Nächtliche Abschiebung von Roma aus Kiel nach Serbien – überfallartige Aktion der Ausländerbehörde

In der Nacht vom 21. auf den 22. Februar 2018 wurde eine Familie von Kiel aus unerwartet nach Serbien abgeschoben. Die Mitglieder der Familie befanden sich auf dem Weg, ihre aufenthaltsrechtliche Situation zu verbessern. Die Mutter leidet unter physischen und psychischen Problemen, weshalb verschiedene Ärzte festgestellt hatten, dass sie nicht in der Lage ist, eine lange Reise zu unternehmen und somit keine Abschiebung stattfinden dürfte. Der Vater als ihr Ehepartner hätte demnach genauso wenig abgeschoben werden dürfen. Ihre Tochter besuchte bis dahin die Schule, um den Schulabschluss nachzuholen und damit eine Ausbildung anfangen zu können, war aber aufgrund ihrer Volljährigkeit nicht durch die prekäre physische und psychische Situation ihrer Mutter geschützt.

Trotz einer sich verbessernden Lage und der vermeintlichen Rechtssicherheit durch die verschiedenen Atteste, wurde die Familie von der Polizei zum Düsseldorfer Flughafen gebracht zwecks einer Abschiebung. Circa ein dutzend Polizist_innen und eine Mitarbeiterin der Ausländerbehörde drängten in die Wohnung ein und isolierten die Familienmitglieder voneinander. Dabei wurden die Hände der Mutter gefesselt. Die Polizei und die anwesende Mitarbeiterin von der Ausländerbehörde bedrängten die Familie so, dass diese nicht die Zeit hatte, auch nur um die aller rudimentärsten Dinge einzupacken. So konnte die Familie noch nicht einmal Kleidung mitnehmen, die sie vor der Kälte schützt. Die Polizei hatte keine schriftliche Mitteilung o.ä., die die Abschiebung erklärte. Stattdessen wurde die Abschiebung der Familie mündlich von der anwesenden Mitarbeiterin der Ausländerbehörde mitgeteilt. Die Bundespolizei hatte ein amtsärztliches Gutachten dabei, welches bereits im August 2017 erstellt worden ist. Die Familie wusste nichts von diesem Gutachten, ihr Anwalt genauso. Wichtige Briefe, seien sie von Ämtern oder Ärzten, wurden ihnen in der Vergangenheit mit Verspätung überreicht. Daher ist es nicht auszuschließen, dass ihnen wichtige Informationen auf verschiedene Art und Weise verschwiegen wurden.

Die Familie kommt aus Serbien und gehört zur Minderheit der Roma. Die Diskriminierung ihnen gegenüber ist vor Ort extrem: Familien werden vertrieben, von Polizei und Nationalist_innen provoziert und geschlagen, dazu noch werden Schul- und Arbeitsplätze verweigert. Selbst so alltägliche Dinge wie Nahrung kaufen, sind oft mit Diskriminierung verbunden. Gleichzeitig stuft die Europäische Union Serbien als ein sicheres Herkunftsland ein, dies im Rahmen der Verhandlungen zum EU-Beitritt. Als Gegenleistung zur Einstufung werden EU-Gelder an die jetzigen führenden Politiker Serbiens gereicht, die bekanntlich korrupt sind und teilweise als Kriegstreiber während der brutalen jugoslawischen Kriege in den 90er Jahren bekannt waren. Die Regelung zu den sicheren Herkunftsstaaten verhindert, dass Menschen vor massiver Gewalt in die EU fliehen können. Einen sicheren Aufenthaltsstatus zu bekommen ist für Betroffene ziemlich schwer, häufig nahezu unmöglich.

Wir wollen gegen diese unmenschliche Politik ein Zeichen setzen. Die abgeschobene Familie hatte nicht nur den Willen, sondern sah sich gezwungen, wenn sie nicht mit täglicher Diskriminierung bis zu körperlicher Gewalt leben wollte, ihr Leben in Deutschland weiterzuführen. Nun sind sie einer extrem unsicheren Situation überlassen und von ihren Kieler Freund_innen getrennt worden. Zurzeit befindet sich die Familie bei Verwandten, die ebenfalls unter extrem prekären Verhältnissen lebt. Weder Strom noch Kälteschutz sind vor Ort vorhanden. Die Aussicht auf eine Verbesserung ihrer Lage ist unter diesen Umständen nahezu unvorstellbar. Ihre Lage ist kein Einzelfall, denn durch Diskriminierung und Abschottungspolitik werden die Lebensperspektiven vieler Geflüchteter zunichte gemacht.

„Wir werden weiter gegen jede Abschiebung kämpfen!“ sagt Ela Hazem, Sprecherin vom netzwerk antirassistische aktion kiel (nara). Sie ergänzt, „wichtig ist es mit Betroffenen in Kontakt zu treten, damit Betroffene sich in Bezug eine drohende Abschiebung informieren können und selbstverständliche Solidarität zu leisten.“

Am kommenden Dienstag, 27.02.2018, werden Aktivist*innen von 8.30-9.30 Uhr die Flyer des Alarmphone Kiel: Abschiebungen stoppen vor der Kieler Ausländerbehörde (Sophienblatt 12, 24114 Kiel) verteilen.

Gegen die Unerträglichkeit der täglichen Abschiebepolitik:

Es gibt keine sicheren Herkunftsländer für Roma!

Wir fordern Bleiberecht für Alle!

Abschiebung ist Mord!

netzwerk antirassistische aktion [nara] kiel und freund_innen der familie

Rückfragen: nara_presse[at]riseup.net

antiravernetzungsh.noblogs.org

Keine Genossin geht allein in den Knast – 30 solidarische Menschen begleiten antifaschistische Tortenwerferin zur JVA Lübeck

Mit Sonnenschein, Schnee, solidarischen Menschen und viel Presseresonanz trat die Tortenwerferin Julia Pie heute (5.2.2018) ihre Haft in der JVA Lübeck an. Für das Werfen einer Torte auf die AfD-Politikerin Beatrix von Storch wurde sie zu einer Geldstrafe wegen Beleidigung verurteilt. Statt die Geldstrafe zu zahlen, entschied sie sich jedoch für die Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Wochen.

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Mehrere Dutzend Menschen aus antifaschistischen Zusammenhängen demonstrierten anlässlich des Haftantritts vor der JVA Lübeck gegen Knäste und die Kriminalisierung von Antifaschist*innen. Bei einem Tortenwurfstand konnten alle testen, wie gut sie Gauland, Storch und Höcke mit Torten aus Rasierschaum treffen – rassistische Zitate der AfD-Politiker*innen waren zur Motivation ebenfalls ausgehängt.

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In Redebeiträgen gingen die Antifaschist*innen dabei nicht nur auf den konkreten Fall ein, sondern betonten immer wieder die Absurdität eines Systems, in dem massenweise Menschen wegen Kleinigkeiten wie Schwarzfahren in Knästen sitzen. Dabei wurde in einem Gastbeitrag der Soli-Gruppe Berlin der Gefangenengewerkschaft (GG/BO) auch thematisiert, wie sich beispielsweise die Gefangenen in der JVA Neumünster gegen Niedriglöhne und hohe Preise im Einkauf wehren (hier geht’s zur Petition um die Gefangenen in ihren Forderungen zu unterstützen).

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Wir erleben in Deutschland einen Rechtsruck. Das nur an den sichtbaren Extremen wie den Äußerungen von Storchs festzumachen wäre allerdings zu simpel. Wir beobachten vielmehr eine Verschiebung des gesamten gesellschaftlichen Klimas. Rassismus wird normaler, Ausgrenzung als etwas sinnvolles und notwendiges betrachtet. Daher ist es umso wichtiger dem mit diversen Aktionen etwas entgegenzusetzen, sei es mit Outings, Demos oder eben auch Tortenwürfen.

Zum Abschluss der Kundgebung wurden auch gleich die ersten Postkarten für die inhaftierte Tortenwerferin eingeworfen. Sie freut sich auch über weitere Post. Entweder per Mail an abc-flensburg[at]systemli.org oder per Brief an:

Infoladen Subtilus
z.H. Tortenwerferin
Norderstraße 41
24939 Flensburg

Pressespiegel

Aktuelle Infos: Anarchist Black Cross (ABC) Flenburg

Outings und ein kaputtes Auto – unfreiwillig hektische Adventszeit für einige Rechte in Schleswig-Holstein

Der Dezember lief für ein paar Rassist_innen in Schleswig-Holstein unruhiger als geplant. Den Anfang machte die AfD-Funktionärin Martina Dibbern-Krämer die nach ihrem Outing auch prompt den Kreisvorstand der AfD Kiel verlassen hat. Auch die Neonazi-Familie Bork aus Elmshorn und die Rechtsrockband „Abtrimo“ (der mit Carsten Soltmann auch ein Mitglied aus Schleswig-Holstein angehört) bekamen unerwünschte Aufmerksamkeit. Der Lübecker IB-Neonazi Jonathan Allonge dürfte auf seine neue Berühmtheit auch gern verzichtet haben. Schließlich hatte er bisher alles dafür getan seine Identität als organisierter Rassist geheim zu halten. Die Autor_innen des Outings beziehen sich in ihrem Schreiben auch auf den Leiter der IB in Schleswig-Holstein, Volker Zierke aus Lütjenburg, der Anfang 2017 versuchte einen Antifa am Lübecker ZOB zu töten. Zu dessen Umfeld gehört der Nachwuchs-Neonazi Allonge.

Ein kleines Bildungsprogramm haben sich Antifas überlegt, die ein Nazi-Memory pünktlich zu Weihnachten veröffentlichten. Spannung, Spiel und Spaß mit der ganzen Familie wünschen wir!

Laut einem am 19. Dezember auf Indymedia veröffentlichtem Schreiben haben sich Aktivist_innen dem Auto von Hermann Gutsche (NPD Kiel) gewidmet. „bauschaum und löcher in den reifen von seinem citroen sind ein garant für extra besinnliche feststage“ schreiben die anonymen Autor_innen. Sie schliessen mit einem Aufruf anlässlich der Kommunalwahl im Mai gegen NPD und AfD militant aktiv zu werden.

Obwohl größere Anlässe wie Wahlen oder Aufmärsche fehlten, haben Antifaschist_innen aus verschiedenen Regionen und Spektren den Dezember genutzt um mit ihren jeweiligen Aktionsformen stetigen Druck auf die rechte Szene aufrecht zu erhalten. Gerade in Zeiten von Rechtsruck und Repression hoffnungsvolle Signale!

Outing Allonge

AfD-Funktionärin Martina Dibbern-Krämer geoutet

Laut eines kurz vor dem Bundesparteitag der AfD in Hannover auf Indymedia veröffentlichten Artikels, wurde die AfD-Funktionärin Martina Dibbern-Krämer an ihrem Arbeitsplatz, der SEB-Bank, geoutet. Wir dokumentieren hier den Text.

„Anlässlich des Parteitags der AfD in Hannover wurde der Arbeitgeber der Kieler AfD-Funktionärin Martina Dibbern-Krämer über ihre Machenschaften informiert. Hier das Schreiben:

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Auf dem Bild unten ist Martina Dibbern-Krämer im Kreis des Vorstands der Kieler AfD zu sehen.

„An die Mitarbeiter_innen der SEB-Bank,

wir haben festgestellt, dass in Ihrem Unternehmen die AfD-Funktionärin Martina Dibbern-Krämer angestellt ist. Zunächst einmal mögen Sie denken, was denn die politischen Aktivitäten von Frau Dibbern-Krämer mit Ihrer Arbeitsstelle zu tun haben. Wir möchten in diesem Schreiben klarstellen, dass es nicht hinnehmbar ist, führende Mitglieder der AfD innerhalb von Organisationen zu dulden, egal ob es sich um einen Sportverein oder eine Firma handelt.

Wie Sie sicherlich der vielfältigen Berichterstattung entnommen haben, entwickelt sich die AfD in rasendem Tempo zu einer offen faschistischen Partei. Es wird gegen alles gehetzt was nicht in das beschränkte Weltbild passt. Homosexuelle, Migrant_innen Jüdinnen_Juden, Menschen muslimischen Glaubens, Linke, Liberale – alles Feindbilder gegen die auch Frau Dibbern-Krämer als Führungsperson der AfD in Kiel regelmäßig Hetze organisiert. Dabei werden zu militanten Neonazi freundschaftliche Verbindungen gepflegt, die dann ja auch gleich die Propaganda dser AfD in Gewalttaten umsetzen. Somit ist Frau Dibbern-Krämer direkt für die rechten Angriffe verantwortlich! Möglicherweise hält Frau Dibbern-Krämer sich im Kreis ihrer Kolleg_innen bedeckt. Auch für die AfD tritt sie nicht offen mit Ihrem Namen auf um ihre rassistischen Verstrickungen zu verschleiern. Doch hinter dieser Fassade steckt eine ideologisch gefestigte Rassistin. Wie realistisch ist es, dass sie diese Einstellungen immer zum Arbeitsbeginn ablegt? Da die AfD, und damit auch Frau Dibbern-Krämer, einen großen Teil dieser Gesellschaft mit Hass und Hetze überzieht, wird sie diese Einstellungen auch einem großen Teil Ihrer Mitarbeiter_innen und Kund_innen entgegen bringen. Natürlich wird sie dies meist nicht offen tun. Doch wie werden sich beispielsweise Migrant_innen oder Homosexuelle in Ihrem Unternehmen fühlen, wenn sie wissen, dass Frau Dibbern-Krämer ihnen mit einem falschen Lächeln gegenüber steht, nach Feierabend aber schon die nächste Hetzkundgebung plant?

Ziehen Sie die richtigen Konsequenzen! Das Beste für das Klima in Betrieb und Gesellschaft ist, wenn Sie Frau Dibbern-Krämer vor die Tür setzen. Mit einem Arschtritt statt einer Abfindung!“

de.indymedia.org

„Farbaktionen“ zum Volkstrauertag in Kiel

Laut eines kurzen, anonym auf Indymedia veröffentlichten Schreibens, fanden „um den Volkstrauertag“ drei „Farbaktionen“ in Kiel statt. „Mehr oder weniger Farbe“ wurde laut der Verfasser_innen auf dem Kaiser-Wilhelm-Denkmal, dem Kriegerdenkmal und dem Seesoldaten-Ehrenmal angebracht. Es wird in dem Text u.a. auf den militaristischen und nationalsozialistischen historischen Hintergrund des Volkstrauertags verwiesen und das Ziel formuliert „[n]ationalistisches Gedenken sollte offensiv gestoert werden“.

Dokumentation des Schreibens auf Indymedia

25 Jahre nach den rassistischen Brandanschlägen von Mölln – Gedenken auch am Bahide-Arslan-Platz in Gaarden

Gestern, am frühen Abend des 23.11.2017, fanden sich spontan etwa 40 Antifaschist*innen zusammen, um gemeinsam durch den Kieler Stadtteil Gaarden zum Bahide-Arslan-Platz zu gehen und dort der Opfer der rassistischen Brandanschläge in Mölln 1992 zu gedenken. Bahide Arslan, Yeliz Arslan und Ayşe Yilmaz verstarben am 23.11.1992. Viele weitere Menschen wurden schwer verletzt.

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Am Bahide-Arslan-Platz wurden Blumen niedergelegt, Kerzen angezündet und zwei Redebeiträge gehalten, die an das Geschehene erinnerten und das Erinnern der Überlebenden, Angehörigen und Freund*innen thematisierten: „Wie stehen hier in Solidarität mir den Opfern der rassistischen Anschläge von Möln 1992. Unsere Gedanken und all unsere Kraft sind heute bei den Überlebenden, Angehörigen und Freund*innen, die seit 25 Jahren für das Erinnern kämpfen.“


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Die Aktion in Kiel bezog sich inhaltlich auf das gestern zeitgleich in Mölln stattgefundene Offene Gedenken der Familien Arslan und Yilmaz sowie des Freundeskreis im Gedenken an den rassistischen Brandanschlag von Mölln 1992 vor dem Bahide–Arslan–Haus in der Mühlenstraße 9, wo die Morde begangen wurden. An dieser Veranstaltung beteiligten sich etwa 200 Menschen, darunter Vertreter*innen verschiedener Initiativen in Solidarität mit Betroffenen rassistischer Gewalt sowie andere Gäste aus dem ganzen Bundesgebiet. Am offenen Mikrophon schilderten Redner*innen ihre jeweiligen Perspektiven auf die Möllner Anschläge, gedachten der Todesopfer des Rassismus in Deutschland, forderten die Perspektive der Betroffenen und Angehörigen in den Fokus jedes Gedenkens zu stellen und riefen zum Kampf gegen den erstarkenden gesellschaftlichen Rassismus in allen seinen Facetten auf.

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Anschließend begleiteten zahlreiche solidarische Menschen den Überlebenden Ibrahim Arslan, Enkel von Bahide Arslan und zentraler Mitorganisator des Offenen Gedenkens, zu seiner Rede bei der offiziellen Gedenkveranstaltung der Stadt Mölln, wo er erstmals seit dem Eklat vor fünf Jahren wieder sprach. Zu dieser war er in den vergangenen Jahren nicht mehr eingeladen worden, da er auch dort seine scharfe Kritik an der offiziellen Gedenkpolitik der Stadt sowie des strukturellen und institutionellen Rassimus immer wieder offen thematisiert.

Medien: NDR | LN | SHZ

70 auf unangemeldeter Demonstration gegen G20-Repression und Polizeigewalt in Kiel

Am gestrigen Mittwochabend, 15.11.2017 demonstrierten in Kiel etwa 70 Menschen spontan unter dem Motto „United We Stand – gegen staatliche Repression und Polizeigewalt“. Anlass war, dass in Hamburg nach den G20-Protesten noch immer Menschen in Haft sitzen, zu hohen Strafen verurteilt werden und gleichzeitig die zunehmende Polizeigewalt unverfolgt bleibt. Um kurz nach 18 Uhr startete der unangemeldete Zug am Berliner Platz und zog lautstark unter knast- und repressionskritischen Parolen wie „Mit Power durch die Mauer bis sie bricht“, „BRD Bullenstaat, wir haben dich zum Kotzen satt“ und „Scheiß G20 – Welcome to Hell“ durch die Innenstadt. Die Angeklagten Fabio und Konstantin, die sich derzeit vor den Hamburger Amtsgerichten verantworten müssen, wurden dabei auch namentlich gegrüßt. Zahlreiche Flyer wurden an Passant_innen verteilt, um das Anliegen der Demonstrant_innen zu erläutern. Die Demo löste sich eine knappe halbe Stunde später am Hauptbahnhof auf.

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Auf der spontanen Versammlung wurde durchgehend die Freiheit für alle G20-Gefangenen gefordert, die nun als Einzelne stellvertretend für alle G20-Gegner_innen haften sollen. Eine Woche lang waren Anfang Juli zehntausende Menschen zusammen mit den nun Angeklagten auf den Straßen Hamburgs aktiv gewesen und hatten der Besatzung der Stadt durch 31000 schwer bewaffnete Polizist_innen getrotzt. Gemeinsam und entschlossen eroberten sich die Gipfelgegner_innen das Recht zurück, die Selbstinszenierung der 20 mächtigsten Staats- und Regierungschef_innen dieser Welt mit ihrem unversöhnlichen und unübersehbaren Widerspruch gegen Kapitalismus, Patriarchat, Rassismus und autoritäre Formierung, gegen die Weltordnung der Ausbeutung, der Abschottung, der Naturzerstörung und des Krieges zu konfrontieren.

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In einem ersten Redebeitrag am Europaplatz wurde Polizeigewalt thematisiert, die auch in Kiel ausgeübt wird. So wurde erst kürzlich ein Verfahren gegen einen Polizisten eingestellt, der am 14. April 2017 einer Antifaschistin nachts in Mettenhof das Knie zertrümmerte, weil er sie der Demontage eines AfD-Plakats verdächtigte. Sie musste per Notarzt ins Krankenhaus gebracht werden, sich einer langen Operation unterziehen und drei Wochen im Krankenhaus verbringen. Die Genossin erlitt einen Bruch, Bänderrisse, einen Kreuzbandriss und anderes. Insgesamt lag sie, bedingt durch eine weitere Operation, sechs Wochen im Krankenhaus. Das Verfahren gegen den Polizisten wurde kaum einen Monat nach Einreichung der Anzeige eingestellt – ein weiteres Beispiel dafür, dass Betroffene von Polizeigewalt kaum eine Chance haben, von der „unabhängigen“ Justiz die Herstellung von Gerechtigkeit zu erwarten.

Anschließend zog die Demonstration unter Rufen wie „Ganz Kiel hasst die AfD“ weiter an der Landesgeschäftsstelle der AfD vorbei. Die offenbar nicht vorbereitete Polizei begleitete das Geschehen bis hierhin zwar mit einem Wagen, war jedoch nicht in der Lage einzugreifen. Erst während der Abschlusskundgebung am Hauptbahnhof zogen sich weitere Polizeikräfte zusammen, kamen jedoch zu spät, um gegen die irreguläre Veranstaltung vorzugehen. Alle Demonstrant_innen konnten ohne Belästigungen ihren planmäßigen Nachhauseweg antreten.

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An den Bussteigen des Hauptbahnhofs wurde ein weiterer Redebeitrag zu den repressiven Folgen des G20-Gipfels gehalten. Nochmals wurde unterstrichen, dass nach wie vor viele Aktivisten seit mittlerweile vier Monaten in Untersuchungshaft gefangen sind oder bereits in politischen Prozessen verurteilt wurden, die mit bis zu 2 1⁄2 Jahren Gefängnisstrafe weit über das übliche Maß hinausgehen. Den Angeklagten und Verurteilten wird dabei oft lediglich vorgeworfen, an Demonstrationen teilgenommen zu haben, von denen kriminalisierte Handlungen ausgegangen sein sollen, während kein Beweismaterial vorliegt, das die Taten mit ihnen in Verbindung bringen würde. Erst diesen Montag, 12.11.2017 wurde nun wieder ein 19jähriger zu einer auf Bewährung ausgesetzten Gefängnisstrafe verurteilt.

Der Redebeitrag und ein Transparent mit der Aufschrift „Hier stand unsere Meinung“ thematisierten zudem auch das Verbot von linksunten.indymedia.org im Nachklang des Gipfels – eine Zensur, wie sie in den letzten Jahren in der BRD nicht vorgekommen ist.

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In Hamburg und auch in Kiel hat sich jüngst mal wieder deutlich gezeigt: Die staatlichen Organe sind weder Freund noch Helfer, sondern dazu da, Kritik und Widerstand zu unterbinden und Menschen einzusperren. Deshalb wurden Polizei und Ordnungsamt im Vorfeld nicht um Erlaubnis gefragt, sondern die Demonstration unangemeldet durchgeführt. Die Mobilisierung wurde deshalb erst wenige Stunden vor der Aktion öffentlich gemacht.

Riesig scheinen in Anbetracht der gegenwärtigen Brutalisierung menschlichen Zusammenlebens die Herausforderungen, mit denen Träger_innen emanzipatorischen Begehrens umzugehen haben, die sich nicht damit abfinden wollen. Auch dies mag derzeit dazu beitragen, dass die Reaktionen der Linken auf die Hamburger Urteile, genauso wie z.B. auf das Verbot und die Zerstörung von linksunten.indymedia.org, bisher übersichtlich geblieben sind. Widerstand und Solidarität bleiben jedoch notwendiger denn je. Die gestrige Demo wollte einen kleinen Beitrag dazu leisten, dies in Erinnerung zu rufen.

g20kielholen.black.blogs.org

Die Maske fällt: AfD Kiel ließ im Bundestagswahlkampf Infostand von Neonazis schützen

Am Samstag, 26. August 2017 war die Kieler „Alternative für Deutschland“ (AfD) im Rahmen des Bundestagswahlkampfes mit einem Informationsstand in der Kieler Fußgängerzone und Einkaufstraße Holstenstraße vertreten. Kennern und Beobachtern der Neonaziszene fiel aber sehr schnell auf, dass dieser Stand von vier bis sechs Personen einer Kieler Neonazigruppe, die unter anderem unter dem Namen „Bollstein Kiel“ in der Landeshauptstadt Bekanntheit erlangt hat, offensichtlich geschützt wurde.

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Unter anderem war mit Mario Hermann auch einer der führenden Personen der kameradschaftsähnlichen Gruppe vertreten. Mario Hermann ist seit Anfang der neunziger Jahre immer wieder im Rahmen von Aktionen der Kieler NPD und der sogenannten freien Kameradschaftsszene aufgetreten. Die von ihm geführte Gruppe „Bollstein Kiel“ nahm in der Vergangenheit immer wieder an Neonazi-Demonstrationen und Kundgebungen in Kiel und auch auf bundesweiter Ebene teil. Ein erheblicher Teil der Gruppe, die aus dem Kieler Vorort Mettenhof stammt, wurde auch schon als Wahlkandidaten in der Kommunalwahl am 26.5.2013 für die NPD-Tarnorganisation „Wahlalternative Kieler Bürger“ (WAKB) aufgestellt.

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Es kann dabei nicht von einem Zufall gesprochen werden, dass sich, zeitgleich mit dem Eintreffen der AfD-WahlkämpferInnen, die Gruppe der Neonazis am Rande positionierte, zumal die Uhrzeit sowie der Standort des AfD-Infostandes strikt von der Partei geheim gehalten wurde. Auch der immer wieder aufgenommene Kontakt zwischen AfD-Mitgliedern und der besagten Gruppe lässt darauf schließen, dass die Neonazis in einem Schutzkonzept des AfD-Wahlstandes eingebunden waren. Nachdem der, von der AfD erwartete, obligatorische Gegenprotest friedlich war, und anders als der immer gebetsmühlenartig von der AfD angekündigte “Übergriff der Antifa“ nicht stattfand, wurde es der Schlägertruppe zu langweilig und sie verlegte Ihre Anwesenheit in die Peripherie der Kieler Innenstadt, nicht ohne sich noch einmal bei den vor Ort stehenden AfD–FunktionärInnen wie Achille Demagbo per Handschlag zu verabschieden.

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Es ist sehr interessant, dass sich die AfD im Rahmen ihrer Wahlkämpfe immer mehr von ihrer eigentlichen Funktion als Eisbrecher für rechte und neonazistische Strukturen entfernt und immer mehr offen den Schulterschluss und die Zusammenarbeit mit neonazistischen Organisationen und Parteien wie der NPD und Freien Kameradschaften zeigt. Dieses Beispiel zeigt einmal mehr, dass mittlerweile von der AfD nicht mehr von einer rechtspopulistischen Partei gesprochen werden darf, sondern die Partei als protofaschistisch eingestuft werden muss.

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www.agr-sh.de

Landtagswahlkampf im April: Kieler Antifaschistin durch Polizei schwer verletzt

Mit diesem Text möchten wir einen Vorfall veröffentlichen, der sich bereits im Frühjahr dieses Jahres zugetragen hat: Am 14.4.2017 wurde eine Kieler Antifaschistin bei einem Polizeieinsatz schwer verletzt. An diesem Abend war die Polizei offenbar aufgrund antifaschistischer Aktionen gegen AfD-Wahlplakate auf der Suche nach Aktivist_innen, die sie dafür verantwortlich machen kann. In Mettenhof verfolgte eine Streifenwagenbesatzung die Anwohnerin, welche sie der Demontage eines AfD-Plakates verdächtigte. Da sich die Genossin nicht einfach grundlos von der Polizei kontrollieren lassen wollte, blieb sie nicht stehen und wurde daraufhin gewaltsam von einem Polizisten zu Boden gerissen, wobei sie sich schwerste Verletzungen im Knie zuzog. Die Antifaschistin musste per Notarzt ins Krankenhaus gebracht werden, sich einer langen Operation unterziehen und drei Wochen im Krankenhaus verbringen. Sie erlitt einen Bruch, Bänderrisse, einen Kreuzbandriss und anderes. Insgesamt lag die Genossin, bedingt durch eine weitere Operation, sechs Wochen im Krankenhaus.

In der Zwischenzeit bekam die Betroffene eine Vorladung der Polizei mit dem Vorwurf der „Sachbeschädigung“, gegen sie wurde Anzeige durch die AfD erstattet. Das Verfahren wurde jedoch von der Staatsanwaltschaft relativ schnell wieder eingestellt.

Nach Einsicht der Akten und in Absprache mit einem Anwalt und weiteren GenossInnen stellte sie nun aufgrund der erheblichen Verletzungen, der zu befürchtenden bleibenden Schäden im Bein und des Verdienstausfalls Anzeige gegen die PolizistInnen wegen fahrlässiger Körperverletzung und eine Dienstaufsichtsbeschwerde bei der Polizei.

Die Rote Hilfe Kiel und die Autonome Antifa-Koordination Kiel verurteilen das gewalttätige und unverhältnismäßige Verhalten der Polizei bei der Beschützung rassistischer Wahlplakate in Kiel, welches zu der schweren Verletzung der Antifaschistin führte und sichert der Betroffenen volle politische, rechtliche, materielle und finanzielle Unterstützung zu. Der Schutz eines vermutlich wenige Euro billigen Plakates der rassistischen und chauvinistischen Partei AfD steht in keinem Verhältnis zum Resultat dieses gewalttätigen Polizeieinsatzes, der schweren Verletzung einer Anwohnerin des Stadtteils.

Der oben beschriebene Vorfall war jedoch nicht der einzige – wenn auch der unserer Kenntnis nach schwerste – Übergriff der Polizei gegen aktive Antifaschist_innen dieses Jahr: So wurden z.B. am 29.4. bei Protesten gegen eine AfD-Kundgebung in der Kieler Innenstadt, welche von einem Großaufgebot der Polizei beschützt wurde, zwei Menschen von der Polizei mit Hunden verfolgt und ihnen angedroht, die Hunde auf sie loszulassen, wenn sie nicht stehen bleiben würden und daraufhin ebenfalls unverhältnismäßig hart zu Boden gebracht.

Bereits am 3.3. wurden Antifaschist_innen in Aukrug beim Protest gegen eine AfD-Veranstaltung von Eutiner Polizeieinheiten massiv mit Gewalt bedroht. Einige Aktivist_innen wurden an diesem Abend in Gewahrsam genommen, ziellos in Gefangenentransportern durch die Gegend gefahren und schließlich in Neumünster erkennungsdienstlich behandelt und währenddessen seitens der Polizist_innen persönlich beleidigt und bedroht.

Dies zeigt, dass polizeiliche Übergriffe auf Linke nicht nur beim G20-Gipfel in Hamburg, sondern auch in den Monaten davor und danach im Wahlkampf traurige Regelmäßigkeit sind. Wir wünschen allen Betroffenen viel Kraft! In der Gesamtbetrachtung freut uns jedoch, dass Antifaschist_innen in Schleswig-Holstein der AfD sowohl im Landtagswahlkampf als auch im gerade endlich zu Ende gegangenen Bundestagswahlkampf erfolgreich entgegentreten konnten und sicherlich ihren Anteil an dem vergleichsweise schlechten Wahlergebnissen der AfD in Schleswig-Holstein verbuchen können.

Rote Hilfe OG Kiel [&] Autonome Antifa-Koordination Kiel, Oktober 2017

Hintergründe zum “Polizeiskandal” in Schleswig-Holstein

Quelle: quimera.noblogs.org

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Alexander Hardt (rechts) mit Lars Bergeest (links daneben) im dänischen Kolding

Seit einigen Monaten erschüttert der so genannte “Polizeiskandal” die Landespolitik in Schleswig-Holstein. Wir wollen mit diesem Artikel einige Hintergründe aus der Mischszene zwischen Rockern, Neonazis und Polizist_innen beleuchten. Einer Mischszene, in der Grenzen zwischen den Beteiligten fliessend und persönliche Intrigen, Machtstreben und menschenfeindliche Ideologien kaum noch voneinander zu trennen sind. So äußerlich unterschiedlich der spießige Polizeifunktionär, der zigfach vorbestrafte Neonazi und der Rockerboss wirken mögen: Wenn es ihnen nützt, sind unheilige Allianzen genauso recht wie Rechtsbrüche zur Durchsetzung der eigenen Dominanzansprüche billig. Und so erinnert die Situation frappierend an das staatlich geförderte und gedeckte Biotop, in dem der NSU sich Jahrzehnte lang ausbreiten konnte.

Im Mai deckten die Kieler Nachrichten, ein sonst nicht gerade für seine kritische Herangehensweise bekanntes Lokalblatt, einen vermeintlichen “Skandal” im LKA Schleswig-Holstein auf. Wobei das Wort “Skandal” zu unrecht suggeriert, dass es sich um einen besonders schlimmen Einzelfall handelt, was mit diesem Artikel widerlegt werden soll. Der Kreis der Beteiligten umfasst eine machtbessene Clique um den Landespolizeidirektor Ralf Höhs, seinen Vorgesetzten im Kieler Innenministerium Jörg Muhlack, den Chef des LKA Schleswig-Holstein Thorsten Kramer, Vize-Leiterin der Landespolizeischule (und Ehefrau von Kramer) Maren Freyher, sowie LKA-Vize Stephan Nietz und Chefermittler der SOKO Rocker Mathias Engelmann. Außerdem mit von der Partie: Rockerboss Ralf Bacher von den verbotenen “Bandidos Neumünster” sowie sein Vize, der langjährige Neonazifunktionär Peter Borchert. Wer an einer detaillierten Darstellung der Schmierenkomödie in scheinbar zahllosen Akten und mit offene Ende interessiert ist, dem sei die Lektüre der Lokalpresse empfohlen. Für alle anderen hier eine kurze Zusammenfassung der bisher öffentlichen Erkenntnisse: Am 13. Januar 2010 überfiel eine unbekannte Anzahl


Peter Borchert

“Bandidos” verfeindete “Red Devils” im Eingangsbereich des “Subway” in der Innenstadt von Neumünster. Mehrere “Red Devils” wurde u.a. durch Messerstiche schwer verletzt. Für den Angriff wurde der ehemalige NPD-Funktionär Peter Borchert zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. In dem Verbotsverfahren gegen die “Bandidos Neumünster” wurde der Angriff als wichtiges Argument für ein Vereinsverbot verwendet. Die Kieler Nachrichten haben nun recherchiert, dass Ralf Bacher ein Spitzel der Polizei war und somit besondere Privilegien besaß, insbesondere die Strafverfolgung betreffend. Außerdem sagte er aus, dass Peter Borchert nicht an dem Angriff auf die Red Devils beteiligt gewesen sei. Diese entlastende Aussage wollten zwei Ermittler der SOKO Rocker des LKA zu den Akten nehmen. Die Clique um Ralf Höhs verhinderte dies und mobbte die beiden Ermittler massiv. Die “Bandidos” wurden in Neumünster verboten und Peter Borchert öffentlichkeitswirksam verurteilt. Die Polizei hat vermeintliche Erfolge bei der Bekämpfung von Rockerstrukturen vorzuweisen. Vermutlich hätte beides mit der Aussage Bachers und dem Wissen, dass die “Bandidos Neumünster” staatlich gelenkt wurden, vor Gericht keinen Bestand gehabt. Im Nachgang der Veröffentlichungen der Kieler Nachrichten und anderer Medien taten die Beamten, was sie am besten können: Sie bliesen zum Angriff.

Vermeintlich kritische Polizist_innen wurden abgehört und observiert, da LKA-Funktionär Nietz praktischerweise auch Polizeigewerkschafter des BDK (Bund deutscher Kriminalbeamter) ist, leitete er eine Öffentlichkeitskampagne gegen Kritiker_innen ein, ein Emailkonto der Kieler Nachrichten wurde gehackt und das Auto eines KN-Redakteurs verwanzt. Dass ein großer Teil dieser Maßnahmen illegal ist, verwundert in dieser Gemengelage eigentlich niemanden mehr. Ebensowenig, dass Konsequenzen bisher ausgeblieben sind.

Was öffentlich bisher nicht bekannt ist: Der Polizei liegen noch andere Aussagen vor, die sich mit der Aussage von Bacher decken. Es wird sogar ein konkreter Tatverdächtiger benannt. Doch der Reihe nach: Zu einem bisher unbekannten Zeitpunkt, vermutlich so um die Jahre 2011 und 2012 kam es zum Zerwürfnis zwischen dem Wirt der Neonazikneipe “Titanic” in Neumünster, Horst Micheel, und den “Bandidos”. Genaue Gründe liegen bisher im Dunkeln. Möglicherweise hatte der Klinsch mit seinem Sohn Björn zu tun, der sich von den “Supportern” der “Bandidos”, den “Contras”, abgewandt hat. Vielleicht gab es finanzielle Streitigkeiten oder eine Kneipenschlägerei zuviel, wobei sich alle Beteiligten alkoholbedingt weder an Ursprung noch Verlauf der Auseinandersetzung erinnern können dürften. Jedenfalls hieß es, die “Bandidos” hätten ab jetzt Hausverbot in der “Titanic”. Uneins ist man sich, ob dieses Hausverbot von den “Bandidos” für ihre Mitglieder oder von den Micheels ausgesprochen wurde. So oder so: die Fronten sind verhärtet. Die Micheels haben bei diversen Gelegenheiten gegen die “Bandidos” ausgesagt, was für Alexander Hardt zu einer Haftstrafe führte , Im Gegenzug wird aus Kreisen der “Bandidos” die “Titanic” mit Vorwürfen überzogen. So heißt es, die “Titanic” habe die Neonaziszene um Geld betrogen, indem sie nach antifaschistischen Anschlägen von Rechten Geld gesammelt hat und gleichzeitig von der Versicherung die Schäden ebenfalls ersetzt bekam.

Im Herbst 2013 sah nun Horst Micheel eine neue Chance den “Bandidos” eins auszuwischen. Der frühere Borchert-Vertraute Dirk Zollondz wurde aus der Haft entlassen. Während der gemeinsamen Haft in der JVA Lübeck hatte sich das Verhältnis zwischen Borchert und Zollondz massiv verschlechtert. So berichten Quellen in der rechten Szene, dass Zollondz gegenüber den Behörden Angaben über Borchert gemacht habe. U.a. soll er regelmäßig die JVA über Vergehen von Borchert während der Haft informiert haben. In mindestens einem Fall wurden bei Borchert in der Folge verbotene Gegenstände in seiner Zelle aufgefunden. Borchert rächte sich, indem er die “Bandidos” in Neumünster anwies, die Sache mit Zollondz nach dessen Haftentlassung zu “klären”. Der Grund für das Zerwürfnis ist banal: Eifersucht. Beide beanspruchten die ehemalige “Aktionsgruppe Kiel”-Aktivistin Malena Gericke für sich (wie im übrigen auch die AG Kiel Führungsfigur Daniel Zöllner). Dass dabei Gerickes Meinung dazu höchstens am Rande interessierte, überrascht wenig.


Horst Micheel

Gerade aus der Haft entlassen, taucht Zollondz in der “Titanic” von Horst Micheel auf und berichtet von seinen Sorgen. Er hat den Plan, sowohl der Verfolgung durch Borchert zu entgehen, als auch Malena Gericke für sich zu gewinnen: Er hängt Borchert Straftaten an, damit dessen Haftstrafe verlängert wird und will die gewonnene Zeit nutzen, um mit Gericke nach Sylt zu fliehen. Dass Gericke ihn gerade wegen Stalking angezeigt hat und nichts mit ihm zu tun haben will, betrachtet Zollondz als die kleinste Hürde bei seiner ausgefeilten Strategie. Horst Micheel erkennt seine Chance, den “Bandidos” wieder mal eins auszuwischen, und bestellt befreundete Polizist_innen zu einem Hinterzimmergespräch mit Zollondz in die “Titanic”. Zollondz belastet Borchert bei dieser Gelegenheit mit allem, was ihm einfällt: Er berichtet über Drogenhandel und weitere Verbrechen. In einem aber bleiben Zollondz und Micheel bei allem Belastungseifer klar: Peter Borchert sei nicht der Täter der Messerstiche vor dem “Subway”. Björn Micheel sei ebenfalls vor Ort gewesen und die Messerstiche habe Alexander Hardt ausgeführt. Peter Borchert sei erst später hinzugekommen. Borchert habe aufgrund des Ehrenkodex der Rocker sich nicht selbst entlastet und die Haftstrafe für Hardt angetreten. Im Gegenzug sichert Hardt Borchert während der Haft finanziell ab.

Auch wenn bisher unbekannt ist, von welcher Dienststelle die Polizist_innen mit guten Kontakten zu der “Titanic” waren: Die SOKO Rocker wurde in die Vorgänge einbezogen. Erkennbar wird das u.a. daran, dass Beamte dieser SOKO anschliessend wegen dem angeblichen Drogenhandel im Umfeld von Borchert ermittelten.

Die Version, die Zollondz und Micheel der Polizei über die Messerstiche im Subway berichteten, ist in Neumünster ein offenes Geheimnis. Viele Rocker waren bei dem Angriff dabei und längst nicht alle haben “dichtgehalten”. Insgesamt ist die Geschichte plausibel. Im Nachgang der Tat trug Hardt einen “Expect no Mercy”-Patch auf seiner Kutte. Diesen Patch dürfen nur Mitglieder tragen, die für die “Bandidos” eine schwere Gewalttat begangen haben. Bei Hardt ist bislang keine derartige Tat bekannt. Was aber bekannt ist: Hardt kümmerte sich um Borcherts finanzielle Angelegenheiten während der Haft und auch auf dem Geschäft “PLS Werkzeuge” in Kiel stand anfangs Borcherts Name. Schon damals gab es Vermutungen, dass es als eine Art Absicherung für Borchert gedacht war .

Insgesamt scheint sich rund um die Neumünsteraner Neonazi- und Rockerszene ein Sumpf gebildet zu haben, in dem auch Polizist_innen fleissig mitmischen. Durch finanzielle und freundschaftliche Verbindungen zwischen Rockern und der Polizei werden bestimmte Ermittlungen vorangetrieben und andere unterschlagen. Für Machtspiele der auf ihre Karriere fixierten Beamten und der auf ihren Vorteil bedachten Rocker und Neonazis lässt sich die jeweils vermeintlich andere Seite willig einspannen. Und dabei brechen beide Seiten ihren vermeintlich unumstößlichen Kodex: Die Polizei pfeift auf den Rechtsstaat und die Verbrecher_innen arbeiten der Polizei zu.

Kein Wunder, dass Betroffene rechter Gewalt sich in vielen Fällen nicht an die Polizei wenden.


Daniel Zöllner und Malena Gericke

La Quimera – Antifascist Watch Group S-H, 29.9.2017