Kieler Politikwissenschaft-Professor fühlt sich von Zivilklausel-Forderung an antisemitische Ausgrenzung und Verfolgung im NS erinnert

Von www.german-foreign-policy.com.
Das Denken von morgen

KIEL/BERLIN – Der Direktor des Instituts für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel sieht Parallelen zwischen Aktivitäten der Friedensbewegung und antisemitischen Maßnahmen des NS-Regimes. Dies geht aus einem Dokument hervor, das bis heute unwidersprochen auf einer unabhängigen Internetplattform abgerufen werden kann. Dabei handelt es sich dem Vernehmen nach um die ursprüngliche Fassung eines von Institutsleiter Joachim Krause verfassten offenen Briefes, der sich gegen die Selbstverpflichtung von Hochschulen auf friedliche und zivile Zwecke wendet. Laut Krause erinnert eine solche „Zivilklausel“, die die akademische Zusammenarbeit mit Militär und Rüstungsindustrie kategorisch ausschließt, „fatal an Zeiten, in denen Universitäten in Deutschland nicht mit Menschen oder Institutionen kooperieren durften, weil diese jüdisch waren“. Das Kieler Institut ist sowohl inhaltlich als auch personell eng mit der Bundeswehr verknüpft; unter anderem waren die bei ihm beschäftigten Wissenschaftler an der Erstellung eines „Leitfadens“ der Truppe zur Aufstandsbekämpfung in den Ländern des globalen Südens beteiligt.

Ein Brandbrief
Unter dem Titel „Zivilklausel – Nein Danke!“ hat der Direktor des Instituts für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel (ISPK), Joachim Krause, unlängst einen offenen Brief publiziert. Darin wendet er sich in scharfer Form gegen die mittlerweile von etlichen deutschen Hochschulen eingegangene Selbstverpflichtung auf ausschließlich friedliche und zivile Zwecke. Laut Krause ist eine solche „Zivilklausel“ nichts anderes als eine „politische Mogelpackung“, die das Bekenntnis zum Frieden lediglich vorschiebt, um „wissenschaftliche Kontakte mit der Bundeswehr oder der wehrtechnischen Industrie zu diskreditieren und zu unterbinden“. Letztlich gehe es den meist „linksextremen“ Befürwortern von „Zivilklauseln“ darum, „politisch motivierte Einschränkungen der Freiheit von Forschung und Lehre“ zu erreichen, schreibt Krause. Wie der Wissenschaftler weiter ausführt, schreckten die besagten „linksextremen Gruppen“ dabei nicht einmal vor „Gesinnungsschnüffelei“, der „gewaltsame(n) Störung von Seminaren“oder dem „Mobbing von Dozentinnen und Dozenten“ zurück: „Das ist für eine freie Universität in einer demokratischen Gesellschaft völlig inakzeptabel.“[1]

Nazi-Praktiken
In der ursprünglichen Fassung seines Briefes, die bis heute unwidersprochen auf einer unabhängigen Internetplattform abgerufen werden kann, stellt Krause schließlich sogar eine Analogie zwischen den Aktivitäten der Zivilklausel-Anhänger und antisemitischen Maßnahmen des NS-Regimes her: „Keiner wird gezwungen, für das Verteidigungsministerium oder die wehrtechnische Industrie Projekte durchzuführen, aber es kann nicht sein, dass Wissenschaftler an deutschen Universitäten daran gehindert werden, mit einem Verfassungsorgan des Bundes oder mit Firmen zu kooperieren, die teilweise in der Wehrtechnik tätig sind (reine Rüstungsunternehmen gibt es ja kaum noch). Diese Art von Kooperations- und Kontaktverboten (mit dem Ziel der gesellschaftlichen Ausgrenzung bestimmter Institutionen und Personen) erinnert fatal an Zeiten, in denen Universitäten in Deutschland nicht mit Menschen oder Institutionen kooperieren durften, weil diese jüdisch waren.“[2]

„Enthauptungsschläge“ gegen Aufständische

Krauses Empörung kommt nicht von ungefähr: Sein Institut ist sowohl inhaltlich wie personell eng mit dem Bundesverteidigungsministerium und den deutschen Streitkräften verknüpft. So war das ISPK nach eigenem Bekunden an der Erarbeitung eines „Leitfadens“ der Truppe für die Aufstandsbekämpfung („Counterinsurgency“) in den Ländern des globalen Südens beteiligt.[3] Im Auftrag des Verteidigungsministeriums entwickelte es darüber hinaus Strategien für den Krieg gegen Widerstandsbewegungen in Afghanistan; empfohlen wurde unter anderem deren „Enthauptung“ durch die „Ausschaltung von bedeutenden Führern“ (german-foreign-policy.com berichtete [4]). Eine entsprechende Studie des ISPK entstand in enger Zusammenarbeit mit dem Center for a New American Security (CNAS), einem einflussreichen Washingtoner Think-Tank, der sich insbesondere aus hochrangigen aktiven und ehemaligen Ministerialbeamten und Militärs zusammensetzt. Anfang dieses Jahres veranstaltete das ISPK zudem eine hochkarätig besetzte Konferenz, bei der die gegen afghanische Rebellen gerichteten Counterinsurgency-Maßnahmen Deutschlands und Dänemarks verglichen wurden. Besonderes Lob erhielten bei dieser Gelegenheit die Bemühungen der dänischen Führung, die „Heimatfront“ für den Krieg am Hindukusch zu begeistern: Auf der Basis eines breiten „Elitenkonsenses“ sei es gelungen, sowohl den Zweck der „Mission“ wie deren „Erfolge“ überzeugend „zu verkaufen“, hieß es.[5] Bei der Tagung waren neben mehreren Institutionen des dänischen Militärs auch die Führungsakademie der Bundeswehr und das Bundesverteidigungsministerium vertreten.

Der Bundeswehr verbunden
Umgekehrt sind die deutschen Streitkräfte ihrerseits an der Spitze des ISPK präsent. Der Direktor Krause zur Seite stehende Geschäftsführer Stefan Hansen bekleidet den Rang eines Korvettenkapitäns der Reserve und war nach eigenem Bekunden in den vergangenen Jahren „regelmäßig“ für die Bundeswehr tätig – unter anderem als Verbindungsoffizier für NATO-Verbände und als mit der Führung militärischer Operationen betrauter Stabsoffizier (S3) des Marinestützpunktkommandos Kiel.[6] Wie sein Kollege Krause hat sich auch Hansen erst unlängst in scharfer Form gegen die Implementierung von „Zivilklauseln“ an deutschen Universitäten ausgesprochen [7]; die im Auftrag des Bundesverteidigungsministeriums vom ISPK erarbeitete Studie über Counterinsurgency-Maßnahmen in Afghanistan ist nicht zuletzt seinem Einsatz zu verdanken. Gemeinsam mit Studierenden, Doktoranden und Universitätsbeschäftigten besucht Hansen zudem regelmäßig die auf dem Marinestützpunkt Kiel stationierten Einheiten, vorzüglich im Rahmen des von der NATO seit 1971 alljährlich veranstalteten Ostseemanövers „Baltic Operations“ (BALTOPS). Beste Beziehungen pflegt Hansen offenbar auch zum Bundesverband Sicherheitspolitik an Hochschulen (BSH), der akademischen Organisation des Reservistenverbandes. Ende 2010 nahm er zusammen mit dem Autor der Counterinsurgeny-Studie des ISPK, Robin Schroeder, an der Bundesversammlung des BSH teil, bei der der Verband Zuwachs durch eine neu gegründete Kieler Hochschulgruppe (HSG) erhielt. Wie das ISPK erklärt, unterstützten die Institutsmitarbeiter „gern die HSG mit ihrer Expertise“, um den „sicherheitspolitischen Diskurs“ an der Universität zu fördern.[8]
Zurückhaltung: „Lähmend“
Die Affinität des ISPK zum Militär schlägt sich nicht zuletzt in den Publikationen des Instituts und seiner Mitarbeiter nieder. So forderte etwa Institutsdirektor Krause, in Bezug auf den Iran endlich mit der „unseligen Rhetorik“ Schluss zu machen, „wonach militärische Optionen grundsätzlich auszuschließen sind“ (german-foreign-policy.com berichtete [9]). Erst unlängst bezeichnete der Wissenschaftler die weit verbreitete Ablehnung deutscher Waffenexporte als Ausdruck eines „Vulgärpazifismus“, der einem „Denken von vorgestern“ geschuldet sei, „welches immer noch den Ersten Weltkrieg zu verhindern sucht, aber für die heutigen Verhältnisse völlig ungeeignet ist“.[10] Entsprechend argumentiert der ISPK-Mitarbeiter Florian Stöhr. Seiner Auffassung nach führt die in der deutschen Gesellschaft anzutreffende „Kultur der Zurückhaltung“ gegenüber militärischer Gewalt zu einer „lähmende(n) Selbstbeschränkung und Zaghaftigkeit“, die „international nur noch auf wenig Verständnis stößt“ und „wie ein Relikt der Vergangenheit“ wirkt.[11] „Zurückhaltung“ in Sachen Krieg galt in der Bundesrepublik tatsächlich bis 1990 als eine Lehre aus den Aggressionen NS-Deutschlands, die dem ISPK zufolge jedoch heute nicht mehr berücksichtigt werden soll – was Institutsdirektor Krause indes nicht daran hindert, Kriegsgegner durch NS-Bezüge zu diskreditieren.

[1] Joachim Krause: Zivilklausel – Nein Danke! Warum ich gegen „Zivilklauseln“ an deutschen Universitäten bin; www.ispk.uni-kiel.de
[2] Joachim Krause: „Zivilklausel – Nein Danke!“ Warum ich gegen Zivilklauseln an deutschen Universitäten bin; linksunten.indymedia.org/node/90126
[3] Christian Patz: Counterinsurgency and State-building in Afghanistan: Danish and German Lessons Learned. Conference Report. Kiel 2013
[4] s. dazu Im Keim ersticken (I) und Im Keim ersticken (II)
[5] Christian Patz: Counterinsurgency and State-building in Afghanistan: Danish and German Lessons Learned. Conference Report. Kiel 2013
[6] Stefan Hansen, M.A.; www.ispk.uni-kiel.de
[7] Sebastian Bruns/Curti Covi/Stefan Hansen/Jannis Jost/Christian Patz/Jonas Schneider/Robin Schroeder/Florian Wätzel: Gegen Zivilklauseln und für mehr Vertrauen in die Unabhängigkeit der Wissenschaft; atlantische-initiative.org 18.07.2013
[8] Sonstige Veranstaltungen; www.ispk.uni-kiel.de
[9] s. dazu Ende im Gemetzel
[10] Joachim Krause: Gibt es eine Merkel-Doktrin? Nein. Nur eine etwas überhitzte Rüstungsdiskussion in Deutschland. Internationale Politik, Januar/Februar 2013
[11] Florian Stöhr: Sicherheitspolitische Kultur in Deutschland. Politik und Gesellschaft im Widerstreit? Kieler Analysen zur Sicherheitspolitik 31. Kiel 2012


Mehr zum Thema:
Bericht auf linksunten.indymedia.org | Hintergrundinfos auf asta.uni-kiel.de

HH: Am Freitag Prozess gegen Kieler Genossen

Am 2. Juni 2012 wurde in Hamburg-Wandsbek ein Neonaziaufmarsch unter dem Motto „Tag der deutschen Zukunft“ von viereinhalbtausend Polizist_innen trotz eines vehementen Widerstandes von bis zu 10.000 Antifaschist_innen durchgesetzt. Blockaden der Aufmarschroute der Neonazis von mehreren tausend antifaschistischen Aktivist_innen, zu welchen das Hamburger Bündnis gegen Rechts (HbgR) sowie das autonome-antifaschistische Bündnis “Keine Zukunft für Nazis” aufgerufen hatten, wurden von der Polizei mit all ihr zur Verfügung stehenden Mitteln angegriffen um dem rechten Auflauf eine möglichst störungsfreie Demonstration zu ermöglichen. Über sechshundert Antifaschist_innen wurden zu diesem Zwecke über mehrere Stunden in einem Polizeikessel ohne Zugang zu medizinischer Versorgung, Wasser oder Toiletten festgehalten. Im gesamten Tagesverlauf verletze die Polizei zielgerichtet zahlreiche Demonstrant_innen. Das Versammlungsrecht für Antifaschist_innen wurde am 2. Juni faktisch polizeilich unterbunden – hingegen der Neonaziaufmarsch mit aller Gewalt durchgeprügelt.

Knapp ein Jahr nach den Ereignissen des 2. Juni 2012 erhielt ein Kieler Antifaschist von der Hamburger Staatsanwaltschaft einen Strafbefehl. Er soll am frühen Abend des 2. Juni am Hamburger Hauptbahnhof einen Polizeibeamten attackiert und leicht verletzt haben. Anders als in dieser auf der Darstellung der beteiligten Polizisten beruhenden Behauptung, war es der nun Angeklagte, der bei diesem Ereignis von Bundespolizisten niedergeschlagen sowie verletzt und anschließend festgenommen wurde.
Der Angeklagte wird den Stafbefehl nicht akzeptieren, nicht einfach zahlen. Es wurde Widerspruch gegen den Strafbefehl eingelegt, am Freitag den 26.07.13 um 9.00 Uhr findet die Hauptverhandlung am Hamburger Amtsgericht St. Georg statt. Anlässlich dieser kündigen antifaschistische und Antirepressions-Gruppen einen Solidaritätsspaziergang zum Gericht an, der um 8 Uhr auf dem Hachmannplatz am Hamburger Hauptbahnhof beginnen wird und rufen zur kritischen Begleitung des Prozesses auf.
Die Intention hinter der Führung des Prozesses ist es, nach Ereignissen wie dem Polizeieinsatz am 2. Juni 2012 in Hamburg populistische Auswürfe wie z.B. die der DpolG (Deutschen Polizeigewerkschaft) Hamburg, die noch am selben Tag in einer Pressemitteilung für drastische Strafen durch die Justiz plädiert und keinen Kuschelkurs mit Antifaschisten einforderte, nachdem sie vorher von einem von randalierenden Antifaschisten verwüstetem, gar in Schutt und Asche gelegtem Standteil Wandsbek halluziniert und dem besonnenen [!] Einschreiten der Polizei dankt, nicht unwidersprochen im Raum stehen zu lassen.
Die Entscheidung, den Strafbefehl nicht zu akzeptieren bedeutet in erster Linie, den entsprechenden Instanzen, also der Gerichtsbarkeit, etwas mehr Mühe abzuverlangen, wenn sie Antifaschist_innen verurteilen möchten, und sich in einer Hauptverhandlung als politische Justiz zu positionieren. Gleichwohl ist diesem Entschluss übergeordnet der Wille, den Kampf um die Deutungshoheit der Geschehnisse am 2. Juni 2012 in Hamburg zu führen.

810 Kieler/innen wählen NPD-Gutsche erneut ins Rathaus

Kommunalwahlen S-H 2013: Sitze für Neo-Faschisten in Kiel, Neumünster, Geesthacht und Lauenburg

Bei den gestrigen schleswig-holsteinischen Kommunalwahlen hat Hermann Gutsche, der seit 2008 für die Neonazi-Partei NPD im Kieler Rathaus vertreten ist, mit seiner Tarnliste Wahlalternative Kieler Bürger (WAKB) für viele überraschend den Wiedereinzug in die Ratsversammlung der Landeshauptstadt geschafft. Einer historisch niedrigen Wahlbeteiligung von 37,1% (46,6% auf Landesebene) und vier Ausgleichmandaten für Überhänge anderer Listen hat der braune Ratsherr zu verdanken, dass trotz realem wie relativem Stimmenverlust im Vergleich zur Kommunalwahl 2008 (1478 NPD-Stimmen/1,7%) die Zustimmung von 810 Kieler/innen (1,1%) zur offen rassistischen und nationalistischen WAKB-Programmatik genügte, um für weitere fünf Jahre als Einzelvertreter im Kieler Rat sitzen zu können. Ihr höchstes Ergebnis erlangte die WAKB erwartungsgemäß in Mettenhof (2,9%/103 Stimmen), wo ein Großteil ihrer Kandidat/innen wohnhaft ist, gefolgt von Elmschenhagen (2,2%/101 Stimmen), Ellerbek/Wellingdorf (2%/66 Stimmen) und Gaarden (1,8%/51 Stimmen).
Vorausgegangen war ein vergleichsweise schwacher Wahlkampf für die rechte Liste, deren Füllmasse vor allem von Mitgliedern des Neonazi-unterwanderten Hobbyfußballclubs Bollstein Kiel gestellt wurde. Stadtweite Postwurfsendungen und ein paar Aufkleber reichten allerdings aus, um das an der Förde traditionell vorhandene braune Klientel ausreichend zu den Urnen zu mobilisieren.

Wieder im Kieler Rat: NPDler Hermann Gutsche (WAKB)
Auch in anderen Kreisen bzw. Städten gelang es Neo-Faschisten, Sitze in den Kommunalvetretungen zu gewinnen: In Neumünster zog Mark Proch, der im vergangenen Jahr als Initiator mehrerer Demonstrationen gegen einen Sexualstraftäter bekannt geworden war, für die NPD ins Rathaus ein, die insgesamt 408 Stimmen (1,6%) für sich vereinnahmen konnte. Im Herzogtum-Lauenburg zog der erst kurz vor der Wahl aus der NPD ausgetretene Kay Oelke in den Kreistag ein, dessen Parteineugründung Rechtsstaatliche Liga (RL) ein Ergebnis von 1,6% (1209 Stimmen) erlangte. Lediglich Ingo Stawitz, NPD-Landesvositzender und Spitzenkandidat im Kreis Pinneberg, verpasste mit 1% (1105 Stimmen) auf Kreisebene und 1,6% in Uetersen sowohl den Einzug in den Kreistag, als auch in den Stadtrat Uetersen.

NPD-Sitz in Neumünster: Mark Proch     Ex-NPDler Kay Oelke: Für RL im Kreistag Lauenburg
Insgesamt muss festgestellt werden, dass es neo-faschistischen Bewerbern in Schleswig-Holstein gelungen ist, trotz offenkundiger Schwäche ihrer organisierten Strukturen, interner Zerstrittenheit, nur weniger Kandidaturen und einem kaum zu vernehmenden Wahlkampf, mit niedrigem Aufwand die Anzahl ihrer Ratsvetreter im Land von zwei auf drei zu erhöhen. Das Stammklientel der rechten Listen, das ohne großen Aufwand durch stumpfeste rassistische Hetze und nationalistische Selbstbemitleidung angesprochen werden kann, ist für sie in Schleswig-Holstein weiterhin abrufbar.
Nicht nur die Kandidat/innen von NPD und anderer neo-faschistischer Parteiprojekte gilt es für Antifaschist_innen daher in Wahlkampfzeiten und darüber hinaus im Auge zu behalten, sondern auch das Konglomerat aus rechtem Lifestyle, gesellschaftlichem Stammtisch-Chauvinismus und offensichtlicher wie unscheinbarer Infrastruktur, das ihre Wahlbasis bildet, muss im Blickfeld antifaschistischer Interventionen bleiben. Nichtsdestotrotz sollten sich auch die braunen Ratsherren Hermann Gutsche, Kay Oelke und der Neuling Mark Proch auf eine unruhige Amtsperiode verlassen dürfen.

Update (6.6.13): Leider wurde in diesem Artikel zunächst nicht berücksichtigt, dass Kay Oelke für die Rechtsstaatliche Liga außer mit seinem Sitz im lauenburgischen Kreistag nun auch in der Ratsversammlung von Geesthacht vertreten ist. Zum Wahlausgang der an dieser Stelle bisher ebenfalls noch nicht thematisierten obskur-faschistischen WSDV berichtet die Antifa Pinnberg: „Für die Wir sind das Volk – Deutsche Volkspartei (WSDV), die aus dem Spektrum der „Reichsdeutschen“ kommt und Anfang Mai noch bundesweites Medieninteresse für sich verbuchen konnte weil die zwei Gründer der WSDV, Winfried-Hassan Siebert und Hans Müller aus Norderstedt, sich die Markenrechte für den Slogan „Wir sind das Volk“ gesichert haben, reichte es wie nicht anders erwartet weder für den Einzug in den Kreistag noch in die Norderstedter Stadtvertretung. Angetreten ist die WSDV sowieso nur in Norderstedt und in zwei weiteren Wahlkreisen in Segeberg.“
Weitere Wahlanalysen: LinX | KielKontrovers | Antifa Pinneberg

Kieler Neonazi-Tarnliste WAKB macht sich rar

Im April ließ Jörn Lemke, Pressesprecher der schleswig-holsteinischen NPD, über die Internetpräsenz seines Landesverbands verkünden, dass die Neonazipartei oder von ihr inszenierte bzw. unterstützte Wahlbündnisse in vier Kreisen bzw. Städten zu den Kommunalwahlen am 26. Mai 2013 antreten werden. Für die Landeshauptstadt prophezeite er schlagzeilenträchtige Wochen einer „Wahlalternative Kieler Bürger“ (WAKB).

Diese WAKB, die zu den bevorstehenden Wahlen als solche zum ersten Mal überhaupt das politische Parkett betreten hat, sei ein Bündnis zwischen „NPD und freien Kräften“, an ihrer Spitze niemand Geringeres als der Kieler Ratsherr Hermann Gutsche, der 2008 mit 1,7% der Stimmen knapp in die Stadtvertretung gewählt worden war. Der braune Gehalt hinter dem harmlos anmutenden Namen wurde von Beginn an kaum verschleiert, zu sehr ähnelt auch das Programm der mit „Liste gegen Deutschfeindlichkeit“ untertitelten selbsternannten Wahlalternative an altbekannte NPD-Hetze, das vermeintlich gerechtigkeitstiftende Forderungen nach Förderung finanzschwacher Familien oder sozialem Wohnungsbau mit offen rassistischen Parolen à la „Keine Überfremdung unserer Heimat!“ vermengt. Darüber können auch anderslautende Selbstdarstellungen der WAKB als „enttäuschte Fußballer, deren Fußballturnier im September 2012 unterbunden wurde“ oder „Zusammenschluss von größtenteils parteilosen Bürgern aus Kiel“ nicht hinweg täuschen.

 

Kieler Noch-NPD-Ratsherr Hermann Gutsche

 

Denn dass alle diese an verschiedenen Stellen veröffentlichten Selbstbilder sich freilich nicht widersprechen müssen, zeigt die im vergangenen Jahr von Antifaschist_innen initiierte Aufdeckung der Zusammensetzung des Mettenhofer Freizeitfußballclubs „Bollstein Kiel“, die die Turnierabsage herbeiführte, auf die sich jenes auf den WAKB-Seiten im Internet geäußerte Statement eines Mitglieds nicht zufällig bezieht. Hier kickten jahrelang bekannte Neonazis aus dem Umfeld der NPD mit deutschtümmelden Mettenhofern zusammen, die politisch bis dahin aber nicht in Erscheinung getreten waren.

Konsequenterweise sind auf der aktuellen Wahlliste der WAKB außer dem Hermann Gutsches nur Namen gelistet, die Antifaschist_innen bisher nicht näher aufgefallen sind. Gleich 23 der insgesamt 25 Kandidat/innen sind in Mettenhof wohnhaft, 15 von ihnen gar im selben Haus. Dass es Mitglieder von „Bollstein Kiel“ sind, die zur diesjährigen Kommunalwahl die Füllmasse der Liste der krisengeschüttelten Kieler NPD stellen, die diese vor fünf Jahren noch den heute nicht mehr existenten organisierten Neonazistrukturen um die „AG Kiel“ abkaufen konnte, ist offenkundig.

 

Mettenhofer Straßenfußballclub „Bollstein Kiel“

Wahrnehmbar gebracht hat Gutsche sein neuer Anhang bis dato jedoch herzlich wenig: Ein paar mittelgroße Schlagzeilen bescherten der WAKB allenfalls aufmerksame Journalist_innen, die die Neonazi-Hintergründe der Liste beleuchteten. Ein Wahlkampf aber hat bis heute, nur wenige Tage vor dem Abstimmungstag, de Facto nicht stattgefunden. Einige in den letzten Tagen in wenigen Ecken Kiels aufgetauchte Aufkleber und Flugblätter bilden die äußerst sparsame Ausnahme. Wertvolle Wahlkampfzeit ging dem jüngst in die Gaardener Blitzstraße umgezogenen braunen Ratsherr zudem durch die Lappen, als sein Auto Anfang Mai abermals Ziel antifaschistischer Umgestaltungsmaßnahmen wurde und er sich veranlasst sah, sein Gefährt von grüner Lackfarbe zu säubern und einen selbstmitleidigen Antrag gegen „politische Gewalt“ an die Ratsversammlung zu formulieren – der wie immer keine Beachtung fand.

Im Land sieht es derweil kaum kaum anders aus: Öffentliche Auftritte der NPD sind außer einem einzigen Wahlkampfstand am 4. Mai in Neumünster nicht zu vernehmen gewesen. Zudem bröckelt die Partei auch intern zusehends weiter: Kai Oelke, der 2008 noch für die NPD in den lauenburgischen Kreistag gewählt worden war und seiner autoritären und rassistischen Gesinnung seit Kurzem mit der Neugründung „Rechtsstaatliche Liga“ (RL) eine neue politische Erdung verpasst hat, gilt in NPD-Kreisen nach öffentlichen Distanzierungen von seinen alten Kameraden nun als Verräter. Und überall in Schleswig-Holstein sorgte die antifaschistische Kampagne „DIY“ mit zahlreichen Aktionen und Outings für erheblich erschwerte Wahlkampfbedingungen bei den Neonazis.

 

Antifaschistische „DIY“-Aktion beim NPD-Landesvorsitzenden Ingo Stawitz in Uetersen

Die Wahlprognosen für die rechten Listen im nördlichsten Bundesland fallen aus ihrer Perspektive entsprechend nüchtern aus. Es ist mehr als fraglich, ob sie überhaupt wieder einen Sitz in den Kommunalvertretungen erobern können, ob nun im Gewand der NPD, der WAKB oder der RL. Gerade in der Landeshauptstadt erscheint ein Wiedereinzug Gutsches ins Rathaus in Anbetracht der irritierenden Funkstille in den letzten Wochen als unwahrscheinlich. Nichtsdestotrotz sollten kieler Antifaschist_innen nicht vergessen, dass schon 2008 1478 Stimmen knapp genügten, um aus dem NPD-Mann für fünf Jahre einen Ratsherren zu machen. Den Wahlabend an diesem Sonntag gilt es von daher trotz vergleichsweise entspannter Ausgangslage genauso wie die restlichen verbleibenden Wahlkampftage aufmerksam zu verfolgen.

 

Neonazi-Mob inkl. Gutsche vorm Kieler Rathaus am Kommunalwahlabend Mai 2008

Welcome back: Enough is Enough!

Nach einigen Jahren in der Versenkung gibt es jetzt erfreulicherweise wieder ein antifaschistisches Recherche-Kollektiv, welches sich in die Tradition der antifaschistischen Zeitung Enough is Enough stellt. Die alten Zeitungen können u.a. im Archiv des Li(e)berAnders in Kiel Gaarden eingesehen werden.
Wir dokumentieren eine Veröffentlichung der Genoss_innen von Enough is Enough:

http://enoughisenough.eu/sites/enoughisenough.eu/files/enough.gif
Liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten,
nach vielen Jahren und etlichen fehlgeschlagenen Versuchen haben wir uns aufgemacht, die Tradition der antifaschistischen Zeitschrift Enough is enough wiederzubeleben. Wir sind überzeugt davon, dass eine zentrale Informationsplattform für antirassistische und antifaschistische Politik in Schleswig-Holstein wichtig ist und Interesse finden wird.
Wir haben uns entschlossen, das Projekt als Web-Seite anzugehen, da die Voraussetzungen für die Herausgabe einer Zeitschrift unserer Einschätzung nach nicht mehr gegeben sind. Das Internet bietet für nicht kommerzielle Projekte heute große Möglichkeiten. Wir hoffen, dass es uns gelingt, mit dieser Internetseite an die Qualität der Zeitschrift Enough is enough anzuknüpfen und gleichzeitig schnell und aktuell Informationen bereitzustellen. Wir bitten allerdings um Verständnis, wenn uns dies Anfangs nicht immer so gelingt, wie wir das hoffen – unser technisches Verständnis rennt immer noch den realen Bedingungen des Web 2.0 hinterher.
 
Wir treten ganz bewusst in die Fußstapfen der Enough is enough, die von 1997 bis 2006 als Zeitschrift in Schleswig-Holstein und Hamburg verbreitet wurde. Einige von uns haben bereits an der damaligen Papierausgabe mitgearbeitet.
 
Bei Wikipedia kann man hierzu nachlesen:
„Die Enough is Enough diente als Zeitschrift für ganz Schleswig-Holstein und Hamburg. Sie berichtete mit regionalem Bezug über Ideologie, Organisation und Aktivitäten der extremen Rechten, rassistische und antisemitische Entwicklungen und stellt Gegenaktivitäten für eine Gesellschaft frei von gesellschaftlichen und gesetzlichen Diskriminierungen vor. Hierzu gehören auch Berichte über Wahrnehmung der Bürger- und allgemeinen demokratischen Rechte. Die Zielgruppen waren in erster Linie politisch Interessierte, Studierende und Wissenschaftler.
Das Redaktionskollektiv der Enough is Enough gab 2001 zusammen mit dem Searchlight Magazine, dem Antifaschistischen Infoblatt und der „reihe antifaschistischer texte hamburg“ (rat) aus dem Unrast Verlag das Buch „White Noise. Rechts-Rock, Skinhead-Musik, Blood & Honour – Einblicke in die internationale Neonazi-Musik-Szene“ heraus.“
 
Mit unserem Web-Projekt wollen wir genau an diese Tradition wieder anknüpfen. Dies ist sicher nicht ganz einfach; immerhin existiert die antifaschistische Bewegung, aus der die EiE entstanden ist, nicht mehr. Das Bewegungshoch, aus dem nicht nur die EiE, sondern auch viele andere antifaschistische Projekte hervorgegangen sind, ist abgeflaut. Etliche Projekte, wie das Antifaschistische Infoblatt, der Rechte Rand oder die Lotta – antifaschistische Zeitschrift für NRW haben den Übergang geschafft und arbeiten heute sehr gut vernetzt weiter. Andere Projekte, Gruppen und Initiativen waren nicht in der Lage, diesen Wandel zu überstehen. Andererseits ist eine Vielzahl neuer Projekte entstanden, die uns Mut machen, hier einen Neustart zu wagen.
Ihr findet nun erst mal eine kleine Anzahl an Artikeln und Verweisen. Wir werden versuchen, regelmäßig, jedenfalls aber einmal im Monat, neue Artikel einzustellen. Viele aktive AntifaschistInnen haben Interesse bekundet, Artikel für das neue Projekt zu schreiben, wollen aber zunächst den tatsächlichen Start des Projekts und das Online-Stellen der Seite abwarten.
Wir haben mit der Seite den Anspruch, uns nicht auf flüchtige Kurzmeldungen zu beschränken, sondern gut recherchierte Artikel zu schreiben. Wir wollen auch versuchen, die wesentlichen politischen Diskussionen innerhalb der antirassistischen und antifaschistischen Bewegung Norddeutschlands darzustellen. Wer sich im Einzelfall oder regelmäßig mit Artikeln hier beteiligen will, kann diese gerne (bitte mit Quellennachweisen etc.) an die Emailadresse der Redaktion redaktion@enoughisenough.eu schicken.
 
Mit antifaschistischen Grüßen
 
das Redaktionskollektiv

NPD-Kreisvorsitzender Daniel Nordhorn in Laboe geoutet

In der vergangenen Woche haben Antifaschist_innen den in Laboe bei Kiel wohnhaften Kreisvorsitzenden des NPD-Verbandes Segeberg-Neumünster Daniel Nordhorn in seiner Nachbarschaft geoutet. Die Aktivist_innen, die sich auf die Antifa-Kampagne „DIY“ beziehen, berichten, dass zu diesem Zwecke hunderte Flugblätter in Laboe verteilt worden seien. Nordhorn gehört zu den derzeit aktivsten Neonazis in Schleswig-Holstein und zeigte sich in jüngerer Vergangenheit verantwortlich für zahlreiche NPD-Kleinstauftritte insbesondere im Wirkungsbereich seines Kreisverbandes.

Nordhorn posiert vor Hakenkreuzfahne
Im Flugblatttext wird die Aktion damit begründet, dass „viele Beispiele gezeigt“ hätten, „dass nur konsequentes Vorgehen gegen neonazistische Umtriebe die Bildung von rechten Aktionsräumen verhindern kann, die dann auch schnell zur „No-Go-Area“ für alle werden können, die nicht in das antisemitische, rassistische und homophobe Weltbild der Neonazis passen oder passen wollen“ und schließt mit dem Aufruf an Nordhorns Nachbarschaft, ihm „eine klare Abfuhr“ zu erteilen und alle diejenigen zu unterstützen, „die sich von der Anwesenheit von Neonazis in ihrer Nachbarschaft bedroht fühlen.“
Zuvor waren im Rahmen von „DIY“ bereits elf Mitglieder der NPD SE-NMS im Internet ins Licht der Öffentlichkeit gezerrt worden, darunter auch Nordhorn. Beide Initiativen gegen ihren zur Zeit nahezu einzigen wahrnehmbar aktiven Kreisverband dürften bewirkt haben, dass sich der Druck auf die mittlerweile ohnehin desolat aufgestellte Landes-NPD im Vorfeld der schleswig-holsteinischen Kommunalwahlen am 26. Mai dieses Jahres nochmals erhöht hat. Alle Antifaschist_innen sind aufgefordert, auf ihre Weise dazu beizutragen, dass dieser auch in den nächsten Wochen aufrecht erhalten werden kann. Um es in den Worten der Kampagne ausdrücken: „DIY! In die antifaschistische Offensive gehen – da geht noch mehr…“

„Den Weissen Wölfen Terror machen!“

AntifaschistInnen haben einen umfangreichen Reader über die Neonazi-Kameradschaft „Weisse Wölfe Terrorcrew“, welche im Hamburger Raum agiert, veröffentlicht. Dort weisen sie der WWT auch Kontakte nach Schleswig-Holstein nach.

Laut den GenossInnen hat der Neonazi Dennis Brandt (Autonome Nationale Sozialisten Stormarn / Aktionsbündnis Lübeck/Stormarn) nicht nur gute Kontakte zur „Terrorcrew“ nach Hamburg, sondern auch zum Staatzschutz. Nach dem Angriff von Neonazis auf eine Kundgebung des DGB am 1. Mai 2011 in Husum kam es zu landesweiten Hausdurchsuchungen, die die Neonazis offenbar den Aussagen eines „Kameraden“ zu verdanken haben:
„Durch eine umfangreiche polizeiliche Aussage beim Staatsschutz […] wurden in mehr als 13 Wohnungen in Schleswig-Holstein Hausdurchsuchungen durchgeführt. Betroffen von den Durchsuchungen ist neben anderen der derzeitige stellv. NPD-Landesverteter und NPD-Landespressesprecher Jörn Lemke, sowie weitere NPD-Funktionäre darunter der jährliche Anmelder des Neonazi-Aufmarsches in Lübeck, Roland Siegfried Fischer aus Kiel. Durch Brandts achtstündige Aussage bei dem Staatsschutz wurden gegen ihn und andere Mitglieder der »ANS Stormarn« schwere Vorwürfe erhoben. Brandt selber verschwand zunächst von der Bildfläche und wurde erst Anfang Juni 2012 bei einem NPD-Infotisch im niedersächsischen Stade angetroffen, zusammen mit Mitgliedern der JN-Strukturen Niedersachsens wie Florian Cordes und Kevin Arbeit.“

Runtergeladen werden kann die Broschüre bei Indymedia

Von Neonazis betriebenes Ladengeschäft „PLS-Werkzeuge“ in Kiel-Gaarden sorgt für Aufsehen

In den vergangenen Wochen wurde bekannt, dass Anfang Dezember 2012 am Vinetaplatz in Kiel-Gaarden von bekannten schleswig-holsteinischen Neonazis das Geschäft „PLS-Werkzeuge“ eröffnet wurde. Neben dem Neumünsteraner Neonazi und seit einiger Zeit als Mitglied der Rocker-Gang „Bandidos“ auftretenden Alexander Hardt und dem im Umfeld des internationalen Neonazi-Netzwerkes „Blood and Honour“ agierenden Ostholsteiner Lars Bergeest, scheint auch Peter Borchert in das Geschäft verwickelt zu sein – einstige langjährige Führungspersonalie der landesweiten Neonaziszene, mittlerweile ebenfalls „Bandidos“-Mitglied und zur Zeit noch wegen mehrerer schwerer Gewalttaten in Lübeck inhaftiert.
Nachdem das antifaschistische Rechercheportal „La Quimera“ Mitte Januar ausführlich die braunen Hintergründe von „PLS-Werkzeuge“ aufgedeckt hatte, ist in dieser Woche nun auch die Lokalpresse auf den zunächst unscheinbaren Neonazi-Laden, über den vor allem Einbruchswerkzeuge vertrieben werden, aufmerksam geworden. So berichteten die Kieler Nachrichten in ihrer online-Ausgabe vom 22.1.2013 nicht nur über dessen Existenz, nur zwei Tage später war gestern an selber Stelle von einem Angriff auf das Geschäft zu lesen: In der Nacht zum 24.1.2013 sollen demnach mit einem Weckglas eine Scheibe zerstört und die Fassade mit grüner Farbe besudelt worden sein.

Dies, aber vor allem die Erfahrung der letzten Jahre, dass Neonazi-Umtriebe im Stadtteil Gaarden mit Widerstand zu rechnen haben, lässt die öffentlich vertretene Sorge im Landesamt für Verfassungsschutz, „dieses Geschäft“ begründe „die Gefahr der Konfrontation mit der örtlichen linken Szene in dem multikulturellen Stadtteil“, ausnahmsweise als realistische Einschätzung erscheinen. Kieler Antifaschist_innen sollten in nächster Zukunft wachsam sein, das Ladengeschäft im Auge behalten, regelmäßig nach Ankündigungen Ausschau halten und Andere informieren.

Ein Phantom geht um in Schleswig-Holstein…

Pünktlich zum neuen Jahr erfreuen uns die Genoss_innen von La Quimera – Antifascist Watch-Group S-H mit einer brandneuen Internet-Präsenz im virtuellen Schleswig-Holstein. Die Maßstäbe des Recherche-Portals wurden mit einer ausführlichen Einschätzung des gegenwärtigen Zustands des NPD-Landesverbands derweil so dermaßen hoch angesetzt, dass wir weiteren Veröffentlichungen mit ähnlich tiefgehenden Einblicken in den braunen Sumpf des nördlichsten Bundeslandes gespannt entgegenfiebern. ¡Bienvenidos compañer@s!
Checkt regelmäßig quimera.noblogs.org !

Weitere Verbindungen des NSU in Schleswig-Holstein aufgedeckt

Nachdem bereits im Oktober Aussagen eines Kieler Ex-„Hells Angel“, der behauptete der NSU hätte Waffen in Kiel gekauft und die Schüsse auf die Alte Meierei in Auftrag gegeben, für Furore sorgten, kommen jetzt immer mehr Verbindungen des NSU in Schleswig-Holstein ans Tageslicht. Offenbar gab es auch für Kiel und weitere Städte in S-H Anschlagspläne der Neonazis.
Auf der Website des NDR heißt es: „So soll das Terror-Trio Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe […] offenbar mehr als 20 Orte im Norden für potenzielle Anschlagsziele ausgespäht haben. Das geht aus der Anklageschrift der Bundesanwaltschaft gegen Zschäpe hervor, die dem Schleswig-Holstein Magazin vorliegt. Im Visier der Rechtsterroristen waren dabei auch Kulturvereine für Migranten und Einrichtungen, die sich um die Integration von in Schleswig-Holstein lebenden Ausländern kümmern. Bei dem Trio fanden die Ermittler auch Stadtpläne von Kiel.“
Auch der ehemalige Betrieber des Eselpark in Nessendorf (Kreis Plön), welcher aktiven Antifaschist_innen schon seit den 1990ern als NPD-Mitglied bekannt ist, soll Kontakte zum NSU-Trio gehabt haben.
Weitere Presseartikel:

KN online
| shz | LN online
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Wir dokumentieren dazu einen Artikel von Andrea Röpke für den Blick nach Rechts:

NSU: Urlaub mit Terrorplanung?

Von Andrea Röpke | 27.12.2012
Offiziell machte das Rechtsterror-Trio aus Zwickau jahrelang nur Urlaub in Schleswig-Holstein. Neue Hinweise werfen Fragen auf.
Die Fotos zeigen Beate Zschäpe und ihre Urlaubsfreundinnen reitend auf einem Esel. Entstanden sein sollen sie 2011 im Eselpark nahe Lütjenburg bei Kiel. Während die Ermittler des Bundeskriminalamts den Fotos nachgingen, erreichte die Polizei in Schleswig-Holstein ein anonymes Schreiben mit dem Hinweis, dass der ehemalige Besitzer des Eselparks Eckart A. vor zwei, drei Jahren damit geprahlt habe, zwei „gute Freunde aus Sachsen“, die Urlaub auf Fehmarn machen würden, ihn besucht hätten. Bei den beiden würde es sich um „zwei junge Kämpfer“ handeln. Konfrontiert mit den Zschäpe-Fotos in seinem Eselpark, bestritt A., sie zu kennen und wollte auch von den beiden Sachsen nichts wissen.
Allerdings räumte A. seine NPD-Vergangenheit ein. So gehörte er in den 90er Jahren dem Kreisvorstand der NPD an und nahm Ende 2004 auch an der Wahlveranstaltung in Steinburg teil, die mit Steinewürfen und gefährlichen Angriffen endete. Szenekennern zufolge soll A. ein großzügiger Geldgeber und enger Kamerad von Heino Förster gewesen sein.
Terrorhelfer G. bei Konzert im „Club 88“ in Neumünster
Der ehemalige NPD-Funktionär wurde bereits 1994 zu vier Jahren Haft wegen eines Anschlags auf ein Asylbewerberheim in Boizenburg verurteilt. Ein „nationaler Märtyrer“ ganz im Sinne von Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe, die sich bereits in frühen Jahren sehr für inhaftierte Kameraden interessierten.
Das „Schleswig-Holstein-Magazin“ des NDR in Kiel berichtete am Donnerstagabend über die zahlreichen Aufenthalte der NSU-Terroristen in dem nördlichen Bundesland. Bereits Mitte der 90er Jahre lernte Uwe Mundlos bei der Bundeswehr eine Person aus Quickborn kennen und führte diese in seiner 1998 beschlagnahmten Telefonliste auf. Im Jahr 2002 machten Böhnhard, Zschäpe und Mundlos gemeinsam mit ihrem Unterstützer Holger G. aus Hannover Urlaub in der Nähe von Flensburg. Ein Jahr später beteiligte sich Neonazi Holger G. gemeinsam mit Kameraden aus Hannover an einem Aufmarsch gegen die Wehrmachtsausstellung und anschließend an einem Konzert im „Club 88“-Umfeld in Neumünster. Zu den „Club 88“-Unterstützern gehörten damals auch Aktivisten von „Blood&Honour“ und „Combat 18“, die wiederum beste Kontakte zum niedersächsischen Kreis um G. hatten.
Waffen für Anschlag in Kiel gekauft?
2004 verbrachte Terrorhelfer Holger G. wieder ein paar Tage mit dem Trio an der Ostsee, diesmal in Lübeck. Nicht weit entfernt davon war im selben Jahr Mehmet Turgut in Rostock erschossen worden. Aus dem Jahr 2005 fanden sich dann Sequenzen von einem Neonazi-Aufmarsch in Schweden im Bekennervideo der NSU. 2006 und 2007 sollen Mundlos und Böhnhard in Stralsund eine Bank zwei Mal überfallen haben.
Ab 2007 verbrachte das Terror-Trio dann seine Urlaube auf Fehmarn oder in der Nähe von Neustadt in Holstein. 2009  wurden die drei Neonazis im Nachhinein von einem Rocker-Aussteiger beschuldigt, Waffen für einen Anschlag auf ein linkes Zentrum in Kiel bei ihm gekauft zu haben. Die Generalbundesanwaltschaft schenkt dem langjährigen Rechten und ehemaligem „Hells Angels“-Freund keinen Glauben. Tatsächlich aber war das Trio 2009 in Schleswig-Holstein unterwegs, besuchte Zeugenaussagen zufolge unter anderem den Hansa-Park.
2010 kaufte sich Mundlos Surfausrüstung auf Fehmarn, rund sechs Wochen Urlaub verbrachten die drei in Holstein. Im selben Jahr wurde mit der Waffe des damaligen „Hells Angel“-Unterstützers dann auf die alternative Alte Meierei in Kiel geschossen.

Geprägte Eselpark-Münze im Gesellschaftsspiel

Im letzten Sommer vor dem Tod von Mundlos und Böhnhardt im November 2011 soll das Trio noch „Freunde“ aus Hannover abgeholt haben, um wieder in Richtung Ostsee zu starten. Auch der Eselpark wurde besucht. Campingfreunde wunderten sich dabei, dass Beate Zschäpe angab, noch nie dort gewesen zu sein. Dabei lag eine geprägte Eselpark-Münze wohl bereits vorher in einem von ihren Gesellschaftsspielen.
Alles nur Zufälle? Der NDR geht auch der Spur nach, dass ausgerechnet Holger G.s Name in den Polizeilisten des Konzertes 2003 in Neumünster mehrmals auftauchte. Der Sender stellt die Frage, ob es nicht möglich sein könnte, dass auch Böhnhardt, der sich „Gerri“ nannte und jahrelang den Namen von G. illegal benutzte, unter den Besuchern befand?
Nicht zuletzt die vielen Stadtpläne unter anderem auch aus Lübeck, Kiel, Gelting und Flensburg, die im Schutt des Brandhauses in Zwickau gefunden wurden und mit teilweise aufgeführten Listen und Markierungen von Migranteneinrichtungen oder der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes  gekennzeichnet waren, hätten die Ermittler argwöhnischer machen können, als sie es anscheinend waren.