NPD, PLS, Blood and Honour und der NSU

Das antifaschistische Recherche-Portal La Quimera berichtete unlängst erneut über die Verstrickungen von Alexander Hardt und Lars Bergeest im Rahmen des “Blood and Honour”-Netzwerks. Offenbar waren die beiden Betreiber des kieler Neonazi-Geschäfts “PLS-Werkzeuge” u.a. zusammen mit den Mitgliedern des “NSU” während deren Zeit im Untergrund unterwegs.

Der Artikel findet sich auf der Website von La Quimera.

Zuvor berichteten schon die Antifa NMS und abermals La Quimera über die Vernetzungen der “Blood and Honour”-Nachfolgestrukturen.


Alexander Hardt (2.v.r.) und Lars Bergeest (3.v.r.) tragen 2005 das Fronttransparent in Kolding

Prozess gegen Lüneburger Antifa am 25.11.13 in Wolfsburg

Wir dokumentieren einen Text der Antifaschistischen Aktion Lüneburg/Uelzen, den wir unterstützen:

UPDATE 24.11.: Der Prozess findet nicht statt, das verfahren wurde eingestellt. Die Erklärung der Antifa Lüneburg/Uelzen dazu findet ihr hier.

Am 25. November 2013 findet vor dem Amtsgericht Wolfsburg die Hauptverhandlung gegen Olaf statt, der lüneburger Antifaschist ist wegen angeblicher „Aufforderung zu Straftaten“ angeklagt. Er soll am 1. Juni 2013 eine rund 200köpfige Gruppe von Antifaschist_innen „angeführt“ und mehrmals per Megafon dazu auf gerufen haben, einen Naziaufmarsch zu verhindern bzw. zu blockieren.

Am 1. Juni 2013 fand im niedersächsischen Wolfsburg der sog. „Tag der deutschen Zukunft“ statt, ein rassistischer Aufmarsch norddeutscher Neonazigruppen. Während 6000 Menschen gegen den Naziaufmarsch protestierten, ermöglichte ein riesiges Polizeiaufgebot den rund 550 Nazis einen ungestörten Marsch durch ein Gewerbegebiet.

Die Polizei leitete mehrere Ermittlungsverfahren gegen Antifaschist_innen ein. Zwei wegen „Aufforderung zu Straftaten“ gegen Olaf . Ihm wurde zusätzlich noch vorgeworfen, verantwortlich für den Aufruf des antifaschistischen Bündnis „NO TddZ – Keine Zukunft für Nazis!“ gewesen zu sein und diesen auf der Internetseite des Bündnis eingestellt zu haben. Dieses Verfahren wurde mittlerweile durch die zuständige Staatsanwaltschaft eingestellt.

In der Ermittlungsakte findet sich an keiner Stelle ein Fakt, mit dem eine angebliche „Aufforderung zu Straftaten belegt werden kann. Vielmehr finden sich dort die Phantasien der Polizei, nach denen Olaf eine „Führungsrolle“ innerhalb von Antifa-Strukturen zugeschrieben werden. So soll er nicht nur am 1. Juni 2013 in Wolfsburg „Führungsverantwortlich“ gewesen sein, er soll nach Erkenntnissen der Polizei sogar „Koordinator der norddeutschen Antifa-Gruppen“ sein.

Mit diesen Konstrukten wird nicht nur eine Beobachtung und Verfolgung von Antifaschist_innen durch die Polizei und den Geheimdienst begründet, sondern dienen sie auch der massiven Kriminalisierung von antifaschistischen Gruppen und Aktionen.

Gemeint sind wir alle!

Repressionen gegen aktive Antifaschist_innen sind wahrlich nichts Neues. Olaf kann davon seit langem ein Lied singen. Zum einen ist er seit Jahren im Visier von Neonazis und es kam zu diversen Übergriffen. So wurde er zuletzt im August 2012 von Neonazis hinterrücks angegriffen und mit einem Messer verletzt. Zum anderen kommt es andauernd zu Repressionen seitens der Polizei und Justiz. Immer wieder wurde er mit Ermittlungsverfahren, Hausdurchsuchungen, Überwachungsmaßnahmen und Prozessen überzogen. Nach eigenen Angaben führt die Polizei seit 1989 Ermittlungsverfahren gegen ihn. Mit der anhaltenden Kriminalisierungs- und Diffamierungskampagne soll ein politisch aktiver Mensch mundtot gemacht werden.

Olaf ist in der Antifaschistischen Aktion Lüneburg / Uelzen organisiert. Die seit 1998 bestehende Gruppe steht seit ihrer Gründung für kontinuierliche, verbindliche und öffentlichkeitswirksame antifaschistische Politik. Sie war und ist Teil verschiedener Bündnisse in der Region. Die Antifaschistische Aktion Lüneburg / Uelzen organisiert mit anderen Antifaschist_innen verschiedenste Aktionen gegen Aufmärsche und Veranstaltungen von Neonazis und extrem rechter Organisationen. Diese Arbeit beschränkt sich nicht auf die Orte Uelzen und Lüneburg, sondern die Gruppe ist auch überregional aktiv. Olaf ist für seine politischen Aktivitäten wie kaum ein anderer in Lüneburg und Umgebung in der Öffentlichkeit bekannt.

In den letzten Jahren war er in verschiedenen Orten Anmelder von Demonstrationen und Kundgebungen und trat auf vielen Veranstaltungen auf. In der Ermittlungsakte zum Prozess in Wolfsburg heißt es dazu, dass er „rund 100 Aktionen, Demonstrationen, Kundgebungen und sonstige Veranstaltungen angemeldet“ hätte. Dies nimmt die Polizei und der „Verfassungsschutz“ zum Anlass, ihm eine „Führungsverantwortlichkeit“ zuzuschreiben. Dies kann dann auch strafverschärfend in den Prozessen genutzt werden. Es ist dann auch nicht verwunderlich, wenn in der Ermittlungsakte zum Prozess mehr zu den vermeintlichen „Führungsaktivitäten“ zu finden ist, als konkrete Vorwürfe zur eigentlichen Straftat.

In den Akten der Polizei finden sich Sätze wie diese: „Auch in Wolfsburg zum Demonstrationsgeschehen am 1. Juni 2013 nahm an nahezu allen Vorbereitungstreffen teil, war Wortführer und rief bereits zu dieser Zeit zu Blockaden auf“ oder „Im Vorfeld wurde offen zu Sitz- und Gleisblockaden, Bahnhofsbesetzung, Angriffen auf Rechte und staatliche Institutionen wie die Polizei aufgerufen. […] Dabei trat die Antifa Lüneburg, namentlich der einschlägig bekannte Olaf Meyer in besonderem Maße in Erscheinung“.

Ein ähnliches Bild zeichnen auch die Nazis. So veröffentlichten diese einen Tag vor dem Aufmarsch in Wolfsburg einen Artikel auf ihrer Internetseite, in dem sich dann auch folgender Satz findet: „Das Bündnis „Schulterschluss der Demokraten“ hat einen „Anführer“ der vielen politisch Aktiven in Norddeutschland bekannt sein dürfte: Olaf Meyer!“. Außerdem wird behauptet, das er für die „Koordinationsarbeit“ in Wolfsburg verantwortlich sei und es „6 Augengespräche“ zwischen dem Wolfsburger Oberbürgermeister, dem 1. Bevollmächtigten der örtlichen IG-Metall sowie Olaf gegeben hätte. Und auch die Nazis sprechen von Gewalttätigkeiten gegen Teilnehmer des Naziaufmarsches und eingesetzten Polizeibeamten.
Im Vergleich der Wortwahl, Analyse und Gegnerbestimmung von Naziveröffentlichungen und staatlicher Anklage tritt eine gefährliche Nähe zu Tage, deren Ursache Fragen aufwirft.

Naziaufmärsche blockieren ist legitim und notwendig!

Es ist zu begrüßen, wenn Menschen in ihrem Engagement über die so häufig inszenierten Lippenbekenntnisse staatlicher Akteure hinausgehen und selbst aktiv werden und selbstbestimmt und kollektiv für ihre Meinung auf die Straße gehen.

Das öffentliche Auftreten der Nazis wird vom Staat geduldet, ihre Aufmärsche, Wahlveranstaltungen oder Infostände von der Polizei geschützt und immer wieder mit erheblicher Gewalt durchgesetzt, oftmals mit dem Verweis auf angeblich demokratische Grundrechte.

Im November 2013 jährt sich das Auffliegen der Neonazigruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) zum zweiten Mal. Die aus rechten Strukturen stammenden Mörder sind jahrelang durch die BRD gezogen und haben zum Teil unter den Augen staatlicher Geheimdienste neun Menschen türkischer, kurdischer, griechischer Herkunft sowie eine Polizistin getötet und mit mindestens zwei Bombenanschlägen viele weitere verletzt. Der Skandal rund um den „NSU“ machte der Öffentlichkeit wieder einmal deutlich, was antifaschistische Gruppen und Initiativen sowie Betroffene rassistischer Gewalt schon seit Jahrzehnten feststellen: Nazis morden und greifen Andersdenkende und Menschen an, die nicht in ihr menschenverachtendes, rassistisches Weltbild passen. Trotz diverser Informationen haben Politik, Polizei und „Verfassungsschutz“ mehr als zehn Jahre lang die rechten Serienkiller unbehelligt morden lassen. Gleichzeitig unterstützt der Staat Naziorganisationen durch Geldzahlungen an V-Leute, von denen auch der „NSU“ profitierte.

Mindestens neun Migranten ermordete der „NSU“. Die Polizei befeuerte mit ihren Presseberichten und rassistischen Ermittlungsstrategien („Döner-Morde“ und Ermittlungsgruppe „Bosporus“) sogar den rassistischen gesellschaftlichen Diskurs. Die ideologische Verblendung und Ignoranz der Beamten die in der Mordserie ermittelten, kann nur aus einem rassistischen Klima heraus erklärt werden. In einem Klima in dem es üblich ist, Kriminalität als „kulturbedingt“ zu betrachten, ist es nicht verwunderlich, dass einige Medien und Polizeibeamte die Opfer denunzieren, statt die Täter zu ermitteln.

Die Überwachung der Naziszene war und ist angeblich so gering, dass über einen Zeitraum von über zehn Jahren kein Hinweis auf die Protagonisten und deren Unterstützer zu gewinnen war. Dies wundert angesichts des enormen Aufwandes, der für die Kriminalisierung, Überwachung und Verfolgung der antifaschistischen Bewegung betrieben wird. Es ist offensichtlich, dass die Nazibedrohung systematisch bagatellisiert und Opferzahlen kleingerechnet wurden und werden.

Am 1. Juni 2013 konnte mensch in Wolfsburg erleben, wie eine Rot-Grüne-Landesregierung die Polizei einen Aufmarsch von Nazis, die keinen Hehl aus ihrer Sympathie für den „NSU“ und deren Morde machen und ideologisch den gleichen Rassismus vertreten, durchsetzen ließ.

Entschlossenes und kontinuierliches antifaschistisches Engagement ist deshalb wichtiger denn je! Wobei massenhafte Regelverstöße – wie z. B. Blockaden von Naziaufmärschen – ein legitimes Mittel darstellen. Massenhafte kollektive Regelübertretungen sind in den letzten Jahren zu einer neuen Protestkultur geworden und ermöglichten Erfolge gegen Naziaufmärsche, wie in den letzten Jahren in Dresden oder im Sommer diesen Jahres in Bad Nenndorf.

No Pasaran!

Die Polizeimaßnahmen, Ermittlungsverfahren und Prozesse gegen Antifaschist_innen stehen exemplarisch für eine Politik gegen Menschen, deren Engagement gegen alte und neue Nazis sich nicht nur in moralischen Appellen äußert, sondern die sich aktiv in den Weg der faschistischen Mörderbanden stellen. Wann auch immer Menschen die Initiative ergreifen und ohne staatliche Genehmigung selbstständig gegen Nazis vorgehen, werden sie mit der Staatsgewalt in Form von brutalen Polizeieinsätzen und folgenden Gerichtsverfahren konfrontiert. Mit Prozessen – wie dem am 25. November 2013 in Wolfsburg – sollen Exempel statuiert werden. Sie sollen als Abschreckung dienen, für alle jene, die gezielt und organisiert den faschistischen Terror bekämpfen.

Unsere Antwort auf die Kriminalisierung antifaschistischer Aktionen und den Prozess am 25. November 2013 in Wolfsburg ist die Solidarität mit dem Angeklagten und der Aufruf, am 7. Juni 2014 in Dresden den nächsten rassistischen „Tag der deutschen Zukunft“ und alle andern Naziaufmärsche zu verhindern!

Antifaschistische Gruppe Braunschweig (A.G.B.)
Antifaschistische Gruppe Bremen
Antifaschistische Aktion Burg
[a²] Hamburg
www.antifainfo.de
Antifacafe Hamburg
Projekt Revolutionäre Perspektive (PRP) – Hamburg
Infoladen Hameln
Antifaschistische Jugend Goslar
Antifaschistische Linke International A.L.I.[lt] Göttingen
Autonome Antifa-Koordination Kiel
Antifa Herzogtum Lauenburg [AHL]
Antifaschistische Aktion Lüneburg / Uelzen
[S.C.A.] Salt City Antifas
antifa.elf Oldenburg
AZ Kim Hubert, Salzwedel
Rote Hilfe OG Salzwedel
Jugendantifa Uelzen
Red And Anarchist Skinheads [RASH] 100er Crew

Prozess:
Montag, 25. November
Treffpunkt um 8:30 Uhr vor dem Amtsgericht
Rothenfelder Straße 43
Wolfsburg

Solikonto:
Solidarität (Kontoinhaberin)
Volksbank Lüneburger Heide eG
BLZ: 240 603 00
Konto: 125 381 600
Verwendungszweck: „Wolfsburg“ (bitte unbedingt angeben)

Kontakt und Infos:
Antifaschistische Aktion Lüneburg / Uelzen
0172 – 4152311
aa.lg-ue@gmx.net
www.antifa-lg.de

Anschlag auf Pinneberger Synagoge am Jahrestag der Reichspogromnacht

In der Nacht vom 9. zum 10. November 2013 – am 75. Jahrestag der antisemischen Novemberpogrome in Nazi-Deutschland – wurden an der Synagoge in Pinneberg im Eingangsbereich Fensterscheiben eingeschlagen. „Das ist kein antisemititscher Übergriff, wie wir ihn leider immer wieder erdulden müssen, das ist zum 75. Jahrestag der Reichs-Pogromnacht ein gezielter Anschlag, der uns sagen soll, wir sind noch da, wir können es immer noch – euch Juden vernichten.“ (Wolfgang Seibert, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Pinneberg)

In den Reichspogromnächten vor 75 Jahren kam es zu einer bis dahin ungekannten nationalsozialistischen Gewaltorgie gegen jüdische Einrichtungen, Wohnungen, Geschäfte, Friedhöfe sowie Leib und Leben von Juden und Jüdinnen, die eine neue Etappe auf dem Weg zur völkisch-rassistischen Vernichtungsindustrie von Auschwitz einleitete. Wenn in Deutschland noch heute AntisemitInnen mit offensichtlichem Bezug hierauf in Aktion treten und Anschläge auf Orte jüdischen Lebens begehen, ist es die historische Pflicht aller Antifaschist_innen, sich solidarisch an die Seite der Betroffenen zu stellen und den TäterInnen deutlich zu signalisieren: Ihr werdet nicht durchkommen!

Am Freitag, 15.11.2013 wird es in Pinneberg (18 Uhr Bahnhof) in diesem Sinne eine Demonstration unter dem Motto „Solidarität mit der jüdischen Gemeinde und allen anderen Betroffenen rechter Gewalt“ geben. Die Jüdische Gemeinde Pinneberg wurde auch schon in der Vergangenheit wiederholt Ziel antisemitischer Bedrohungen und Angriffe.


Berichte:

Antifa Pinneberg | FSK | Hamburger Abendblatt | Erklärung DIE LINKE Pinneberg

Rechter Lifestyle in Flensburg – der „Bodynator“

Wir dokumentieren eine Veröffentlichung der Antifa Flensburg [&] Jugendantifa Flensburg:

Recht zentral in der Flensburger Innenstadt, der Toosbüystr. 18, befindet sich der „Bodynator“. Eigentlich ist der Laden auf Nahrungsergänzungsmittel spezialisiert, allerdings findet Mensch dort auch Bodybuilding-Zubehör und Klamotten. Darunter ebenfalls im Angebot: die aus der Neonazi-Szene stammenden Kleidungsmarken „Brachial“ und „Label 23“. Der Inhaber weiß dabei was er verkauft, ihm sind die Firmen und ihre Hintergründe bekannt und ein rechtes Zielpublikum stört ihn ebenfalls nicht.

Brachial

Die Firma Brachial kommt aus Zwickau und wird überdurchschnittlich stark durch Läden der rechten Szene vertrieben. Aus Kreisen der Antifa wurde in der Vergangenheit wiederholt betont, dass die Gründung der Marke „Brachial“ auf Ralf Marschner zurückgeht. Dieser organisierte in den Neunzigern eine Vielzahl von extrem rechten Konzerten und war in der Entwicklung der Zwickauer Neonazi-Szene lange Zeit federführend.

Bis heute gab es keine klare Distanzierung der Firma „Brachial“ von ihrem Image als „Nazimarke“.

Die Firma „Brachial“ unterstützt die extrem rechte Szene indirekt, denn wie Jens Eumann in der Zwickauer „Freien Presse“ vom 29.06.2009 bereits richtig feststellte, wird die Marke sehr oft in „einschlägigen Läden“ verkauft, so zum Beispiel im „Backstreetnoise“ und „Rascal“ (beide Chemnitz), „The Store“ (Pirna), „Sportsfreund“ (Bremen), „Nordland“ (Wilthen), „Phönix“ (Annaberg-Buchholz), „Por Vida“ (Hamburg) und nicht zuletzt in Zwickau selbst im „The Last Resort Shop“.1

Label 23

Politische Aussagen werden auf den Artikeln und in den Werbetexten der Marke nicht explizit gemacht. Meist sind martialische, für den Kampfsportbereich aber durchaus typische Slogans wie „Only the strong survive“, „Stronger than ever“ und „The unbreakable Brotherhood“ aufgedruckt. Einige T-Shirts und Pullover tragen jedoch auch Aufschriften wie „Arise – Bound for Glory“ oder „Sports Squadron“. Was Außenstehende kaum wissen dürften: Eine einflussreiche US-amerikanische Rechtsrock-Band heißt Bound for Glory. „Squadristi“ war wiederum eine Bezeichnung für die „Schwarzhemden“, also die Mitglieder der bewaffneten Kampfbünde des italienischen Faschismus. Auch an dem Zahnrad, das auf einem T-Shirt zu sehen ist, dürften sich Uneingeweihte kaum stören. Im Nationalsozialismus bildete es jedoch zusammen mit dem Hakenkreuz das Symbol der Deutschen Arbeitsfront. Die verbotene Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei bediente sich für ihr Vereinssymbol ebenfalls des Zahnrads. Angehörigen der Naziszene bieten sich also Anknüpfungspunkte.

Dass Label 23/Boxing Connection tatsächlich dem Neonazimilieu entstammt, lässt sich am Inhaber des Markennamens „Boxing Connection“, Markus Walzuck, veranschaulichen. Als Betreiberfirma ist seit einiger Zeit die in Cottbus ansässige „KF Textil Distribution“ mit dem Geschäftsführer Marcel Kascheike im Impressum vermerkt. Vorher hieß die Firma „Tex.Fabrik“, Inhaber war Walzuck. Anfang des Jahres wurde Walzuck zu einer Geldstrafe wegen Volksverhetzung verurteilt. Er war der Bundespolizei im Mai 2011 mit weiteren 17 Personen am Dresdener Flughafen bei der Ausreise nach Spanien aufgefallen, sie hatten T-Shirts getragen mit den Aufschriften „A. H. Memorial Tour 2011– Protectorat Mallorca“ und „Seit 66 Jahren vermisst. Du fehlst uns. Wir brauchen dich“. Das Kürzel „A. H.“ stand für Adolf Hitler, wer von 2011 aus 66 Jahre zurückrechnet, landet in dessen Todesjahr 1945.2

Neben den Verbindungen zur Kampfsport- und Naziszene verfügt Walzuck auch über Kontakte zum Hooliganmilieu. Bis September 2011 galt für den Anhänger des FC Energie Cottbus ein Stadionverbot, das wegen „rechtsextremistischer Handlungen“ gegen ihn verhängt worden war, wie aus einem Bericht des Zeit-Blogs „Störungsmelder“ hervorgeht. Im Brandenburger Verfassungsschutzbericht 2011 wird er als „in der Region bekannter Hooligan“ geführt. Auch eine weitere Verbindung verdient Beachtung: Als das Nazinetzwerk „Spreelichter“ im Juni vom Land Brandenburg verboten wurde, durchsuchte die Polizei auch Walzucks Räumlichkeiten. Die „Spreelichter“ hatten vor allem mit konspirativ organisierten Fackelmärschen Aufsehen erregt. Ganz in Schwarz gekleidet, mit weißen Masken und mit Fackeln in den Händen waren die Neonazis aus dem „Spreelichter“-Netzwerk als die selbsternannten „Unsterblichen“ durch ostdeutsche Kleinstädte marschiert, um gegen den „deutschen Volkstod“ zu protestieren. Die „Spreelichter“ hatten auch mehrfach „nationale Kampfsportturniere“ unter dem Motto „Leben heißt Kampf“ veranstaltet.3

Rechter Lifestyle

Soweit ein kurzer Überblick über die Hintergründe der beiden Marken die im „Bodynator“ vertrieben werden. Beide sind keine offensichtlichen Nazimarken und werden den üblichen Kund_innen wohl auch kaum unangenehm auffallen. Die Außenwirkung der beiden Firmen ist betont unpolitisch.

Die Marken sind allerdings in den lokalen Neonazi-Szenen und Hooligan-Kreisen ein verbreitetes Erkennungsmerkmal, sie werden in extrem rechten Läden bundesweit vertrieben und auch einige Geschäftsmenschen im Hintergrund haben mehr oder minder direkte Kontakte in die Neonazi-Szene. Dadurch werden die Marken Teile eines rechten Lifestyles und unterstützten die rechten Konsumwelten – und dadurch eben auch ganz konkret rechte Aktivitäten.

Das alles sollte Argument genug sein, diese Firmen nicht weiter zu unterstützen.

Wer weiterhin Geschäfte mit der rechten Erlebniswelt machen will und sogar rechte Kundenkreise willkommen heißt, stellt sich offen gegen jegliche Versuche eine emanzipatorische und solidarische Gesellschaft zu verwirklichen.

Rechten Lifestyle brechen – weg mit Brachial [&] Label 23!

Antifa Flensburg
Jugendantifa Flensburg

1 http://dasletzte.blogsport.de/2010/02/18/hintergrund-die-firma-brachial-…
2 http://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2012/01/29/kickboxer-im-hitler-shirt…
3 http://jungle-world.com/artikel/2012/42/46406.html

Rechte Parteien bei Bundestagswahl in Kiel hinter dem Bundestrend

Bei der Bundestagswahl am 22. September 2013 traten im Wahlkreis Kiel mit der „Nationaldemokratischen Partei Deutschlands“ (NPD) und der „Alternativen für Deutschland“ (AfD) auch zwei Parteien des rechten Lagers mit Direktkandidaten und Wahllisten an.

Der NPD-Wahlkampf im Kieler Stadtgebiet hatte sich zuvor wiederholt durch eine kaum vorhandene Wahrnehmbarkeit ausgezeichnet. Ihr einziger öffentlicher Auftritt im Raum Kiel fand bereits am 13. August im Rahmen der Propaganda-Lastwagentour des NPD-Bundesvorstandes unter geringer Beteiligung lokaler Parteianhänger/innen und lautstarkem Gegenprotest statt und Plakate mit geringer Haltbarkeitsdauer tauchten im Stadtbild nur sehr vereinzelt auf. Ansonsten konnten Beobachter_innen lediglich Flyersteckaktionen der Neonazi-Partei in einigen Stadtteilen feststellen.

Anders verhielt es sich mit der als „eurokritisch“ prominent gewordenen und insbesondere medial aufgebauten nationalliberalen AfD, in deren Reihen sich nachweislich auch zahlreiche Nationalist_innen, Rassist_innen und Sozialchauvinist_innen aus dem sogenannten rechtspopulistischem Spektrum sowie homophobe Initiativen tummeln. AfD-Plakate hingen größtenteils unbeschadet im ganzen Stadtgebiet und zahlreiche Infostände und öffentliche Flugblattaktionen sowie einige Abendveranstaltungen im „Haus des Sports“ konnte die erst vor wenigen Monaten gegründete Partei durchführen.

Beide Parteien blieben in Kiel hinter dem Bundes- wie auch dem Landesergebnis zurück. Die NPD konnte im Kieler Wahlkreis bei einer Wahlbeteiligung von 71,4% nur 0,6% der Erst- (786 im Stadtgebiet Kiel/834 mit Randbezirken) und Zweitstimmen (754/802) für sich vereinnahmen. Dies entspricht einem leichten Rückgang an NPD-Wähler/-innen im Vergleich zu den Kommunalwahlen im Mai, als noch 810 Kieler/innen dem NPDler und Ratsmitglied Hermann Josef Andreas Gutsche ihre Stimme gegeben hatten, der auch zur Bundestagswahl als Direktkandidat in Kiel angetreten war. Bundesweit lag das Ergebnis der neonazistischen Partei mit 1,5% der Erst- und 1,3% der Zweitstimmen zwar deutlich höher, fiel im Vergleich zur Bundestagswahl 2009 aber ebenfalls etwas niedriger aus. Landesweit kam die NPD in Schleswig-Holstein wie bei der Landtagswahl 2012 ebenfalls nur noch auf 0,7%, wobei sie die Stimmenanzahl von 9832 auf 11201 etwas erhöhen konnte.

Die AfD um ihren Direktbewerber und Kieler Kreissprecher Arne Stanneck erlangte in Kiel 2,8% der Erst- (3616/4040) und 3,7% der Zweitstimmen (3616/4778) und lag damit unter dem Bundestrend, wo die Partei bei 1,9% der Erst- und 4,7% der Zweitstimmen nur knapp den anvisierten Einzug in den Bundestag verpasste. Im Land entsprach Ergebnis mit 4,6% dagegen fast dem bundesweiten.

In anderen Bundesländern zur Bundestagswahl angetretene andere rechte Parteien wie „DIE RECHTE“, „pro-Deutschland“, „BüSo“ oder „Die Republikaner“ hatten sich in Schleswig-Holstein nicht zur Wahl beworben.

Weitere faschistische Organisierungen in S-H aufgedeckt

Die schlechten Nachrichten für die Neonazi-Szene in Schleswig-Holstein reissen nicht ab: Antifaschistische Recherche-Gruppen veröffentlichten in den letzten Wochen mehrere Hintergrundartikel zum Zustand der hiesigen rechten Strukturen und verweisen auf direkte Verbindungen zwischen Neonazis und Rockergruppen.

Nachdem bereits im letzten Wahlkampf im Rahmen der Kampagne „DIY“ und auf Indymedia Linksunten viele Neonazis im Internet geoutet wurden, legt momentan die Kampagne „An die Substanz!“ weitere Strukuren der umtriebigen rechten Geschäftswelt aus Schleswig-Holstein offen. Durch Veröffentlichungen und Aktionen will die Kampagne „Nazis in die Pleite treiben“ und so Rückzugsraum und Finanzen der Szene angreifen.

In den letzten Tagen brachten zudem Veröffentlichungen der Recherche-Gruppen La Quimera und Enough is Enough weitere Nazi-Strukturen ins Licht der Öffentlichkeit. La Quimera veröffentlichte einen Artikel unter dem Titel „Rechtsrock in Schleswig-Holstein: “Blood and Honour” bei der Dorffeuerwehr“ in dem über Personen und (bundesweite) Verbindungen von Neonazis aus dem Ostholsteiner Raum in die Rechtsrock-Szene berichtet wird.
Die Enough is Enough berichtet derweil über die nach wie vor bestehenden Verbindungen zwischen Bandidos und Nazi-Szene sowie über das Phänomen der so genannten „Bruderschaften“, in denen sich Neonazis auch in Schleswig-Holstein, namentlich in der „Brigade 8“, nach dem Vorbild von Rockergruppen organisieren.

Die somit mal wieder öffentlich gewordenen Verbindungen von militanten Rechtsrockstrukturen, Rockerclubs und rechten Geschäftswelten belegen, dass sich abseits der momentan schwachen öffentlich-politischen Strukturen wie NPD und Freien Kameradschaften/Aktionsgruppen eine vitale Szene von aktiven Neonazis und UnterstützerInnen in Schleswig-Holstein etablieren konnte, die bisher auch seitens antifaschistischer Initiativen zu wenig beachtet wurde.

Rechte Erlebniswelt und Infrastruktur in Kiel und im Kreis Plön

Die Neonazi-Szene Kiels und Umgebung hat in den letzten Jahren einen starken Wandel durchlaufen. Während vor wenigen Jahren noch Strukturen um die militante “Aktionsgruppe Kiel” (AG Kiel) um die Vorherrschaft auf der Straße kämpften und an dem selbst gesetzten gesellschaftlichen Kristallisationspunkt letztlich auch nach kurzem Kampf scheiterten, geben sich die verbliebenen neonazistischen Organisationen äußerlich angepasster und unauffälliger. Dies bedeutet jedoch nicht zwangsläufig eine nachhaltige Schwächung, denn zum einen belegen Wahlergebnisse, dass der gesellschaftliche Nährboden für neonazistische Politik unverändert vorhanden ist und zum anderen wird aus der Region Infrastruktur für zum Teil internationale rechte Kreise gestellt. Demnach steht der weitgehende Zusammenbruch der militanten Straßenbewegung und der desolate Zustand der örtlichen NPD zwar für einen Erfolg stetiger antifaschistischer Arbeit, bedeutet allerdings auch teilweise den bloßen Rückzug in kleinere Zirkel, denn ohne die Aufmerksamkeit durch große öffentliche Auftritte und spektakuläre Übergriffe lassen sich lukrative braune Geschäfte machen und jenseits antifaschistischer oder behördlicher Aufmerksamkeit die Eckpfeiler zukünftiger Politik setzen.

Aus diesem Grund hat die Kampagne “An die Substanz! – rechte Infrastruktur aufdecken – Nazis in die Pleite treiben” das Ziel eben genau jene Strukturen offen zu legen und mit der nötigen antifaschistischen Aufmerksamkeit zu bedenken. Nachfolgend ein Überblick über einige braune Geschäfts- und Erlebniswelten in Kiel und Plön. Getreu dem Motto der Kampagne sind alle Antifaschist_innen aufgerufen weitere Informationen beizusteuern und auch über die gemeinsamen Aktionen hinaus mit eigenen Inhalten und Aktionsformen aktiv zu werden.

Die völkische Neonazi-Szene und ihre Geschäftspraktiken

Insbesondere um die kleine Gemeinde Martensrade im Kreis Plön hat sich ein Zirkel gut vernetzter und vermeintlich intellektueller Neonazis gebildet. Dreh- und Angelpunkt ist das Versand- und Verlagshaus von Dietmar Munier und Gerlind Mörig, deren Aktivitäten unter der “Lesen und Schenken Verlagsgesellschaft” zusammengefasst werden.

Dietmar Munier
Munier ist schon seit Jahrzehnten ein Drahtzieher neonazistischer Aktivitäten und dementsprechend ist seine Vita durchzogen von Kontakten zu vielfältigen rechten Strukturen und Personen, weshalb hier nur beispielhaft einige genannt werden. Früher betrieb Munier eine Buchhandlung am Dreiecksplatz in Kiel, zeitweilig zusammen mit dem inzwischen verstorbenen Thies Christophersen, einem ehemaligen SS-Angehörigen, der in einer Versuchsanstalt für Pflanzenschutz der SS nahe dem KZ Auschwitz eingesetzt war. Über Christophersen bestand auch der Kontakt zu dem Rechtsterroristen Manfred Roeder und dem Holocaustleugner Ernst Zündel, zuletzt 2012 Gast auf Muniers Kastanienhof anlässlich einer Sonnenwendfeier. Neben seinen publizistischen Aktivitäten engagiert sich Munier seit langem in völkisch-neonazistischen Erziehungsmethoden und Gebietsrevisionismus. So ist er in Russland mit einem Einreiseverbot belegt, denn er verfolgt mit verschiedenen Initiativen und Vereinen die “Wiederansiedlung” von vermeintlichen “Deutschen” in Russland. Der wichtigste dieser Vereine wird unten noch thematisiert. Vor allem durch seine Aktivitäten im ehemaligen Ostpreußen hat sich Munier über die “Vertriebenen”-Szene ein weites Kontaktnetz auch über seinen angestammten Neonazismus hinaus geschaffen. So gilt er trotz bester Kontakte zu militanten Neonazis als vertrauenswürdiger Funktionär und Wohltäter quer durch neurechte und konservative Kreise, bis hin zu Teilen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Die “Lesen und Schenken Verlagsgesellschaft” ist nach dem Niedergang des NPD-Hausverlags “Deutsche Stimme” der mutmaßlich einflussreichste deutschsprachige Verlag mit explizit neonazistischer Ausrichtung. In dem unübersichtlichen Verlagsgeflecht werden diverse faschistische Schriften und Devotionalien produziert und vertrieben. Augenfällig ist insbesondere die Strategie hinter den bekanntesten Formaten “Zuerst!”, “Deutsche Militärzeitschrift” (DMZ) und “Der Schlesier”. Alle eint eine eindeutig positive Bezugnahme auf den Nationalsozialismus und die Beteiligung neonazistischer Autor_innen. Gleichzeitig werden die Inhalte, im Unterschied zu vielen anderen Neonazi-Schriften, professionell aufbereitet und wird in Layout und Inhalt auf explizite subkulturelle Szene-Codes der klassischen Neonazis verzichtet. Auch kommen Autor_innen der Neuen Rechten zu Wort. So werden die erwähnten Schriften auch über ohnehin schon politisierte eigene Kreise hinaus als “Fachzeitschriften” wahrgenommen, schließlich gelten die Analysen militärischer Strategien in der DMZ bei Militärangehörigen als zutreffend, die “Vertriebenen” betrachten den “Schlesier” als ihr Sprachrohr und rechtskonservative Kreise beziehen sich schon einmal auf “Zuerst!”. Dementsprechend hoch sind die Auflagen, “Zuerst!” hatte eine Erstauflage von 86 000 Exemplaren, “Der Schlesier” soll eine wöchentliche Auflage von 12 000 Stück haben. An diesem für Neonazis ungewohnt lukrativen Geschäft verdienen auch andere kräftig mit. So ist sich der bekannte Bauer-Verlag nicht zu schade, den Vertrieb für “Zuerst!” zu übernehmen. Zu dem Martensrader Publikationshaus gehören verschiedene Verlage und Vertriebe, wobei die “Lesen und Schenken Verlagsgesellschaft” eineManuel Ochsenreiter übergeordnete Rolle spielt, so läuft die Infrastruktur (Fuhrpark, Webseiten) unter dem Dach von “Lesen und Schenken”. Weitere Namen aus dem Geflecht sind “Arndt-Verlag”, “Nation [&] Europa”, “Orion-Heimreiter-Verlag” oder “Fortuna-Buchservice”. Als Mitarbeiter_innen und Redakteur_innen sind schon viele aus dem Personenkreis der Neuen Rechten oder dem organisierten Neonazismus in Martensrade tätig gewesen. Redaktionelle Hauptfigur ist Manuel Ochsenreiter, Chefredakteur der wichtigsten Publikation “Zuerst!”. Ochsenreiter ist omnipräsent auch in anderen Publikationen aus Muniers Verlagen und tritt als Referent auf. Strategisch positionieren Ochsenreiter und Munier “Zuerst!” zwischen der Bedienung der angestammten Klientel, so nimmt “Zuerst!” an Fachmessen für rechte Publizistik teil, wie 2012 am “Zwischentag” der Zeitschrift “Sezession”, und einem weltpolitischen Anstrich. Ochsenreiter reist regelmäßig in den nahen Osten und versucht sich dort als vermeintlich seriöser Korrespondent, wobei das Resultat meist doch nur einschlägige Erlebnisberichte für Neonazis und Militaristen sind. So ließ sich Ochsenreiter 2008 auf einem von der Hisbollah abgeschossenen Panzer der Israelischen Armee ablichten und aktuell füllt er die Martensrader Formate mit seinen Berichten aus Syrien. Jüngst für Aufsehen sorgte “Zuerst!”, als es zur Urlaubssaison die zehn schönsten “Deutschen” Reiseziele benannte, von denen ein guter Teil nicht in den heutigen Grenzen Deutschlands liegt. Auf seinem früheren Posten als Chefredakteur von der “Deutschen Militärzeitschrift” wurde Ochsenreiter von Guido Kraus beerbt.

Antifaschist_innen fällt das Martensrader Verlagshaus auch immer wieder im Zusammenhang mit der örtlichen Neonazi-Szene auf. Insbesondere die NPD hat über ihren bei Munier angestelltenJens Lütkestellvertretenden Landesvorsitzenden Jens Lütke gute Kontakte zu dem Verlagshaus. So können Firmenwagen für Aktionen der Neonazi-Szene genutzt werden, kann Lütke auch immer wieder Parteiarbeit während seiner Arbeitszeit verrichten, bekommt für Aktionen frei und fungiert das Martensrader Verlagshaus als interne Kontaktadresse der NPD. Über den finanziellen Zusammenhang zwischen Munier und der NPD ist noch nicht alles bekannt, direkte Förderung über Spenden liegt im Bereich des Möglichen und das Ausmaß der stattfindenen indirekten Förderung (Fuhrpark, Räumlichkeiten, Arbeitszeit, sonstige Infrastruktur) dürfte auch noch nicht in Gänze bekannt sein.

Das Anwesen in Martensrade umfasst Wohngebäude, Ställe, Verlagsgebäude und Druckerei. Unter dem Schutz eines Wachturms entstand eine braune Parallelwelt, deren Strukturen trotz des großen Bekanntheitsgrades weitgehend intransparent sind. Neonazis können sich in dem kleinen Ort abgeschieden von der kritischen Öffentlichkeit vernetzen und ideologische wie wirtschaftliche Grundlagen für verschiedene Bereiche rechter Politik legen.

Die Neonazi-Szene betrachtet die “Lesen und Schenken Verlagsgesellschaft” zwiegespalten. Angerechnet wird Munier, dass er sich trotz der großen Bekanntheit nie distanziert hat von den klassischen neonazistischen Spektren um NPD und Kameradschaften. Im Gegenteil stellt Munier Neonazis immer wieder Treffpunkte, Fahrzeuge, Arbeitsplätze und vermutlich Geld zur Verfügung. Auch genießen die Führungspersonen der Kreise um Munier ein hohes Ansehen, schließlich haben diese erreicht wovon die schlecht organisierten und zerstrittenen Milieus der Kameradschaften oft nur träumen können: Gut vernetzte und über Jahrzehnte etablierte Strukturen, die auch eine praktische politische Relevanz jenseits des “Kampfes um die Strasse” haben. Andererseits wird der “weichgespülte” inhaltliche Kurs der Martensrader Publikationen kritisiert. Teile der Neonazis fordern außerdem eine Aufklärung der Rolle Tino Brandts, V-Person des “Verfassungsschutzes” und mutmaßliche Schlüsselperson im “NSU”-Komplex. Dieser hatte vor seinem Outing als V-Person bei dem “Zuerst!”-Vorläufer “Nation [&] Europa” gearbeitet. Gerade weil Munier damals offiziell noch nicht an der Publikation beteiligt war, verwundert sein mangelnder Aufklärungswillen einige Neonazis. Stimmen in der Szene mutmaßen, dass der “Verfassungsschutz” weitreichenderen Einfluss auf rechte Publizistik hatte als allgemein bekannt und auch der “NSU”, über den Multifunktionär Tino Brandt, in diesem Netzwerk eine Rolle spielen könnte.

Als einer der engsten Vertrauten Muniers bei der Umsetzung seiner politischen Ziele gilt Henning Pless. Die neonazistischen Aktivitäten von Pless wurden vomHenning Plessantifaschistischen Recherche-Portal La Quimera ausführlich beschrieben. An dieser Stelle deshalb nur einige grundlegende Informationen, für eine Vertiefung sei der oben genannte Artikel empfohlen. Pless ist Vorsitzender des “Schulvereins zur Förderung der Russlanddeutschen in Ostpreussen e.V”, einem von Munier gegründeten Verein der versucht über eine Schule und diverse Kulturveranstaltungen “Deutsche” Traditionen in dem Dorf Jasnaja Poljana (ehemals Trakehnen) zu reaktivieren. Früher war Pless 1. Bundesführer der “Heimattreuen Deutschen Jugend”, einem völkischen Jugendverband, der aufgrund seiner offensichtlichen Anlehnung an die “Hitler-Jugend” verboten wurde. Damals schon galt Dietmar Munier als treibende Kraft im Hintergrund. So übernimmt Henning Pless immer wieder Aufgaben neonazistischer Politik als Vertrauensperson von Munier. Aktuell organisiert er dessen “Lesertreffen”, die sich zu einem der wichtigsten Zusammenkünfte der verschiedenen rechten Strömungen im deutschsprachigen Raum entwickelt haben. Dort treffen neben Neonazis auch Militaristen, Neue Rechte und “Vertriebenen”-Verbände zusammen um jenseits großer öffentlicher Aufmerksamkeit Strategien rechter Politik zu diskutieren. Diese Vernetzungstreffen der Deutschen Rechten werden offiziell von Pless´ “Schulverein” ausgerichtet. Referent_innen berichten zu einschlägigen Themen, so referierte 2012 “Zuerst!”-Chefredakteur Manuel Ochsenreiter im neonazistischen Duktus über “Medien-Manipulationen”, Alfred Mechtersheimer sprach über “Deutschland als Friedensmacht” und Dmitrij Chmelnizki gab seine Thesen zu “Stalins Angriffskrieg” zum Besten. Für einen Überblick über das Treffen 2013 sei wiederum ein Blick in den La Quimera-Artikel empfohlen.

Privat und beruflich lebt Pless ein, im Vergleich zu anderen langjährigen neonazistischen Funktionären, unauffälliges Leben. Er nimmt nicht an Demonstrationen und Übergriffen der Szene teil, betreibt mit dem “Heilcentrum Pless” eine vermeintlich seriöse Heilpraxis mitten in der Kieler Innenstadt und pflegt sein Image als Wohltäter für die Sache der “Vertriebenen”. So richteten der CSU-Bundestagsabgeordnete Norbert Geis und das ehemalige Mitglied der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Ortwin Lowack Grußworte an den “Schulverein” anläßlich der Jahreshauptversammlung 2012, die im Rahmen des “Lesertreffens” in Weißenstein (Bayern) stattfand. Persönlich an Pless lobte Ortwin Lowack dessen “Idealismus, positive Lebenseinstellung und vorbildhafte Arbeit” die “den jungen Menschen in Ostpreußen eine neue (oder alte?) kulturelle und geistige Perspektive und Tiefe” vermitteln könne. Dieses Statement verdeutlicht einmal mehr die Gefährlichkeit von Henning Pless und Dietmar Munier, denn trotz ihrer explizit neonazistischen Ausrichtung haben sie durch den Verzicht auf militanten Szene-Habitus Fürsprecher bis in den Bundestag gewinnen können.

Weitere rechte Publizistik

Etwas weniger bekannt aber nicht minder beachtenswert ist der Kieler “Regin-Verlag” um Dietmar Sokoll. Der Verlag des ehemaligen Burschenschaftlers Sokoll (“Alte Hallesche Burschenschaft Rhenania-Salingia zu Düsseldorf”, einer Verbindung des Rechtsaußen-Dachverbands “Deutsche Burschenschaft”) verlegt und vertreibt diverse rechte Literatur. So verlegte der “Regin-Verlag” Werke in Andenken an rechte VordenkerInnen wie Oswald Spengler oder Savitri Devi. Auch aktuelle AutorInnen sind der Neuen Rechten oder dem Neonazi-Spektrum zuzuordnen. Schlagzeilen machte der Verlag 2013, als er ein Werk über “Inselfaschismus” des Autors Eric Fröhlich ankündigte. Das Werk wird im Spätsommer erwartet. Fröhlich war eine Führungsfigur der “Nationalen Sozialisten Chemnitz” und stand der “Weißen Bruderschaft Erzgebirge” nahe. So nahm er mit wichtigen UnterstützerInnen der “NSU”-TerroristInnen an Szene-Veranstaltungen wie paramilitärischen Märschen teil. Außerdem soll er zu Ralf Wohlleben, mutmaßlicher Hauptunterstützer der neonazistischen Terrorzelle, Kontakt gehalten haben, weshalb sich auch die Bundesanwaltschaft im Rahmen des “NSU”-Verfahrens für ihn interessiert.
Der “Regin-Verlag” wurde im April 2013 vom NDR in einem Beitrag thematisiert.


Geschäfte der militanten Szene


Das aktuell bekannteste voTimo Räweln Neonazis betriebene Geschäft Kiels ist “PLS-Werkzeuge” (“PLS” = “Polenschlüssel”) am Vinetaplatz. Unter dem rassistischen Namen werden von Personen aus der Mischszene zwischen militanten Neonazi- und “Bandido”-Strukturen Einbruchswerkzeug und Bewaffnung vertrieben. Die Hintergründe des Geschäfts wurden im Januar von La Quimera beschrieben, weshalb wir darauf aufbauend hier nur einige aktuelle Entwicklungen beleuchten werden. Das Geschäft hat im Moment Montag bis Freitag ab 10.00 Uhr bis nachmittags geöffnet. Der Hauptakteur Alexander Hardt hat, nachdem die Geschäftsführung im Nachgang der Veröffentlichung der neonazistischen Hintergründe schon einmal wechselte, aktuell wieder den Posten des Geschäftsführers übernommen. Er selbst ist seit einem Umbau vor einigen Wochen seltener im Geschäft anzutreffen, stattdessen haben Kieler Neonazis um Timo Räwel und Tobias Schulz die Verantwortung vor Ort übernommen. Bei dem Umbau half auch Timo Räwels BrudeAndy Räwelr Andy Räwel. Die Neonazis geben sich zunehmend aggressiv, zeigen oft mit mehreren Personen Präsenzvor dem Laden und bedrohen Menschen. Die Aufteilung der Verantwortung zwischen verschiedenen Neonazis spricht zum einen für eine wirtschaftliche Etablierung, zum anderen für eine Absicherung des Geschäfts in Anbetracht der drohenden Inhaftierung von Hardt. Weiterhin unklar ist die Rolle Peter Borcherts, zigfach vorbestrafter neonazistischer Gewalttäter und ehemaliger NPD-Landesvorsitzender, der vermutlich in einigen Monaten aus der Haft entlassen wird. Bei der Eröffnung firmierte Borchert mit auf dem Klingelschild am Geschäft. Eine Möglichkeit besteht darin, dass “PLS-Werkzeuge” als braunes Resozialisierungsprojekt für Borchert vorgesehen ist und sich Borchert aus der Haft kommend und der mit Haft bedrohte Hardt buchstäblich die Klinke in die Hand geben. Borchert verbindet eine längere Geschichte mit dem Kieler Stadtteil Gaarden, in welchem der Vinetaplatz liegt. Bei früheren Versuchen sich in Gaarden zu etablieren musste er stets nach teils heftigen Auseinandersetzungen mit Antifaschist_innen den Stadtteil wieder verlassen. Eine mögliche aktive Rolle Borcherts bei “PLS” würde also für eine Eskalation der Lage sprechen.

Unauffälliger aber nicht weniger explizit neonazistisch ist der Versandhandel “Support Wear” von Matthias Kussin. Die dahinter stehende Firma “MK-Service” (“MK” = Matthias Kussin) betreibt unter den Namen “Asathor-Auktion”, “Support-Wear”, “Aryan Blood Records” und “Amalek-Textilien” Produktion und Versand von Artikeln für die militante Neonazi-Szene. Die Aufmachung der Produkte und Webseiten ist eindeutig nationalsozialistisch und beworben wird das Geschäft auf einschlägigen Portalen wie “Altermedia”. Um die Bindung an die Kameradschaftsszene unter Beweis zu stellen, wurde beispielsweise zu dem neonazistischen “Tag der Deutschen Zukunft” ein Sonderverkauf mit Solidaritätsbeitrag veranstaltet. Ansässig ist der Versandhandel an der Privatadresse von Kussin im Göteborgring in Kiel-Mettenhof.
Hinter dem Namen Matthias Kussin verbirgt sich Matthias Lehnecke, früherer NPD-Kandidat und neonazistischer Gewalttäter aus Kiel. Lehnecke betrieb früher den “Ruf des Nordens”-Versandhandel, dessen Emailadresse immer noch als Kontaktadresse von “MK-Service” genutzt wird. Verheiratet ist Matthias mit Melanie Kussin, langjährige Aktivistin des Kieler Kameradschaftsspektrums und mit guten Kontakten zu “Club88″-AktivistInnen um Christiane Dolscheid, Frank Rieckmann oder Michael Denz, deren Nachnamen er annahm.

Neonazistische Urlaubswelten

Ein besonderes Beispiel für gesellschaftliche Verankerung auf der einen und neonazistische Politik auf der anderen Seite ist Eckart August. Öffentlich gibt sich August als familienfreundlicher Betreiber des “Eselpark Nessendorf” im Kreis Plön. Das Konzept ist aufgegangen: Der Eselpark wird omnipräsent im ganzen Bundesland als Ausflugsziel beworben und auch Ausflugstipps von großen Medien und Tourismusindustrie weisen oft auf den Betrieb der Familie August hin.

Antifaschist_innen stellt sich jedoch ein ganz anderes Bild der Szenerie dar. Eckart August ist bekannt für sein langjähriges Engagement in der NPD und soll auch finanziell der klammen Neonazi-Partei schon das eine oder andere Mal ausgeholfen haben. Jüngst in die Schlagzeilen geriet August, als bekannt wurde, dass der “NSU” im Urlaub auf seinem Eselpark zu Gast war. Dies ist kein Beweis dafür, dass August wusste es mit der untergetauchten neonazistischen Terror-Zelle zu tun zu haben, allerdings gibt es viele Hinweise, dass die Gruppe um Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt sich ihre GastgeberInnen sehr sorgfältig aussuchte. So häuften sich Anschläge in Regionen wo Kontaktpersonen der drei Terroristen lebten und auch Anschlagspläne für Schleswig-Holstein wurden bekannt. Die TerroristInnen machten gern Urlaub im nahen Fehmarn und besuchten anscheinend auch Szene-Veranstaltungen in Schleswig-Holstein. Da entsprechend des Vorgehens in anderen Regionen auch für die Aktivitäten im Norden Deutschlands mutmaßlich örtliche Unterstützung vorhanden war, bleiben an August als eine der wenigen belegten Kontaktpersonen einige Fragen offen, die dieser wohl nie beantworten wird.

It’s up to you!

Dies war kurzer Einblick in neonazistische Geschäftswelten in Kiel und Umgebung. Auch wenn sicherlich die prominentesten Beispiele aufgeführt wurden, entziehen sich viele kleine und große Rückzugsräume der Neonazis oft der kritischen Öffentlichkeit. Um den Namen der Kampagne “An die Substanz!” auch Programm werden zu lassen, rufen wir alle Antifaschist_innen auf, zu helfen neonazistische Infrastruktur aufzudecken und gegen bekannte rechte Geschäfte aktiv zu werden. Teilt uns eure Informationen mit und organisiert euch!

Versalzen wir die braune Brühe! Nazi-Läden zu Autonomen Zentren, Nazis zu Pleitegeiern und rassistische Schundblätter ins Klo!

andiesubstanz.noblogs.org

Kiel: Antifa-Fahrradtour geht an die Substanz

Am frühen Abend des gestrigen Donnerstags, den 29. August 2013, führten Antifaschist_innen im Rahmen der Kampagne “An die Substanz! Rechte Infrastruktur aufdecken – Nazis in die Pleite treiben!” eine Fahrradtour im Kieler Stadtgebiet durch und machten Station an insgesamt drei Objekten, die sich der rechten Geschäftswelt zurechnen lassen. Im Fokus öffentlichkeitswirksamer Aktionen standen das “Heilcentrum Pless” in der Innenstadt, der “Support-Wear”-Versand in Mettenhof und “PLS-Werkzeuge” in Gaarden.


Vor Matthias Kussins Wohnhaus in Kiel-Mettenhof


Die Auftaktaktion der Tour fand beim renommierten “Heilcentrum Pless” am Kleinen Kuhberg statt. Betreiber der politisch unscheinbaren und etablierten Heilpraxis ist der seit Jahrzehnten aktive Protagonist des bundesweiten völkischen Neonazismus Henning Pless, der in den 1990ern z.B. Vorsitzender der mittlerweile verbotenen “Heimattreuen Deutschen Jungend” war und sich bis heute in Kreisen der Vordenkerschaft und Publizistik der völkischen Rechten im Umfeld des Martensrader Großverlegers Dietmar Munier sowie im Bereich des Gebietsrevisionismus engagiert.

Nachdem kritische Medien und antifaschistische Initiativen die neonazistischen Hintergründe Henning Pless’ bereits mehrfach thematisiert hatten, wurde dieser nun erstmalig Ziel antifaschistischer Proteste in und im Umfeld seiner Praxis. Gegen 16.30 Uhr betrat eine Delegation des “Vereins zur Schließung neonazistischer Infrastruktur in SH” die Praxis, um Henning Pless für besondere Leistungen im Laufe seiner langjährigen Karriere im braunen Netzwerk zu ehren und ihm eine entsprechende Urkunde zu überreichen. Nachdem seine Vorzimmerdame auf das Gesuch, den Praxisbetreiber persönlich anzutreffen, zunächst auf einen Termin pochte, sich die Delegation ob des gewünschten Überraschungseffektes aber nicht einfach abwiegeln lassen wollte, erschien Pless selbst tatsächlich im öffentlichen Bereich der Praxis. Obwohl dieser eine kurze Zeit um Professionalität bemüht schien, verweigerte er sich dann zur Enttäuschung der Delegierten doch der Urkundenübergabe, hielt seine Sekretärin zum Polizeiruf an und verschwand hektisch in einem Hinterzimmer. Die Urkunde wurde trotzdem nebst zahlreicher Flugblätter in der Praxis zurückgelassen. Zwei anwesende Kundinnen, denen die politischen Hintergründe Pless’ bis dahin offenbar nicht bekannt waren, zeigten sich interessiert an der neuen Erkenntnis.

Zeitgleich zum Besuch in der Praxis hielten etwa 25 Aktivist_innen vor der Praxis eine Kundgebung ab und verteilten Flugblätter, die auch die Nachbarschaft des “Heilcentrum Pless” über die Hintergründe der zeitlich parallel erfolgten unrühmlichen Ehrung informierte. Erst an deren Ende erschien die alarmierte Polizei, die sich in Anbetracht ihrer Unterbesetzung zu diesem Zeitpunkt jedoch noch zurückhielt. Sie begnügte sich damit, einen größeren Pulk Radfahrer_innen zu verfolgen, der sich nach planmäßiger Beendigung der Aktion gemeinsam vom Ort des Geschehens entfernte.

Dass es dabei nicht bleiben sollte, zeichnete sich bereits ab, als die Einsatzfahrzeuge, die die mutmaßlichen vorherigen Kundgebungsteilnehmer_innen nicht ohne Mühen versuchten im Blick zu behalten, sich vermehrten und sogar eine Zivilstreife durch den Schrevenpark rollte, während die Radfahrer_innen ihren Weg unbeeindruckt fortsetzten. Die kurzzeitige Ruhepause vor dem staatlichen Überwachungsdrang, die sich einstellte, als die Reisegruppe den autoberuhigten Eichhof durchquerte, kam abrupt zu einem Ende, als eine weitere herbeieilende Besatzung Bereitschaftspolizist_innen in letzter Minute mit einem nicht ungefährlichen Einparkmanöver, das kaum der Straßenverkehrordnung entsprochen haben dürfte, den Friedhofsausgang Kronshagen kurzerhand zuparkte und einen Teil der Fahradfahrer_innen am passieren hinderte. Anschließend wurden etwa ein Dutzend Radfahrer_innen auf dem Friedhofsgelände hektisch eingekesselt, ihre Personalien überprüft und fotografiert. Dies wurde nachträglich mit einem vermeintlichen Hausfriedensbruch in der “Heilpraxis Pless” begründet. Auch hier ist überaus fragwürdig, wie der offensichtlich völlig konfuse Einsatz mit der Friedhofsordnung, genauso wie mit dem kirchlichen Hausrecht zu vereinbaren ist. Gleichsam unverschämte wie absurde Drohungen von Polizist_innen gegenüber einer Betroffenen, die in Begleitung ihres Kindes unterwegs war, dieser das Sorgerecht nehmen zu wollen, taten ihr übriges, um den Einsatz selbst unter Berücksichtigung diverser negativer Erfahrungswerte mit der Kieler Polizei als völlig maßlos bewerten zu müssen. Nach Abwicklung der Überprüfungen drohte die Polizei mit Ingewahrsamnamen, falls “ähliche Vorfälle sich wiederholen würden”, verzichtete aber auf eine weitere Verfolgung der Radfahrer_innen.

Nichtsdestotrotz kam es gegen 18 Uhr zu einer weiteren antifaschistischen Aktion gegen einen Kieler neonazistischen Gewerbetreibenden. Vor einem Mehrfamilienhaus im Göteborgring im Stadtteil Mettenhof wurde vor der Privatwohnung des langjährigen Neonazis Matthias Kussin, vormals Lehnecke, eine Kundgebung abgehalten. In einem Redebeitrag und auf verteilten Flugblättern wiesen etwa 20 Antifaschist_innen darauf hin, dass dieser von gleicher Adresse aus, u.a. mit dem Mailorder “Support-Wear”, die Neonazi-Szene mit einschlägigen Klamotten, Tonträgern und sonstigen Accessoires versorgt. Hier war die Resonanz sowohl der Passant_innen, als auch im daneben liegenden Imbiss und von Nachbar_innen auf den angrenzenden Balkons durchweg positiv, was sich durch Applaus und in Gesprächen äußerte. Das braune Business in der Nachbarschaft schien auch hier bisher weitestgehend unbekannt gewesen zu sein. Der Besuch bei Kussins “Support-Wear” konnte ungestört und planmäßig beendet werden und die Beteiligten verließen geschlossen per Rad die Gegend.

Als dritte und letzte Station wurde etwa eine Stunde später der Laden von “PLS-Werkzeuge” am Vinetaplatz in Gaarden angefahren, das bisher wohl prominenteste und am ausgiebigsten thematisierte Kieler Beispiel für Geschäfte mit Verwicklungen in die rechte Szene. Das Geschäft vor allem für Bewaffnung und Einbruchswerkzeuge existiert in dieser Form seit Dezember 2012 und wird betrieben von Alexander Hardt aus Neumünster, der im Laufe des letzten Jahrzehnts durch seine Aktivitäten im militanten Kameradschaftsspektrum zunächst in Ostholstein und seit einigen Jahren in Neumünster als Neonazi bekannt geworden ist. Zuletzt gehörte er zum Umfeld des dortigen Szenetreffpunkts “Club88″ und tritt seit längerem zudem als Mitglied der Rockergang “Bandidos” auf. Zu seinen Mitarbeitern zählen desweiteren die Kieler Neonazis Timo Räwel und Tobias Schulz, die bereits im Zusammenhang mit den zunehmend inaktiven “Freien Nationalisten Kiel” aufgefallen sind. Der Laden stand in diesem Jahr bereits wiederholt im Fokus von antifaschistischer Öffentlichkeitsarbeit, Straßenprotesten und anderen Aktionen, die das Ziel der Schließung des Ladens im durch Migration geprägten Stadtteil verfolgten.

Nachdem wiederum etwa 20 Aktivist_innen mit Fahrrädern auf dem Vinetaplatz Halt gemacht hatten, wurden vor dem geschlossenen Laden ein Transparent entrollt, ein Redebeitrag verlesen und Flugblätter in der belebten Umgebung verteilt. Währenddessen wurden zudem zahlreiche antifaschistische Aufkleber an der Ladenfassade angebracht. Im Laufe der Kundgebung kam es wiederholt zu Unmutsbekundungen in Richtung der Antifaschist_innen, die zunächst noch als Ausdruck eines allgemeinen Ordnungsfetischismus ob der Stickeraktion eingeordnet werden konnten, sich jedoch in der anschließenden Dynamik schnell mit Sympathiebekundungen für die Ladenbetreiber vermischten. Diese Situation verdeutlichte recht unschön, was gleichzeitig in dem Redebeitrag thematisiert wurde. Nämlich, dass es Hardt und seinem Umfeld bei Teilen seiner Nachbarschaft durchaus gelungen ist, sich durch Zurückhaltung und teils Leugnung ihres nachweisbaren rechten Backgrounds als freundliche und vertrauenswürdige Geschäftsleute zu etablieren. Dass dies freilich nicht überall der Fall ist, zeigten andere Reaktionen, die gestern jedoch leider nicht zu den lautstärksten gehörten.

Nachdem sich die Aktivist_innen nach Beendigung der Aktion wieder entfernt hatten, rollten umgehend vier Wagenbesatzungen Polizist_innen an, die einzelne vermeintliche Antifaschist_innen über den Vinetaplatz jagten, wobei sie teils von Aktiv-Bürger_innen unterstützt wurden, und anschließend wahllose Personenkontrollen durchführten. Auch zwei offenbar alarmierte und sichtlich wütende, zum Laden gehörige, Neonazis, darunter Schulz, trafen einige Zeit später vor Ort ein und begannen mit der Beseitigung der antifaschistischen Zurücklassungen an ihrer Fassade.

Insgesamt kann die antifaschistische Fahrradtour als Auftaktaktion der “An die Substanz!”-Kampagne als gelungen bewertet werden. Insbesondere die Präsenz bei den bisher aktionistisch unbehelligt gebliebenen neonazistischen Gewerbetreibenden Pless und Kussin dürfte seine Wirkung nicht verfehlt haben. Ihnen wird die Erledigung ihres Geschäftsbetrieb nun wohl ungleich weniger entspannt von der Hand gehen als zuvor, wo sie aus der Anonymität agieren konnten und nicht mit unerwünschtem Besuch rechnen mussten. Die Erfahrungen am Vinetaplatz haben dagegen das bestätigt, was Antifaschist_innen seit jeher befürchtet und in der letzten Zeit verstärkt beobachten konnten: Dass sich “PLS-Werkzeuge” mitten in Gaarden eben nicht nur Feinde gemacht hat, was die Betreiber vor allem ihrer opportunistische Strategie im Umgang mit ihren Verwicklungen in die Neonazi-Szene zu verdanken haben. Einer weiteren Festsetzung von Hardt und seinem Anhang in Gaarden muss daher umso dringlicher entgegen gewirkt werden, wobei die konkrete Vorgehensweise der Gemengelage entsprechend wohlüberlegt sein sollte. Die Kampagne “An die Substanz!” bietet einen Rahmen, in dem antifaschistische Arbeit nicht nur gegen “PLS”, sondern gegen alle anderen zahlreichen Objekte neonazistischer Infra- und Geschäftsstruktur in Schleswig-Holstein, auch in den kommenden Wochen ausdrücklich auch eigeninitiativ stattfinden kann. Dazu sind alle Antifaschist_innen herzlich und mit Nachdruck eingeladen.


Kundgebung vor dem “Heilcentrum Pless”


…die ersten Polizist_innen erscheinen, sichtlich überfordert

Kundgebung in Mettenhof


Kundgebung in Mettenhof


Aktion vor “PLS-Werkzeuge” am Vinetaplatz in Kiel

Aktion vor “PLS-Werkzeuge” am Vinetaplatz in Kiel

andiesubstanz.noblogs.org

Start der Kampagne “An die Substanz!”

Wir dokumentieren einen Beitrag von andiesubstanz.noblogs.org:

In Schleswig-Holstein startet in diesen Tagen die Kampagne “An die Substanz – rechte Infrastruktur aufdecken – Nazis in die Pleite treiben”. Verschiedene antifaschistische Gruppen rufen in diesem Zusammenhang dazu auf, rechte Rückzugsräume und Geschäftswelten aus der Deckung zu holen und anzugehen. Neben den gemeinsamen öffentlichen Aktionen in den nächsten Monaten können sich alle Antifaschist_innen, die sich als Teil der Kampagne begreifen wollen, mit ihren eigenen Inhalten und Aktionsformen einbringen.

Aktuelle Informationen zu der Kampagne gibt es regelmäßig auf dem Blog andiesubstanz.noblogs.org. Dort gibt es auch eine Übersicht über rechte Geschäftswelten in Kiel, Plön und Neumünster. Eine Broschüre und weiteres Material wird in Kürze an mehreren Orten ausliegen.

In den nächsten Tagen folgen Hintergrundberichte zur Situation rechter Geschäfte in Neumünster und im Großraum Kiel.

Im Folgenden noch der Aufruf zu der Kampagne:

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An die Substanz:

Rechte Infrastruktur aufdecken – Nazis in die Pleite treiben!

Nach den Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein vom 26. Mai 2013 mussten Antifaschist_innen zähneknirschend zur Kenntnis nehmen, dass es neofaschistischen Wahllisten landesweit in insgesamt drei Städten und einem Kreis gelungen war, Kandidaten für die nächsten fünf Jahre in Rathäuser und Kreistage zu schicken. Dies gelang ihnen, obwohl es kaum wahrnehmbaren Wahlkampf gab und Kandidaturen von Neofaschisten sich auf wenige Regionen beschränkten.

Vier rechte Kommunalwahl-Mandate 2013
In Kiel schaffte NPD-Ratsherr Hermann Gutsche den Wiedereinzug ins Rathaus, diesmal angetreten auf der Tarnliste WaKB („Wahlalternative Kieler Bürger“). In Neumünster zog Mark Proch für die NPD in die Ratsversammlung ein, im Kreis Herzogtum-Lauenburg gelang es dem kurz vor der Wahl aus der NPD ausgetretenen Kay Oelke mit der Splittergruppe “Rechtsstaatliche Liga” seinen Sitz im Kreistag zu verteidigen und ins Geesthachter Rathaus einzuziehen. Trotz teilweise sinkender Wähler_innenzahlen lautet die nüchterne Bilanz aus antifaschistischer Perspektive am Wahlabend, dass neofaschistische Bewerber in Schleswig-Holstein die Anzahl ihrer kommunalen Parlamentarier im Land von zwei auf drei bzw. vier zu erhöhen konnten.

Der stete Niedergang neofaschistischer Politik-Strukturen in Schleswig-Holstein
Unweigerlich drängt sich in Anbetracht dessen die Frage auf, welche Schlüsse Antifaschist_innen daraus ziehen müssen, wenn es dem Rechtsaußenlager gelingt, ein erfolgreiches Wahlergebnis zu erzielen, vor allem angesichts der niedrigen Erwartungen im Vorfeld und der allgemein desolaten Verfassung. Zur Erinnerung: Die Schleswig-Holsteinische NPD und ihre Umfeldstrukturen befinden sich seit einigen Jahren im stetigen Niedergang. Im letzten Jahr (2012) war die Neonaziszene so schwach organisiert, dass ihr Mobilisierungspotenzial auf der Straße kaum einmal den dreistelligen Bereich bei entsprechenden Aktionen erreichte. Die NPD demonstrierte ihre Unfähigkeit dann eindrucksvoll am 1. Mai in Neumünster, als ihre Demoroute von hunderten Antifaschist_innen blockiert wurde und eine eigenmächtig gewählte Ausweichroute nach wenigen hundert Metern im Polizeigewahrsam endete.

Die öffentliche Präsenz von organisierten Neonazis beschränkt sich aktuell daher auf wenige, in der Regel unangekündigte Stände und Kleinstkundgebungen, die meist auf Dörfern und in Kleinstädten durchgeführt werden. Beunruhigende Ausnahmen waren nicht-explizit neonazistische Aufmärsche zum Thema sexueller Missbrauch von Kindern, die 2012 in Leck und Neumünster von Rechten, darunter besagter NPD-Neu-Ratsherr-Mark Proch, angeführt wurden und zeitweilig Mobilisierungserfolge auswiesen. Abgesehen davon hat das einzige regelmäßige Event der Szene mit Ausstrahlungskraft, der „Trauermarsch in Lübeck“, die Fahrt nach Walhalla angetreten und ist auf dem Müllhaufen der Geschichte gelandet. Er wurde 2013 einfach abgesagt. Verantwortlich dafür sind neben der abgenommen Mobilisierungskraft und den kontinuierlichen antifaschistischen Gegenaktivitäten sicher auch andauernde parteiinterne Querelen. Zum einen zog sich der langjährige Anmelder des Aufmarsches, Roland Siegfried Fischer, von seiner Parteiarbeit zurück, zum anderen ist ein aktuelles Beispiel der Austritt Kay Oelkes kurz vor der Wahl. In Kiel musste Hermann Gutsche nach dem Wegbrechen der Strukturen der „AG Kiel“ auf den Nazi-unterwanderten Hobbyfußballclub “Bollstein Kiel” zurückgreifen, um seine Wahllisten zu füllen.

Dies verweist bereits auf den Umstand, dass die Tendenz bei den “freien Kräften” keinesfalls anders aussieht: Einzelne Gruppen und Protagonist_innen der Neonaziszene, die formal außerhalb der NPD organisiert sind, machen durch Propaganda und Übergriffe ihre Präsenz deutlich. Dies betrifft die Kreise Stormarn, Ostholstein und Nordfriesland, wo der “Freie Widerstand Südschleswig” in Leck maßgeblich an Inszenierung und Zuspitzung der Proteste beteiligt war. Der Aktivismus und die Vernetzung ist aber nicht annähernd mehr mit den Zeiten des zeitweisen Hypes um “Autonome Nationalisten” in Schleswig-Holstein vor nur wenigen Jahren zu vergleichen.
Auch das faschistische Spektrum jenseits der NPD und den oft mit ihnen verbundenen „Freien“ kann dieses Vakuum nicht füllen. Parteien wie “Die Freiheit” oder ” Die Rechte” und reale Gruppen des Internet-Phänomens “Identitäre Bewegung” sind zwar mal mehr, mal weniger existent, wirkliche Relevanz konnten sie aber bisher auf keinem Gebiet erzielen.

Zwischen Büchern, Wellness, Bier und Rechtsrock: Die blühende rechte Geschäftswelt im hohen Norden
Kurzum: Organisierte rechte Strukturen kriseln in Schleswig-Holstein nicht erst seit gestern größtenteils vor sich hin und doch haben neofaschistische Parteien ihre Sitze in den Rathäusern. Neben den bekannten Parteien und Organisationen muss es noch mehr rechte Lebenswelten im Land geben. Es existiert eine rechte Infra- und Geschäftsstruktur mit teilweise bundesweiter Ausstrahlung, auf die Antifaschist_innen und kritische Journalist_innen zwar regelmäßig hinweisen, die in der antifaschistischen Praxis aber oft zu kurz gekommen sind.

Allein in Kiel und Umland gibt es mehrere Läden, deren Betreiber_innen und teils auch Sortiment schlichtweg als unappetitlich zu bezeichnen sind. Der Regin-Verlag aus Kiel und vor allem aber das Verlagsimperium von Dietmar Munier, ansässig in Martensrade (Kreis Plön), versorgen die ganze Bundesrepublik mit nationalistischer, verschwörungstheoretischer, militaristischer und faschistischer Literatur.

Die namhafte Heilpraxis „Heilcentrum Pless“ wird mitten in Kiel von Henning Pless betrieben, einem in den frühen 1990ern als Vorsitzender der “Heimattreuen Jugend” bekannt gewordenen Neonazi, heute vor allem im Bereich des organisierten Gebietsrevisionismus führend tätig.

In Kiel-Gaarden existiert seit einigen Monaten der Laden “PLS-Werkzeuge”, der von dem langjährigen Nazischläger und Mittlerweile-Bandido Alexander Hardt geschmissen wird. Hardt gehört zum Umfeld des seit 15 Jahren existierenden Neonazitreffpunkts „Club 88“ in Neumünster, wo die Kneipe „Titanic“, betrieben vom sich mittlerweile offen zur NPD bekennenden Horst Micheel, ein Anlaufpunkt für die rechte Szene der Region ist.

In Nessendorf (Kreis Plön) war mutmaßlich sogar schon die Neonazi-Mörder-Bande “NSU” beim seit Jahren als NPD-Unterstützer bekannten Eckart August reiten, dessen Eselpark zu den führenden Ausflugstipps Schleswig-Holsteinischer Reiseführer gehört. Und im stormarnischen Glinde wird die Szene im “Thor Steinar”-Laden “Tönsberg” eingekleidet, um sich dann fesch auf rechten Events wie “Wir sprechen Deutsch – ehrlich und laut!”-Grauzonen-Festivals in Schacht-Audorf, “Freiwild”-Auftritten in Dithmarschen, “Kategorie C”-Konzerten in Flensburg und Kiel und Neonazi-Liederabenden an geheimgehaltenen Orten zur Schau zu stellen. Solche Musikveranstaltungen gehörten in den letzten Jahren beständig zur rechten Erlebniswelt in Schleswig-Holstein dazu. Den Soundtrack zu Mord und Totschlag dazu liefert der Mailorder „Support-Wear“ des Kieler Neonazis Matthias Kussin bequem frei Haus.

Nazi-business as usual
Dass überdies in einigen Teilen des Landes neonazistische Übergriffe auch ohne sich öffentlich spektakulär in Szene setzende Gruppen zum Alltag gehören, belegen zu viele Beispiele in hässlicher Regelmäßigkeit. Ein aktuelles, erschreckendes Beispiel ereignete sich Himmelfahrt in der Gemeinde Rieseby bei Eckernförde, Antifaschist_innen als Hochburg rechter Jugendbanden bekannt. Neonazis belagerten und bedrohten unter rassistischen Parolen, Böllerwürfen und Hitlergrüßen das Grundstück einer iranisch-stämmigen Familie. Der Mob konnte eine Zeitlang ungestört agieren und löste sich erst auf, als die Polizei endlich mit genug Kapazitäten eingriff.

An die Substanz gehen!
Auch wenn der rechte Sumpf in Schleswig-Holstein nicht immer übermäßig stark präsent ist, verfügt er zwischen einflussreichen Publizisten, unscheinbaren Geschäftsleuten, NPD-Umfeld, rechter Kneipen-Szene, trister Dorfjugend und rassistischen Sarazzin-Leser_innen im Land über eine feste Verankerung. Soll er trocken gelegt und auf diesem Wege auch das ohne größere Mühen stets abrufbare neofaschistische Wähler_innenpotenzial dezimiert werden, müssen wir als Antifaschist_innen unser Blickfeld auch dorthin erweitern, wo sich ihre Klientel seine Nischen, Geldquellen, ideologische Versicherungen und Erlebniswelten geschaffen hat. Dies sind auch Felder, die uns mitunter nicht zwangsläufig auf offener Straße ins Auge springen und die über letzten paar verbliebenen großen Namen auf den NPD-Wahllisten hinausgehen.

Die Demos und Aktionen gegen “PLS-Werkzeuge” in Kiel und “Tönsberg” in Glinde sind aktuelle positive Beispiele für die richtige Richtung, in deren Fußstapfen wir uns mit der Kampagne “An die Substanz! Rechte Infrastruktur aufdecken – Nazis in die Pleite treiben!” begeben wollen. Unser Ziel ist es, Informationen über die rechte Infrastruktur breit zugänglich zu machen, gemeinsam zur Tat zur schreiten und rechten Gewerbetreibenden die Grundlage ihrer wirtschaftlichen Existenz zu nehmen. Einige der genannten Beispiele haben sich in den vergangenen Jahren als hartnäckig auch gegenüber langjährigen antifaschistischen Kampagnen erwiesen, andere sind von antifaschistischen Interventionen bisher weitestgehend unbehelligt geblieben. Insgesamt sehen wir jedoch noch eine Menge ungenutzt gebliebenen Spielraum dafür, den Druck auf die rechten Geschäftsleute im Land merkbar zu erhöhen und zur einen oder anderen Ladenpleite beizutragen.

In der vorliegenden Broschüre geben wir eine kurze Übersicht über Geschäfte, Hintergründe und Personal des rechten Wirtschaftslebens in Schleswig-Holstein. Ausführlichere Informationen sind zudem auf unserem Blog andiesubstanz.noblogs.org zu finden. Dort werden wir auch aktuelle Termine und Aktionen im Rahmen der Kampagne veröffentlichen. Auch wenn der gemeinsamen Aktion ein hoher Stellenwert eingeräumt werden soll, sind alle Antifaschist_innen darüber hinaus selbstredend auch dazu aufgerufen, sich im Rahmen von “An die Substanz!” zu organisieren und auf ihre Weise und mit ihren Mitteln selbstständig aktiv zu werden, gerade auch in Bezug auf Infrastruktur, die von uns an dieser Stelle nicht explizit selbst in den Fokus genommen wurde.

Nutzen wir die nächsten Monate, um all das, was zur rechten Infrastruktur und Erlebniswelt zu zählen ist, dort wo sich die Wähler/innen von Gutsche, Oelke, Proch und Co. herumtreiben, kräftig aufzumischen, auszuhebeln und in der Versenkung verschwinden zu lassen.

It’s up to you! Zusammen mit langem Atem und viel Phantasie: Gegen rechte Strukturen und rechten Lifestyle vorgehen – Nazis in die Pleite treiben!

„Bollstein Kiel“-Mitglieder bei Neonazi-Demonstration in Bad Nenndorf

„Wir Bollsteiner lassen uns in keine politische Ecke zwängen!“ polterte der Mettenhofer Freizeitfussballclub „Bollstein Kiel“ noch im Jahr 2011 aufgrund einer Turnierausladung wegen rassistischer Sprüche seiner Mitglieder. Dass es damit weit her ist und die Kerngruppe von „Bollstein Kiel“ klar der rechten Szene zuzuordnen ist, hatte die Autonome Antifa-Koordination Kiel zusammen mit dem Runden Tisch gegen Rassismus und Faschismus Kiel dann im August 2012 aufgedeckt, was zur Absage eines von „Bollstein Kiel“ veranstalteten Fussballturniers auf dem Kieler Nordmarksportfeld führte.  
Obwohl die „Bollsteiner“, ungeachtet der antifaschistischen Recherchen, immer wieder versuchten zu betonen „unpolitisch“ und auf keinen Fall „rechts“ zu sein, war bei der Kommunahlwahl im Mai 2013 ein großer Teil des „Bollstein“-Umfelds auf der Wahlliste des NPD-Tarnvereins „WAKB“ zu finden.
Als nun am 3. August 2013 ein auf wenige Hundert zusammengeschmolzener Haufen Neonazis im niedersächsichen Bad Nenndorf durch antifaschistische Blockaden erfolgreich davon abgehalten werden konnte, zum dortigen Wincklerbad zu demonstrieren, war auch ein Teil der „Bollstein Kiel“-Gruppe in ihren „Vereins“-T-Shirts, u.a. in Begleitung der schleswig-holsteinischen NPD-Kader Daniel Nordhorn (Kreisvorsitzender des NPD-Verbandes Segeberg-Neumünster), vor Ort.
Alle hier abgebildeten Fotos stammen von Recherche Nord.
Weitere Bilder der Neonazis in Bad Nenndorf gibt es auch bei der Antifa Koordination Lübeck.
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