu Übergriffen der Nationalsozialist*innen. Am stärksten betroffen waren Jüdinnen*Juden. Bei der Austragung der olympischen Segelwettbewerbe 1936 wurde versucht, die Auswirkungen der antisemitischen NS-Politik zu verschleiern, um die Weltöffentlichkeit nicht negativ gegen Deutschland zu stimmen. Mit der Beendigung der olympischen Spiele kam es wieder vermehrt zu antisemitischen Übergriffen. Jüdische Betriebe fielen der sogenannten Arisierung zum Opfer. Bei den Pogromen am 9. November 1938 zerstörten Einheiten aus SA und SS die große Kieler Synagoge am Schrevenpark.

Die Verfolgung der Juden gipfelte schließlich in ihrer Ermordung: Viele der über 600 im Jahr 1933 in Kiel ansässigen Bürger*innen jüdischen Glaubens wurden in der folgenden Zeit deportiert, die meisten von ihnen wurden später in den Vernichtungslagern ermordet.

Das „Arbeitserziehungslager Nordmark“

Im „Arbeitserziehungslager Nordmark“, in Kiel-Hassee, wurden ab Juni 1944 bis Anfang 1945 polnische und sowjetische Zwangsarbeiter*innen gefangen gehalten. Mehr als 600 Menschen fanden hier den Tod. Als die Alliierten im Frühjahr 1945 immer weiter vordrangen, begann im „Arbeitserziehungslager Nordmark“ in Hassee die systematische Erschießung von Gefangenen.

Das Register des Friedhofs Eichhof vermerkt für die Zeit vom 16. bis 26. April 119 Bestattungen von Opfern des AEL Nordmark, darunter mehr als 60 Exekutierte. Viele von ihnen Mitglieder der Widerstandsgruppe „Scoor“.

Ohne Befreier*innen keine Befreiung oder: Unser Dank gilt den Alliierten

Am 8. Mai 2015 jährt sich die bedingungslose Kapitulation der Wehrmacht zum siebzigsten Mal. Mit diesem Tag endete der 2. Weltkrieg in Europa und die Herrschaft des nationalsozialistischen deutschen Staates. Nach sechs Jahren Krieg gelang es den Alliierten, Deutschland und Europa von der Herrschaft der Nazis zu befreien. Für die überlebenden verfolgten Jüdinnen*Juden, Sinti, Roma, Homosexuellen, Menschen mit Körpern jenseits propagierter Normen, politischen Oppositionellen und Kriegsgefangenen endete mit dem Tag der Befreiung Gefangenschaft, Unterdrückung und industrieller Massenmord.

Die Bombardierung Deutschlands und Kiels war notwendig, um diesen Krieg zu beenden. Erst mit der vollständigen Kapitulation Deutschlands, dem Sieg der Alliierten und der Auflösung des deutschen Reiches konnte diesem Grauen ein Ende bereitet werden.

Die Unmöglichkeit der Versöhnung mit Deutschland

Die Verkehrung der deutschen Täter*innen zu Opfern ist ein nicht wegzudenkendes Instrument zur Herstellung nationaler Identität. Selbst in der Zeit des Nationalsozialismus wird ein positiver Anknüpfungspunkt ausgemacht, an dem sich festgehalten werden kann: die unschuldige deutsche „Zivilbevölkerung”.

Hier liegt ein greifbarer Vorteil für die Individuen in der selbst erteilte Bescheinigung, die Vergangenheit aufgearbeitet zu haben. Doch inszenierte Trauer ist keine Aufarbeitung. Eine Versöhnung mit Deutschland ist nicht möglich.

ichkriegzustaende.herokuapp.com

Polizeikessel bei AfD-Blockade: Rechtshilfetipps der Roten Hilfe

Am 21.3.2015 wurden bei einer Blockade des Landesparteitages der rechtspopulistischen AfD in Kiel 129 Antifaschist_innen von der Polizei eingekesselt und ihre Personalien aufgenommen. Zuvor setzten die eingesetzten Eutiner Bereitschaftspolizisten unvermittelt massive Gewalt in Form von Tritten, Faustschlägen und Schlagstöcken gegen die Demonstrant_innen ein, welche sich mit Transparenten vor dem Eingang zum Tagungsort der AfD versammelt hatten. Es wurden mehrere Menschen durch die Schläge und Tritte verletzt. Laut Polizei sollen die eingekesselten Demonstrant_innen Anzeigen wegen Hausfriedensbruch erhalten, einzelne aber auch wegen „Widerstand”, angeblicher „Körperverletzung” und „Beleidigung”.

Als Rote Hilfe raten wir zu folgendem Verhalten:

  • – Eventuelle Verletzungen sofort durch einen Arzt eures Vertrauens attestieren lassen.
  • – Schreibt ein Gedächtnisprotokoll zu den Polizeiübergriffen (Tipps zur Anfertigung). Dieses kann im späteren Verlauf der juristischen Auseinandersetzungen helfen.
  • – Wir raten dringend dazu, keine Aussagen gegenüber Polizei und Staatsanwaltschaft zu machen! Wenn ihr eine Vorladung der Polizei erhaltet, müsst und solltet ihr dort nicht hingehen! Ihr macht somit automatisch von eurem Recht, die Aussage zu verweigern gebrauch. Ihr müsst auf diesen Brief auch nicht antworten oder den Termin absagen.
  • – Wenn ihr eine Vorladung oder einen Strafbefehl erhaltet informiert uns bitte darüber, am besten schaut ihr bei unserem Treffen vorbei. Gemeinsam behalten wir den Überblick über alle Verfahren und organisieren die Rechtshilfe und Solidarität!

Die Rote Hilfe Ortsgruppe Kiel trifft sich alle zwei Wochen, das nächste Mal am Mittwoch, 1.4.15 um 20 Uhr im Li(e)berAnders, Iltisstr. 34, Kiel-Gaarden. Per E-Mail sind wir auch verschlüsselt erreichbar (Schlüssel).

Bitte leitet diese Informationen an alle Menschen weiter, die von den Polizeiaktionen betroffen waren.

Bei www.freie-radios.net gibt es ein Interview des „Nachmittagsmagazin für subversive Unternehmungen” (FSK HH) mit einem Kieler Anwalt zu den Geschehnissen und einer kurzen Einschätzung zur rechtlichen Situation.

kiel.rote-hilfe.de

Kiel: AfD-Landesparteitag erfolgreich gestört

+++ 200 Antifaschist_innen demonstrieren gegen Landesparteitag der AfD in der Kieler Sparkassen-Arena +++ Gewalttätige Übergriffe auf Demonstrant_innen durch die Polizei und Massenanzeige können lautstarken Protest nicht unterbinden +++ Wichtige Intervention gegen die zunehmende Etablierung der national-chauvinistischen Partei und ihrer menschenverachtenden Politik +++

[Artikel mit mehr Bildern auf linksunten.indymedia.org]


Kiel, 21.3.2015: Insgesamt 200 Menschen beteiligten sich am heutigen Vormittag an den antifaschistischen Protestaktionen gegen den Landesparteitag der rechtspopulistischen Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD), zu denen ein Bündnis linker Gruppen und Organisationen unter dem Motto „Das ist keine Alternative: Gegen Nationalismus, Rassismus, Sexismus und Chauvinismus! Grenzenlose Solidarität statt autoritäre Krisenlösungen!“ aufgerufen hatte. Die Anreise der AfD-Delegierten konnte durch lautstarken Protest vor dem Eingang des Tagungsortes in der Sparkassen-Arena erheblich gestört werden, überschattet wurde das Geschehen durch gewalttätige Übergriffe auf Demonstrant_innen durch die Polizei und anschließende Massenanzeigen.


Bereits am Morgen hatten sich zahlreiche Aktivist_innen um 8.30 Uhr zu der Kundgebung „Für Flüchtlinge, internationale Solidarität und Geschlechtergerechtigkeit“ vor der Arena versammelt. Von hieraus bewegten sich wenig später etwa 100 Menschen zum Delegierten-Eingang, um die teilnehmenden AfD-Mitglieder mit ihrer antifaschistischen Kritik direkt zu konfrontieren. Aus einer anderen Richtung taten es ihnen weitere Dutzend Demonstrant_innen gleich. Dieser Versuch, den Protest so nah wie möglich an seine Adressat_innen heran zu tragen, wurde erst kurz vor dem Eingangsbereich durch massive Gewalt der herbeieilenden Polizei in Form von Schlagstockgebrauch, Faustschlägen und Fußtritten aufgehalten. Mehrere Demonstrant_innen wurden dabei verletzt. Über 100 Menschen aus unterschiedlichen politischen Spektren wurden anschließend auf dem Vorplatz der Arena eingekesselt und in einem langwierigen Prozedere auf ihre Personalien kontrolliert, durchsucht und abfotografiert. Immer wieder flammten die Aggressionen der Polizei bei Rangeleien mit Demonstrationsteilnehmer_innen auf. Ihren Tiefpunkt erreichten diese, als ein Aktivist außerhalb des Kessels ohne ersichtlichen Grund von Polizist_innen in den fahrenden Verkehr gehetzt wurde.


Dem lautstarken antifaschistischen Protest vor dem Arena-Eingang, dem die anreisenden AfD-Delegierten nun unweigerlich ausgesetzt waren als sie sich bis 10 Uhr von der Polizei an den Demonstrat_innen vorbei schleusen lassen mussten, taten diese repressiven Maßnahmen jedoch keinen Abbruch – im Gegenteil. Parallel dazu wurde in Hörweite nur wenige hundert Meter entfernt die Kundgebung fortgesetzt. Redner_innen kritisierten wiederholt scharf die Programmatik der AfD und ihre Prägung durch autoritäre Denkmuster und nationalistische Überheblichkeit, ihr rückwärtsgewandtes Geschlechterbild sowie ihre rassistischen und xenophoben Abschottungsphantasien. Die Rechtspopulist_innen seien ein Ausdruck der autoritären Formierung der Gesellschaft in Zeiten der kapitalistischen Krise.


Erst als gegen 12 Uhr die letzten Personen aus dem Polizeikessel entlassen worden waren, wurde die Kundgebung von den Veranstalter_innen für beendet erklärt. Die Polizei hat derweil gegen alle zuvor eingekesselten Personen Strafanzeigen wegen Hausfriedensbruch eingeleitet. Dazu summieren sich einige weitere Anzeigen wegen Beleidigung, Körperverletzung und Widerstand, die Polizeibeamt_innen angeblich zu beklagen gehabt haben sollen.


Trotz des massiven Auftretens der Polizei vor Ort konnte mit mit den heutigen Aktionen rund um den AfD-Landesparteitag in der Sparkassen-Arena deutlich machen, dass Kieler Antifaschist_innen es nicht unkommentiert hinnehmen, wenn sich eine Partei, deren Inhalte auf einem sexistischen, nationalistischen, chauvinistischen und rassistischen Gesellschaftsbild aufbauen, erdreistet, sich mitten in der Kieler Innenstadt ungestört treffen zu wollen. Die Repression, der die antifaschistischen Aktionen ausgesetzt gewesen sind, ist nicht nur politisch skandalös, sondern auch juristisch unhaltbar. Es ist schlichtweg lächerlich, wenn die Polizei erst Demonstrant_innen angreift und sie über Stunden festsetzt und ihnen anschließend vorwirft, dass ihr Aufenthaltsort nicht rechtmäßig gewesen sei. Sie hat sich damit zum willigen Handlanger der AfD gemacht, wie diese es im Vorfeld in einem Anflug von Paranoia öffentlich eingefordert hatte.


Das vorbereitende Bündnis und Kieler Anti-Repressionsstrukturen werden sich deshalb gemeinsam und entschlossen gegen die Kriminalisierungsversuche des legitimen und wichtigen Protestes wehren. Kieler Antifaschist_innen werden sich dadurch ganz sicher nicht davon abbringen lassen auch zukünftig gegen Neo-Faschismus, Rassismus, Nationalismus und Antisemitismus in all ihren Gewändern vorzugehen, wann immer dies nötig ist.


Pressespiegel:

Hamburger Abendblatt
KN Online

Schleswig-Holstein Magazin (ab 7:30)

SHZ

Durchzug und Gegenwind für die AfD in Kiel

Die rechtspopulistische „Alternative für Deutschland“ (AfD) hat in Kiel mit zunehmenden antifaschistischen Gegenwind und vereinzelten stürmischen Böen zu kämpfen. Der schleswig-holsteinische Landesverband der Partei, die mit ihren marktradikalen, autoritären, sexistischen und nationalistischen Positionen inhaltlich als der parlamentarische Arm der bundesweit zu beobachtenden rassisistischen Mobilisierungen bezeichnet werden kann, hat mit seiner Landesvorsitzenden Ulrike Trebesius die einzige Europaabgeordnete der AfD in ihren Reihen und ist somit auch bundesweit einer der tonangebenden Landesverbände.

Seit letztem Jahr verfügt die AfD über eine Geschäftsstelle im Walkerdamm in der Kieler Innenstadt, welche mittlerweile auch schon mehrmals antifaschistischen Besuch bekam: Nachdem die AfD-Zentrale am 5.12.14 von etwa 400 Antirassist_innen mit einem Refugee-Welcome-Rave/Demo besucht und thematisiert wurde, sorgte Ende Februar massiver Glasbruch für zugiges Klima in der Geschäftsstelle (Presse: SHZ). Einige Tage später sollte der erste Landeskongress der „Jungen Alternative“, der Jugendorganisation der AfD, in dem Büro stattfinden. Stattgefunden hat dieser „Kongress“ dann wohl auch, nur laut eigener Mitteilung der Jungen Alternative „leider nicht wie geplant in der Landesgeschäftsstelle der AfD, da Unbekannte die Eingangstür über Nacht so stark beschädigt hatten, dass sie kurzfristig nicht zu öffnen war“. Das Schloss und ein Teil des Türrahmens seien „großzügig verklebt“ worden (Presse: KN.

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Nun will die AfD am Samstag den 21.3.2015 in der „Business-Lounge“ der Sparkassen Arena in der Kieler Innenstadt ihren Landesparteitag durchführen. Dagegen mobilisieren linke und antifaschistische Gruppen aus Kiel zu einer Kundgebung und rufen zu Blockaden auf. Es gilt den Rechtspopulist_innen klar zu machen, dass in Kiel kein Platz für rassistische und nationalistische Parolen ist! Die antifaschistische Kundgebung am Samstag beginnt an der Ecke Ziegelteich/Großer Kuhberg pünktlich ab 8.30 Uhr, am Freitagabend findet in der Alten Meierei um 20 Uhr ein offenes Vorbereitungs- und Infotreffen mit Schlafplatzbörse statt.

“Ihr wollt uns einschüchtern? Das schafft ihr nicht”–Spendenaufruf für angeklagte Antifaschist_innen aus Kiel

[via Rote Hilfe Ortsgruppe Kiel] Seit Sommer 2013 macht die antifaschistische Kampagne “An die Substanz!” im Raum Kiel unter dem Motto “rechte Infrastruktur aufdecken – Nazis in die Pleite treiben” auf diverse Geschäftsaktivitäten von Neonazis aufmerksam. Ziel ist es die (finanziellen) Strukturen aufzudecken, die hinter den offen auftretenden Neonazi-Organisationen stehen.

Schon seit den ersten Aktionen der Kampagne im August und Oktober 2013 sehen sich die Aktivist_innen polizeilicher und juristischer Verfolgung ausgesetzt. Sowohl bei einer Fahrradtour durch Kiel als auch bei einer Bustour durch den Kreis Plön und Neumünster wurden die beteiligten Antifaschist_innen von der Polizei massiv verfolgt, durchsucht, ihre Personalien wurden aufgenommen und es wurde versucht, weitere Aktionen zu unterbinden.

Aufgrund ihrer angeblichen Beteiligung an einer Aktion während der antifaschistischen Fahrradtour haben zwei Antifaschist_innen eine Anzeige wegen Hausfriedensbruch erhalten und wurden im Oktober 2014 zwangsweise von der Polizei erkennungsdienstlich behandelt. Im Nachklang von zwei Kundgebungen vor dem Heilzentrum des Neonazis Henning Pless in der Kieler Innenstadt wurden mehrere Antifaschist_innen von Pless wegen Beleidigung angezeigt – in einem Fall bereits erfolglos, da die Anzeige wieder eingestellt wurde. Gegen einen Anmelder einer der Kundgebungen läuft ein Ordnungswidrigkeits-Verfahren. Aktuell hat eine weitere Genossin einen Strafbefehl erhalten, weil sie im Rahmen der oben genannten Bustour für die “Durchführung einer nicht-angemeldeten Versammlung” verantwortlich gewesen sein soll.

Wir sagen: Antifaschistische Aufklärung ist notwendig und rufen zu Spenden zur Unterstützung der betroffenen Antifaschist_innen auf! Wir stellen der staatlichen Repression das Prinzip Rote Hilfe entgegen:

“Die Unterstützung für die Einzelnen soll zugleich ein Beitrag zur Stärkung der Bewegung sein. Jede und Jeder, die sich am Kampf beteiligen, soll das in dem Bewußtsein tun können, daß sie auch hinterher, wenn sie Strafverfahren bekommen, nicht alleine dastehen. Ist es der wichtigste Zweck der staatlichen Verfolgung, diejenigen, die gemeinsam auf die Straße gegangen sind, durch Herausgreifen Einzelner voneinander zu isolieren und durch exemplarische Strafen Abschreckung zu bewirken, so stellt die Rote Hilfe dem das Prinzip der Solidarität entgegen und ermutigt damit zum Weiterkämpfen.”

Solidarität mit den angeklagten Antifaschist_innen!
Schafft Rote Hilfe!
“…denn wir sind nicht allein!”


Rote Hilfe OG Kiel (Februar 2015)

Spendenkonto:

Rote Hilfe KielIBAN: DE67 2001 0020 0088 2142 07
BIC: PBNKDEFF
Stichwort: “Substanz”

Weitere Informationen:

http://andiesubstanz.noblogs.org
http://kiel.rote-hilfe.de
www.antifa-kiel.org

Nach dem Brandanschlag in Escheburg: Kein ruhiges Hinterland für Rassist_innen

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Unter dem Motto „Rassismus tötet – Dem rassistischen Mob entgegentreten“ fanden sich am Samstag, 14.2.2015 knapp 150 solidarische Antifaschist_innen anlässlich des Brandanschlages auf eine Asylunterkunft am Montagmittag, 9.2.2015 zu einer Kundgebung in der schleswig-holsteinischen Ortschaft Escheburg bei Hamburg ein. Unter den mehrheitlich aus ganz Schleswig-Holstein und Hamburg angereisten Demonstrat_innen beteiligten sich auch etwa 20 Eschburger_innen an dieser ersten öffentlichen Protestaktion fünf Tage nach dem rassistischen Anschlag bei dem eine bezugsfertige Unterkunft für Asylsuchende aus dem Irak durch Brandstiftung vorübergehend unbewohnbar gemacht wurde.

Bereits vor Beginn der Kundgebung versuchten über 150 zu diesem Anlass eingesetzte Polizeibeamte durch mehrere repressive Maßnahmen gezielt einzelnen Gruppen die Anreise nach Escheburg zu erschweren. Mit fadenscheinigen Begründungen wurden einzelne Menschen gezielt durchsucht und dabei völlig willkürlich mehrere Platzverweise ausgestellt. Bereits zu Beginn der Kundgebung versuchte der diensthabende Einsatzleiter Holger Meinke von der Polizeidirektion Ratzeburg den angemeldeten Kundgebungsort zu verbieten sowie das Verteilen von Flugblättern und somit auch den Kontakt zu Anwohner_innen des anliegenden Neubaugebietes zu unterbinden. Gerechtfertigt wurden diese skandalösen Maßnahmen gegen die Versuche, eine angemessene Reaktion auf die Vorkommnisse im Ort zu finden, damit, dass Escheburg zu einem Gefahrengebiet erklärt worden sei.

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Dennoch hinderten diese Schikanen im Vorfeld die Kundgebungsteilnehmer_innen nicht daran, ihrer Kritik der rassistischen Zustände in Escheburg und überall sonst in Hörweite des Tatorts in einem gut situierten Neubaugebiet am Ortsrand Öffentlichkeit zu verschaffen. In fünf Redebeiträgen wurde vehement auf die untragbare Situation vor Ort hingewiesen, die am Rand stehenden Anwohner_innen angesprochen und natürlich auch trotz der polizeilichen Untersagung Flugblätter verteilt.

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Nach Ende der knapp zweistündigen Kundgebung konnte entgegen der Vorstellungen der Polizei zudem eine lautstarke Spontandemonstration gegen Rassismus und in Solidarität mit Flüchtlingen durch den Ort durchgeführt werden. Der Zugang zu dem Neubaugebiet in dem sich das Brandhaus befindet und deren Anwohner_innen nach dem Anschlag mehrheitlich durch rassistische Äußerungen und Deckelung der Tat, statt durch Solidarität und Protest aufgefallen waren, wurde den Demonstrant_innen jedoch durch die massiven Polizeikräfte verwehrt.

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Am nächsten Tag versammelten sich am Sonntagabend außerdem nochmals 350 Menschen, darunter neben der politischen Landesprominenz auch viele Escheburger_innen, zu einer Mahnwache „für Toleranz und gegen Fremdenhass“ zu der meherere bürgerliche Parteien aufgerufen hatten.

„Solange Menschen rassistische Hetze betreiben, Wohnhäuser angreifen und anzünden, werden wir dagegen kämpfen, die Betroffenen unterstützen und den Täter_innen zeigen, was wir von ihnen halten. Solange Menschen weiter stumpf rassistische Klischees bedienen, sich an der Hetze beteiligen oder sich auch nur im Stillen über die Angriffe erfreuen, werden wir da sein, dagegen vorgehen und dem rassistischen Mob keine Gelegenheit dazu geben, sich formieren zu können.

Zum rassistischen Brandanschlag in Escheburg am 9.2.2015

Am Montagnachmittag, 9. Februar 2015 verübten Unbekannte einen Brandanschlag auf eine Unterkunft für Geflüchtete in Escheburg (Kreis Herzogtum Lauenburg). Das Gebäude war zur Tatzeit unbewohnt, erst am nächsten Tag sollten sechs Geflüchtete aus dem Irak dort einziehen. Die Feuerwehr verhinderte, dass sich der Brand weiter ausbreiten konnte, es entstand trotzdem ein hoher Sachschaden, die Doppelhaushälfte ist zur Zeit unbewohnbar. Die sechs Geflüchteten werden bis zur Renovierung in der Gemeinschaftsunterkunft in Gudow untergebracht.

So schrecklich diese Tat ist und so groß die Bestürzung darüber in Politik, Medien und Öffentlichkeit ausfällt, kommt sie für uns nicht aus heiterem Himmel. Seit Jahren treiben Neonazis im Kreis Herzogtum Lauenburg ihr Unwesen. In den Neunziger Jahren kam es fast wöchentlich zu Ausschreitungen, Übergriffen und Brandstiftungen im Kreis durch rechte Jugendliche, Neonazi-Kader und Stammtischdeutsche. Der Rassismus des deutschen Mobs im Herzogtum fand seinen traurigen Höhepunkt in der Nacht auf den 23.11.1992. Damals steckten Neonazis aus rassistischen Tatmotiven in Mölln zwei Häuser in Brand, drei Menschen türkischer Herkunft starben, weitere wurden zum Teil schwer verletzt. Auch wenn es in den Folgejahren etwas ruhiger wurde, ganz verschwanden die extrem Rechten nie aus dem Stadtbild. Einige Jahre später formierten sich etwa Neonazis zur „Nationalen Offensive“. Diese „Nationalen Sozialisten“, wie sie sich selbst nannten, gründeten eine rechte Wohngemeinschaft in Ratzeburg, welche als Anlaufpunkt diente. In einer Kampagne wurde sogar der Marktplatz als „national befreite Zone“ deklariert. Im gesamten Kreis kam es erneut zu Übergriffen auf Migrant_innen, linke Jugendliche und engagierte Politiker_innen und Bürger_innen. Seit dem Aufkeimen der „Pegida“-Bewegung und dem zum Teil erfolgreichen Auftreten der Partei „AfD“ ist Hetze gegen Asylsuchende, Migrant_innen und linke Menschen anscheinend wieder en vogue. In den Leserbriefen der lokalen Medien wird fleißig Unmut abgelassen über „Wirtschaftsflüchtlinge“, „linke Schmarotzer“ und andere „Gutmenschen“. Es entsteht ein Klima, das einst Rostock-Lichtenhagen ermöglichte, von daher war es anscheinend nur eine Frage der Zeit, bis die deutsche, rassistische Kontinuität erneut in Brandanschlägen und rassistischen Angriffen gegen Flüchtlingsunterkünfte, wie in Grabau und nun in Escheburg, offen zu Tage tritt.

Natürlich entsteht parallel in vielen Orten eine Willkommenskultur, Menschen gehen für die Rechte von Flüchtlingen auf die Straße und es findet ein Umdenken in der Unterbringung von Geflüchteten statt, trotzdem scheint dies in der öffentlichen Wahrnehmung ein kleiner Teil zu sein. Solange Menschen rassistische Hetze betreiben, Wohnhäuser angreifen und anzünden, werden wir dagegen kämpfen, die Betroffenen unterstützen und den Täter_innen zeigen, was wir von ihnen halten. Solange Anwohner_innen weiter stumpf rassistische Klischees bedienen, sich an der Hetze beteiligen und sich im Stillen über die Angriffe freuen, werden wir da sein und dagegen vorgehen und dem rassistisch deutschen Mob keine Gelegenheit geben, sich zu formieren.

Antifaschistische Aktion Herzogtum Lauenburg, 11.2.2015

500 in Kiel auf der Straße gegen das PKK-Verbot

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Am gestrigen Samstag, 7. Februar 2015 beteiligten sich in Kiel zeitweise bis zu 500 Menschen an der Demonstration „Solidarität mit dem revolutionären Aufbau in Kurdistan – Weg mit dem Verbot der PKK!“ zu der das Kobanê Solidaritäts-Komitee Kiel unterstützt von 18 Gruppen und Organisationen aus dem norddeutschen Raum aufgerufen hatte. Die Demonstrant_innen sammelten sich ab 14 Uhr zur Auftaktkundgebung auf dem zentralen Asmus-Bremer-Platz und zogen anschließend durch die Kieler Innenstadt mit einer Zwischenkundgebung auf dem Berliner Platz zum Hauptbahnhof, wo die Demo gegen 16.30 Uhr zu Ende ging.

Bereits im Vorfeld musste erwartet werden, dass sich eine Demonstration, die sich explizit gegen das in Deutschland im Jahre 1993 erlassene Betätigungsverbot der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und ihre Denunziation auf der EU-Terrorliste richtet, von den Repressionsbehörden zum Anlass genommen werden könnte, ein Gerangel um das Zeigen vermeintlich oder tatsächlich kriminalisierter Symbole der kurdischen Bewegung zu veranstalten. Diese Befürchtung bestätigte sich. So wurde dem Anmelder noch vor dem eigentlichen Beginn der Auftaktkundgebung damit gedroht, das Loslaufen der Demo zu behindern, wenn etwa ein Plakat gezeigt werden würde, mit dem in den vergangenen Wochen für die Demo mobilisiert wurde und das einen halben roten Stern auf gelben Grund mit grüner Umrandung zeigt. Dies wurde von der Polizei, darunter auch der vor Ort anwesende Staatsschutz, als PKK-Symbol interpretiert. Mit selbiger Begründung nahm sie die Personalien eines Aktivisten auf, der Flyer an Passant_innen verteilte und kündigte ihm sowie dem Fahrzeughalter des Laustsprecherwagens die Einleitung von Strafermittlungsverfahren an. Um die planmäßige Durchführung der Veranstaltung nicht zu gefährden und einer möglichen Eskalation entgegen zu wirken, beugten sich die Organisator_innen schließlich der erzwungenen Zensur und machten entsprechende Symbole etwa am Lautsprecherwagen unter Protest unkenntlich.

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Die anschließende Demonstration selbst verlief dann störungsfrei und die Polizei hielt sich weitestgehend im Hintergrund. Die Stimmung wurde im Laufe der Route, insbesondere beim Passieren der Fußgängerzone in der Holstenstraße, stetig besser und lauter. Zudem hatten die Einschüchterungsversuche der Polizei zu Beginn der Demo anscheinend nur wenig Wirkung entfalten können, so dass in dem optisch ansprechenden bunten Fahnenmeer auch immer wieder solche Symbole auftauchten, die nicht der repressiven Gesetzeslage entsprechen. Beim Zulauf auf den Hauptbahnhof zum Ende wurde etwa an der Demospitze minutenlang der PKK-Stern in seiner vollen, unhalbierten Pracht und nicht zu übersehenden Größe gezeigt.

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In den hauptsächlich in deutscher, aber auch in kurdischer Sprache gehaltenen Redebeiträgen wurde die Geschichte des PKK-Verbots, die daraus resultierende Kriminalisierung der kurdischen Befreiungsbewegung in Deutschland und seine in den deutsch-türkischen Beziehungen verankerten bündnisstrategischen und geopolitischen Hintergründe thematisiert. Zudem gingen Redner_innen auch auf die erst vor wenigen Wochen vermeldete Befreiung Kobanês von den fundamentalistischen Schlächtern des „IS“, die starke kurdische Frauenbewegung als zentrale Säule des theoretischen und praktischen Konzepts des Demokratischen Konföderalismus und seine Umsetzung in Form der Revolution im syrisch-kurdischen Rojava ein.

Anlass der Demo war der 16. Jahrestag der Entführung und Festnahme Abdullah Öcalans im Februar 1999 – Gründungsmitglied, Vorsitzender und wichtigster Theoretiker der PKK, der seitdem in der Türkei in Isolationshaft sitzt. Die Aktion in Kiel reiht sich ein in eine Vielzahl von Aktivitäten gegen das PKK-Verbot und für die Freiheit Öcalans in den kommenden Wochen. Nächsten Samstag etwa findet im französischen Straßburg eine internationale Großdemonstration statt, in der Woche darauf wird in Berlin demonstriert werden um der bevorstehenden Bundestagsinitiative der LINKEN gegen das PKK-Verbot den nötigen Druck der Straße mit auf den Weg zu geben.

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Insgesamt konnte mit der gestrigen Demonstration die lokale Zusammenarbeit von kurdischen und nicht-kurdischen Linken auch über die zahlreichen erfolgreichen Mobilisierungen und Veranstaltungen in Solidarität mit dem Widerstand Kobanês hinaus weiter intensiviert werden und die Forderung nach der sofortigen Aufhebung PKK-Verbots in die lokale öffentliche Debatte eingebracht werden. Die Beteiligung war zwar nicht überwältigend, aber auch angesichts der expliziten Kernforderung durchaus zufriedenstellend und die Demonstration trat trotz der Polizei-Schikanen selbstbewusst und lebendig auf. Auch auf die zukünftige Kieler Solidaritätsarbeit mit der kurdischen Befreiungsbewegung lässt sich also optimistisch blicken.

Kobanê Solidaritäts-Komitee Kiel

Kiel: Hunderte Linksradikale unter Tausenden Weltoffenen

Am gestrigen Dienstag, 27. Januar 2015 demonstrierten in Kiel anlässlich des 70. Jahrestag der Befreiung der Überlebenden des NS-Vernichtungslagers Auschwitz durch die Rote Armee etwa 11.000 Menschen gegen Rassismus und für eine weltoffene Stadt. Auf Initiative des DGB hatte sich als vorbeugende Reaktion auf die bundesweite xenophobe „Pegida“-Bewegung, die in Schleswig-Holstein jenseits einiger Facebook-Präsenzen mit begrenzter Reichweite noch keinen Fuß fassen konnte, vor wenigen Wochen ein breites Bündnis zusammengefunden, das zu der Demonstration aufgerufen hatte. Angeschlossen hatte sich auch ein antikapitalistischer und antirassistischer Block, zu dem lokale linksradikale Gruppen kurzfristig unter dem Motto Turn left smash right: Fight the racist world order – fight capitalism! Freedom, equality, solidarity for all! mobilisiert hatten um „nicht widerspruchslos im Fahnenmeer von Sozialdemokraten, Grünen und CDU als Füllmasse unter[zu]gehen […], sondern im Gegenteil ihre Mitverantwortung am erstarkenden gesellschaftlichen Rassismus auf[zu]zeigen“ (aus dem Aufruf). An diesem beteiligten sich mehrere hundert Demonstrant_innen.

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Bereits ab einer halben Stunde vor dem offiziellen Auftakt strömten die Teilnehmer_innen zum Wilhelmplatz und es war absehbar, dass die bereits im Vorfeld hohen Erwartungen an die Beteiligung erfüllt werden würden. Dadurch, aber auch durch die ungünstige Wahl des schlecht beleuchteten Startortes, wurde es mit Beginn der kurzen Auftaktkundgebung, für die das finanziell offenbar gut aufgestellte Bündnis eigens eine eigene Bühne für die Beiträge der politische Lokalprominenz aufgestellt hatte, zusehends unübersichtlicher. Dies erschwerte die Findung des Blocks zunächst etwas. Trotzdem gelang es als die Demo sich in Bewegung setzte, schwer zu schätzende 300 – 600 Menschen hinter dem Fronttransparent und um den Lautsprecherwagen des Blocks zu versammeln. Eine genaue Abgrenzung der politisch bewusst an dieser Stelle Teilnehmenden ist in Anbetracht der großen Masse der Gesamtdemonstration kaum möglich, aber ganz offensichtlich hatte der Aufruf in dem Bedürfnis nicht Weniger nach einem radikalen antifaschistischem Ausdruck Widerhall gefunden.

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Nicht nur dadurch, dass die Gesamtdemo während der Route über den Hauptbahnhof zum Rathausplatz auf eine eigene Lautsprecheranlage verzichtete und diese sich auch ansonsten nicht durch einen besonders hohen Geräuschpegel auszeichnete, konnte der Block sein Anliegen durch mehrere Redebeiträge, Transparente und gelegentliche Parolen zufriedenstellend einlösen. Etwas begrenzt wurde die Kommunikation in die Gesamtdemo hinein und auch die mediale Wahrnehmung leider dadurch, dass der Block eher unfreiwillig und zufällig am Ende der beeindruckend weit in die Länge gezogenen Menschenmassen lief. Thematisiert wurde die bundesweite dramatische Zunahme rassistischer Gewalt und xenophober Mobilisierungen, der Rechtsruck in großen Teilen Europas als Folge der andauernden kapitalistischen Krise, die mörderische EU-Flüchtlingspolitik und die Situation in dem kleinen Ort Boostedt bei Neumünster, wo Kriegsflüchtlinge ausgerechnet in unmittelbarer Nähe eines Bundeswehr-Übungsgeländes untergebracht werden sollen und die NPD sich bereits in rassistischer Stimmungsmache versucht.

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Gegen 19.15 Uhr war die Demo vollständig am Rathausplatz eingetroffen und endete mit einer längeren Abschlusskundgebung, auf der von einer weiteren Bühne aus im Vergleich zum Auftakt durchaus auch interessante Worte verloren wurden, so etwa durch eine Vertreterin den Runden Tisch gegen Rassismus und Faschismus in Kiel. Teilnehmer_innen des linksradikalen Blocks beschränkten sich an dieser Stelle eher auf das Verteilen von Flugblättern, z.B. Aufrufe für die bevorstehende Demonstration gegen das PKK-Verbot am 7. Februar in Kiel.

Insgesamt kann der gestrige Tag aus antifaschistischer Perspektive grundsätzlich als positiv bewertet werden. Auch wenn das Event erwartungsgemäß und nicht unwesentlich eine – vor allem sozialdemokratische – Inszenierung des bürgerlichen Demokratiebegriffs, eines vermeintlich besseren Deutschlands und des toleranten Standorts gewesen ist und der #kielweltoffen-Hype sicherlich auch Klientel angezogen, mit dem wohl kein gemeinsamer politischer Nenner aushandelbar ist – dies zeigten u.a. verschiedene Diskussionsstränge in sozialen Netzwerken über die Teilnahme „der Antifa“ im Vorfeld -, sollte der beeindruckende Mobilisierungserfolg nicht als politisch unbedeutend abgetan werden. Dass sich in einer Stadt der Größe Kiels innerhalb nur weniger Wochen und ohne, dass ein lokaler Ableger der „Pegida“ überhaupt aktiv geworden wäre, 11.000 Menschen gegen diese jüngste Welle des gesellschaftlichen Rassismus öffentlich positionieren, ist leider nicht selbstverständlich und in Anbetracht der Verhältnisse anderswo absolut begrüßenswert. Dass das gestrige Spektakel abgesehen davon alles andere als revolutionär, sondern an allen Ecken und Enden kritisierbar gewesen ist, dass seine politische Nachhaltigkeit zu bezweifeln ist und dass es richtig und wichtig war, einen linksradikalen Kontrapunkt zu setzen, hat sich wie prognostiziert bestätigt. Allerdings auch, dass das Drecksphänomen „Pegida“ in dieser Stadt wenig zu lachen hätte, würde sich hier auch nur eine Handvoll unter diesem Banner vor die Haustür wagen und dass antifaschistische Politik in Kiel für den Fall der Fälle nach wie vor auf einen recht großen Pool an potentiellen Ansprechpartner_innen trifft. Nicht mehr, aber definitiv auch nicht weniger hat die gestrige Demo unter Beweis gestellt.

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Kiel: 400 Antirassist_innen demonstrieren Solidarität mit Refugees

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Die Demonstration startete kraftvoll und zahlreich um 18.00 am Bootshafen in Kiel und machte ihren ersten Stopp an der Ausländerbehörde, wo deren unmenschliche Praktiken und die regelrecht zynische Umbenennung in „Willkommensbehörde“ scharf kritisiert wurden.

Weiter ging es lautstark und mit lauten Technobeats am Weihnachtsmarkt vorbei zum Kieler Hauptbahnhof. Hier machte die schleswig-holsteinische Kampagne „Dublin in Kiel – right to stay“ anhand von zwei Einzelfällen, die aufgrund der Dublin-III Verordnung akut in Gefahr einer Abschiebung nach Italien sind, auf die unmenschliche Dublin-III Regelung aufmerksam. Diese besagt dass Asylsuchende in dem ersten EU-Land, das sie betreten, Asyl beantragen müssen. Diese Regelung führt zu vielen Abschiebungen und sorgt in EU-Grenzstaaten wie Italien für sehr prekäre Zustände für Geflüchtete. So wurden in den letzten zwei Jahren über 300 Menschen aus Schleswig-Holstein abgeschoben, über 10.000 im Jahr 2013 aus Deutschland.

Bei einem Zwischenstopp vor der Parteizentrale der Alternative für Deutschland im Walkerdamm thematisierten die DemonstrantInnen lautstark die rassistischen Meinungsäußerungen und Mobilisierungen durch diese Partei in Deutschland und der EU. Die deutlichen Unmutsbekundungen von Seiten der Teilnehmer*innen gegenüber den anwesenden RechtspopulistInnen wurden von den Organisator*innen begrüßt. Die Demonstration wurde nach einem Redebeitrag fortgesetzt, da eine Eskalation der Demonstration an dieser Stelle aufgrund der zahlreichen anwesenden Geflüchteten unangebracht war.

Vor der SPD-Landesparteizentrale wurde unter anderem auf die rassistische Politik des Hamburger SPD-Senats gegenüber der Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ in den letzten Jahren und die aktuelle Rolle der SPD bei der Verschärfung des Asylrechts in Deutschland aufmerksam gemacht. So stimmte die SPD erst im September diesen Jahrs der Regelung der „sicheren Herkunftsstaaten“ zu, nach dem Menschen nun schneller und ohne ernsthafte Prüfung ihrer Asylanträge nach Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina abgeschoben werden können.

Auch die widersprüchliche Rolle des DGB bezüglich der deutschen Asylpolitik und den Protesten von Geflüchteten in Berlin und München wurde bei einem Stopp vor dem DGB-Regionalbüro deutlich gemacht. So ließ der DGB die protestierenden Geflüchteten aus dem Gewerkschaftshaus durch einen Großeinsatz der Polizei räumen, was eine Debatte über den Umgang und die Solidarität mit diesen Protesten innerhalb der Gewerkschaften auslöste.

Vor der Parteizentrale der Grünen Partei Schleswig-Holstein wurde darauf hingewiesen, dass diese vor einer Woche zusammen mit der CDU/CSU und der SPD im Bundesrat der Neuregelung und damit Beibehaltung des Asylbewerberleistungsgesetzes zugestimmt haben. „Ein Gesetz, dass durch repressive Maßnahmen wie Residenzpflicht und der Verweigerung medizinischer Versorgung Geflüchtete systematisch diskriminiert, gehört abgeschafft“, so Johannes Korndörfer, Organisator des Raves.

Auch wurde hier noch einmal die bereits erwähnte Regelung der „sicheren Herkunftsländer“ kritisiert, die von den Grünen im Bundesrat mitgetragen wurde.

Im Zentrum der Kritik stand auch die tödliche Abschottungspolitik der EU und Deutschlands mithilfe der EU-Grenzschutzagentur FRONTEX, die seit 2002 über 22.000 Todesopfer gefordert hat. OrganisatorIn Tina Maus sagte dazu: „Ich finde es eine Schande, dass schutzsuchende, oftmals traumatisierte Menschen ihr Leben riskieren müssen, um nach Europa zu gelangen, und hier wie Kriminelle behandelt werden.“

Im Anschluss und während der gesamten Demonstration gab es die Möglichkeit bei warmen Essen und Punsch in den nahegelegenen, selbstverwalteten Räumen des Fahrradkinos in der Alten Muthesius Kunsthochschule zusammenzukommen und sich auszutauschen. Diese Möglichkeit wurde bereits während der Demonstration von zahlreichen Teilnehmer*innen genutzt.

Bereits im Vorfeld und während der Demonstration gab es sehr positive Kontakte und einen regen Austausch mit vielen Geflüchteten und selbstorganisierten Strukturen. „Über die zahlreiche Teilnahme, Unterstützung und die Vernetzung freuen wir uns sehr“, sagte Tina Maus.

Nach einem kritischen Beitrag des Medibüros Kiel zum Asylbewerberleistungsgesetz und dem Aufruf und Angebot an die Teilnehmer*innen sich an weiteren Protesten zu beteiligen und in solidarische Arbeit und Gruppen einzubringen endete die Demonstration um 22.00 Uhr am Bootshafen.

Anregungen, Feedback und Kritik wurde während der Demonstration schon an die OrganisatorInnen herangetragen. Über weitere Verbesserungsvorschläge und konstruktive Kritik freut sich das Orgateam.

Der Aufruf ist hier dokumentiert.