Kiel: Antifa-Kundgebung „Nazi sein heißt Probleme kriegen!“ Kleiner Kuhberg/Europaplatz

Datum/Zeit
06.11.14
16:00


NAZI SEIN HEIßT PROBLEME KRIEGEN!

Immer weiter gegen Nazi-Heilpraktiker Henning Pless – gemeinsam gegen staatliche Repression!

Das „Heilcentrum Pless“ …

Seit mehren Jahren existiert inmitten der Kieler Innenstadt eine renommierte Heilpraxis, die von einem langjährigen Vordenker der deutschen Neonazi-Szene betrieben wird. Das „Heilcentrum Pless“ am Kleinen Kuhberg 2-6 nahe des Europaplatzes galt lange Zeit als gute Adresse für sein Fachgebiet, ist politisch zunächst unscheinbar und nicht selten durch ganzseitige Anzeigen in den Kieler Nachrichten und anderen regionalen Medien präsent. Sein Betreiber Henning Pless gibt begehrte heilpraktische Lehrgänge.

… und die Nazi-Machenschaften vom unscheinbaren Henning.

Nach Ladenschluss seiner Heilpraxis – möglicherweise auch schon vorher – widmet sich Pless jedoch noch ganz anderen Aktivitäten. So betreibt er als Vorsitzender des „Schulvereins zur Förderung der Russlanddeutschen in Ostpreussen“ gemeinsam mit seinem engen Vertrauten Dietmar Munier – ebenfalls einflussreicher Neonazi, millionenschwerer rechter Verleger aus Martensrade bei Lütjenburg und Herausgeber der Nazi-Postille „Zuerst!“- praktischen Gebietsrevisionismus im russischen Örtchen Jasnaja Poljana. So träumt er auch 69 Jahre nach Ende des deutschen Vernichtungsfeldzuges in Osteuropa während des 2. Weltkriegs noch den alten nationalsozialistischen Traum vom „Lebensraum im Osten“. In dieser Funktion organisiert er darüber hinaus sogenannte Lesertreffen für Muniers Verlag, die zur Vernetzung unter der Prominenz des Neonazismus, der Neuen Rechten und des Konservativismus beitragen sollen. Dass Pless bereits Anfang der 1990er das Amt des 1. Bundesvorsitzenden der „Heimattreuen Jugend“ (HDJ) inne hatte, deren Nachfolgeorganisation mittlerweile wegen ihrer deutlichen Anlehnung an die historische „Hitlerjugend“ verboten worden ist, verdeutlicht, dass seine einflussreiche Position innerhalb des deutschen Neonazismus nicht vom Himmel gefallen ist, sondern eine lange Vorgeschichte hat. Henning Pless ist fest verankert im elitären Netzwerk einer sich intellektuell gebärenden völkischen Rechten in nationalsozialistischer Tradition und ist gerade deshalb eine besondere Gefahr, da er durch sein bürgerliches Auftreten auch über explizite Neonazi-Kreise hinaus über einflussreiche Kontakte verfügt, die selbst bis in den Bundestag reichen. Mit seiner erfolgreichen Heilpraxis braucht er sich um seine Existenz nicht zu sorgen, die Geschäfte halten dem Neonazi-Aktivisten Pless den Rücken frei. Die Praxis ist insofern auch der zentrale Hebel, mit dem seinen Machenschaften entgegengewirkt werden kann.

Antifa heißt Angriff!

Nachdem verschiedene Medien in den letzten Jahren immer wieder auf die politischen Hintergründe Pless“ aufmerksam gemacht hatten, ohne dass dies zu wahrnehmbaren Reaktionen führte, traten vor gut einem Jahr erstmalig antifaschistische Aktivist_innen im Umfeld der Praxis öffentlich in Erscheinung, um die lang bekannten tiefen Verstrickungen Pless“ in das neonazistische Milieu in seinem direkten Arbeitsumfeld, bei seinen Patient_innen und seinen Angestellten publik zu machen. Mit einer Kür zum „Neonazi des Monats“ samt Urkundenübergabe in seiner Praxis während einer antifaschistischen Fahrradtour im August 2013, mit spontanen Flashmobs davor, mit einer Tanz-Demo durch die Innenstadt im November 2013 sowie einer kleinen, aber wirksamen Kundgebungsoffensive im Juni 2014 schlossen sich Antifaschist_innen einem Aufruf der Kampagne „An die Substanz!“ zur Öffentlichmachung und Bekämpfung der rechten Geschäftswelt in Schleswig-Holstein an und rückten dem völkischen Heilpraktiker auf die Pelle. Nicht ohne Erfolg: Pless schied infolge der Öffentlichkeitsarbeit aus parallelen Geschäftskooperationen aus, mehrmals musste er seine Praxis vorzeitig schließen, eine Veranstaltung in ihren Räumen fiel ins Wasser, zahlreiche Passant_innen zeigten sich schockiert über die Anwesenheit eines einflussreichen Neonazis in der Kieler City, Patient_innen kehrten Pless den Rücken und unter schleswig-holsteinischen Heilpraktiker_innen sorgten die Informationen für reichlich Wirbel.

Die Freund_innen und Helfer_innen des Henning

Pless Henning Pless dagegen war wenig erfreut über das zunehmende Interesse an seinen politischen Vorlieben. So setzte er von Beginn an der antifaschistischen Präsenz vor seiner Ladentür auf die Unterstützung durch die staatlichen Repressionsorgane, um einen weiteren Imageschaden von seiner Heilpraxis abzuwenden. Bei der Kieler Polizei fand er dabei willige Helfer_innen: Teilnehmer_innen der besagten antifaschistische Fahrradtour wurden fernab des „Tatorts“ auf einem Friedhof (!) eingekesselt und abfotografiert, gegen einen Demoanmelder wurde mit absurder Begründung wegen Verstoßes gegen das Presserecht ermittelt, die Polizei versuchte, das Malen mit Kreide auf den Asphalt zu einer Sachbeschädigung zu verdrehen und ein Kundgebungsredner erhielt einen Platzverweis, weil sich Pless von ihm beleidigt gefühlt haben will. Teilweise stand dieser in direktem Telefonkontakt mit den Beamt_innen auf der Straße und dirigierte deren Vorgehen gegen die Antifaschist_innen von dem Fenster seiner Praxis aus. Aber auch in den polizeilichen und staatsanwaltlichen Amtsstuben rauchten die Köpfe, wie das Ansehen des ordentlichen, wenn auch kackbraunen Bürgers vor weiteren antifaschistischen Nadelstichen beschützt werden könne. Dass das seriöse Auftreten Pless“, wenn nicht gar seine weitverzweigten Kontakte, bei dem staatlichen Verfolgungseifer eine entscheidende Rolle gespielt haben dürften, ist naheliegend. Konsequenz waren verschiedene Vorladungen und Strafbefehle gegen Antifaschist_innen: Zur Zeit laufen zwei Ermittlungsverfahren wegen „Hausfriedensbruch“ und eines wegen Beleidigung.

Die beiden in ersterer Angelegenheit betroffenen Genoss_innen sahen sich zudem etwa ein Jahr lang mit einer drohenden Zwangsvorführung zur „Erkennungsdienstlichen Behandlung“ konfrontiert. Zwischenzeitlich wurde die Maßnahme auf juristischen Druck hin zwar für rechtswidrig erklärt und ausgesetzt, was jedoch in zweiter Instanz wieder rückgängig gemacht wurde. Vor wenigen Wochen wurden die beiden am 4.10.2014 schließlich tatsächlich im Anschluss an eine Demonstration in Solidarität mit der kurdischen Stadt Kobanê aus einer Pizzeria heraus von bewaffneten Polizist_innen gekidnappt und zur Entwendung von Fingerabdrücken und einer unfreiwilligen Fotosession auf die Wache des Staatsschutzes in der Hopfenstraße verschleppt. Erfreulich an der ansonsten alles andere als schönen Angelegenheit ist jedoch trotz alledem nicht nur, dass sich spontan rund 30 solidarische Antifaschist_innen vor der Wache versammelten, sondern vor allem, dass es den beiden betroffenen Genoss_innen immerhin ein Jahr gelungen ist, das Verfahren zu verzögern, indem sie sich vorbildhaft geweigert haben, beim Repressionstheater mitzuspielen und den Vorladungen ganz einfach keine Folge leisteten.

Staat und Nazis Hand in Hand: Repression gegen Antifaschist_innen

Die Repressionsfälle gegen Antifaschist_innen, die sich derzeit um das „Heilcentrum Pless“ abspielen, sind jedoch nicht die einzigen gegenwärtig laufenden Angriffe der Ermittlungsbehörden auf Antifa-Strukturen. Die – in ihrer Konsequenz blutige – bundesdeutsche Logik will uns nämlich weis machen, dass Neonazis nicht wegen ihrer rassistischen, nationalistischen und antisemitischen Programmatik ein Problem darstellen, sondern eben nur dann stören, wenn ihr Auftreten mit kapitalistischen Standortinteressen und Machtansprüchen kollidiert. Also in etwa dann, wenn Negativ-Schlagzeilen über Nazi-Umtriebe in Deutschland Investor_innen verschrecken oder das BRD-Image der vom NS geläuterten Nation beschädigen könnten, mit dem heutzutage die deutsche Vormachtstellung in Europa genauso wie kriegerische Auslandseinsätze legitimiert werden. Dagegen sehen sich momentan mal wieder jene stellvertretend im Fadenkreuz der Repression, die auf Grundlage von Lappalien ihren Kopf dafür hinhalten sollen, dass die Existenz von Neonazis und anderem rechten Pack in Schleswig-Holstein in den letzten Jahren immer wieder ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt und auch offen bekämpft wurde. Zur Zeit laufen Ermittlungsverfahren gegen eine Genossin aus Kiel wegen einer spontanen antifaschistischen Kundgebung in Nessendorf, die ebenfalls im Rahmen von „An die Substanz!“ stattfand, ein weiterer Kieler Genosse wird der Körperverletzung und Sachbeschädigung bei einem Propagandastand der nationalkonservativen und rechtspopulistischen „Alternative für Deutschland“ (AfD) bezichtigt und in Lübeck laufen diverse Ermittlungsverfahren gegen Antifaschist_innen, in deren Zusammenhang im laufenden Jahr außerdem Hausdurchsuchungen stattfanden. Betroffen hiervon war u.a. auch das linke Kultur- und Politikzentrum „Alternative“. Bundesweit sieht er derweil nicht besser aus: In Berlin ist der Genosse Adel gerade nur haarscharf einer mehrjährigen Haftstrafe für sein antifaschistisches Engagement entgangen entgangen, während sich in Dortmund ein minderjähriger Genosse einem Ermittlungsverfahren mit Mordvorwurf ausgesetzt sieht, weil er ein Soziales Zentrum gegen massive Angriffe von Neonazis verteidigt haben soll.

Dabei steht für uns weiterhin fest: Nicht das bürgerliche Gesetzbuch und auch nicht die Willkür der Repressionsorgane sind Maßstab unseres Handelns, sondern unsere politische Überzeugung, diese Welt zu einem menschenwürdigeren Ort machen zu wollen. Dies impliziert unsere unversöhnliche Feindschaft gegen alle, die programmatisch und organisiert völkische Hirngespinste verbreiten, dem Nationalsozialismus hinterher trauern, rassistisch hetzen, deutsche Großmachtphantasien hegen, Migrant_innen terrorisieren, jüdische Friedhöfe schänden oder anderweitig irrational Menschen hassen. Sei es als StraßenschlägerInnen oder als StichwortgeberInnen aus dem braunen Salon.

Um es deutlich zu sagen: Rassistische Mörderbanden wie der „NSU“, der 13 Jahre lang vom deutschen Staat ungestört existieren und Menschen exekutieren konnte, existieren nicht als personelle Einzelfälle, sondern entstehen und überleben in gewachsenen neonazistischen Strukturen. Deren ProtagonistInnen zur Rechenschaft zu ziehen und ihre Infrastruktur zu zerlegen, sehen wir als das Mindeste an, was wir ihren hunderten Opfern schuldig sind. Allen, die sich dies von den staatlichen Behörden vorwerfen lassen müssen, gilt daher unsere unbedingte Solidarität.

Solidarität mit allen kriminalisierten Antifaschist_innen – für die sofortige Einstellung aller Ermittlungsverfahren!

An die Substanz: Rechte Infrastruktur aufdecken – Nazis in die Pleite treiben!

Für mehr freie Behandlungstermine im „Heilcentrum Pless“!

ANTIFASCHISTISCHE KUNDGEBUNG

Donnerstag, 6.11.2014 | 16 Uhr Kleiner Kuhberg/Europaplatz | Kiel

WEITERE INFOS:

www.antifa-kiel.org | andiesubstanz.noblogs.org