Rassisten in Neumünster blockiert

Am 14. November 2015 wollten schleswig-holsteinische Neonazis und Rassisten in Neumünster aumfarschieren und „gegen Asylbetrug, Masseneinschleusung und Islamisierung unserer Gesellschaft“ demonstrieren. Organisiert wurde diese Demo von Nazis aus einer Facebook-Gruppe namens „Neumünster wehrt sich“ und dem Umfeld der NPD (Recherche-Überblick zu den Initiatoren der Demo). Antifaschistische Gruppen und Gewerkschaften aus Schleswig-Holstein mobilisierten nach bekannt werden der Aktion nach Neumünster und riefen dazu auf, die Rassisten zu stoppen. Der Aufmarsch der etwa 80 Nazis konnte blockiert werden, eine Gegendemonstrant_in wurde von der Polizei schwer verletzt.

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Aufgrund des eher desolaten Zustands der Nazi-Szene in Schleswig-Holstein waren zuverlässige Prognosen über die zu erwartende Teilnermerzahl dieser Demo schwer zu erstellen, letztendlich kamen zu dem Aufmarsch etwa 80 Rassisten, denen sich erfreulicherweise etwa 400 Antifaschist_innen aus verschiedenen Städten entgegenstellten. Aus Kiel fuhr eine größere Gruppe Antifaschist_innen mit dem Zug nach Neumünster und versuchte vor Beginn der Demo zum Auftaktskundgebungsplatz der Nazis zu kommen. Die Gruppe wurde jedoch von der Polizei unter Einsatz von Knüppeln und Pfefferspray davon abgehalten den Kleinflecken zu erreichen. Ein Teil der Gruppe wurde kurz darauf von der Polizei kurzzeitig eingekesselt. Gleichzeitig sammelten sich auf dem Kleinflecken die Nazis, auf der anderen Seite des Platzes konnten sich allerdings immer mehr Menschen direkt zur Nazi-Kundgebung bewegen. Nachdem dort die ursprünglich angemeldete Route von mehreren hundert Nazi-Gegner_innen blockiert wurde, wurde den Nazis von der Polizei eine Ausweichroute angeboten. Als diese sich in den Schleusberg bewegten, konnte auch diese Straße schnell von Antifaschist_innen blockiert werden. Die Nazis wurden so von allen Seiten eingeschlossen, die Polizei war zwar mit etwa 200 Cops im Einsatz, musste sich jedoch darauf beschränken die Nazis zu schützen und verzichtete darauf den Aufmarsch mit Gewalt gegen die vehementen Proteste durchzusetzen. Nach zwei Stunden Kessel im Regen beendeten sie gegen 15 Uhr ihren Aufmarsch und verließen in Kleingruppen den Schleusberg, nicht ohne die vollmundige Ankündigung auszusprechen, von nun an jeden Monat in Schleswig-Holstein aufzumarschieren.

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Im Umfeld des Kleinfleckens kam es daraufhin zu mehreren Aufeinandertreffen zwischen Antifaschist_innen und Nazis. Als abreisende Nazis auf dem Kleinflecken mit Beleidigungen verabschiedet wurden, setzte die Polizei erneut Knüppel gegen Gegendemonstrant_innen, hierbei wurde ein_e Antifaschist_in von einem Polizisten mit einem Schlagstock ins Gesicht geschlagen und musste daraufhin im Krankenhaus behandelt werden. Während die Person von Sanitäter_innen und Freund_innen versorgt wurde verhielt sich die Polizei aggressiv, schubste und drohte mit Anzeigen. Laut Polizeipressemitteilung müssten „Hintergründe hierzu […] noch genau geklärt werden“.

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Trotz der Polizeiübergriffe am Mittag und am Nachmittag war die antifaschistische Mobilisierung nach Neumünster ein voller Erfolg, die Rassisten konnten gerade mal 50 Meter laufen und waren die ganze Zeit von Gegendemonstrant_innen umringt, die ihre Route blockierten und ihre Hetze lautstark übertönten. Fest- oder Ingewahrsamnahmen durch die Polizei hat es nach unseren Informationen nicht gegeben. Mehrere hundert Antifaschist_innen aus Neumünster, S-H und Hamburg stellten wieder einmal klar, dass Nazis in Schleswig-Holstein ein starker Wind entgegenbläst und ihre Aufmarschversuche nicht ungehindert ablaufen.

Fotos der Nazis: www.flickr.com/photos/fabianschumann

Presse: KN | Polizei Presseportal | SHZ

AfD-Landeszentrale in Kiel angegriffen

Einem Kurzbericht auf Indymedia sowie einer Presseerklärung des Kieler Kreisverbandes der rechtspopulistischen Partei „Altenative für Deutschland“ (AfD) ist zu entnehmen, dass „vermummte Täter“ an der Glasfassade der AfD-Landesgeschäftsstelle im Walkerdamm in der Kieler Innenstadt in der Nacht zum 29. Oktober 2015 „sämtliche Schaufensterscheiben“ „mit schwerem Werkzeug“ zerstört haben. Zudem sei „großflächig die Aufforderung „31.10. Hamburg – Rassisten stoppen“ dort angebracht“ worden. Die AfD will nach eigenen Angaben einen „Sachschaden von mehreren Tausend Euro“ zu beklagen haben.

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Hintergrund der militanten Aktion ist offenbar der Widerstand gegen den norddeutschlandweiten Aufmarsch, den die AfD am vergangenen Samstag im Rahmen ihrer rassistischen „Herbstoffensive“ in Hamburg durchführen wollte. Mindestens 1300 Antifaschist_innen verhinderten jedoch durch Einzingelung des Auftaktkundgebungsortes, dass die höchstens 350 Rassist_innen auch nur einen Meter zurücklegen konnten und sorgten stattdessen dafür, dass diese nach drei Stunden des Rumstehens die Stadt unverrichteter Dinge schließlich wieder verlassen mussten. Auch in Kiel hat die AfD in den letzten Wochen am 10. bzw. am 24. Oktober mindestens zwei Infostände durchgeführt, von denen zumindest Letzterer am Exerzierplatz Dank spontaner Gegenproteste von über 50 Antifaschist_innen ohne nennenswerte öffentliche Ausstrahlungskraft blieb.

Nächsten Samstag wollen die Rechtspopulist_innen ihre Kampagne gegen Refugees, mit der sie offenbar von der massiven Zunahme rassistischer Stimmungen in Teilen der deutschen Bevölkerung profitieren wollen und die in einigen Städten teils Tausende Menschen mobilisieren konnte, in Berlin mit einer bundesweiten Großdemonstration zum abschließenden Höhepunkt führen. Antifaschistische Gruppen kündigen unter dem Motto „Geistige Brandstifter stoppen!“ die Verhinderung dieses Vorhabens an.

Saubere Antifa-Nummer in Boostedt

Nachdem kurzfristig bekannt geworden war, dass der NPD Kreisverband Neumünster-Segeberg für den vergangenen Samstag, 31.10.2015 sowohl in Bad Bramstedt als auch in Boostedt Kundgebungen unter dem Motto „Asylflut stoppen“ angemeldet hatte, mobilisierten antifaschistische Gruppen aus Schleswig-Holstein sowie zivilgesellschaftliche Initiativen spontan zu Gegenprotesten. Der Schwerpunkt wurde dabei auf die kleine Gemeinde Boostedt bei Neumünster gelegt, wo erst jüngst die Debatte um die dort seit einigen Monaten in der Rantzau-Kaserne eingerichtete provisorische Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete wieder aufgeflammt war, in der auch, teils organisierte, rassistische Stimmen wieder versuchten, Oberwasser zu gewinnen.

In Bad Bramstedt tauchten vormittags schließlich sechs jämmerliche Neonazis am Marktplatz auf, die versuchten, der desinteressierten Öffentlichkeit ihre alten Wahlpappen zu präsentieren. Sie sahen sich mit etwa 50 Menschen konfrontiert, die spontan gegen den NPD-Auftritt demonstrierten.

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Bereits ab halb 12 Uhr versammelten sich Dutzende Antifaschist_innen im Boostedter Ortskern, um der NPD einen angemessenen Empfang zu bereiten. Die Polizei drängte die Antifaschist_innen unnötigerweise schon vor deren Ankunft einige Meter die Straße herunter und sicherte den Neonazis damit willig ihren Versammlungsort. Als gegen 12.15 Uhr schließlich das Neumünsteraner NPD-Ratsmitglied Mark Michael Proch im Gefährt seiner Ehefrau Sonja am „Hof Lübbe“ vorfuhr, hatten sich bereits 200 Menschen, darunter viele Boostedter_innen, zu einer antifaschistischen Kundgebung versammelt. Während hier mehrere Redebeiträge gehalten sowie Flugblätter an Passant_innen und in Briefkästen verteilt wurden und das Neonazi-Häuflein in Sicht- und Hörweite von Zeit zu Zeit mit Häme und Antifa-Parolen bedacht wurde, standen sich die fünf NPDler – darunter neben Proch auch der zunehmend verbraucht wirkende Daniel Nordhorn, Marc-Richard Tenten und Michael Denz – eine Stunde lang tatenlos die Füße in den Bauch, verteilten maximal ein (!) Flugblatt und präsentierten abermals eine handvoll hässlicher NPD-Plakate, von denen außer den vielen Gegendemonstrant_innen jedoch niemand Notiz genommen haben dürfte. Um ziemlich genau 13.15 Uhr war der obskure Auftritt der (bezeichnenderweise) aktionistischen Speerspitze der NPD Schleswig-Holstein schließlich endlich vorbei und die Wagenladung Neonazis verließ unter lautstarken Schmähungen das Dorf.

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Wenngleich die Gefahr rassistischer Mobilisierungen gegen die Geflüchteten-Unterkunft in Boostedt sicherlich keineswegs als gebannt betrachtet werden darf, so hat sich an diesem Tag jedoch endgültig geklärt, dass es wohl nicht die NPD sein wird, die dabei irgendeine relevante Rolle spielen wird. Sehr erfreulich war dagegen das spontane, solidarische und breite Zusammenspiel verschiedener antifaschistischer Akteure sowohl aus den umliegenden Städten, als auch aus der Gemeinde selbst, an das nun auch bei kommenden Anlässen angeknüpft werden sollte.

Viele angereiste Antifaschist_innen begaben sich nach Ende der Aktion nach Hamburg, um sich dort an der erfolgreichen Verhinderung des norddeutschlandweiten rassistischen AfD-Aufmarsches durch 1300 Antifaschist_innen zu beteiligen am Hauptbahnhof und anschließend anlässlich des Welt-Kobanê-Tags zusammen mit 500 weiteren Teilnehmer_innen ihre Solidarität mit dem revolutionären Aufbauprozess und dem Widerstand im kurdischen Rojava zu demonstrieren.

Insgesamt konnte die antifaschistische Bewegung im hohen Norden an diesem Wochenende damit zwei wichtige Teilerfolge erringen, die in Anbetracht der sich bundeweit ansonsten dramatisch zuspitzenden Lage hoffnungsvoll stimmen. Wo auch immer Rassist_innen – ganz egal ob NPD, AfD oder anderes Pack – ihre Hetze verbreiten, werden wir uns den (geistigen) Brandstifter_innen in den Weg stellen. So auch am Samstag, 14.11.2015 in Neumünster, wo Mark Proch und sein Umfeld zu einer rassistischen Demo unter dem Motto „Neumünster wehrt sich!“ aufrufen. Weitere Ankündigen dazu folgen zeitnah, haltet Euch bereit.

Pressebericht (SHZ, 2.11.2015)

Samstag, 31.10.: NPD-Aktionen in Bad Bramstedt und Bootstedt geplant [Update!]

Bad Bramstedt: Eigentlich hatte die NPD eine Demonstration geplant, genehmigt wurde nur eine Kundgebung (10.00-11.30 Uhr) mit max. 20 TeilnehmerInnen. Ort ist vor dem Alten Landsgericht, Maienbeeck 1.

Boostedt: Für Boostedt haben die Nazis nur eine Kundgebung angemeldet, von 12.00-13.30 Uhr, vor den Hof Lübbe. Mittlerweile wurde von den Jusos Segeberg eine antifaschistische Gegenkundgebung in unmittelbarer Nähe angemeldet, ab 12:00 Uhr an der Kreuzung Dorfring – Uhlenhorst (https://www.facebook.com/events/418663341664431/). Wir empfehlen die Kundgebung als Anlaufpunkt für antifaschistische Gegenaktivitäten, Parkplätze sind wohl direkt am Kundgebungsort vorhanden. Und wie gehabt ist die Devise: In Bezugsgruppen zusammenschließen und mobil und auf dem Laufenden bleiben.

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Für Samstag, den 31.10., plant die NPD offenbar Aktionen in Bad Bramstedt und Boostedt. Die extrem rechte Partei hat für Bad Bramstedt eine Demonstration von 10.00-11.30 Uhr, beginnend am Marktplatz angemeldet. Zusätzlich wurde von 12.00 – 13.30 Uhr eine Demonstration in Boostedt angemeldet, Startpunkt Hof Lübbe. Ob es wirklich zu Demonstrationen kommen wird oder ob doch nur stationäre Kundegebungen oder Büchertische geplant sind, kann im Moment nicht genau gesagt werden, die Aktionen passen aber in die angekündigte Offensive der FaschistInnen, die sich vor allem gegen Geflüchtetenunterkünfte richten soll. Gerade in Boostedt häuften sich in letzter Zeit die Aktionen der NPD wieder, die mittels Flugblattverteilungen, Infotischen und Hetze im Internet, Stimmung gegen die Unterkunft für Geflüchtete in der Rantzau-Kaserne machen und versuchen den Protest von „besorgten Bürgern“ weiter zu radikalisieren (http://www.antifa-kiel.org/index.php/news/items/boostedt-npd-und-afd-bei-buergerversammlung-bald-aufmarsch-besorgter-buerger.html).

Bis jetzt sind keine öffentlichen Gegenmobilisierungen bekannt, wir rufen aber alle Antifaschistinnen und Antifaschisten, die sich am Samstag nicht an der gemeinsamen Anreise gegen den rassistischen AFD-Aufmarsch in Hamburg beteiligen, auf, sich den Nazis in Bramstedt und Boostedt in den Weg zu stellen. Passt auf euch und seid nicht alleine unterwegs sondern schließt euch in Bezugsgruppen zusammen, bleibt mobil und achtet auf Ankündigungen.

Versauen wir den RassistInnen das Wochenende – erst auf dem Land, dann in der City! Keinen Fußbreit der NPD in Bramstedt und Boostedt, den AFD-Aufmarsch in Hamburg verhindern! Den antifaschistischen Selbstschutz aufbauen!

Bunter Herbst statt „Herbstoffensive“ – dem Rassismus und Nationalismus der AfD konsequent entgegen treten!

Deutschland, Herbst 2015: der kurze Sommer der Willkommenskultur ist schon längst einem dunklen Herbst gewichen. Über 500 Anschläge auf geplante oder bestehende Flüchtlingsunterkünfte alleine im Jahr 2015, Aufmärsche von rassistischen Bürger*innen Seite ans Seite mit Nazis und Rechtspopulist*innen und dazu unzählige rassistische Übergriffe im Alltag. Parallel dazu verschärfte die Bundesregierung, unter gütiger Mithilfe der Grünen, erst kürzlich das Asylrecht. An diese rassistische Stimmung und Mobilisierungen versucht auch die AfD mittels einer sogenannten „Herbstoffensive“ anzudocken, in der das Thema Geflüchtete in den Mittelpunkt gestellt und vor „Asylchaos“ und „massenhafter unkontrollierter Zuwanderung“ gewarnt wird.

Vor allem in Erfurt, wo beim letzten mal 8.000 Rassisten auf die Straße gingen, aber auch in Magdeburg, wo es „nur“ 1.500 waren organisiert die AfD unter Führung von Björn Höcke, Fraktionsvorsitzender der Partei im thüringischen Landtag, Demonstrationen. An diesen Demonstrationen nehmen aber nicht nur Rassisten der bürgerlichen Mitte teil, auch diverse rechte bzw. neonazistische Splittergruppen, die NPD und rechte Hooligans und Kameradschaften lassen sich unter den Teilnehmern finden. So ist es keine Überraschung, dass auf den Demonstrationen vielfach Nazitransparente und -parolen zusehen und zu hören sind, auch wiederholte Angriffe auf Gegendemonstrant*innen, Antifaschist*innen und Journalist*innen gehören zur Regel. Vorkommnisse, die die AfD entweder nicht zur Kenntnis nimmt oder schlicht und ergreifend leugnet.

Björn Höcke, der auf diesen Demos als Hauptredner auftritt, bemüht sich nicht, seine Rhetorik irgendwie weichzuspülen oder abzumildern. Gefasel von „Angsträumen für blonde Frauen“, die Beschwörung eines „tausendjährigen Deutschlands“ oder den Warnungen vor einem Bürgerkrieg und der Appell für die „Zukunft unserer Kinder“ zu kämpfen, das alles bedient sich offen bei neonazistischen Diskursen und Wertvorstellungen und offenbart das extrem rechte Weltbild von Björn Höcke. Distanzierungen der Parteispitze fallen halbherzig aus, auch wenn Frauke Petry, Bundesvorsitzende der AfD, Höckes Kurs nicht mit trägt, so dürften ihr die gestiegene mediale Aufmerksamkeit und Umfragewerte durchaus gefallen. Die AfD macht damit einmal mehr deutlich, dass sie eben keine liberale Partei ist und auch nie war, sondern Rassismus und Nationalismus zum Kern der Partei gehörten und gehören. Die Partei betreibt mit ihrem Kurs nichts anderes als Hetze und geistige Brandstiftung, deren Folgen dann brennende Unterkünfte sind.

Auch in Schleswig-Holstein, wo die AfD die parteiinternen Querelen nach dem Abgang der Lucke-Getreuen um Ulrike Trebesius (ehemalige Landesvorsitzende der Partei in S-H) überwunden hat, sind wieder vermehrt Aktivitäten zu verzeichnen. So versuchte die AfD am 9.10., als „Besorgte Bürger*Innen“ in Boostedt anlässlich einer Informationsveranstaltung eine Kundgebung durchführten, diese als Bühne für ihre rassistische Hetze zu nutzen und verteilte Flyer im und vorm Ort. In anderen schleswig-holsteinischen Städten konnte die AfD mehrmals Flyer verteilen und Infostände durchführen.

Mittlerweile regt sich aber dagegen Protest. Ein geplanter Infostand am 23.10. in Flensburg wurde von der Partei aufgrund zu erwartender Proteste abgesagt, ein Infostand am darauffolgenden Tag in Kiel, am 24.10., wurde von 50 – 60 Antifaschist*innen und Antirassist*innen mittels einer spontanen Kundgebung erfolgreich gestört, so dass die AfD ihre rassistische Propaganda nicht an die Leute bringen konnte.

Als nächstes Event mobilisieren die norddeutschen Landesverbände der AfD am kommenden Samstag, 31.10. um 13:30 zu einem Aufmarsch am Hamburger Hauptbahnhof. Wir rufen daher allen Antifaschist*innen und Antirassist*innen dazu auf, mittels der gemeinsame Anreise aus Kiel (Treffpunkt: 11:00, Abfahrt 11:21 per RE), am Samstag nach Hamburg zu fahren und den Rassisten der AfD eine Abfuhr zu erteilen. Und natürlich auch in Zukunft die Augen und Ohren offen zu halten. Wir werden der AfD und ihrer widerlichen Propaganda konsequent entgegentreten, egal wo und wie sie öffentlich präsent sind.

Keinen Raum und kein Gehör der rassistischen Hetze und den geistigen Brandstiftern der AfD!

Refugees welcome – gegen rechte Propaganda!

Boostedt: NPD und AfD bei Bürgerversammlung – bald Aufmarsch „besorgter Bürger“?

Am Freitag den 9.10.15 fand in Boostedt (Kreis Segeberg) bei Neumünster eine erneute Bürgerversammlung anlässlich der Unterkunft für Geflüchtete in der örtlichen Rantzau-Kaserne statt. Die Unterkunft existiert seit knapp einem Jahr und ist angesichts der aktuellen Ereignisse mit deutlich mehr Menschen belegt, als ursprünglich vom Land angekündigt wurde. Eineinhalb Stunden vor der Veranstaltung fand eine von einem Boostedter Einwohner angemeldete Kundgebung vor der Turnhalle statt, die die „Ängste“ der Boostedter_innen zum Ausdruck bringen sollte. Im Vorfeld wurde bekannt, dass auch die AfD sowie der NPD Kreisverband Segeberg-Neumünster intern zur Kundgebung und zur Bürgerversammlung mobilisieren.

Die Kundgebung bestand mehrheitlich aus etwa 150 Boostedter Bürger_innen, Presse und Polizei waren ebenfalls vor Ort, genauso wie die angekündigten AfD- und NPD-Rassisten. Während ein Mitglied der AfD vor der Turnhalle agitierte und auch die Gelegenheit für ein Fernsehinterview bekam, sammelte sich eine Gruppe klar erkennbarer Neonazis aus dem NPD-Umfeld am Rande der Kundgebung. Ebenfalls verteilte die NPD Flyer in den umliegenden Straßen der Turnhalle. Nur vereinzelt hatten sich auch antirassistische Gegendemonstrant_innen erkennbar unter die Kulisse gemischt.

In der Versammlung mit etwa 700 Besucher_innen herrschte eine angespannte Stimmung, es wurde mehrmals sehr laut und mindestens einmal wurden Neonazis des Saales verwiesen. Neben sachlichen Argumentationen waren immer wieder auch rassistisch konnotierte Redebeiträge zu hören. Als Innenstaatssekretärin Manuela Söller-Winkler erklärte, dass die Einrichtung in der Kaserne auf 2000 Plätze erweitert würde und die Kapazitäten zur Aufnahme von Geflüchteten in Boostedt noch nicht erschöpft seien, verließen die anwesenden Partei-Rassisten und eine größere Gruppe Boostedter_innen geschlossen und empört den Saal.

Während der Kundgebung und der Bürgerversammlung hielt sich ebenfalls eine größere Gruppe Antifaschist_innen in Boostedt auf, um sich etwaigen rassistischen Aufmarschversuchen oder Angriffen auf Geflüchete entgegenzustellen. Rund um die Turnhalle wurden viele AfD- und NPD-Flyer wieder eingesammelt und bis nach Ende der Bürgerversammlung die Situation in Boostedt beobachtet.

Auch am heutigen Samstag wollte die NPD in Boostedt weiter Flyer verteilen ihre rassistischen Parolen verbeiten. Damit versucht die extrem rechte Partei an die Taktik der bundesweit laufenden “Nein zum Heim” – Kampagnen anzuknüpfen und so den Schulterschluss mit rassistischen Bürger_innen zu suchen. Ähnliche Versuche gab es in Boostedt bereits Anfang des Jahres, als verstärkt rechte Flyer und Aufkleber in dem Ort auftauchten und es teilweise zu direkten Angriffen gegen Unterstützer der Unterkunft kam. Den rassistischen Agitationen konnte aber mit der Entstehung zweier bürgerlicher bzw. kirchlicher Willkommensbündnisse entgegengetreten werden. Diese unterstützen die Geflüchteten u.a. mit Sachspenden und Sprachkursen und versuchen mit der Schaffung von Begegnungsstätten die Vorurteile bei den Anwohner_innen abzubauen.

Mittlerweile wird in den sozialen Netzwerken auch über eine Demonstration gegen die Flüchtlingsunterkunft in Boostedt diskutiert. Für Antifaschist_innen heißt es also wachsam bleiben und die Situation in Boostedt und in den anderen Orten, in denen Geflüchtete untergebracht sind, genau zu verfolgen, damit rassistische Aufmärsche und Gefahrensituationen für Refugees im Voraus verhindert werden können.

Presse:
http://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/Erstaufnahmeeinrichtung-Boostedt-wird-ausgebaut,boostedt154.html
http://www.shz.de/lokales/holsteinischer-courier/demonstration-in-boostedt-150-anwohner-in-sorge-id10920101.html

Rechte Tagung in Kiel

Am vergangenen Samstag, den 10.10.2015, haben Anhänger des Finanztheoretikers Silvio Gesell in Kiel eine rechte Tagung ausgerichtet. Veranstalter war der Verein „Regionalgeld“ unter der Führung des ehemaligen NPD-Kaders Frank Schepke, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, ein „Regionalgeld“ als alternative Währung in Schleswig-Holstein zu etablieren. Brisant an dieser Veranstaltung ist, dass auch der Gebietsrevisionist Walter T. Rix als Referent anwesend war.

Frank Schepke

Bereits vor zwei Jahren berichteten wir über Frank Schepke . Anlass war damals seine Kanditatur zur Bundestagswahl 2013. Schepke gehörte in den 60er Jahren zu den Führungskadern der niedersächsischen NPD. Seine Parteikarriere beendete Schepke nach eigener Aussage, als er merkte, dass die grasierende Inkompetenz der Kameraden die Umsetzung der „anfänglich […] idealistischen Zielsetzungen“ der Partei verhinderten.
Er wandte sich den Lehren Silvio Gesells zu, der als Erfinder der Freiwirtschaftslehre gilt. Vielfach wird den Theorien Gesells, die vor allem das Zinssystem als Übel ausmachen, ein struktureller Antisemitismus attestiert. Da überrascht es nicht, dass Schepke nicht der erste (Neo-)Nazi ist, der Gefallen an den Ideen Gesells findet. Schon in den 30er und 40er Jahren paktierten viele Anhänger des 1930 gestorbenen Gesells mit den Nationalsozialisten. Seit Anfang der 2000er propagiert Schepke mit mässigem Erfolg die Einführung eines Regionalgelds in Schleswig-Holstein. Zwar wird die alternative Währung mittlerweile landesweit in einigen Geschäften akzeptiert, die erhofften Folgen, die von Vollbeschäftigung bis hin zum „Frieden unter den Völkern“ reichen sollen, lassen dennoch auf sich warten.
Schepke ist Mitglied des Landesvorstands der Kleinstpartei „Humanwirtschaft“, die eine Einführung einer „Freiwirtschaft“ nach Gesell zum Ziel hat. 2010 wurde der Partei der Parteienstatus aberkannt. Seitdem trägt sie den Zusatz „e.V.“ im Namen. Auch in Schleswig-Holstein ist der Landesverband weitgehend inaktiv.
Schepke ist in den letzten Jahren nicht durch Kontakte ins rechte Milieu aufgefallen. Offenbar waren aber weniger inhaltliche Differenzen, sondern vielmehr taktische Erwägungen der Grund. Mit Walter T. Rix zählt nun ein prominenter neurechter Publizist zu den Rednern seiner Tagung und zeigt, wessen Geistes Kind Frank Schepke noch immer ist.


Walter T. Rix


Walter T. Rix

Auch über Walter T. Rix haben wir schon mehrfach berichtet. Rix ist ehemaliger Dozent der Literaturwissenschaften und Geschichte an der Universität Kiel und nimmt eine Schlüsselposition zwischen dem rechtskonservativen und einem offen neonazistischen Spektrum ein. Rix ist in verschiedenen Vertriebenenverbänden aktiv. Insbesondere im Umfeld der „Landsmannschaft Ostpreußen“ hat er sich engagiert. 2009 bekam er von dieser für seine „Verdienste“ für Ostpreußen das „Goldene Ehrenzeichen“ verliehen. Als Autor veröffentlichte er in verschiedenen rechten Publikationen, wie der „Nation [&] Europa“ (Vorläufer der „Zuerst“) oder dem rechtskonservativen Magazin „Criticón“. Rege Kontakte pflegt Rix aber auch zu einflussreichen Neonazis, wie beispielsweise dem Verleger Dietmar Munier, Inhaber des rechten Verlagshaus „Lesen [&] Schenken“ in Martensrade, der sich auch für die „deutsche Wiederbesiedlung“ ehemaliger deutscher Ostgebiete einsetzt. Rix wird vielfach als Referent geladen. Der rechte Think-Tank „Staats- und Wirtschaftspolitische Gesellschaft“ (SWG) aus Hamburg und der „Bund Junges Ostpreußen“ sind nur zwei Beispiele. Am Samstag hat Rix zum Thema „Silvio Gesell und die Räteregierung 1919 in München“ referiert.


Weitere Referent*Innen

Drei weitere Gäste waren angekündigt. Rainer H., Professor für Bodenkunde an der Kieler Universität hat über weltweite Bodenzerstörung referiert. Renate H. aus Narsingen wurde durch ihr Engagement gegen die Sekte Scientology bekannt und hat sich mitterweile dem Kampf gegen ein vermeintlich ungerechtes Gesundheitssystem verschrieben, was auch ihr Thema auf Schepkes Veranstaltung war. Hilmar J. aus Hochheim hat unlängst ein Buch veröffentlicht, dass über die „Abzocke“ der Sparkasse aufklären soll. Als einziger der drei letzteren Referent*Innen wieß sein Vortrag mit dem Titel „Sparkassen, Mythen und Silvio Gesell“ einen direkten Bezug zu Gesell auf.
Auch wenn diese Referente*Innen bislang keine Verbindungen in ein rechtskonservatives oder neonazistisches Milieu aufweisen, müssen sie sich doch die Frage gefallen lassen, warum sie sich mit Frank Schepke und Walter T. Rix einlassen.

Als Veranstaltungsort diente das „Haus des Sports“ im Winterbeker Weg in Kiel. Bereits mehrfach fanden in dessen Räumlichkeiten rechte Veranstaltung statt . Auch der Verein „Regionalgeld“ um Frank Schepke nutzt das Lokal regelmäßig. Neben der Veranstaltung am vergangenen Samstag ist hier übrigens auch ein „Teilnehmertreffen“ des Vereins am 02.11.2015 geplant.

Schluss mit Image-Politik!!

Erklärung des netzwerk antirassistische aktion [nara] kiel zur Versorgungssituation geflüchteter Menschen in Kiel und Ultimatum an die Stadt Kiel:

Was bisher geschah:

Seit mehr als zwei Wochen versorgen wir als unabhängiger Zusammenschluss aus verschiedenen Gruppierungen geflüchtete Menschen, die in Kiel ankommen und meist auf dem Transitweg Richtung Schweden sind. Ein Schwerpunkt unserer Arbeit lag dabei auf der Verpflegung mit Nahrungsmitteln, Getränken und zubereitetem Essen. Dazu wollen wir jetzt Stellung beziehen.

Bisher umfassen unsere Tätigkeiten das komplette Spektrum von Spendenaufruf starten, Spenden annehmen und koordinieren, Essen zubereiten und dem Transport der Nahrungsmittel an die entsprechenden Stellen. Diese sind tagsüber der Bahnhof und das Ostseekai–Terminal und am Abend sowie am frühen Morgen die Markthalle. Eine weitere Aufgabe stellt die Koordination von UnterstützerInnen dar. Viele engagierte Menschen sind seit Wochen im Einsatz um eine humanitäre Minimalversorgung in Kiel sicherzustellen, die von der Stadt nicht geleistet wurde und wird.

Als positives Fazit der Arbeit in den letzten Wochen sehen wir die Erfahrung, dass es möglich war auch ohne staatliche Unterstützung, dafür aber mit unglaublich vielen selbstorganisierten Menschen, eine Versorgungsstruktur aufrecht zu erhalten. Hier gilt es auf jeden Fall einen Dank an alle Menschen, die in den letzten Wochen und Tagen ihre Vorräte geplündert, Kofferräume voll geladen, Nachtschichten geschoben und ihre Autos zur Verfügung gestellt, Gemüse geschnippelt und in der Küche unterstützt haben, auszusprechen!!

Was bisher nicht geschah:

Trotz vielseitiger Aufforderungen unsererseits an die Stadt mangelt es nach wie vor an einer ausreichenden Infrastruktur um alle Bereiche der Versorgung abzudecken. Es fehlt eine ausreichende Verpflegung, eine medizinische Versorgung sowie eine menschenwürdige Unterbringung. Schließlich ist es alles andere als vertretbar, mehr als 300 Menschen, die zum Großteil seit Wochen unterwegs sind, in einer großen Halle ohne ausreichende Hygiene oder einen Hauch von Privatsphäre unterzubringen.

Vor zwei Wochen wäre die Situation am Bahnhof ohne die Hilfe engagierter UnterstützerInnen völlig aus dem Ruder gelaufen, hätten nicht so viele Menschen Decken, Kleidung und Verpflegung gebracht um den Geflüchteten, die am Bahnhof nächtigen mussten, zu helfen.

Immer wieder erleben wir ähnliche Situationen in denen von städtischer Hilfe nichts zu sehen ist. Es passiert eher das Gegenteil: Uns werden Steine in den Weg gelegt, die unsere Arbeit erschweren oder zum Teil sogar unmöglich machen; am Bahnhof wird uns untersagt Essen und Getränke an die Geflüchteten weiterzugeben, da diese doch „vollgefressen aus Hamburg ankommen“, so die Aussage der Bahnhofangestellten Frau Wienke. In der Markthalle wird uns jeglicher Zutritt verwehrt. Am Stena-Terminal sollen wir lediglich als GeldgeberInnen fungieren, wenn die Transitflüchtlinge kein Geld für die Weiterreise haben; das Austeilen von Essen und Verpflegung wurde uns untersagt. BehördenvertreterInnen kommen unangemeldet an unseren Orten (wie z.B. der Küche) vorbei…

Zudem gestaltet sich die Kommunikation sehr schwierig, da die Stadt auf der einen Seite von uns Informationen einfordert (z.B. wie viele Menschen mit den Zügen in Kiel ankommen), auf der anderen Seite jedoch nicht bereit ist, für unsere Arbeit relevante Informationen offen zu legen (z.B. zu vorhandenen Schlafplätzen für Ankommende in der Markthalle).

Weiterhin können wir seitens der Stadt keinerlei konstruktive „Zusammenarbeit“ ausmachen. Stattdessen ist der aktuelle Kurs der Stadt, uns als unabhängiger Zusammenschluss aus den Strukturen zu drängen, aber doch für manche Bereiche wie zum Beispiel die Essensversorgung zu instrumentalisieren.

Uns reicht es:

Wir fordern jetzt die Stadt Kiel auf endlich auch in Bezug auf die Nahrungsmittelversorgung tätig zu werden. Wir sehen es für uns als eine politische Entscheidung aus der Nahrungsmittelversorgung auszusteigen. Wir werden uns nicht mehr von der Stadt für ihre Willkommenskultur instrumentalisieren lassen, während weiterhin Menschen in vermeintlich sichere Herkunftsländer abgeschoben und Asylgesetze verschärft werden.

Es kann nicht sein, dass sich die Verantwortlichen der Stadt im Blitzlichtgewitter der Medien feiern lassen, sie es aber nach Wochen nicht hinbekommen eine menschenwürdige Versorgung sicherzustellen, die mehr ist als eine Banane und eine Suppe am Tag.
Dies ist nach unserer Einschätzung der Lage eine immer wiederkehrende Linie der Stadt, sich vor Verantwortlichkeiten zu drücken. Wie schon bei der Bereitstellung der Unterkunft, ist die Stadt erst nach tagelangem Missständen und nach massivem Protest tätig geworden, eine Unterkunft für 300 Menschen herzurichten.

Dies ist für uns nicht hinnehmbar.

Wir sehen die Stadt Kiel als bedeutender Rüstungsstandort auch maßgeblich als Mitverursacher von Fluchtgründen. Wer Milliarden am Verkauf von Kriegsschiffen in Krisenregionen verdient, hat nun auch die Verantwortung zu tragen, die Menschen, die aus dem verursachtem Elend flüchten mussten, menschenwürdig zu versorgen. Alles andere ist nur eine weitere Schweinerei, für die wir nicht bereit sind, weiter aufzukommen.

Weiterhin sehen wir es als politisches Kalkül, dass europaweit von einer angeblichen Überforderung schwadroniert wird, obwohl davon nicht die Rede sein kann, wenn man bedenkt, wie viele Menschen global auf der Flucht sind. Wir sehen die Situation als gewollte Untätigkeit von städtischer Seite, unter anderem, um das Märchen einer behördlichen Überforderung zu konstruieren sowie die aktuellen Debatten bezüglich Grenzschließungen und „positiven Anreize“ zu befeuern. Auch dies ist eine Linie, die wir als antirassistisches Netzwerk aus unserem politischem Selbstverständnis heraus ablehnen.

Wir sehen es als definitive Aufgabe der Stadt, diese Versorgung zu leisten. Das, was wir bisher geleistet haben, war eine Ausnahmesituation, die wir gemanagt haben, wenn man es so nennen will als Feuerwehr der Stadt.

Nun, nach zwei Wochen sagen wir: Es reicht! Werdet aktiv und macht EUREN Job!

Wer Steuergelder von ortsansässigen Rüstungsbetrieben einstreicht, sollte nun auch in der Lage sein, Verpflegung und Infrastruktur zu stellen. Wir fordern die Stadt auf, sich nicht länger darauf auszuruhen, dass sowas von linken Strukturen übernommen wird. Das ist nicht unsere Aufgabe und auch nicht unsere Motivation.

Deshalb fordern wir von der Stadt:

Kommt an den Start mit eurer Infrastruktur!
In einer Stadt, in der es durch zahlreiche Großkantinen möglich ist in jeder Behörde, Institution und sämtlichen Bildungseinrichtungen eine Versorgung sicherzustellen, wo auf jedem Festival oder Stadtfest problemlos tausende Menschen versorgt werden, kann es ja wohl nicht sein, dass es nun nicht möglich ist, 300 Menschen mit dem Nötigsten zu versorgen.

Wir fordern daher die Stadt Kiel mit Nachdruck auf, die Essensversorgung ab Donnerstag, 1.10.2015 für alle in Kiel ankommenden geflüchteten Menschen sicherzustellen. Ansonsten werden wir dafür sorgen, dass das Essen aus den Rathaus-, Landtags- und HDW- Kantinen gerecht an alle verteilt wird.

Zeigt, was ihr drauf habt wenns drauf ankommt!

Wir fragen uns in den letzten Wochen ernsthaft immer wieder, ob es beispielsweise im Falle einer Hochwasserkatastrophe ebenso nicht möglich wäre, 300 KielerInnen zu versorgen…

Zahlt gefälligst die Tickets für die Weiterreise der Geflüchteten, so wie andere Städte (z.B. Rostock) das auch machen und wie es auch in Kiel am 10.09.2015 bereits passiert ist. Oder sorgt für eine kostenlose Weiterreise!

Denn auch hier sehen wir uns nicht in der Verantwortung als alleinige GeldgeberInnen zu agieren und nebenbei dem Jahresumsatz des Unternehmens Stena-Line zu einem neuen Rekord zu verhelfen.

An alle anderen Menschen:

In runden Tischen und persönlichen Gesprächen mit VertreterInnen der Stadt wurde von städtischer Seite immer wieder betont, dass sie keine Versorgung über den Tag leisten werden, sondern dass das Aufgaben „der Zivilbevölkerung“ sei. Auch wenn wir das nicht so sehen, geben wir mit dieser Erklärung diese Aussage an euch LeserInnen weiter.

Konkret bedeutet das:
– versorgt Menschen mit Essen und Trinken: Dafür könnt ihr zum Ostseekai-Terminal oder zur Markthalle kommen
– stellt euch darauf ein, dass die Essensabgabe schwieriger wird, als gedacht. Lange Diskussionen mit Wachpersonal an den Unterkünften, die Einsicht, dass es vielleicht zu wenig Essen und Trinken ist und auch manchmal das Aushaltenmüssen dieser Einsichten.

Manchmal werdet ihr etwas suchen müssen, um die richtige Stelle zu finden, wo ihr euer Essen und Trinken loswerden könnt. Vielleicht kann euch dabei ein Anruf auf unserem Orgatelefon oder ein Blick in unseren Twitter–Account helfen: 01578/ 6454687 (erreichbar ab Donnerstag, 1.10.2015)

– gebt der Stadt Feedback: Z.B. unter den Nummern der Stadt 0431 / 901 3333 oder auch beim Telefon für besorgte
BürgerInnen 0431 / 901 3031, die beide extra dafür eingerichtet wurden, könnt ihr eure Erfahrungen an die richtigen AdressatInnen bringen.
– bleibt solidarisch mit den Geflüchteten und widerständig: die Stadt hat gezeigt, dass sie nicht handlungsfähig ist, wenn es drauf ankommt.

Es liegt nun an uns allen, autonome Strukturen zu schaffen, damit wir so ein Häck-Mäck zukünftig links liegen lassen können. Also bleibt bei allen eventuellen Frustrationen positiv!

nara – Netzwerk antirassistische Aktion Kiel am 29.9.2015

„Willkommensstadt“ Kiel schmeißt Refugee-Supporter aus dem Rathaus

Nachdem die Versorgungslage für flüchtende Menschen auf dem Weg nach Schweden in Kiel auch nach der desaströsen Montagnacht im Hauptbahnhof und trotz der Errichtung der provisorischen Notunterkunft im Ostseekai weiterhin zu wünschen übrig ließ, entschieden sich antirassistische Aktivist_innen an der öffentlichen Ratssitzung am Donnerstag, 17.9. teilzunehmen, um dort ihren Unmut über die angespannte Situation kundzutun. So gab es auch weiterhin keinerlei Shuttles zu den Terminals, die Verpflegung konnte nur durch die Eigeninitiative von Unterstützungsnetzwerken gewährleistet werden, die Ticketsituation blieb durchgehend ungewiss und die Schlafmöglichkeiten im Provisorium unangemessen.

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Nachdem ihre vorab übermittelte Forderung nach Redezeit in der Sitzung abgelehnt wurde, entrollten mindestens 50 kritische Zuhörer_innen Transparente von den Tribünen, ließen Flugblätter fliegen, protestierten lautstark und versuchten, den Redebeitrag unverstärkt zu halten. Statt einfach mal zuzuhören, zögerte Stadtpräsident Tovar nicht und forderte stattdessen die reichlich anwesende Polizei auf, die Tribünen gewaltsam zu räumen. Die Rede konnte zwar vollendet werden, ging im allgemeinen Tumult aber leider etwas unter. Anschließend wurden die Antirassist_innen von den Beamt_innen gewohnt ruppig durch die Rathausflure vor die Tür geboxt.

Ein Großteil der Aktivist_innen begab sich anschließend direkt wieder zum Schwedenkai, um dort, wie schon in den Tagen zuvor, flüchtenden Menschen, die die Fähre nach Göteborg nehmen wollen, solidarisch und unterstützend zur Seite zu stehen. Zeitgleich erklärte sich der Rüstungsstandort Kiel, der die Kriegsgebiete dieser Welt zuverlässig mit Waffentechnik ausstattet und damit maßgeblich daran beteiligt ist, dass abertausenden Menschen außer der Flucht aus ihren Heimatländern keine andere Perspektive mehr bleibt, selbstbeweihräuchernd zur „offenen, hilfsbereiten und solidarischen Stadt“; in erzwungener Abwesenheit derer, die seit Tagen für die mangelhafte und realitätsferne Vorbereitung der Behörden in die Bresche springen und ohne die dieser selbstverliehene Titel zur öffentlich zur Schau gestellten Lachnummer würde.

Bringt Euch ein in die Refugee-Support-Struktur und kommt zu den täglichen Treffen des netzwerk antirassistische aktion [nara] kiel um 19 Uhr in der Alten Mu!

Bericht bei KN-Online (17.9.2015)

Kiel: Dringende Notunterkünfte für Refugees durchgesetzt

Nach desaströser Nacht im Kieler Hauptbahnhof und massiven Protesten: Stadt erfüllt dringende Forderung nach Schaffung von Notunterkünften für flüchtende Menschen auf dem Weg nach Nordeuropa. Frage der Ticketversorgung bleibt ungeklärt, antirassistische Organisierung notwendig.

Die Zustände, mit denen antirassistische Aktivist*innen, Fußballfans und Passant*innen und vor allem diejenigen, die von ihnen betroffen waren – mindestens 140 flüchtende Menschen vor allem aus Syrien, die Montagnacht gegen ab kurz vor 1 Uhr auf dem Weg nach Schweden am Kieler Hauptbahnhof strandeten, konfrontiert gewesen sind, waren schlichtweg nicht zumutbar: Erschöpfte Menschen, darunter auch viele Familien mit Kleinkindern, die in der Wartehalle, auf Bahnhofsbänken oder dem Fußboden der Sparda Bank auf engstem Raum und ohne jede Privatsphäre ihre Schlaflager errichten mussten, eine Handvoll vollends unvorbereiteter, sichtlich überforderter und zu jeder Unterstützungsleistung unfähige Polizisten als einzige Ansprechpartner staatlicher Behörden und irritierte Blicke nächtlicher Bahnhofsgänger*innen in die improvisierten Schlafstätten. Nur durch die spontane Handlungsfähigkeit antirassistischer Netzwerke, die so gut es eben ging Abhilfe organisierten, konnte den Menschen zumindest das Allernötigste zur Verfügung gestellt werden: Decken, Isomatten, Getränke, ein bisschen was zu Essen und die wichtigsten Informationen zur Weiterreise mit der Fähre nach Schweden. Die Stadt, die sich derzeit so gern in der Hilfsbereitschaft vieler Kieler*innen sonnt, hatte komplett versagt: Keine Notunterkunft, keine Decken, keine Verpflegung, nicht mal irgendein Ansprechpartner war von offizieller Seite aufzufinden. Auch als sich die Flüchtenden in den Morgenstunden zum Terminal aufmachten, hatte sich daran nichts geändert.

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Nur wenige Stunden später versammelten sich noch am selben Nachmittag etwa 200 antirassistische Aktivist_innen kurzfristig vorm und im Rathaus, um dafür zu sorgen, dass sich eine solche Situation nicht wiederholen wird. In den Eingängen des Rathauses wurden, um der Öffentlichkeit die Dimensionen der desaströsen Nacht im Kieler Hauptbahnhof zu verdeutlichen, säckeweise Schlafutensilien, die den Refugees bei der improvisierten Unterstützungsmaßnahme zur Verfügung gestellt wurden, aufgetürmt. Drinnen wurden Stadtvertreter_innen, darunter auch dem grünen Bürgermeister Peter Todeskino, von dutzenden Demonstrant_innen die Forderung übermittelt, noch vor der Nacht Notunterkünfte für flüchtende Menschen schaffen, die zu welcher Tages- oder Nachtzeit auch immer in Kiel ankommen. Die Behörden dürften sich nicht länger darauf ausruhen, dass solidarische Menschen mit bescheidenen und improvisierten Kapazitäten für das in die Bresche springen, was die Stadt als das Mindeste zur Verfügung zu stellen hat: Essen, Trinken, Dolmetscher*innen, Fährtickets und ein Dach über den Kopf für alle Menschen, die auf ihrer Flucht durch Europa Kiel passieren.

Nach dem Rathausbesuch zogen etwa 100 Demonstrant_innen trotz strömenden Regens durch die Kieler Innenstadt zum Hauptbahnhof um diese akuten Forderungen zu bekräftigen. Im Bahnhofsgebäude, dem vorherigen Schauplatz der unzumutbaren Nacht, fand eine kurze Abschlusskundgebung statt.

Mittlerweile haben die städtischen Behörden reagiert und eine provisorische Notunterkunft für Flüchtende im alten Ostseekaiterminal errichtet. Etwa 250 Neuankömmlinge, die im Laufe der Nacht Kiel erreichten, nutzten diese prompt. Ein offener Streitpunkt bleibt derweil die Übernahme von Ticketkosten für mittellose Refugees. Möglicherweise muss auch dieser Forderung in den kommenden Tagen aktionistischer Nachdruck verliehen werden – dann hoffentlich so erfolgreich wie in der Frage der Unterbringung.

Wer sich in die Unterstützungsstruktur für Refugees auf der Durchreise einbringen will, ist jeden Abend um 19 Uhr in die Alte Mu im Lorentzendamm eingeladen, wo das tägliche Koordinierungstreffen des netzwerk antirassistische aktion [nara] kiel stattfindet.

Bericht [&] Video bei KN-Online (15.9.2015)