Antifa-Demo „Rassistische Deportationsstrategen zur Rechenschaft ziehen: Nazi-Heilpraktiker Pless aus der Deckung holen!“

Datum/Zeit
19.01.24
17:00

Veranstaltungsort
Bootshafen


NAZI-HEILPRAKTIKER PLESS AUS DER DECKUNG HOLEN!

Rassistische Deportationsstrateg*innen zur Rechenschaft ziehen:
Faschist*innen und Abschieberegierungen bekämpfen!

Nicht auf diesen Staat vertrauen – antifaschistischen Widerstand organisieren!

Demonstration | Freitag, 19.01.2024 | 17 Uhr | Bootshafen (Holstenbrücke) | Kiel

Ermittlungsausschuss (EA)0431/530 34 35

Hintergründe zu Henning Pless: An die Substanz | antifa-kiel.org | La Quimera

Presse: KN (1) (18.1.) | KN (2) (18.1.) | NDR (18.1.) | taz (18.1.)

Vor einer Woche veröffentlichte das Recherche-Portal Correctiv die Teilnehmer*innen und Inhalte einer nicht-öffentlichen Diskussionsrunde einflussreicher Vertreter*innen der elitären Rechten, die im November im Landhaus Adlon in Potsdam stattgefunden hat. Die ans Licht gebrachten Details sorgen seitdem bundesweit für Empörung und Widerspruch: Führungspersonal der AfD traf hier auf den rechten Rand der CDU und „Werteunion“, Adlige wie Alexander von Bismarck und finanzstarke Vertreter des deutschen „Mittelstandes“, um hinter verschlossenen Türen u.a. dem Chefstrategen der deutschsprachigen „Identitäten Bewegung“ (IB), Martin Sellner, zu lauschen. Dieser referierte vor der aufgeschlossenen Zuhörer*innenschaft seinen ganz konkreten „Masterplan“, um beim zukünftigen Machtantritt einer rechten Regierung unter Führung der AfD im großen Stil ein nach völkisch-rassistischen Maßstäben homogenes Deutschland herzustellen. Brutaler Kern dieser Überlegungen ist es, Millionen Menschen mit Migrationsgeschichte, aber auch alle anderen, die ihnen als „undeutsch“ gelten, zu vertreiben und zu deportieren. Ohne Übertreibung werden hierin offenkundige Parallelen zur rassistischen NS-Bevölkerungspolitik deutlich. Organisiert wurde die prominent gewordene Ausgabe der regelmäßig stattfindenden „Düsseldorfer Runde“ von dem extrem rechten Netzwerker Gernot Mörig. Im Hintergrund agierte zudem der Unternehmer Hans-Christian Limmer, bis vor Kurzem u.a. Mitgesellschafter der Burgerkette „Hans im Glück“. Die beträchtlichen Gelder, die auf dem Treffen gesammelt wurden, sind in IB-Strukturen geflossen.

All diese Zusammenhänge, die den alarmierenden Status Quo des rechten Spektrums, seines Selbstbewusstseins, seiner Programmatik und seiner Unterstützer*innen erschreckend treffend einer breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht haben, erfahren derzeit eine erfreuliche mediale Aufmerksamkeit und treiben bundesweit Zigtausende gegen die perfiden Deportationsphantasien auf die Straße. Auch in Kiel demonstrierten am Sonntag beeindruckende 8000 Menschen spontan gegen AfD, „Werteunion“ und Faschismus. Die führenden Protagonist*innen des Treffens werden derzeit ausführlich beleuchtet, einige mussten bereits zumindest kurzfristige Konsequenzen aus dem Outing ziehen.

Was bei der großen Aufmerksamkeit bisher jedoch eher ein Randaspekt geblieben ist, ist die Tatsache, dass einer der gerade einmal 22 Teilnehmer*innen ein in Kiel wirkender renommierter Heilpraktiker ist: Henning Pless, Betreiber einer Praxis in der Ringstraße 54. Auch wenn Pless penibel darauf bedacht ist, seine politischen Hintergründe zu verschleiern, kann er auf eine lange Biographie in der extremen Rechten zurückblicken und gerät nicht zum ersten Mal in den Fokus von Antifaschist*innen. Höchste Zeit also, dass sein Background wieder zu der Aufmerksamkeit zurück findet, die ein Teilnehmer der Postdamer Faschist*innentagung verdient.

Der Darmexperte aus der „Heimattreuen Jugend“: Das Doppelleben des Henning Pless

Dass Henning Pless, Jahrgang 1967 und wohnhaft im Kreis Plön, in der völkischen Rechten aktiv und gut vernetzt ist, ist keine Neuigkeit. Er entstammt dem Sumpf der völkisch-neonazistischen Jugendbünde und war nach ihrer Gründung im Jahr 1990 Bundesvorsitzender der „Heimattreuen Jugend“ (HJ). Diese nannte sich später in „Heimattreue Deutsche Jugend“ (HDJ) um und wurde schließlich 2009 als Nachfolgeorganistation der offen an der Hitlerjugend orientierten „Wiking Jugend“ verboten. Auch Gernot Mörig entstammt den Vorgängerstrukturen der HJ und war schon in den 1970ern am Aufbau von Dietmar Muniers rechten Verlagsimperium „Lesen und Schenken“ beteiligt. Dieses hat seinen Sitz in Martensrade (Kreis Plön). Munier ist ebenfalls ein Zögling und Funktionär der „heimattreuen“ Jugenden und wiederum enger Vertrauter von Pless. Zusammen bauten sie den geschichts- und gebietsrevisionistischen “Schulverein zur Förderung der Rußlanddeutschen in Ostpreußen e.V.” auf. Das zentrale Projekt dieses Vereins ist die “Wiederansiedlung von Deutschen” in dem russischen Dorf Jasnaja Poljana. Henning Pless war in diesem Zusammenhang auch für die Ausrichtung der “ZUERST! Lesertreffen” verantwortlich, die in Ziel- und Zusammensetzung dem Konzept der „Düsseldorfer Runde“ als rechter Think Tank nahezu identisch waren. Mit seinem Auffliegen als Teilnehmer von Potsdam schließt sich insofern nur ein Kreis, der auf eine Jahrzehnte lange Geschichte zurückweist.

Schon vor zehn Jahren machten Antifaschist*innen Pless‘ stets im Verborgenen gehaltene Aktivitäten im Rahmen einer Kampagne öffentlich und rückten insbesondere seinem damaligen „Heilcentrum Pless“ am Europaplatz auf die Pelle. Die antifaschistische Öffentlichkeitsarbeit schlug durchaus Wellen, auch bei dem esoterisch geprägten Kund*innen seiner Heilangebote und Ernährungstipps. Pless reagierte entsprechend allergisch auf die Kundgebungen und Aktionen vor der Praxis, hetzte die Polizei auf Demonstrant*innen und ging mit Anzeigen gegen Aktivist*innen vor. Nichtsdestotrotz waren seine neonazistischen Machenschaften zu dieser Zeit zumindest einer kritischen Öffentlichkeit bekannt. In den folgenden Jahren wurde es wieder ruhiger um Pless, auch, weil er sich noch bedeckter hielt als zuvor. Mittlerweile ist seine Praxis in die Ringstraße umgezogen und kann als renommiert unter esoterischen Heilpraktiker*innen angesehen werden. In den sozialen Netzwerken tritt Pless darüber hinaus als „Darmexperte“ durchaus erfolgreich als Influencer für Ernährungsberatung in Erscheinung. Auch abseits der völkischen Rechten pflegt Pless schon immer gute Kontakte: So war er noch 2020 Teilnehmer eines Charity Events von Holstein Kiel, obwohl Pless‘ rechte Biographie schon damals gut dokumentiert nachprüfbar gewesen ist.

Damit muss Schluss sein! Es ist mittlerweile mehrfach nachgewiesen: Henning Pless ist ein Nazischwein durch und durch, nicht anders sollte er bewertet und behandelt werden.

Den Rechtsruck aufhalten heißt: Kampf den Faschist*innen – Kampf diesem Staat!

Es liegt an uns, Henning Pless aus der Unscheinbarkeit hervor zu zerren und ihn Konsequenzen für seine langjährigen Neonazi-Aktivitäten spüren zu lassen. Es liegt an uns, die Hinterleute des Rechtsrucks zu benennen und den Preis für dessen materielle Unterstützung in die Höhe zu treiben. Es ist kein Zufall, dass die Geldgeber*innen auch im Fall von Potsdam ganz bestimmten Fraktionen des deutschen Kapitals entspringen, die von Beginn an die AfD als ihre Interessenvertretung gezielt aufgebaut haben. Und auch wenn sich die übrigen Betreiber von „Hans im Glück“ nun reflexartig von ihrem ausgeschiedenen Partner Limmer getrennt haben und um Distanz bemüht sind, werden wir nicht vergessen, dass in ihren hippen Burgerläden die Kohle erwirtschaftet wurde, die in den Taschen des Faschisten Martin Sellner landeten. Es liegt an uns, weiter gegen die AfD vorzugehen und gerade dort, wo sie sich noch kein stabiles Fundament aufbauen konnte, dafür zu sorgen, dass dies noch möglichst lange so bleibt. Das gilt im bevorstehenden Europawahlkampf genauso, wie immer und überall, wo sie versucht, Fuß zu fassen und den gesellschaftlichen Rechtsruck aktiv voran zu treiben.

Potsdam hat abermals auch gezeigt, dass die faschistischen Netzwerke bis weit in diesen Staat hinein reichen. Zur Erinnerung: Hans-Georg Maaßen, der Vorsitzende der „Werteunion“, die auf der Zusammenkunft in Potsdam die CDU repräsentierte, war noch bis vor fünf Jahren nicht weniger als Chef des deutschen Inlandsgeheimdienst „Verfassungsschutz“. Und so wichtig und überfällig die derzeitige Empörung über die öffentlichkeitswirksame Enthüllung des Wesens von Faschist*innen ist, gibt es genügend Gründe, den Protagonist*innen der bürgerlichen Mitte, die sich nun gekonnt in Szene setzen, zu misstrauen. Denn wer hat denn vor nicht einmal einem Monat im Rahmen des GEAS-Abkommen beschlossen, an den europäischen Außengrenzen ein Lagersystem zu errichten, das nach Schutz und Perspektive suchende Menschen durch Internierung von der Flucht nach Europa abhalten soll? Wer baut und betreibt menschenunwürdige Abschiebeknäste auch in diesem Bundesland und rechtfertigt die polizeiliche Stürmung sogar von Kirchenasylen? Für diese Form des europäischen Deportations- und Abschottungsregimes braucht es keine Faschist*innen an der Macht. Das wird von den Parteien der Mitte, allen voran den nun Krokodilstränen heulenden Ampelparteien aus SPD, FDP und Grünen, ganz allein erledigt. All das, was heute ganz konkrete Regierungspolitik gegen Geflüchtete und Migrant*innen ist, hätte noch vor wenigen Jahren auch ein skandalöser Inhalt auf einem aufgeflogenen Nazi-Meeting sein können. Was es also bedeuten würde, wenn die rasante Rechtsentwicklung in diesem Tempo weitergeht, kann sich jede*r selbst ausmalen – ob mit oder ohne AfD an der Macht.

Bei all dem wissen wir: Der Rechtsruck, die AfD und die autoritäre, repressive und militärische Formierung des bürgerlichen Staats in der BRD sind Ausdruck und Folge einer fundamentalen Krise des kapitalistischen Systems und der westlichen Vormachtstellung im globalen Herrschaftssystem. Diese Krise lässt sich nicht mehr lösen, sondern nur noch mit immer undemokratischeren Mitteln verwalten. Als antifaschistische Linke müssen wir deshalb nicht nur auf allen Ebenen gegen die Akteur*innen des Rechtsrucks vorgehen, so lange es noch geht, sondern vor allem auch eine Perspektive bieten, den Krisenkapitalismus mit all seinen Verwerfungen hinter uns zu lassen. Unser Ziel bleibt der Aufbau einer Gesellschaft, in der der kapitalistische Konkurrenzkampf sich nicht wieder in Deportationsplänen brutalisiert, sondern alle Menschen sich unterschiedlos entscheiden können, auf welchem Flecken Erde sie ein Leben in Würde, Freiheit und Sicherheit führen wollen.

Nutzen wir den aktuellen Aufschrei, um uns als schlagkräftige antifaschistische Bewegung zu organisieren. Gegen die Nazis aus der Nachbarschaft und diejenigen, die ihnen immer wieder aufs Neue den Weg bereiten.

Den Rechtsruck beim Namen nennen – keine Ruhe mehr für Heilpraktiker Pless!

Nicht auf diesen Staat vertrauen – antifaschistischen Widerstand organisieren!