Antifaschistisch lesen!

In der aktuellen Ausgabe Nr. 125 von DerRechteRand – Magazin von und für AntifaschistInnen, dessen Kauf wir Euch hiermit ans Herz legen möchten, ist ein Artikel über Kiel mit dem Titel „Eskalationen an der Waterkant – Gezielte neonazistische Angriffe in Kiel“ erschienen.
Des weiteren gibt es eine Auswertung von Avanti – Projekt undogmatische Linke zu den erfolgreichen Aktionen gegen den Naziaufmarsch am 27.3.10 in Lübeck zu lesen, den ihr in unserem Textarchiv findet.

Öffentliche Naziaktivitäten in Schleswig-Holstein

Am vergangenen Donnerstag und am Wochenende fanden mehrere öffentliche Aktionen von FaschistInnen in Schleswig-Holstein statt. Neben einer kleinen Kundgebung der NPD in Kiel, einem NPD-Infostand in Nortorf und einer DVU-Miniaktion in Lauenburg gab es auch eine größere Nazi-Aktion in Bargteheide nahe Hamburg, an der vor allem schleswig-holsteinische und hamburger Neonazis aus dem Spektrum der so genannten „autonomen Nationalisten“ teilnahmen.
Bereits am Donnerstagabend, 17. Juni kam es in Kiel zu einer Kundgebung von ungefähr 15 Neonazis aus dem Kreis der lokalen NPD und „Aktionsgruppe Kiel“. Die Neonazis tauchten gegen 19 Uhr in der Holstenstraße auf, hielten eine stationäre Kundgebung ab und verschwanden gegen 20 Uhr wieder in ihren Autos. Thema der Kundgebung neben beliebiger Nazi-Propaganda war der 17. Juni 1953 – dem Tag des ArbeiterInnenaufstands in der damaligen DDR. Während ihrer Aktion zogen sie den Unmut vieler Passant_innen auf sich und mit der Zeit trafen auch immer mehr Antifaschist_innen in der Innenstadt ein, zu nennenswerten Störungen der Nazi-Aktion kam es aber leider nicht mehr.
Am Samstag, 19. Juni, kam es dann zu drei weiteren faschistischen Aktionen in Schleswig-Holstein:  In Bargteheide plante die Neonazigruppierung „NaSo Stormarn“ einen Aufmarsch durchzuführen. Für diese Aktion mobilisierten die Nazis landesweit aber nicht öffentlich. Gegen 12 Uhr versammelten sich ca. 50 Neonazis am Bahnhof in Bargteheide, welche aus allen Teilen des Landes und aus Hamburg kamen, um von dort aus zum Marktplatz zu gehen. Kieler Neonazis der „Aktionsgruppe Kiel“, darunter Daniel Zöllner und Thomas Breit, waren hier genauso anwesend wie der Hamburger Neonazi Christian Worch, welcher später noch auf der DVU-Kundgebung in Lauenburg sprach. Die Neonazis hielten eine Kundgebung auf dem Marktplatz ab, ihre Selbstdarstellung war martialisch, viele waren schwarz gekleidet, mit Knüppeln bewaffnet und teilweise vermummt. Die ganze Aktion war angemeldet, wurde jedoch seitens der Polizei und der bürgerlichen Presse im Vorfeld konsequent verschwiegen. Trotzdem waren über 100 Nazigegner_innen in Bargteheide unterwegs. Örtliche Antifaschist_innen mobilisierten mit Flyern gegen die Kundgebung und die Nazis sahen sich immer wieder direkten Aktionen von autonomen Antifas ausgesetzt. Die Faschist_innen wurden mehrfach direkt, u.a. mit Flaschen und Steinen angegriffen, so dass ihr klandestin geplanter Auftritt wohl nicht zum gewünschten Erfolg werden konnte.
Angekündigt hingegen hatte sich die in Bedeutungslosigkeit versinkende DVU mit einer Kundgebung in Lauenburg. Doch auch hier wurden die diesmal nur mit lediglich 8 Teilnehmer_innen vertretenen Nazis gegen 15 Uhr von über 100 Nazigegner_innen empfangen. Die Kundgebung der DVU fand auf einem menschenleeren Platz statt, nur wenige Menschen dürften überhaupt etwas von dieser Aktion mitbekommen haben. Ähnlich sah es in Nortorf aus, wo ganze 6-10 Nazis aus Neumünster gegen 12 Uhr einen Infotisch der NPD aufbauten.

Keine Zukunft für Nazis und ihre Propaganda

Unter dem Motto „Tag der deutschen Zukunft“ wollen Neonazis am 5. Juni 2010 in Hildesheim einen Aufmarsch durchführen und ihr rassistisches und nationalistisches Gedankengut auf die Straße tragen. In den letzten Tagen haben Neonazis in Kiel vermehrt Aufkleber und Plakate für diesen Naziaufmarsch verklebt.

Unter demselben Motto fand schon am 6. Juni 2009 in Pinneberg ein Aufmarsch statt. Mit dem geplanten Aufmarsch in Hildesheim soll daran angeknüpft und versucht werden, einen weiteren jährlichen Naziaufmarsch in Norddeutschland zu etablieren. Schon im letzten Jahr haben die Nazis angekündigt, ihren „Tag der deutschen Zukunft“ jährlich in einem anderen norddeutschen Bundesland durchzuführen. Nach Schleswig-Holstein ist nun Niedersachsen an der Reihe. AntifaschistInnen in Niedersachsen mobilisieren unter dem Motto „Keine Zukunft für Nazis! Den Naziaufmarsch in Hildesheim verhindern!“ gegen den Aufmarsch, außerdem gibt es ein Bündnis, welches zu Massenblockaden gegen den Naziaufmarsch aufruft.

 

Zu diesem Naziaufmarsch fand bereits am 23.4.10 eine Infoveranstaltung in Kiel mit dem Anmelder des Aufmarsches, dem langjährigen Naziaktivisten Dieter Riefling, statt. An dieser Veranstaltung nahmen ca. 50 Nazis aus ganz Schleswig-Holstein teil.

 

Die Plakate und Aufkleber sind vor allem im Kieler Norden in den Stadtteilen Wik und Holtenau und in den Stadtteilen Hassee/Russee aufgetaucht, ihre Lebensdauer ist allerdings offensichtlich begrenzt, da viele schon wieder abgekratzt wurden. Außerdem berichten AnwohnerInnen in diesen Stadtteilen immer wieder von faschistischen Schmiereien in Form von Hakenkreuzen und „Anti-Antifa“ Parolen an den Wänden.

 

lets fetz

 

Einfach mal freies Radio hören…!

Wir empfehlen einen Besuch bei unseren Freundinnen und Freunden von der LPG(A) Löwenzahn, der Radiosendung aus, für und gegen Schleswig-Holstein beim FSK Hamburg.
Es gibt Beiträge zur Bedeutung des 8. Mai, zur Nazi-Zeitung „Zuerst“ aus Martensrade (bei Kiel), und aus aktuellem Anlass Interviews mit den von Nazis angegriffenen Projekten Dampfziegelei und Buchladen Zapata.
Reinhören lohnt sich!

Nazi-Veranstaltung im Eckmann-Speicher

(Update 26.4.) Am Abend des 23. April 2010 fand im „Eckmann-Speicher“ am Kieler Hauptbahnhof eine Neonazi-Veranstaltung zum so genannten „Tag der deutschen Zukunft“ statt, an der zwischen 30 und 50 Neonazis aus Schleswig-Holstein und darüber hinaus teilnahmen. Der „Tag der deutschen Zukunft“ ist eine relativ neue Kampagne von Neonazis aus Norddeutschland, in deren Rahmen letztes Jahr erstmals in Pinneberg aufmarschiert wurde. Dieses Jahr soll der dazugehörige Naziaufmarsch in Hildesheim stattfinden.

Bereits am späten Nachmittag registrierten Kieler Antifaschist_innen Gruppen von Neonazis, die sich in der Innenstadt bewegten und zeitweise Flyer verteilten. Um kurz vor 18 Uhr sammelten sich ca. 20 Neonazis, die optisch allen gängigen Nazispektren und verschiedenen Altersklassen zuzuordnen waren, auf dem Exerzierplatz. Dieser Treffpunkt fungierte als Schleusungspunkt, von dem aus diese zum „Eckmann-Speicher“ weitergeleitet wurden, einem kleinen mietbaren Veranstaltungsort direkt an der Kieler Hörn in unmittelbarer Nähe zum Hauptbahnhof. Zwischenzeitig mussten die Nazis den Exerzierplatz mit quietschenden Reifen räumen, nachdem dort einige Antifaschist_innen erschienen waren.

Bis 20 Uhr sammelten sich zwischen 30 und 40 Neonazis im und an der Wasserseite vorm „Eckmann-Speicher“. Diese reisten aus ganz Schleswig-Holstein und darüber hinaus an. Neben bekannten Kielern wie dem „AG Kiel“-Nazi Daniel Gericke, waren Neonazis aus Nordfriesland, Lüneburg, Kreis Plön, Kreis Rendsburg-Eckernförde und Neumünster vor Ort.

Die Veranstaltung war eine Infoveranstaltung zum Naziaufmarsch am 05.06.2010 in Hildesheim. Dort wollen Nazis unter dem rassistischen Motto „Tag der deutschen Zukunft, unser Signal gegen Überfremdung“ aufmarschieren. Letztes Jahr fand dieser Naziaufmarsch in Pinneberg statt. Nach außen hin war das Szenario für Unwissende auf den ersten Blick schwer als Nazi-Veranstaltung zu erkennen, zumal das Gebäude ob seiner weiträumigen Umzäunung und kleinen Fenster relativ schwer einsehbar ist und sich nur selten größere Gruppen von Nazis vor dem Gebäude aufhielten. Ab 0.30 Uhr begann sich die Veranstaltung aufzulösen, gegen ca. 2 Uhr verließen die letzten Nazis und ihre Autos den Ort des Geschehens. Weitere Nazi-Aktivitäten im Umfeld der Veranstaltung sind derzeit nicht bekannt.
Als Redner auf der Veranstaltung traten NPD-Ratsherr Gutsche, „AG Kiel“-Kader Daniel Zöllner und der NPD-Landesvorsitzende Jens Lütke auf. Hauptredner war der bekannte niedersächsiche Nazi Dieter Riefling. Riefling ist ehemaliger Kader der verbotenen Organisation FAP und tritt bundesweit als Redner bei rechten Aufmärschen und Kundgebungen auf.

Unerfreulicherweise konnte die Nazi-Veranstaltung weitestgehend störungsfrei stattfinden, auch wenn durchgehend einige kleinere Gruppen Antifaschist_innen die Veranstaltung im Auge hatten. Größere Aktionen blieben jedoch aus. Den ganzen Abend über war eine recht große Dichte an Polizeistreifen und Zivis im Innenstadtbereich zu beobachten, es kam auch zu Personalienkontrollen. Zudem waren auch polizeiliche Kampfeinheiten einsatzbereit vor Ort.

Wieder einmal hat sich gezeigt, dass NPD und so genannte „autonome Nationalisten“ eng zusammenarbeiten. Dass ein paar Dutzend Neonazis mitten in Kiel eine weitestgehend störungsfreie Veranstaltung durchführen konnten, ist selbstredend nicht hinnehmbar, auch wenn die Nazis im Internet alleine diese Tatsache schon als „vollen Erfolg“ bezeichnen. Um einer Wiederholung eines solchen Ereignisses vorzubeugen, werden wieder entsprechend verstärkte antifaschistische Maßnahmen von Nöten sein.

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Dieter Riefling

Nie wieder Rechtsextremismus!

Da wir uns im Zusammenhang mit der antifaschistischen Meierei-Demo in einer  Textpassage des Aufrufs auch mit dem Begriff des politischen „Extremismus“ auseinandergesetzt haben, welcher auf der einen Seite von Medien und Staat dafür benutzt wird AntifaschistInnen und Linke mit den Nazis gleichzusetzen, auf der anderen Seite aber auch immer noch in antifaschistischen Publikationen benutzt wird, dokumentieren wir passend zum Thema einen aktuellen Artikel aus dem Antifa Infoblatt.

Die antiextremistische Linie von Schwarz-Gelb zeigt die Gefahren des Extremismusansatzes, wie auch die politischen Folgen einer verkürzten Kritik daran. Staatliche Programme gegen »Rechtsextremismus« setzen erfolgreicher Intervention gegen Neonazi-Strukturen und -Ideologieelemente seit jeher Grenzen. Unabhängige Antifapolitik und Gesellschaftskritik können sie nicht ersetzen.
 
Antinaziarbeit in Zeiten des Hufeisens
 
Die Ankündigungen, die Förderung gegen sogenannten Rechtsextremismus neu zu konzipieren und dabei voll auf den Extremismusansatz zu setzen, sorgen für Protest in Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft. Viele fürchten um den Bestand von staatlich finanzierter Arbeit gegen Neonazis und für deren Opfer. Zusammen mit dem politisch und medial angeheizten Diskurs um eine angebliche »linksextremistische Gefahr« ist die Verschlechterung für Legitimation und Handlungsspielräume von geförderter sowie unabhängiger antifaschistischer Arbeit tatsächlich nicht von der Hand zu weisen.
 
Gleichzeitig drängt der Staat in die politische Bildungsarbeit, zieht ehemals zivilgesellschaftlich besetzte Bereiche an sich und versucht die Definitionshoheit über »das Problem« zu erlangen. Sicherheitsbehörden bieten mit Bundes- und Landeszentralen für politische Bildung Weiterbildungen zu Totalitarismustheorie und »Extremismus« jeglicher Couleur an. Der Verfassungsschutz NRW vertreibt dazu passend massenhaft »Andi«-Comics in denen Antifaschismus und Kapitalismuskritik auf den Begriff der Gewalt reduziert werden. In Bayern wurde die »Bayrische Informationsstelle gegen Extremismus« gegründet, die Bürgertelefon, Bildungs-, Beratungs- sowie Vernetzungsstelle für Behörden, Kommunen, Schulen und Zivilgesellschaft sein soll. Aufgaben, die klassischen Tätigkeitsbereichen von zivilgesellschaftlichen Initiativen oder deren professionalisierten Varianten, z.B. den Mobilen Beratungsteams, entsprechen, werden künftig Behörden übernehmen – die Stelle ist im Landesamt für Verfassungsschutz angesiedelt.
 
Die Gefahren der Verstaatlichung zivilgesellschaftlicher Aufgaben im Kampf gegen Neonazis liegen auf der Hand: Staatliche Sicherheitsbehörden sind an Informationsbeschaffung und Strafverfolgung interessiert. Unabhängige Interessenvertretung für Betroffene von Neonazigewalt oder Diskriminierung sind sie nicht. Denn ihre Problemanalyse folgt der Extremismusformel, die Neonazistrukturen und Versatzstücke der nationalsozialistischen Ideologie als »Rechtsextremismus« – als Problem gesellschaftlicher Ränder, von Jugendlichen und von Gewalt thematisiert und repressive, ordnungsrechtliche Lösungen präferiert. Eine Definition des politischen Normalitätsbereichs und der davon abweichenden Ränder bleibt die Extremismusformel schuldig. Mit Symbolen wie dem Hufeisen, dessen Ränder sich annähern, wird suggeriert »Links-« und »RechtsextremistInnen« würden sich politisch und ideologisch annähern und bekämpften gemeinsam eine demokratische Mitte. Die Entscheidung über »Mitte« und »Rand«, also die Bestimmung dessen, was als »demokratisch« akzeptiert wird, liegt im Zweifel beim Verfassungs- und Staatsschutz und deren assoziiertem Wissenschaftsapparat. Ruhe, Ordnung, Gesetzestreue und das formale Bekenntnis zum Verfassungsstaat werden so zu Maßgaben des politischen Akzeptanzbereichs. Die Elemente nationalsozialistischer Ideologie zum Randgruppenphänomen zu erklären, heißt gleichzeitig, deren Verbindung zur deutschen Normalität zu leugnen. Die »demokratische Mitte« versichert sich so ihrer moralischen Legitimität. Wer diese Legitimation in Frage stellt und Kritik übt z.B. an institutionellem Rassismus, antisemitischen Projektionen, Heterosexismus oder autoritärem Staatsverständnis, läuft Gefahr, als »linksextrem« konstruiert und damit selbst aus dem Bereich des politisch Normalen ausgeschlossen zu werden. In Bayern wurde zuletzt die »Antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München« auf Weisung des Innenministeriums aus dem »Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus« ausgeschlossen, nachdem sie der Verfassungsschutz begründungslos als »linksextremistische Organisation« aufgelistet hatte. Wenn staatliche Förderung künftig von einer Verfassungsschutzüberprüfung abhängig gemacht werden sollte, kann das viele Initiativen treffen.
 
Kein Grund zur Nostalgie
 
Zu oft fällt bei den aktuellen Debatten unter den Tisch, dass der Extremismusbegriff sich nicht erst mit Ministerin Schröder/Köhler in die Programme geschlichen hat. Seine Logik bestimmte schon zu Zeiten des staatlichen Antifasommers die Förderpolitik. Kritische Stimmen hatten es immer schwerer: Politische Anerkennung und finanzielle Unterstützung erhielten eher breite Bündnisse »Gegen Extremismus und Gewalt«, als Aktivitäten gegen rassistische Alltagsdiskriminierung in Behörden oder der lokalen Presse. Wer den Finger in die Wunde der Mehrheitsgesellschaft legt oder nach selbstverwalteten antifaschistischen Jugendzentren ruft, ist schnell raus. Der Opferberatungsstelle ABAD in Thüringen wurde schon zu Zeiten von CIVITAS die Förderung gestrichen, weil sie staatliche Migrationspolitik öffentlich anprangerte.
 
Auch eine weitere Folge des Extremismusansatzes ist nicht neu: Er verstellt den realistischen Blick auf die politischen Zielvorstellungen der Neonazis. Wenn von »Rechtsextremismus« gesprochen wird, sind meistens NPD, Freie Kameradschaften, Autonome Nationalisten usw. gemeint. Diese zeichnen sich durch eine stringente nationalsozialistische Programmatik aus. Der Begriff »Rechtsextremismus« verwischt diese Kontinuitätslinie und stellt den (Neo-)Nazismus in erster Linie als Demokratiefeindschaft dar. Dabei sind völkische Kapitalismuskritik und ethnopluralistischer Rassismus mehr als das. Es sind aktuelle Antworten auf kapitalistische Krisenerscheinungen, die auch unter formalen »DemokratInnen« auf Zustimmungen treffen. Gerade dieses gesellschaftliche Zustimmungspotential für Versatzstücke nationalsozialistischer Ideologie wird durch das formalistische Schema des Extremismusansatzes wegdefiniert.
 
Gegen jeden Extremismusbegriff
 
Mittlerweile ist die Extremismusformel in Wissenschaft und Zivilgesellschaft etabliert. Wer heute erfolgreich Mittel akquirieren will, muss sich an professionalisierten Strukturen messen lassen und das Antragsbusiness beherrschen. Antragssprache und Zielvorgaben haben sich in die Alltagssprache und Prioritätensetzungen eingeschlichen. Auch so geht Unabhängigkeit verloren. Ob kritische WissenschaftlerInnen, Mobile Beratungsteams oder auch Antifagruppen: Die meisten lehnen die Extremismusformel ab, arbeiten aber weiter in »Bündnissen gegen (Rechts-)Extremismus«. Allen offenen Briefe und Konferenzen zur Kritik an Förderpolitik und Extremismusbegriff zum Trotz, stellen sie sich weiter als »RechtsextremismusexpertInnen« vor oder betonen, dass »der Rechtsextremismus« ein grösseres Problem als »der Linksextremismus« sei. Damit reproduzieren sie die antiextremistische Logik und nehmen deren politische Konsequenzen billigend in Kauf.
 
Eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Bekämpfung von Neonazis und deren Ideologie(elemente) bleibt die größtmögliche finanzielle und informelle Unabhängigkeit und die konsequente Thematisierung neonazistischer Ideologeme und deren struktureller Verankerung in allen gesellschaftlichen Bereichen. Letzteres ist ohne die konsequente Zurückweisung der Extremismusformel nicht zu haben. Das heißt, sich endlich von eingeschliffenen Begrifflichkeiten zu verabschieden. Und es gilt, sich nicht nur gegen die Neuausrichtung der Förderprogramme, sondern konsequent gegen den dahinter liegenden Gesamtansatz zu positionieren. Das bedeutet auch, Abhängigkeiten, die sich aus staatlicher Förderung ergeben, kritisch zu reflektieren und sich notfalls Fördervorgaben zu verweigern, die auf ein Antiextremismusbekenntnis hinauslaufen. Das kann negative Auswirkungen auf die eigene Beratungsarbeit oder berufliche Karriere haben, aber auch positive, weil es zu einer (Re)politisierung führt. Weil die öffentliche Positionierung gegen den Extremismusansatz die eigene politische Marginalisierung, Kriminalisierung und das Ende der Förderung bedeuten kann, macht eine konsequente und politisch begründete Verweigerungshaltung nur Sinn, wenn sie im Bündnis unabhängiger Antifagruppen, kritischer WissenschaftlerInnen und zivilgesellschaftlichen Organisationen geschieht: Es ist Zeit für einen konsequenten Abschied vom staatlich verordneten Antiextremismus und seinen Begrifflichkeiten.
 
 

 

 

Neonaziaktivitäten in Kiel rund um das Lübeck-Wochenende

Anlässlich des Wochenendes, an dem der Naziaufmarsch in Lübeck anstand, gab es mehrere Propaganda-Aktionen von Neonazis in Kiel.

Bereits am Mittwoch, den 24.3. fand in Kiel eine „Infoveranstaltung“ der Nazis zur Demonstration in Lübeck statt. Am Donnerstag verteilten mehrere Neonazis, darunter auch Peter von der Born, in der Kieler Innenstadt Flyer für den so genannten „Trauermarsch“ in Lübeck.

In der Nacht auf Freitag wurden in der Holstenstraße Plakate, die für die Nazi-Demonstration in Lübeck warben, geklebt. Dabei soll es zu einem Angriff von 5 vermummten Neonazis auf einige Menschen gekommen sein, die die Plakate wieder entfernen wollten. Die Plakate wurden am Freitagmorgen von AntifaschistInnen wieder entfernt. Am Freitag verteilten dann etwa 10 Neonazis Flyer in der Wik.

Am 27.3.10 nahmen Neonazis aus Kiel dann am so genannten „Trauermarsch“ in Lübeck teil, der mit etwa 150 TeilnehmerInnen jedoch schlecht besucht war und an den vielfältigen antifaschistischen Blockaden scheiterte.

»Zuerst!« ist Forum für etablierte und extreme Rechte

Wir dokumentieren einen Artikel aus der Zeitung der rechte rand

Holocaust-Leugner & Konservative


In kürzester Zeit ist dem extrem rechten Monatsmagazin »Zuerst!« ein Brückenschlag ins konservative Milieu gelungen. Einträchtig nebeneinander finden sich hier NS-Kitsch, Holocaust-Leugner, rassistische Hetze, Deutschtümelei und Interviews mit konservativen Politikern. Zwar wird das Blatt nicht neben den seriösen Nachrichtenmagazinen im Verkaufsregal platziert, wie der neonazistische Verleger Dietmar Munier hoffte. Aber das Heft liegt bundesweit in Bahnhofsbuchhandlungen, Tankstellen und am Kiosk zum Verkauf aus. Ende Februar erschien nun die dritte Ausgabe.
Im aktuellen Heft setzt Chefredakteur Günther Deschner den Schwerpunkt auf das aktuelle Reizthema »Linksextremismus«. »Linke Gewalt. Angriff auf den Rechtsstaat«, so ›plärrt‹ es in dicken Buchstaben vom Titel. 15 Seiten mit großen Fotostrecken füllt das Thema im Heft. Die Politik »scheint weder willens noch in der Lage zu sein, die Innere Sicherheit zu garantieren«, schürt »Zuerst!« ganz gezielt Ängste. Statt nur aus zweiter Hand zu berichten, gehen die Autoren auf Anti-Antifa-Recherche.

 

So schlichen sie sich in eine Veranstaltung der Tageszeitung »Junge Welt« zur »Extremismustheorie« ein und waren am 13. Februar mit der Kamera in Dresden in den Antifa-Blockaden unterwegs. Dort sei es zu massivem »Rechtsbruch« gekommen, als tausende Antifas, GewerkschafterInnen und Linke den Aufmarsch von Neonazis blockierten.

 

Ein »Bündnis aus Politik, Polizei und Linksextremisten« sei dafür verantwortlich, beklagt »Zuerst!«-Autor Roger Szrenec. Der Naziaufmarsch wird von Chefredakteur Deschner als traditionsreicher »friedlicher Trauermarsch« beschrieben – eine deutliche Positionierung zugunsten der Neonazis.

 

Gemeinsamer Kampf gegen Links


Der Kampf gegen Links ist mal wieder das einende Moment zwischen Neonazis, extremer Rechter und Teilen des Konservatismus. Im Interview mit »Zuerst!« erklärt Hans Merkel, CSU Politiker und ehemaliger Büroleiter des Bundestagspräsidenten, die Bedrohung von Links: »Wir haben ein ernsthaftes Problem.« Er glaubt: »Das Gesellschaftsbild der extremen Linken hat sich in den letzten Jahrzehnten (…) durchgesetzt.« Hans Merkel ist auch Erstunterzeichner der Kampagne »Linkstrend stoppen!« vom rechten Flügel der Unionsparteien.

 

Wenige Seiten weiter im Heft zeigt sich der Charakter des Blattes aus der »Verlagsgruppe Lesen & Schenken« noch deutlicher. In mitleidsvollem Ton heißt es dort über den Holocaust- Leugner Ernst Zündel, er habe »sieben dunkle Jahre in Haft überstehen« müssen. »Zuerst!« übernimmt kritiklos die Eigencharakterisierung der Holocaust- Leugner, die sich selbst als »Revisionisten« bezeichnen. Zündel habe doch nur die »Wahrheit« herausfinden wollen, heißt es. »Unter fragwürdigen Bedingungen« sei er inhaftiert worden. Sei es wirklich richtig, Zündel zu inhaftieren?, stellt »Zuerst!«-Autor Peer Krusen die rhetorische Frage. Noch deutlicher als in diesem Text kann man kaum die Holocaust – Leugner verteidigen, will man nicht selbst Gegenstand eines Strafverfahrens werden.

 

Ansonsten präsentiert das neue Heft einen Querschnitt durch die Themen der extreme Rechten: Der ehemalige Europaabgeordnete der Partei »Die Republikaner« Harald Neubauer klagt über das Fehlen eines rechten Flügels in der CDU/CSU, der »Vertriebenen«-Aktivist Rudi Pawelka bewirbt die »Landsmannschaft Schlesien«, Manuel Oschsenreiter porträtiert den alternden »Nationalpazifisten« Alfred Mechtersheimer und gleich mehrere Artikel warnen mit rassistischen Tönen vor Einwanderung.

 

Steigende Abozahlen


Über den Verkaufserfolg von »Zuerst!« kann nur spekuliert werden, konkrete Verkaufszahlen sind bisher nicht öffentlich. Doch Verleger Munier schwärmte im Gespräch mit dem Internetprojekt »Gesamtrechts« von steigenden Abozahlen und gab sich Ende Januar optimistisch: »Wenn die Zahlen der letzten 6 Wochen anhalten, können wir ZUERST! dauerhaft durchsetzen«. Munier setzt auf Expansion. Interessierte könnten sich stapelweise Hefte zum Verteilen zusenden lassen, wirbt er. Dennoch dürfte das Projekt gefährdet sein. Denn der bundesweite Vertrieb über Kioske, Supermärkte und Tankstellen ist kostenintensiv.

 

Außerdem hat »Zuerst!« erst jüngst Konkurrenz bekommen. Seit Januar ist auch die rechtskonservative »Preußische Allgemeine Zeitung« am Kiosk zu haben. Ob da neben der »Deutschen Stimme«, der »Nationalzeitung« und der »Jungen Freiheit« noch Platz für »Zuerst!« bleibt, ist fraglich.

 

Zudem ist die politische Ausrichtung des Blattes zu exponiert, um derzeit den Kreis der Werbekunden und LeserInnen zu erweitern. Und auch die Berichterstattung in den Medien war für »Zuerst!« nicht förderlich. Entweder wurde die Gründung gar nicht erst erwähnt oder aber ihre extrem rechte Ausrichtung exakt beschrieben. Lob gab es freilich ausgerechnet von Matthias Brodkorb, einem SPD-Landtagsabgeordneten aus Mecklenburg-Vorpommern und Betreiber des Internetprojektes »Endstation Rechts«. Er attestierte den Autoren von »Zuerst!« »publizistische Gediegenheit« und einen »in Sachen Rechtsextremismus unangreifbaren Eindruck«. Zudem sei das Lektorat »tadellos«, »die Bildreaktion solide und die Schreibe durchaus gefällig«. Widerstand gegen die Zeitschrift kommt unterdessen vom »Hamburger Bündnis gegen Rechts«. In einem offenen Brief wird der »Heinrich-Bauer-Verlag« aufgefordert, den Vertrieb von »Zuerst!« durch seine Tochterfirma »Verlagsunion« einzustellen.


Von Ernst Kovahl

NPD Landesparteitag in Högel ging nicht unbemerkt über die Bühne

Am 28.02.2010 kamen etwa 70 Nazis zusammen, um erneut ihren NPD Landesparteitag in Högel/Nordfriesland abzuhalten. Mit kleinen und größeren Erneuerungen geht die NPD in das Jahr 2010.

Der 1938 geborene Kaufmann Uwe Schäfer trat nicht mehr zur Wahl des Landesvorsitzenden an. An seiner Stelle steht nun der 31-jährige Jens Lütke aus Martensrade bei Kiel, welcher 2008 u.a. wegen zeigen verfassungsfeindlicher Symbole verurteilt wurde. Lütke arbeitet für das Verlagswesen von Dietmar Munier und sitzt in der Redaktion der neuen Nazizeitung „Zuerst!“ und ist auch für die „Schleswig-Holstein Stimme“, die Zeitung der NPD Schleswig-Holstein verantwortlich.
Weitere Mitglieder des neuen Landesvorstandes: Als stellvertretende Landesvorsitzende wurden der wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung verurteilte Ingo Stawitz aus Uetersen und Kai Otzen aus Pinneberg, welcher 2009 für die NPD in Elmshorn antrat, gewählt. Schatzmeister ist weiterhin Wolfgang Schimmel. Als Beisitzer hinzu kommen Kay Oelke, ehemals Landeschef der „Schill-Partei“, Roland-Siegfried Fischer und Hermann Gutsche aus Kiel und Alexander Jäger aus Krupunder. Jäger unterhält gute Kontakte zu freien und parteizugehörigen Neonazis aus dem Raum Pinneberg/Elmshorn. 2009 trat er mit gewalttätigen Neonazis auf dem Elmshorner Hafenfest auf. Dort wurden mehrere Menschen von Neonazis aus dieser Gruppe verfolgt, angegriffen und verletzt.
Vor der Gaststätte demonstrierten etwa 30 AntifaschistInnen mit Transparenten, die Polizei war mit einem Großaufgebot vor Ort.
Dieser Artikel ist zum Teil einem Bericht der Antifaschistische Initiative Elmshorn entnommen.

Gelb-Rot-Braun – Schleswig-Holsteiner Nazis unterwandern Bandidos MC

Wir dokumentieren einen schon etwas älteren aber immer noch aktuellen Artikel aus dem Antifa Infoblatt Nr. 85 zur Verstrickung von Neonazis in den so genannten „Rockerkrieg“ in Schleswig-Holstein.
Ehemaliger Landesvorsitzender der NPD Schleswig-Holstein, Peter Borchert, jetzt bei den Bandidos Neumünster.
Immer wieder haben wir über die Umtriebe des Kieler Neonazis Peter Borchert berichtet. Peter Borchert, inzwischen 36 Jahre alt, hat bereits beinahe 10 Jahre seines Lebens im Gefängnis verbracht. Bekannt geworden als Teil derjenigen militanten Neonazis, die in Schleswig-Holstein erfolgreich die Macht im Landesverband der NPD an sich rissen, und dies erst nach massiver Intervention der Bundespartei verloren, hatte er zuletzt eine Kameradschaft Autonomer Nationalisten in Kiel aufgebaut. Diese „Aktionsgruppe Kiel“ war zwischenzeitlich so selbstbewusst, dass sie sich vor einem Jahr auf eine offene Konfrontation mit den Hells Angels Kiel einließen. Als im August 2008 vor dem Amtsgericht Kiel ein Prozess gegen zwei aus der rechten Szene Kiels stammenden Brüder, denen vorgeworfen wurde, während einer Diskothekenschlägerei ein Hells Angels Mitglied niedergestochen zu haben, geführt werden sollte, mobilisierte Borchert zur Unterstützung seine „Aktionsgruppe“. Bei der zwangsläufigen Konfrontation mit dem nahezu vollständigen Chapter der Kieler Hells Angels vor dem Amtsgericht, soll Borchert nach Augenzeugenberichten, zwei der Gegner niedergestochen haben. Mittlerweile wurden sowohl Borchert, als auch die beiden Brüder wegen dieser Taten freigesprochen. Insbesondere der Freispruch Borcherts war auf der Basis der Zeugenaussagen vor Gericht kaum nachzuvollziehen.
Borchert und ein Teil seiner Kameraden kennen die verfeindeten Hells Angels-Mitglieder teilweise seit früher Jugend. Gemeinsam war man in rechten Jugendgangs auf dem Kieler Ostufer groß geworden. Borchert scheint mit seinen autonomen Nationalisten im Interessenbereich der Hells Angels gewildert zu haben und versuchte nun, seine Interessen mit Nachdruck zu verteidigen. Darüber hinaus dürfte Borchert den Hells Angels immer noch verübeln, dass sie dem ehemaligen Neonazi Klemens Otto (Combat 18 Pinneberg) eine Ausstiegsalternative in einem neumünsteraner Tätowierstudio geboten haben. Nazis aus Borcherts Umgebung hatten mehrfach im Internet vermutet, dass Otto belastende Aussagen zum Nachteil Borcherts gemacht hatte.
Der Umstand, dass Borchert bei der Konfrontation vor dem Kieler Amtsgericht ohne Scheu seine Kameraden verheizt hat, wurde später kaum diskutiert. Der an der Schlägerei beteiligte NPD-Funktionär Christian Rausch wurde bei der Schlägerei so stark verletzt, dass er aufgrund eines Knochenbruchs vermutlich bleibende Schäden erleidet. Er gab an, von Personen, die der „Aktionsgruppe Kiel“ zugerechnet werden müssen bedroht worden zu sein, er solle nicht gegen Borchert aussagen.
Trotz des Freispruches führte die Auseinandersetzung mit den Hells Angels für die Beteiligten zu erheblichen Problemen im Alltag. Borcherts Pläne, mit seinen Kameraden im Türsteherbereich aktiv zu werden, ließen sich vor dem Hintergrund des schwelenden Konfliktes nicht realisieren. Einer der beiden an der ersten Auseinandersetzung beteiligten Brüder wurde zwischenzeitlich angeschossen, ein eindeutiges Signal für die Zukunft.
In dieser Situation kam es den Beteiligten gerade recht, dass der Rockerclub Bandidos just in diesem Moment eine Ausweitung nach Schleswig-Holstein plante. Der Bandidos MC ist einer der weltweit agierenden Rocker-Clubs und führt seit Jahren einen harten Kampf gegen die konkurrierenden Hells Angels. Bei diesen Auseinandersetzungen kommt es immer wieder auch zu Schwerverletzten und Toten. Die unter den Vereinsfarben rot-weiß agierenden Hells Angels kontrollieren bislang Hamburg und Schleswig-Holstein. Die unter den Farben gelb-rot auftretende „Bandidos Family“, bestehend aus den eigentlichen Bandidos und ihren zahlreichen Untergruppen, rekrutieren oftmals ehemalige Hells Angels-Mitglieder oder frustrierte Anwärter, die nach jahrelangem Warten auf die Vollmitgliedschaft eine Alternative suchen. Als im Mai 2009 Chapter der Bandidos Untergruppe „Chicanos“ in Kiel, Rendsburg und Neumünster eröffnet wurden, bot sich daher für Borchert und Kameraden eine Chance, sich mit starker Rückendeckung neu zu organisieren. Borchert knüpfte daher schnell Kontakte zum neumünsteraner Chapter. Die Chapter Kiel und Rendsburg streckten allerdings unmittelbar nach ihrer Gründung die Fahnen und gaben ihre Kutten bei den Hells Angels ab. Anders das neumünsteraner Chapter, das seit November diesen Jahres den offiziellen Status eines „probationary Chapters“ der Bandidos hat. In diesem Chapter fand nun nicht nur Borchert, sondern offensichtlich auch andere Nazikader eine neue Heimat. Nach Polizeiinformationen sind neben Borchert und dem einen der beiden eingangs erwähnten Brüder Ralf D., der ehemalige Club 88-Mitbetreiber Tim Bartling und der aus Oldenburg/Holstein stammende Alexander Hardt Mitglieder der Bandidos Neumünster.
Bartling, der als Freefight Kämpfer immer wieder behauptet, er sei nicht mehr in der Nazi-Szene aktiv, hält sich zur Zeit mit öffentlichen Auftritten zurück. Dagegen traten Borchert und Hardt in den vergangenen Monaten mehrfach mit Kutte in Neumünster und bei anderen Bandidos-Chapters auf.
Alexander Hardt war bereits im Jahr 2006 aufgefallen. Vor dem Amtsgericht Oldenburg/Holstein wurde er in einem Prozess freigesprochen. Hardt ließ sich damals von dem Hamburger Nazi-Anwalt Rieger vertreten. Im Prozess bestätigte Rieger, dass Hardt schon während der Demonstrationen gegen die Ausstellung „Verbrechen der Wehrmacht“ schwedische Nazis betreut hatte.
Im Herbst dieses Jahres sollte Hardt in Herzberg bei Göttingen wegen Herstellung und Verbreitung der 2003 erschienenen und mittlerweile indizierten CD „Geheime Reichssache“ der Rechtsrockband „Kommando Freisler“ beteiligt gewesen sein. 
Hardt wird vorgeworfen, das Booklet der CD hergestellt zu haben. Die CD wurde über den dem Blood and Honour-Netzwerk zuzurechnenden Vertrieb „Celtic Moon“ vertrieben. 

Wo die illegale CD produziert wurde, ist bisher unklar. „Wir vermuten in Norddeutschland, möglicherweise Schleswig-Holstein“, sagt Oberstaatsanwalt Heimgärtner.
Zwei Bandmitglieder wurden in dem Prozess am 2. November vom Amtsgericht Herzberg aufgrund eines Geständnisses zu Geldstrafen in Höhe von 3.600 und 3.000 Euro verurteilt. Gegen Hardt konnte der Prozess nicht durchgeführt werden, da sein Verteidiger RA Rieger kurz zuvor verstarb. Eine Verurteilung ist hier wahrscheinlich. Bislang ist unklar, ob Hardt im Rahmen seiner Skandinavien-Kontakte in größerem Maße als bisher bekannt in die internationale Blood and Honour-Struktur eingebunden war.
Neuerdings macht Hardt allerdings eher profane Geschäfte. Mit Geschäftssitz im neumünsteraner Nazi-Treff Club 88 betreibt er unter der Internet-Seite „Polenschlüssel.de“ den Verkauf von Einbruchswerkzeug.
Alles in allem wird deutlich, dass mindestens drei der neuen Mitglieder des Bandidos Chapters Neumünster jedenfalls ehemals sehr aktive Nazi-Aktivisten sind, die bis heute in die schleswig-holsteinischen Nazistrukturen eingebunden sind. Es ist fraglich, ob sie ihre Naziaktivitäten nunmehr einstellen oder als Bandidos-Mitglieder weiter betreiben. Beobachter der Szene stellen allerdings fest, dass die Anbindung an die Naziszene anhält. So berichten neumünsteraner Antifaschisten von Treffen der Bandidos-Mitglieder im Club 88. Auch Peter Borchert soll weiterhin engen Kontakt zu seiner „Aktionsgruppe Kiel“ halten, auch wenn er aus Angst vor den Hells Angels ein offenes Auftreten in Kiel vermeidet.
Die Bandidos, die schon in der Vergangenheit dadurch aufgefallen sind, dass Nazibands in ihren Clubheimen auftreten konnten, haben mit der Verleihung des Probatory Status an das Chapter Neumünster ein klares Zeichen gesetzt, dass sie Nazis in ihrem Club, in dem auch viele Migranten aktiv sind, akzeptieren. Jedenfalls in Neumünster bestehen gute Chancen dass der Bandidos MC nicht als – wie bei Rockern üblich – 1%er Club, sondern als 88%er den Club-Farben rot-gelb einen deutlich braunen Klecks verpassen.