PRESSEMITTEILUNG der Anti-Nazi-Koordination Kiel, 03.05.2008

– 700 TeilnehmerInnen auf antifaschistischer Demonstration in Kiel-Gaarden

– Veranstaltung konnte zur unabhängigen Aufklärung der Gaardener Bevölkerung über das ungewohnt offensive Auftreten Kieler Neonazis in den vergangenen Wochen beitragen

– Julia Schmidt (Anti-Nazi-Koordination Kiel): „Für alle ist unmissverständlich sichtbar geworden: Das Polizeimärchen vom „Bandenkrieg“ ist eine Lüge. In Kiel findet vielmehr eine breite politische Auseinandersetzung mit der erstarkenden Neonaziszene statt.“

Am Sa., 03. Mai 2008 fand im Kieler Stadtteil Gaarden am frühen Nachmittag bei bestem Wetter und ausgelassener Stimmung eine antifaschistische Demonstration unter dem Motto „Aktiv gegen Nazis in Gaarden und anderswo! Weg mit allen Naziwohnungen. Für ein solidarisches Miteinander aller Menschen.“ statt, die von der „Anti-Nazi-Koordination Kiel“ organisiert wurde. An der Demo nahmen zeitweise 700 Menschen teil und sie setzte sich aus unterschiedlichen Spektren zusammen. So beteiligten sich neben zahlreichen Gaardener AnwohnerInnen und Kieler AntifaschistInnen auch MigrantInnenorganisationen sowie autonome Antifas aus ganz Schleswig-Holstein und Hamburg an der Veranstaltung. Der Zug bewegte sich nach einer Auftaktkundgebung in türkischer und deutscher Sprache vom Alfons-Jonas-Platz durch den gesamten Stadtteil und löste sich mit einer Abschlusskundgebung auf dem Vinetaplatz auf. In Sichtweite eines Hauses in der Preetzer Str., in dem bis vor knapp zwei Wochen die NPD-Kommunalwahlkandidaten Nils Hollm und Thomas Krüger wohnten und das Anlass und Ausgangspunkt zahlreicher Konflikte zwischen AntifaschistInnen und Neonazis war, deren Höhepunkt das Wochenende um den Geburtstag Adolf Hitlers am 20. April war, wurde eine Zwischenkundgebung abgehalten. In verschiedenen Redebeiträgen wurde darauf hingewiesen, dass noch immer viele Neonazis in Gaarden leben, darunter auch eine weitere NPD-Kandidatin. Außerdem wurde dazu aufgefordert, sich in antifaschistischen Zusammenhängen zu organisieren und den Widerstand gegen Rassismus, Nationalismus und die Aktivität der Naziszene im ganzen Stadtgebiet und darüber hinaus fortzusetzen.

Hintergrund der Aktion war das ungewöhnlich offensive Auftreten Kieler Neonazis in den vergangenen Wochen. So wurden in der Woche vom 16.-22. April vor allem gegen linke und alternative Projekte und Läden nächtliche Angriffe durch Neonazis verübt und lokale AntifaschistInnen beobachten eine verstärkte Präsenz von Neonazis auf Kieler Straßen und eine Zunahme rechter Übergriffe. Kieler AntifaschistInnen reagierten darauf mit vielfältigen Aktionen, die bisher zumindest den Auszug der NPD-Kandidaten aus der Preetzer Str. bewirken konnten.
Die heutige Demo verstand sich als Teil einer angelaufenen unabhängigen Öffentlichkeitskampagne Kieler AntifaschistInnen. Diese war nötig geworden, nachdem über die jüngsten Ereignisse in den lokalen Medien auf anraten von Polizei und Staatsanwaltschaft bisher weitestgehend nicht berichtet wurde.
Als positiv bewerteten die VeranstalterInnen auch die zahlreichen zustimmenden Gesten von PassantInnen und aus Wohnungen am Rande der Demoroute.

Julia Schmidt von der Anti-Nazi-Koordination Kiel: „Die höchsterfreuliche Resonanz trotz des recht kurzen Mobilisierungszeitraums und vor allem die Breite des TeilnehmerInnenspektrums hat unmissverständlich klar gemacht: Es handelt sich bei den Ereignissen der vergangenen Wochen auf Kiels Straßen keinesfalls um so etwas wie einen Bandenkrieg, wie es die Polizei dreist behauptet. Vielmehr sind ganz offensichtlich viele unterschiedliche Menschen ob der erstarkenden Naziszene in Kiel empört und bereit, sich diesen Entwicklungen entschlossen entgegenzustellen. Wir alle wissen, dass das Totschweigen der Naziproblematik die Nazis immer weiter erstarken lässt und nur die selbstbewusste politische Auseinandersetzung auf verschiedenen Ebenen eine angemessene Antwort sein kann. Dies werden nach dem heutigen gemeinsamen symbolischen Ausdruck dieser Überzeugung von hunderten Menschen hoffentlich auch die lokalen MedienvertreterInnen nachvollziehen können. Wir denken, dass sie sich nun endlich über die Nachrichtensperre der Kieler Polizei und Staatsanwaltschaft hinwegsetzen.“

Auch für die nächsten Wochen kündigen AntifaschistInnen eine weitere Thematisierung von Kiels Naziproblem an. Neben dem Widerstand gegen die zu erwartende nationalsozialistische Hetze im Zuge des angelaufenen NPD-Wahlkampfes, soll u.a. eine weitere antifaschistische Demonstration in Kiel stattfinden, die für den 24. Mai in angekündigt ist.

Indymedia Artikel zum Tag

PRESSEMITTEILUNG der Anti-Nazi-Koordination Kiel, 20.04.2008

– 250 AntifaschistInnen demonstrieren von Gaarden in die Kieler Innenstadt gegen rechte Gewalt und den Wahlkampf der NPD
– Nacht auf Sonntag: 30 Neonazis feiern Hitlers Geburtstag in der Preetzer Str. 11
– Stimmungslage in der Stadt bleibt angespannt

Als weitere Reaktion auf die Reihe faschistischer Angriffe auf linke Kieler Objekte im Laufe der Woche, demonstrierten heute, dem 20.04.2008 etwa 250 Menschen. Das Motto der Demo war: „Null Toleranz für Nazis. Nicht in Deinem Viertel. Nicht auf unseren Straßen. Nirgendwo! Faschistische Strukturen aufdecken und bekämpfen! Den NPD-Wahlkampf gemeinsam lahm legen“. Die Demonstration zog lautstark vom Gaardener Vinetaplatz in die Kieler Innenstadt zum Asmus-Bremer-Platz. Im Zentrum des Protestes stand ein von zwei NPD-Kommunalwahlkandidaten und weiteren Neonazis bewohntes Haus in der Preetzer Str. 11 und der bevorstehenden NPD-Wahlkampf in Kiel. An der Kreuzung Preetzer Str./Schwedendamm wurde während einer Zwischenkundgebung in einem Redebeitrag auf die Bedeutung des Hauses hingewiesen.

Das Haus in der Preetzer Str., in dem zwei Kandidaten der neofaschistischen NPD zur bevorstehenden Kommunalwahl in Kiel, Thomas Krüger und Nils Hollm wohnen, war bereits in der Vergangenheit u.a. durch herausschallende Nazimusik und in den Fenstern hängende SS-Fahnen aufgefallen. Als es am vergangenen Freitag zu einer minutenlangen Straßenschlacht zwischen TeilnehmerInnen einer antifaschistischen Spontandemo anlässlich der vorausgegangenen Naziattacken und im sowie vor dem Haus postierten Neonazis kam, darunter auch die beiden NPD-Kandidaten, erreichte der öffentliche Ausdruck der im Haus vertretenen neonazistischen Ideologie einen neuen Höhepunkt. Daran anknüpfend feierten im Haus in der vergangenen Nacht 30 Neonazis in den Geburtstag Adolf Hitlers hinein. Bewacht wurden sie dabei von einem massiven Polizeiaufgebot. Die Stimmung im Stadtteil war dementsprechend angespannt, die Lage blieb aber relativ ruhig. Es kam aber im gesamten Stadtgebiet vereinzelt wieder zu Übergriffen mit rechtem Hintergrund. Auch am heutigen Sonntag postierten sich wieder mehrere Neonazis vor dem Haus, weshalb mit einem Ende des Konfliktes zwischen dem Nazihaus und dem migrantisch und subkulturell geprägten Stadtteil Gaarden nicht zu rechnen ist.

Julia Schmidt von der Anti-Nazi-Koordination Kiel: „Unsere Demonstration mit ihrer für die Mobilisierungszeit von nur einem Tag höchst erfreulichen TeilnehmerInnenzahl deutlich gemacht, dass wir uns von den NPD-Kandidaten und ihren Nazifreunden in der Preetzer Str. 11 nicht einschüchtern lassen. Wir stehen solidarisch zusammen! Dies lässt uns gestärkt in die kommenden Aktionen gegen den Kommunalwahlkampf der NPD gehen. Diese Partei hat sich schon vor Beginn ihres Wahlkampfes einmal mehr als das gezeigt was sie ist: Eine Nazi-Partei mit allem was dazu gehört, faschistische Straßengewalt und menschenverachtende Propaganda. Sie wird es nun schwer haben, ihre biedere Verpackung noch irgendwem glaubhaft verkaufen zu können.“

Auswertung der Antifaschistischen Aktivitäten am 29.3.08 in Lübeck (Autonome Linke, Hamburg)

Wir haben uns dazu entschlossen, diesen Tag noch einmal gründlich zu betrachten, weil es unserer Meinung nach einige Punkte gibt, an denen sich gut erkennen lässt, warum der Tag für die (autonome) antifaschistische Linke weit hinter den Erwartungen zurück geblieben ist. Dieser Text soll als solidarische Kritik verstanden werden. Wir erheben keinesfalls den Anspruch, die berühmte Weisheit mit den noch viel berühmteren Löffeln gefressen zu haben. Wir möchten an dieser Stelle betonen, dass wir Teile der Kritik, die wir in diesem Text äußern, auch an uns selbst richten.

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11880 – Ein Rückblick und ein Ausblick. Nachbereitungspapier zu den antifaschistischen Aktionen im Herbst 2007 in Neumünster

Über Neumünster hört mensch normalerweise nicht viel Gutes. Das vielfältige und bekannte Naziproblem in Neumünster, ihre Strukturen wie der „Club 88“, die Übergriffe aus den Kneipen Titanic und Holstenbörse auf BesucherInnen der AJZ, ein landesweit überdurchschnittliches Wählerpotenzial für die NPD etc., sind nach wie vor vorhanden. Der „Club 88“ steht bei vielen Leuten als Synonym für die Stadt Neumünster, von antifaschistischer Arbeit und Widerstand hört mensch dagegen leider seltener. Dies soll allerdings kein einfaches Lippenbekenntnis gegen Nazis sein – es ist vielmehr eine Bestandsaufnahme eines akuten Problems…
Mit diesem Papier wollen wir die Ereignisse zum 11. „Club 88“ Geburtstag am 29. September und zum darauf folgenden Naziaufmarsch am 24. November 2007 aus unserer Sicht erklären. Wir wissen, dass Neumünster längst nicht die einzige Stadt mit einem Naziproblem ist, es ist aber auf der anderen Seite auch ein Paradebeispiel dafür, wie es im allgemeinen im Moment um autonome Antifapraxis bestellt ist, wie undefiniert unsere Bündnispolitik ist und welche Probleme damit einhergehen. Unser Anliegen ist es daher auch unseren Arbeitsprozess so weit wie möglich transparent und für alle nachvollziehbar zu machen. Mit der Perspektive auch nächstes Mal weiterzumachen, den Nazis in Neumünster und dem „Club 88“ die Suppe zu vermiesen, wollen wir unseren aktuellen Diskussionsstand vorstellen und einen weiteren Beitrag in die Debatte über antifaschistische Organisation und Praxis in Neumünster und Schleswig Holstein geben.

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