Die soeben erschienene aktuelle Ausgabe des Antifaschistischen Info Blatts beinhaltet u.a. den Artikel „Kieler Zustände“, der sich mit der Entwicklung und der Verfassung der gegenwärtigen Neonaziszene in der Landeshauptstadt beschäftigt.
Nachlesen könnt ihr den Text z.B. im Leseexemplar des Libertären Ladens (Iltisstr. 34, Kiel-Gaarden), wo ihr Euch ab sofort auch Eure eigene Herbstausgabe des wie immer lohnenswerten „AIB“ beschaffen könnt, Oder Ihr schaltet am besten gleich ein Abo der alteingesässenen antifaschistischen Pflichtpostille!
Wahlen in SH 2009: Faschistische Parteien loosen ab!
Die faschistischen Parteien NPD und DVU konnten bei den diesjährigen Bundes- und Landtagswahlen in Schleswig-Holstein am vergangenen Sonntag keine Stimmenzuwächse aus der gegenwärtigen kapitalistischen Krise schöpfen.
Bei den vorgezogenen Wahlen zum schleswig-holsteinischen Landtag konnte die neonazistische NPD 0,9% der abgegebenen Zweitstimmen für sich vereinnahmen, das entspricht 14977 NPD-Wähler/-innen landesweit. Im Vergleich zu den Landtagswahlen 2005 ist damit ein deutlicher Rückgang zu beobachten, als die Nazipartei noch 1,9% (=27676 Stimmen) erreichen konnte.
Bei den Ergebnissen der Bundestagswahl ist das NPD-Resultat mit 1,0% der gültigen Zweitstimmen in Schleswig-Holstein unter dem bundesweiten Durchschnitt von 1,5% und mit 15848 Nazi-Wähler/-innen landesweit leicht über dem der Landtagswahlen. Auch hier gab es einen leichten Abwärtstrend im Vergleich zu den Bundestagswahlen von 2005, als noch 17061 Schleswig-Holsteiner/-innen die NPD unterstützten. Dieser Rückgang ist mit dem zusätzlichen Wahlantritt der DVU erklärbar, die es mit 1764 Zweitstimmen gerademal auf ein miserables Abschneiden von 0,1% brachte, was ihrem bundesweiten Abschneiden entspricht.
In Kiel outeten sich bei den Landtagswahlen 1196 Wähler/-innen als Nazi-Unterstützer/-innen, was einem dem Landestrend entsprechenden Ergebnis von 0,9% entspricht. In Wahlkreisen betrachtet wählten 500 in Kiel-Ost (1,5%), 396 in Kiel-West (0,9%) und 300 in Kiel-Nord (0,6%) braun. Bei den Bundestagswahlen waren es mit 1274 (0,9%) NPD-Stimmen und zusätzlich 138 für die DVU (0,1%) noch ein paar mehr Stimmen für faschistische Parteien. Im Vergleich zu den Kommunalwahlen 2008 in Kiel, als 1478 Kieler/-innen die NPD wählten, ist dies ein leichter Rückgang, auch in Anbetracht der der deutlich niedrigeren Wahlbeteiligung bei den Kommunalwahlen.
Der Vollständigkeit halber seien noch die Kieler NPD-Direktkandidaten Uwe Schäfer (Dokumentation seiner angegebenen Adresse: Prinzenstr. 13, Kiel), der bei den Landtagswahlen 542 Erststimmen (1,6%) in Kiel-Ost erhielt und Nazi-Ratsherr Hermann Gutsche (Dokumentation seiner angegebenen Adresse: Königsstr. 22, Kiel), der bei der Bundestagswahl 1390 Erstimmen (1,0 %) stadtweit bekam, erwähnt.
Insgesamt lässt sich feststellen, dass es weder der NPD und noch weniger der DVU gelungen ist, mit ihrer rassistischen, antisemitischen und nationalistischen Hetze zusätzliche Wähler/-innenstimmen aus den derzeitigen Verunsicherungen anlässlich der weltweiten kapitalistischen Krise zu schöpfen, beim Landtagswahlergebnis kam es sogar zu deutlichen Verlusten im Vergleich zur vorherigen Wahl. Mit ihrem Wahlergebnis unter 1% steht ihr nun nichteinmal Wahlkampfkostenrückerstattung zu, sie muss die Kosten ihrer Wahlpropaganda also aus eigener Tasche zahlen. Dass die schleswig-holsteinische NPD in ihrem Kommentar zum Wahlergebnis sich selbst nun enttäuscht eine harte Parteizukunft voller finanzieller Sorgen und eine Zunahme linker Gewalt gegen NPD-Aktivisten prophezeit, lässt uns aus antifaschistischer Perspektive frohen Mutes die weitere Entwicklung der Nazipartei erwarten.
Wir danken an dieser Stelle nochmals allen Antifaschist/-innen, die in den letzten Wochen trotz zeitweilig erschwerter Bedingungen fleißig NPD-Plakate zerstört und andere Nazipropaganda unschädlich gemacht haben, die Flugblätter der Alles muss man selber machen!-Kampagne verteilt haben oder anderweitig den NPD-Wahlkampf sabotiert haben!
Spärlicher NPD-Wahlkampf in Kiel
Der Wahlkampf der NPD in Kiel und Umbegung verläuft bis jetzt auf einem niedrigen Niveau. Abgesehen von einigen wenigen Plakaten und dem Einsatz eines Wohnmobils als Lautsprecherwagen, mit dem sie ihre Hetzreden durch die Gegend posaunen, ist bis jetzt noch nicht viel von der faschistischen Partei zu hören gewesen.
In mehreren Stadtteilen hingen NPD-Plakate, welche am Wochende von einer etwa zwanzigköpfigen Gruppe Neonazis aufgehängt wurden. Diese waren allerdings Anfang der Woche nahezu komplett wieder verschwunden. Desweiteren ist die NPD mit einem als Lautsprecherwagen genutzten Wohnmobil unterwegs, welches bereits in mehreren Orten gesehen wurde. Hieraus beschallen sie die Menschen in den Straßen im Vorbeifahren mit ihrer widerlichen Propaganda, das linke Projekt Alte Meierei bekam sogar einen extra Auftritt, als die Nazis langsam an dem Haus vorbeifuhren und unverständliches Gezeter von sich gaben.
Heute, am 9.9., versammelten sich etwa 15 Neonazis der „AG Kiel“ mit Unterstützung von Nazis aus Dithmarschen für kurze Zeit im Stadtteil Wik am Ende der Holtenauer Strasse und breiteten ein Transparent aus. Die Aktion auf einer Wiese an einer großen Kreuzung wurde nach etwa 20 Minuten von der Polizei beendet und die Nazis wurden weggeschickt. Was davon zu halten ist bleibt abzuwarten, doch kämpferischer Wahlkampf sieht anders aus.
Um den Anti-Wahlkampf gegen die NPD etwas voranzutreiben und dabei auch noch Spass zu haben, gibt es die Antifa-Party „Nazipropaganda zu Cocktails!“, die im Rahmen der antifaschistischen Kampagne „Alles muss man selber machen: rechtsfreie Räume schaffen!“ am Freitag den 18. September in der Alten Meierei steigt. Bringt Eure gesammelten Trophäen aus dem NPD-Wahlkampf mit und tauscht sie gegen Freigetränke – den Fleißigsten gebührt besondere Ehre!
Siehe auch: NPD und DVU auf Stimmenfang – Wahlkampf in Schleswig-Holstein
NPD und DVU auf Stimmenfang – Wahlkampf in Schleswig-Holstein
Am 27. September 2009 finden die Bundestagswahl und gleichzeitig die vorgezogene Landtagswahl in Schleswig-Holstein statt. Der im Januar 2005 zwischen NPD und DVU geschlossene „Deutschland-Pakt“ wurde von der NPD aufgelöst, so dass zu den Wahlen nun NPD und DVU gegeneinander antreten.
Die NPD tritt jeweils mit einer Landesliste an, zu den Bundestagswahlen stellt sie in jedem Wahlkreis auch einen Direktkandidaten. Die DVU tritt zumindest zur Bundestagswahl mit einer Landes“liste“ an, auf der lediglich zwei Rentnerinnen zu finden sind, was viel über den Zustand des Landesverbandes der DVU in Schleswig-Holstein aussagt.
Machten militante „Autonome Nationalisten“ und NPD-Mitglieder zur Europawahl noch fleißig Wahlkampf für die DVU, wird dies jetzt wohl anders aussehen. Neonazis der „AG Kiel“ und der schleswig-holsteinischen NPD waren zur Wahlkampfhilfe für die NPD in Thüringen unterwegs und es ist zu erwarten, dass ein Großteil der Nazis aus Kiel und Schleswig-Holstein die NPD unterstützen wird. Damit sieht es für die hiesige DVU noch schlechter aus, was einen aktiven Wahlkampf angeht.
Es ist also davon auszugehen, dass vor allem NPD-Propaganda auftauchen wird, doch auch mit öffentlichen Aktionen wie Infotischen oder Flugblattverteilungen ist zu rechnen.
Auch AntifaschistInnen in Schleswig-Holstein bereiten sich auf den Wahlkampf vor, so gibt es zum Beispiel die Kampagne „Alles muss man selber machen – Weg mit der NPD“, die vielfältiges Material zum Verteilen bietet, doch auch das Entfernen von faschistischer Propaganda aus dem Straßenbild gehört sicherlich wieder zur beliebten Beschäftigung von NazigegnerInnen.
Wir stellen hier die KandidatInnen der beiden rechten Parteien vor:
Landesliste der NPD zur Bundestagswahl:
Platz 1: Uwe Schäfer (Direktkandidat in Segeberg-Stormarn-Nord)
Prinzenstraße 13, 24306 Plön
Landesverbandsvorsitzender und Mitglied im Parteivorstand
Platz 2: Jens Lütke (Direktkandidat in Plön-Neumünster)
Martensrader Weg 28, 24238 Martensrade
Stellv. Landesvorsitzender
Platz 3: Thomas Wulff (Direktkandidat in Lübeck)
An den Wiesen 9 b, 19273 Teldau
Mitglied im Parteivorstand
Platz 4: Ingo Stawitz (Direktkandidat in Pinneberg)
Am Eichholz 45, 25436 Uetersen
Stellv. Landesvorsitzender und Bezirksvorsitzender Dithmarschen/Steinburg/Pinneberg
Platz 5: Kay Oelke (Direktkandidat in Herzogtum Lauenburg – Stormarn-Süd)
Querstraße 23, 21502 Geesthacht
Kreistagsabgeordneter im Kreis Herzogtum Lauenburg
Platz 6: Hermann Gutsche (Direktkandidat in Kiel)
Königstraße 22, 24159 Kiel
Ratsherr in Kiel
Platz 7: Wolfgang Schimmel (Direktkandidat in Rendsburg-Eckernförde)
Neversdorfer Straße 2, 23816 Leezen
NPD-Landesverbandsschatzmeister
weitere Direktkandidaten der NPD:
Flensburg-Schleswig:
Kevin Stein (NPD Kreisvorsitzender Nordfriesland)
Kuhsteig 2 A, 25813 Husum
Nordfriesland – Dithmarschen-Nord:
Arne Kaehne
Norderende 45, 25885 Oster-Ohrstedt
Steinburg – Dithmarschen-Süd:
Helmut Radunski
Königsberger Straße 46, 25551 Hohenlockstedt
Ostholstein:
Marcus Tietz
Lübecker Straße 30, 23623 Ahrensbök
Landesliste der NPD zur Landtagswahl:
Platz 1: Jens Lütke
Platz 2: Ingo Stawitz
Platz 3: Uwe Schäfer
Platz 4: Kevin Stein
Platz 5: Kay Oelke
Platz 6: Hermann Gutsche
Landesliste der DVU zur Bundestagswahl:
Renate Erna Köhler
Waldwinkel 4, 25980 Sylt, OT Westerland
Ingeborg Anna Lobocki
Masurenring 57, 24149 Kiel
(alle Adressen sind aus der von der Landeswahlleiterin veröffentlichten und für jede/n einsehbaren Bekanntmachung der zugelassenen Landeslisten und der zugelassenen WahlkreisbewerberInnen entnommen)
17. August: „Hessmobs“ fielen aus – Nazidemo in Kellinghusen
Am 17.8.09 führten Neonazis in Kellinghusen (Schleswig-Holstein) „spontan“ einen Demonstration anlässlich des Todestages des Hitler-Stellvertreters Rudolf Hess durch.
Die ca. 30 Nazis liefen nach eigenen Angaben ungefähr eine halbe Stunde lang durch die Kleinstadt, ausgestattet mit Fackeln, Transparent und Megaphon und teilweise vermummt. Laut einer Pressemitteilung der Polizei kam ein Großteil der TeilnehmerInnen aus Kiel und Hamburg, es laufen Ermittlungen wegen Widerstandes und gefährlicher Körperverletzung, da die Neonazis beim Eintreffen der Polizei versuchten zu flüchten und dabei PolizistInnen attackierten. Die meisten Neonazis mussten ihre Personalien trotzdem abgeben.
Ganz so spontan, wie die Neonazis behaupten, war diese Aktion gewiss nicht, da es um den 17. August immer wieder zu Aktionen kommt, die an den Hitler-Stellvertreter und bekennden Nationalsozialisten Rudolf Hess erinnern sollen. Seit seines Todes im alliierten Kriegsverbrechergefängnis Berlin-Spandau im August 1987 wird Rudolf Hess von den Neonazis als „Märtyrer“ verehrt.
Für dieses Jahr wurden im Internet von Nazis Flashmobs am 17.8. angekündigt, von denen allerdings die meisten nicht stattfanden oder durch antifaschistische Präsenz verhindert werden konnten. So versammelten sich z.B. in Flensburg über 100 AntifaschistInnen an dem im Internet angekündigten Ort, um eine eventuelle Naziaktion zu verhindern.
Da es schon 2008 zu einer ähnlichen Aktion seitens der Neonazis kam (am 16.8.08 marschierten etwa 40 Nazis am Abend durch Kiel), waren AntifaschistInnen auf so eine Situation vorbereitet. Im Gegensatz zum letzten Jahr erschienen die Nazis allerdings nicht in einer der größeren Städte, sondern zogen es vor in einer Kleinstadt mitten auf dem Land zu marschieren. Allein die Tatsache, dass sie überhaupt demonstrieren konnten, wird auf einschlägigen Homepages der Neonazis schon als Erfolg gewertet.
Siehe auch: http://www.antifa-kiel.org/index.php/news/items/neonazis-wollen-rudolf-hess-gedenken.html
Neonazis wollen Rudolf Heß gedenken
Im Internet kündigen Neonazis für den 17. August Flashmobs an, um an den Todestag des NS-Kriegsverbrechers Rudolf Heß zu erinnern. Wie auf einer eigens eingerichteten Website bekundet wird, sollen sich im gesamten Bundesgebiet um jeweils 19:30 Uhr Personen zusammenfinden, um Heß mit dem öffentlichen Verlesen seiner letzten Worte im Rahmen der Nürnberger Prozesse zu ehren. Nach der Verkündung seiner lebenslangen Haftstrafe sagte Heß unter anderem: „Stünde ich wieder am Anfang, würde ich wieder handeln wie ich handelte.“
Auch in Schleswig-Holstein sind bis jetzt für Flensburg (Südermarkt) und Schwarzenbek (Ritter Wullf Platz am Rathaus) derartige Aktionen angekündigt. Nach dem gerichtlichen Verbot des Heß-Gedenkmarschs im fränkischen Wunsiedel im vergangenen Jahr, scheint die rechte Szene nun den Versuch zu unternehmen, durch dezentrale Veranstaltungen auf sich aufmerksam zu machen. Die Aktion der so genannten „Hessmobs“ wird jedoch auf der rechten Internetseite „Altermedia“ kontrovers diskutiert, einige Neonazi-Gruppen rufen auch dazu auf, nicht an diesen Aktionen teilzunehmen.
In Kiel führten etwa 40 Neonazis aus dem Umfeld der „Aktionsgruppe Kiel“ und der NPD zusammen mit Nazis aus anderen schleswig-holsteinischen Städten im letzten Jahr am Abend des 16.8.08 eine Spontandemonstration durch die Innenstadt durch.
Seit seines Todes im alliierten Kriegsverbrechergefängnis Berlin-Spandau im August 1987 wird Rudolf Heß von Neonazis als „Märtyrer“ verehrt. Die Szene nimmt seinen Tod seit Jahren zum Anlass, zu Großaufmärschen zu mobilisieren. Dabei nutzt sie den Mythos eines verhinderten Pazifisten Heß, um Neonazis jedweder Couleur in das Gedenken einzubinden.
Wir rufen alle AntifaschistInnen dazu auf, am Wochenende 15./16.8.09, sowie natürlich am Montag den 17.8.09 die Augen offen zu halten und Naziaktionen in Kiel oder sonstwo wenn möglich zu verhindern!
NS-Verherrlichung stoppen!
Flaute beim Sommerfest
Bereits zum vierten Mal feierte die NPD in Schleswig-Holstein ihr Sommerfest ungestört auf einer Weide am Ortsrand von Wentorf im Landkreis Rendsburg-Eckernförde. Eigens dafür waren am letzten Samstag mit einem weißen LKW Sonnenschirme, Holzbänke und zahlreiche Getränke mit Kisten angekarrt worden. Ein Grill wurde aufgebaut. An der Einfahrt zur Wiese, die einem älteren Sympathisanten gehören soll, standen Dixi-Toiletten. Von der Straße ist der Feierplatz kaum einsehbar, nur hundert Meter dahinter erstreckt sich das unwegsame Ufer des Wittensees.
Die NPD-Organisatoren um Jörn Lemke, Kreisvorsitzender aus Lübeck und Hermann Gutsche, Stadtrat in Kiel, rechneten wie in den vergangenen Jahren mit einer größeren Schar von Gästen aus dem gesamten Bundesland. Sie wurden enttäuscht. Aufgrund von zahlreichen anderen Veranstaltungen wie den „Wikinger-Tagen“ in Schleswig, einem Stau auf der Autobahn Richtung Flensburg, sowie dem kurzfristig anberaumten Doppelwahlkampf nahmen sich weniger Kameraden als erwartet die Zeit zum Feiern in dem entlegenen Dorf.
Die NPD scheint in Schleswig-Holstein vor sich hin zu dümpeln. Die Freien Nationalisten bauen unterdessen ihren Einfluss aus. Bei der letzten Landtagswahl erzielte die Partei rund 1,9 Prozent der Stimmen, nur zwei Mandatsträger in Kiel und in Lauenburg fördern die kommunalpolitische Verankerung. Mit einem Zugpferd wie Thomas Wulff erhoffte sich die Spitze im Vorfeld der Doppelwahlen im Herbst neue Zugkraft. Doch auch Wulff war bis zur Feiereröffnung am Nachmittag nicht erschienen. Wulff, der im Norden immer noch als Integrationsfigur zwischen Parteien und Kameradschaften gilt, lebt ursprünglich im Landkreis Boizenburg in Mecklenburg-Vorpommern, doch inzwischen soll er zeitweilig auch im Kreis Herzogtum Lauenburg bei einem NPDler ansässig sein.
Gegen drei Uhr trudelten noch einige jüngere Neonazis mit ihren Freundinnen ein. Ein paar ältere Gäste saßen bereits ungeduldig unter den Zeltpavillons. An einem der Tische wurde Szene-Kleidung angeboten. EDV-Berater Gutsche saß an einem anderen Tisch und sammelte Geld und Listen ein. Ein lauter Generator versorgte die NPD-ler mit Strom.
Gegen halb vier Uhr begnügten sich die Organisatoren mit einer kurzen Eröffnungsrede, die sich vor allem mit der Dringlichkeit der nötigen Unterschriftenlisten zur Landtagswahl am 27. September befasste. Eher fröhlich wurde auch eine Tombola angekündigt. Die Feierrunde fühlte sich völlig ungestört. Einige Glatzköpfe trugen Shirts mit Aufschriften wie „88“, „Störkraft“ oder ein „Lunikoff“-Shirt. Auf dem Pullover einer jungen Frau mit kurzen blonden Haaren prangte eine Irminsul. Unter den Gästen waren auch Jens Lütke, der bereits als Spitzenkandidat für die Landtagswahl genannt wurde, obwohl bisher noch kein Wahlparteitag stattgefunden hat, sowie Elfriede Parlow, ehemalige Kandidatin aus Ostholstein.
In den Jahren zuvor gehörten Musik von nationalen Liedermachern oder Tauziehen zum Programm. Man feierte bis in die Nacht. Diesmal war nach Polizeiangaben um 19.30 Uhr Schluss. „Aus polizeilicher Sicht gab es keine Beanstandungen“, bestätigt der Pressesprecher der Polizei in Neumünster.
Musik hätte in diesem Jahr auch wenig Sinn gemacht: Ein Mähdrescher verrichtete laut und Staub aufwirbelnd am angrenzenden Feld seine Arbeit. Einige Bewohner aus der Region freuten sich darüber, ihnen passt das alljährliche Erscheinen der NPD ohnehin nicht. Doch mit dem Eigentümer der Weide sei nicht zu reden, berichten sie vorsichtig. Eine Frau aus Bünsdorf setzt schelmisch nach: „Eigentlich hätten die Landwirte heute Gülle ausfahren sollen“.
Andrea Röpke/Andreas Speit
Schleswig-Holsteiner Neonazis nehmen an Naziaufmarsch in Bad Nenndorf teil
Am vergangenen Samstag, dem 01.08.2009 marschierten rund 750 Neonazis durch das niedersächsische Bad Nenndorf. An dem von den Nazis so genannten „Trauermarsch“ nahmen auch mehrere Dutzend Neonazis aus Schleswig Holstein teil, darunter Angehörige der selbst ernannten „Autonomen Nationalisten“ aus Kiel und Neumünster.
Die „Aktionsgruppe Kiel“ ist dabei mit eigenen schwarzen T-Shirts aufgetreten, wohin gegen ein Großteil der in schwarz angereisten Neonazis von der Polizei mit weißen T-Shirts ausgestattet wurde.
Einen ausführlichen Bericht und Fotos der anwesenden Neonazis gibt es bei Recherche Nord.
20. Juli: Neonazis aus Schleswig-Holstein halten Kundgebung beim Landeshaus ab
Nachdem eine für Freitag geplante Nazi-„Mahnwache“ anlässlich der aktuellen parlamentarischen Beziehungskrise der Landesregierung vor dem Landeshaus kurzfristig von dem Kieler Ratsherr Hermann Gutsche wieder abgemeldet wurde, zeigte sich gestern, dass es sich dabei nur um eine terminliche Verlegung gehandelt hatte.
Etwa 20 NPDler/-innen, „Autonome Nationalisten“ und sonstige Faschist/-innen aus ganz Schleswig-Holstein, darunter der schleswig-holsteinische NPD-Bundestagswahlkandidat und langjährige Nazikader Thomas Wulff, tauchten am späten Vormittag des 20. Juli 2009 nahe des Landeshauses auf und jammerten über einen Lautsprecherwagen im Stile von „Ist der Carstensen kriminell – muss er aus dem Amt ganz schnell!“ rum.
Im Gegensatz zu letztem Freitag, wo sich nach spontaner Mobilisierung vorsorglich über 60 Antifaschist/-innen versammelt hatten, um auf die dann abgesagte Naziaktion zu reagieren, kam es gestern leider zu keinen nennenswerten antifaschistischen Gegenmaßnahmen, wogegen die Polizei mit einem größeren Aufgebot auf einen solchen Fall vorbereitet schien.
Der gestrige Auflauf kann als eine Aktion im Rahmen des bevorstehenden Bundes- und Landtagswahlkampf der NPD in Schleswig-Holstein gewertet werden und machte deutlich, dass mit einer engen Kooperation der neonazistischen Strömungen von NPD über die „AN“-Szene bis hin zu erfahrenen Nazikadern wie Thomas Wulff zu rechnen ist. Antifaschist/-innen sollten sich Gedanken machen, wie mit den weiteren zu erwartenden öffentlichen Auftritten von Nazis, vor allem auch in Kiel, adäquat umzugehen ist.
„Einheit der nationalen Publizistik“
Laut blick nach rechts plant der in Martensrade bei Kiel ansässige Nazi Dietmar Munier mit seinem Verlagskomplex zusammen mit den Herausgebern der rechten Zeitschrift „Nation und Europa“ eine neues gesamtrechtes Zeitungsprojekt.
Wir dokumentieren den Artikel von blick nach rechts:
Kiel − Zum Jahresende soll ein „wirklich deutsches Nachrichtenmagazin“ auf den Markt kommen.
Das noch namenlose Blatt soll ab Dezember erscheinen und will „die Umerziehungsmedien Spiegel, Focus und Stern herausfordern“. Treibende Kraft des Projektes, das nach der „Einheit der rechten Publizistik“ ruft, ist der rechtsextreme schleswig-holsteinische Verleger Dietmar Munier (Verlagskomplex „Lesen & Schenken GmbH“, Arndt-Verlag unter anderem). Bei einem Treffen mit Harald Neubauer, seit 1992 Mitherausgeber der Monatszeitschrift „Nation&Europa“, dem ältesten rechtsextremen Sprachrohr in der Bundesrepublik, soll laut Auskunft von Munier beschlossen worden sein, die neue Zeitschrift und „Nation&Europa“ (Auflage:rund. 18 000), zu „einem einzigen schlagkräftigen deutschen Nachrichtenmagazin zusammenzuschmieden.“ Diese „Einheit der nationalen Publizistik“ solle dann „zu einem wirklich unüberhörbaren Sprachrohr in der Öffentlichkeit“ werden. Um die „Kriegskasse“ für das Projekt zu füllen, ruft Munier zu Spenden auf. Munier, einst Funktionär der NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN), war am 10. Januar dieses Jahres Gast beim Neujahrsempfang der sächsischen NPD-Landtagsfraktion. (am)
09. 06. 2009