„Gegen die DVU-Kundgebung in Plön!“ – Aktionsaufruf 17.4.2010 / Plön

Die faschistische DVU hat für den 17. April 2010 auf dem Marktplatz in Plön eine Kundgebung angemeldet.

Nach Husum soll dies die zweite öffentliche Kundgebung der DVU in Schleswig-Holstein werden. Die DVU, welche seit einigen Jahren in Schleswig-Holstein und fast im ganzen Bundesgebiet nur noch auf dem Papier existierte, versucht seit Kurzem mit neuen Leuten wie dem Ex-NPDler Kevin Stein in Nordfriesland und dem bundesweit bekannten Neonazi-Kader Christian Worch wieder aus der Versenkung hervorzutreten. Anmelder der Kundgebung in Plön ist Hans-Gerd Wiechmann.

In Plön hat sich ein Bündnis aus SchülerInnen, Parteien, linken und antifaschistischen Organisationen gebildet, welches Aktionen gegen die Kundgebung der DVU ankündigt. Verschiedene Gruppen aus dem Bündnis haben mehrere antifaschistische Gegenveranstaltungen um 10 Uhr auf dem Plöner Marktplatz angemeldet.

Wir rufen alle AntifaschistInnen aus der Umgebung auf, am 17. April nach Plön zu kommen!
Zusammen gegen die DVU und alle anderen faschistischen Banden!

Treffpunkt: 10 Uhr | Marktplatz Plön
>> Gemeinsame Anreise aus Kiel: Treffen 9.30 Uhr Bahnhof | Abfahrt 9.44 Uhr

Neonaziaktivitäten in Kiel rund um das Lübeck-Wochenende

Anlässlich des Wochenendes, an dem der Naziaufmarsch in Lübeck anstand, gab es mehrere Propaganda-Aktionen von Neonazis in Kiel.

Bereits am Mittwoch, den 24.3. fand in Kiel eine „Infoveranstaltung“ der Nazis zur Demonstration in Lübeck statt. Am Donnerstag verteilten mehrere Neonazis, darunter auch Peter von der Born, in der Kieler Innenstadt Flyer für den so genannten „Trauermarsch“ in Lübeck.

In der Nacht auf Freitag wurden in der Holstenstraße Plakate, die für die Nazi-Demonstration in Lübeck warben, geklebt. Dabei soll es zu einem Angriff von 5 vermummten Neonazis auf einige Menschen gekommen sein, die die Plakate wieder entfernen wollten. Die Plakate wurden am Freitagmorgen von AntifaschistInnen wieder entfernt. Am Freitag verteilten dann etwa 10 Neonazis Flyer in der Wik.

Am 27.3.10 nahmen Neonazis aus Kiel dann am so genannten „Trauermarsch“ in Lübeck teil, der mit etwa 150 TeilnehmerInnen jedoch schlecht besucht war und an den vielfältigen antifaschistischen Blockaden scheiterte.

Antifa-Aktionen stoppen Naziaufmarsch in Lübeck!

Der großspurig angekündigte Aufmarsch von Neonazis aus Norddeutschland in Lübeck konnte stark behindert werden und geriet zu einer „Trauerveranstaltung“ ganz anderer Art. Mehrere hundert AntifaschistInnen blockierten seit den frühen Morgenstunden fast die gesamte Naziroute, die ersten organisierten Gruppen von BlockiererInnen waren schon um 6.15 Uhr auf der Straße. Gegen 8 Uhr errichteten antifaschistische Gruppen aus Schleswig-Holstein und Hamburg eine Blockade auf der Schwartauer Allee.

http://www.ln-online.de/gallery/photo.php?file=/10ea_BreakingNews/_res/res_2810ac.jpg

Mit der Zeit strömten immer mehr AntifaschistInnen nach St. Lorenz-Nord, so dass gegen 12 Uhr, als die Nazis sich am Bahnhof trafen, das Viertel fest in antifaschistischer Hand war. Die Polizei schien konzeptlos und gab, nachdem einige Blockaden in der Nähe des Bahnhofs noch geräumt wurden, gegen 14 Uhr bekannt, dass die FaschistInnen zum Bahnhof zurück geleitet werden. Zu diesem Zeitpunkt standen die Nazis am Ziegelteller und waren umringt von antifaschistischen Blockaden. Zwischendurch und im Anschluss an die Blockaden kam es zu kurzen Auseinandersetzungen zwischen GegendemonstrantInnen und der Polizei, besonders auf der Fackenburger Allee, die eigentlich Teil der Naziroute war. Hier geriet die Polizei immer wieder in Bedrängnis und auch der Lautsprecherwagen der Nazis, in dem Hermann Gutsche saß, konnte nicht ungehindert zum Sammelpunkt der Nazis kommen.

Die Nazis konnten nur etwa 150 KameradInnen nach Lübeck mobilisieren. Es ist zu erkennen, dass der Lübecker „Trauermarsch“ keinen so hohen Stellenwert mehr in der norddeutschen Nazi-Szene besitzt und hauptsächlich von Neonazis aus Schleswig-Holstein und Hamburg getragen wird. Die Anzahl der TeilnehmerInnen hat sich im Gegensatz zu den vorigen Jahren stark verringert. Der Tag war für die Nazis ein Desaster, auch wenn sie dies natürlich anders sehen und sich über die Blockaden aufregen.

 

Wir danken allen AntifaschistInnen, die sich schon in den frühen Morgenstunden zusammen mit uns auf den Weg nach Lübeck gemacht haben, an den Blockaden teilgenommen haben oder auf ihre Art den Nazis den Heimweg aufgezeigt haben.

 

»Zuerst!« ist Forum für etablierte und extreme Rechte

Wir dokumentieren einen Artikel aus der Zeitung der rechte rand

Holocaust-Leugner & Konservative


In kürzester Zeit ist dem extrem rechten Monatsmagazin »Zuerst!« ein Brückenschlag ins konservative Milieu gelungen. Einträchtig nebeneinander finden sich hier NS-Kitsch, Holocaust-Leugner, rassistische Hetze, Deutschtümelei und Interviews mit konservativen Politikern. Zwar wird das Blatt nicht neben den seriösen Nachrichtenmagazinen im Verkaufsregal platziert, wie der neonazistische Verleger Dietmar Munier hoffte. Aber das Heft liegt bundesweit in Bahnhofsbuchhandlungen, Tankstellen und am Kiosk zum Verkauf aus. Ende Februar erschien nun die dritte Ausgabe.
Im aktuellen Heft setzt Chefredakteur Günther Deschner den Schwerpunkt auf das aktuelle Reizthema »Linksextremismus«. »Linke Gewalt. Angriff auf den Rechtsstaat«, so ›plärrt‹ es in dicken Buchstaben vom Titel. 15 Seiten mit großen Fotostrecken füllt das Thema im Heft. Die Politik »scheint weder willens noch in der Lage zu sein, die Innere Sicherheit zu garantieren«, schürt »Zuerst!« ganz gezielt Ängste. Statt nur aus zweiter Hand zu berichten, gehen die Autoren auf Anti-Antifa-Recherche.

 

So schlichen sie sich in eine Veranstaltung der Tageszeitung »Junge Welt« zur »Extremismustheorie« ein und waren am 13. Februar mit der Kamera in Dresden in den Antifa-Blockaden unterwegs. Dort sei es zu massivem »Rechtsbruch« gekommen, als tausende Antifas, GewerkschafterInnen und Linke den Aufmarsch von Neonazis blockierten.

 

Ein »Bündnis aus Politik, Polizei und Linksextremisten« sei dafür verantwortlich, beklagt »Zuerst!«-Autor Roger Szrenec. Der Naziaufmarsch wird von Chefredakteur Deschner als traditionsreicher »friedlicher Trauermarsch« beschrieben – eine deutliche Positionierung zugunsten der Neonazis.

 

Gemeinsamer Kampf gegen Links


Der Kampf gegen Links ist mal wieder das einende Moment zwischen Neonazis, extremer Rechter und Teilen des Konservatismus. Im Interview mit »Zuerst!« erklärt Hans Merkel, CSU Politiker und ehemaliger Büroleiter des Bundestagspräsidenten, die Bedrohung von Links: »Wir haben ein ernsthaftes Problem.« Er glaubt: »Das Gesellschaftsbild der extremen Linken hat sich in den letzten Jahrzehnten (…) durchgesetzt.« Hans Merkel ist auch Erstunterzeichner der Kampagne »Linkstrend stoppen!« vom rechten Flügel der Unionsparteien.

 

Wenige Seiten weiter im Heft zeigt sich der Charakter des Blattes aus der »Verlagsgruppe Lesen & Schenken« noch deutlicher. In mitleidsvollem Ton heißt es dort über den Holocaust- Leugner Ernst Zündel, er habe »sieben dunkle Jahre in Haft überstehen« müssen. »Zuerst!« übernimmt kritiklos die Eigencharakterisierung der Holocaust- Leugner, die sich selbst als »Revisionisten« bezeichnen. Zündel habe doch nur die »Wahrheit« herausfinden wollen, heißt es. »Unter fragwürdigen Bedingungen« sei er inhaftiert worden. Sei es wirklich richtig, Zündel zu inhaftieren?, stellt »Zuerst!«-Autor Peer Krusen die rhetorische Frage. Noch deutlicher als in diesem Text kann man kaum die Holocaust – Leugner verteidigen, will man nicht selbst Gegenstand eines Strafverfahrens werden.

 

Ansonsten präsentiert das neue Heft einen Querschnitt durch die Themen der extreme Rechten: Der ehemalige Europaabgeordnete der Partei »Die Republikaner« Harald Neubauer klagt über das Fehlen eines rechten Flügels in der CDU/CSU, der »Vertriebenen«-Aktivist Rudi Pawelka bewirbt die »Landsmannschaft Schlesien«, Manuel Oschsenreiter porträtiert den alternden »Nationalpazifisten« Alfred Mechtersheimer und gleich mehrere Artikel warnen mit rassistischen Tönen vor Einwanderung.

 

Steigende Abozahlen


Über den Verkaufserfolg von »Zuerst!« kann nur spekuliert werden, konkrete Verkaufszahlen sind bisher nicht öffentlich. Doch Verleger Munier schwärmte im Gespräch mit dem Internetprojekt »Gesamtrechts« von steigenden Abozahlen und gab sich Ende Januar optimistisch: »Wenn die Zahlen der letzten 6 Wochen anhalten, können wir ZUERST! dauerhaft durchsetzen«. Munier setzt auf Expansion. Interessierte könnten sich stapelweise Hefte zum Verteilen zusenden lassen, wirbt er. Dennoch dürfte das Projekt gefährdet sein. Denn der bundesweite Vertrieb über Kioske, Supermärkte und Tankstellen ist kostenintensiv.

 

Außerdem hat »Zuerst!« erst jüngst Konkurrenz bekommen. Seit Januar ist auch die rechtskonservative »Preußische Allgemeine Zeitung« am Kiosk zu haben. Ob da neben der »Deutschen Stimme«, der »Nationalzeitung« und der »Jungen Freiheit« noch Platz für »Zuerst!« bleibt, ist fraglich.

 

Zudem ist die politische Ausrichtung des Blattes zu exponiert, um derzeit den Kreis der Werbekunden und LeserInnen zu erweitern. Und auch die Berichterstattung in den Medien war für »Zuerst!« nicht förderlich. Entweder wurde die Gründung gar nicht erst erwähnt oder aber ihre extrem rechte Ausrichtung exakt beschrieben. Lob gab es freilich ausgerechnet von Matthias Brodkorb, einem SPD-Landtagsabgeordneten aus Mecklenburg-Vorpommern und Betreiber des Internetprojektes »Endstation Rechts«. Er attestierte den Autoren von »Zuerst!« »publizistische Gediegenheit« und einen »in Sachen Rechtsextremismus unangreifbaren Eindruck«. Zudem sei das Lektorat »tadellos«, »die Bildreaktion solide und die Schreibe durchaus gefällig«. Widerstand gegen die Zeitschrift kommt unterdessen vom »Hamburger Bündnis gegen Rechts«. In einem offenen Brief wird der »Heinrich-Bauer-Verlag« aufgefordert, den Vertrieb von »Zuerst!« durch seine Tochterfirma »Verlagsunion« einzustellen.


Von Ernst Kovahl

27.3.2010: Lübeck kann Dresden! Avanti – Projekt undogmatische Linke zur Auswertung der Blockaden des Naziaufmarsches 2010 in Lübeck

Der Erfolg der Aktionen gegen den diesjährigen Naziaufmarsch ist unbestreitbar: Gerade einmal 170 Nazis liefen eine einzige Straße auf und ab. 300 Meter hin, 300 Meter zurück. Eine kurze Kundgebung im Steinrader Weg, der Seitenstraße direkt hinter dem Bahnhof, das war’s! Nicht einmal zwei Stunden, die überwiegend mit Warten und Herumstehen verbracht wurden, hat dieser für die Nazis erfreulich traurige „Trauermarsch“ gedauert. Überall rund um den Aufmarsch waren Blockaden von Nazigegner_Innen, an denen sich nach unseren Schätzungen gut 1000 Menschen aktiv beteiligt haben, während weitere 1500 an der Hauptkundgebung des Bündnisses „Wir können sie stoppen“ vor dem Bahnhof teilgenommen haben.

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Erfolgreiche antifaschistische Meierei-Demo in Kiel

Am 13. März 2010 beteiligten sich insgesamt weit über 1300 AntifaschistInnen an der Demonstration „Youll never walk alone! Solidarität mit der Alten Meierei und allen Betroffenen faschistischer Gewalt! Nazistrukturen in Kiel und andernorts zerschlagen – linke Gegenkultur stärken!“ in Kiel anlässlich der Schüsse auf die Alte Meierei im Januar. Wir bedanken uns bei allen GenossInnen und FreundInnen, die die Demo heute und im Vorfeld unterstützt haben und den 13.3.2010 zu einem erfolgreichen Tag für die antifaschistische Bewegung in Kiel gemacht haben.
Kein Schritt zurück: Mit linken Zentren antifaschistisch in die Zukunft!
demo front

Berichte

>> Pressemitteilung des Vorbereitungskreis 13.3.
>> Bericht auf Indymedia: 1400 Leute auf Soli-Antifa-Demo
>> Bericht auf Kielkontrovers: Mein Eindruck von Demo gegen rechte Gewalt am 13.3.
>> Bericht auf Dremufuestias: 1300 AntifaschistInnen sind doch mal was
>> Pressespiegel
Bilder
>> altemeierei.de
>> 1 | 2 | 3
Redebeiträge
>> Vorbereitungskreis 13.3.
>> Runder Tisch gegen Rassismus und Faschismus Kiel
>> marlene hates germany
>> rebelti@s musicales
>> Buchladen Zapata
>> Autonome Antifa-Koordination Kiel
>> Basta! Linke Jugend
Infos
>>
Aufruf

>> Weitere Aufrufe zur Demo

>> Solidaritäts-Erklärungen
>> Mobilisierungsmaterial

>> Pressemitteilungen
>> Interview mit AntifaInfo (FSK Hamburg) zur Demo (ZShare)

Redebeitrag des Vorbereitungskreis 13.3. auf der antifaschistischen Meierei-Demo am 13.3.10 in Kiel

Liebe Antifaschistinnen und Antifaschisten – liebe Kielerinnen und Kieler! Wir haben uns hier zusammengefunden, um heute gemeinsam unter der Motto „YOU’LL NEVER WALK ALONE! Solidarität mit der Alten Meierei und allen Betroffenen faschistischer Gewalt! Nazistrukturen in Kiel und andernorts zerschlagen – linke Gegenkultur stärken!“ zu demonstrieren. Der Anlass, der uns auf die Straße treibt, sind zwei scharfe Schüsse, die in der Nacht zum 20. Januar dieses Jahres auf ein beleuchtetes Fenster des linken Wohn- und Kulturprojektes Alte Meierei abgefeuert wurden. Nur dem Glück ist es zu verdanken, dass die Person die sich zeitgleich im Raum aufhielt, nicht zu Schaden gekommen ist. Wir gehen davon aus, dass die TäterInnen der Naziszene entstammen: Nicht zuletzt deshalb, weil die Alte Meierei als Symbol antifaschistischer und linker Praxis in Kiel seit ihrer Existenz immer wieder Angriffen durch ihre GegnerInnen ausgesetzt war, die sich gegen das emanzipatorische Selbstverständnis der Meierei richteten. Nicht nur denen durch Auflagen und Verbote seitens städtischer Behörden und der Lokalpolitik, sondern eben auch gezielten, direkten Angriffen durch FaschistInnen. Ihre Geschichte reicht bis in die frühen 1990er zurück und von Gewaltmobs vorm Haus, über Attacken gegen Meierei-BesucherInnen auf dem Nachhauseweg bis hin zu einem missglückten Brandanschlag. Die Schüsse diesen Januar sehen wir in dieser Reihe und damit als weitere Stufe der Eskalation von Angriffen auf die Alte Meierei. Der Hintergrund der Schüsse auf die Meierei ist aber noch weitergehender. So sind diese nicht urplötzlich gefallen, sondern geschehen in einer Reihe von faschistischen Angriffen auch auf andere linke oder alternative Projekte und Menschen in Kiel, die in dieser Häufung seit mittlerweile zwei Jahren andauern. Das jüngste Beispiel solcher nächtlichen Naziangriffe in Kiel sind die vor wenigen Wochen wiederholt eingeschlagenen Scheiben beim Buchladen Zapata.

Wir sind heute auf der Straße, um den Betroffenen faschistischer Gewalt unsere Solidarität auszudrücken und einmal mehr deutlich zu machen, dass das Ziel der Nazis, damit antifaschistische, linke oder sonstige ihrem Weltbild widerstrebenden Strukturen zu schwächen, vergebens und alles andere als erreicht worden ist. Im Gegenteil: Wir sind heute auch hier, um anzukündigen, dass die antifaschistische Bewegung in Kiel auch in Zukunft allen AntisemitInnen, RassistInnen und NationalistInnen ihr Leben erschweren wird und dass ihre öffentlichen Auftritte und Propaganda wie in den vergangenen Jahren auch, von uns weiterhin nicht geduldet werden.

Und wir lassen uns natürlich auch von Schüssen nicht einschüchtern, sondern werden jetzt erst recht eine lebhafte, vielfältige, widerständige linke Gegenkultur leben, in der Meierei und wo immer es uns passt.

Unsere heutige Demo richtet sich aber nicht nur gegen die FaschistInnen, sondern hat gleichfalls das weitergehende Ziel, diejenigen Teile der städtischen Öffentlichkeit anzugreifen, die den Nazis ihr Handeln erleichtern. Eine entscheidende Rolle spielt hierbei die lokale Monopolpresse der Kieler Nachrichten. Ihre, in guter deutscher Obrigkeitsgläubigkeit insbesondere an der Linie der Kieler Polizei orientierte Berichterstattung, verschweigt nicht nur eine Vielzahl der Naziaktivitäten in dieser Stadt, sondern verharmlost oder entpolitisiert diese in unerträglicher Weise. Nicht fehlen darf bei dieser Strategie, Naziaktivitäten und das glücklicherweise damit verbundene Konfliktpotential unter den Tisch zu kehren, deren elendige Gleichsetzung mit antifaschistischer Gegenwehr und linker Politik als sogenannten Extremismus. Dies ist freilich keine lokale Besonderheit, sondern politischer Mainstream im Sinne der für einen ernsthaften Erkenntnisgewinn völlig unbrauchbaren Extremismustheorie, die gerade aktuell weiter auf dem ideologischen Vormarsch ist. Diese „antiextremistische“ Logik, die hinter der mehrheitlichen KN-Berichterstattung des Totschweigens, Verharmlosens und Denunzierens steht, will politische Zusammenhänge von Auseinandersetzungen zwischen AntifaschistInnen und Nazis nicht erkennen und hat keinen Begriff von deren Notwendigkeit. Sie offenbart ihre fatalen Folgen dann, wenn auf die Alte Meierei scharf geschossen wird, aber die Stadt von keinem Aufschrei der Solidarität erfasst wird, die über vergleichsweise kleine Kreise hinaus geht.

Auch aus diesem Grund gehen wir heute einmal mehr auf die Straße: Wenn mächtige Teile der städtischen Öffentlichkeit in ihrer „antiextremistischen“ Verblendung keine Notwendigkeit darin sehen, die Bedrohung durch bewaffnete Nazis und ihre Angriffe zu thematisieren, müssen wir alle, für die dies eine politische Selbstverständlichkeit ist, auf die weiterhin aktuelle Notwendigkeit des antifaschistischen Kampfes beharren.
Wenn auf die Alte Meierei geschossen wird, werden wir die Kultur für die sie steht stärken, werden linke Zentren und von der Norm abweichende Lebensformen vor Angriffen, von wem auch immer sie kommen, schützen und ihre Infrastruktur nutzen und ausbauen. Wir werden weiter eine offensive antifaschistische Gegenkultur leben – in der Alten Meierei und überall sonst. Wir werden uns Nazis entgegenstellen und weiter ihre ideologischen Grundlagen angreifen. Wir lassen uns nicht von KN, Polizei und der Ideologie der handlungsunwilligen ExtremistInnen der Mitte denunzieren und werden linke Politik verteidigen. Wir werden an all dem, dem die Schüsse auf die Alte Meierei galten, festhalten und sehen uns genau deshalb in seiner Wichtigkeit bestärkt! Solidarität mit allen Betroffenen faschistischer Gewalt!

Nazistrukturen zerschlagen – Gegenkultur stärken!

Mit linken Zentren antifaschistisch in die Zukunft!

Lucha y fiesta ? que se vayan todos! Redebeitrag der Konzertgruppe rebelti@s musicales auf der antifaschistischen Meierei-Demo am 13.3.10 in Kiel

Hallo,
Wir sind nicht froh, dass wir immer wieder gegen faschistische Gewalt und
anti-antifaschistische Medien und Politik demonstrieren müssen. Trotzdem sind wir
aber auch sehr froh, dass wir heute so relativ locker demonstrieren können, dass wir
keine weiteren Verletzten oder sogar Toten zu beklagen haben.
Die Schüsse auf die Meierei zeigen uns einmal mehr: wir leben gefährlich, wenn wir
uns nicht dem freiheitlich-demokratisch verordneten Zwang unterwerfen, uns in den
Fernsehsessel zu setzen und ansonsten den Mund zu halten. Das Projekt Alte Meierei
ruft mit jedem Millimeter seines Daseins dazu auf, aufzustehen, den Mund aufzumachen
und sich selbst darum zu kümmern, dass schweigende Fernsehsessel irgendwann auf dem
Sperrmüllhaufen der Geschichte landen.
Aus diesem Grund war die Meierei schon immer Anziehungspunkt für dunkle Gestalten
wie Nazis, Ordnungshüter und Politiker, die allesamt bei Begriffen wie ‚Freiheit‘
und ‚Solidarität‘ oder einfach nur ’selber denken und selber machen‘, ganz schnell
rot anlaufen, Schaum vor dem Mund bilden und auf ihre jeweils eigene Art um sich
schlagen.

Die Meierei, wie auch der Zapata-Buchladen, die Hansastr.48, das Wohnprojekt am
Timmerberg, die Arbeitsloseninitiative, all diese Projekte eint, dass sie versuchen,
Alternativen zum gleichgeschalteten Fernsehsesseldasein aufzuzeigen, sie sind alle
Projekte gegen die herrschende Kultur von Vereinzelung und Oberflächlichkeit, gegen
die Ignoranz gegenüber allem, was nebenan passiert. All diese Projekte werden
angegriffen, weil sie öffentlich für ein solidarisches Miteinander und für ein
selbstbestimmtes Leben eintreten.

Die Neurotic Arseholes sangen einmal vor vielen Jahren: ?Wir wollen leben, ein
ganzes Leben lang – heute und jetzt und nicht irgendwann, damit der Tod uns auch
wirklich tot antreffen kann.? Nur, wie soll man leben, wenn überall um uns herum nur
Krieg und Gewalt, Rassismus, Sexismus und Unterdrückung aller Art toben, wenn immer
weniger Menschen auf der Welt die Chance haben, überhaupt nur daran zu denken, was
‚leben‘ eigentlich sein könnte? Wie soll mensch da noch leben können?

Wir versuchen es trotzdem! Wenn wir uns die Freude am Leben nicht verderben lassen,
sind wir auch in der Lage, zu spüren, was im Land und auf der Welt wirklich alles
faul ist. Wir als rebeltias, eine der Veranstaltungsgruppen in der Alten Meierei,
wollen mit unseren Aktivitäten dazu beitragen, dass wir alle das Leben und das
Feiern nicht verlernen, und gleichzeitig wollen wir ein Stückchen Raum für
Kommunikation und Austausch bieten.

Die Musik, Kultur und Geschichten, die Bands aus den verschiedenen Vierteln der Welt
zu uns bringen, zeigen uns, dass die Kämpfe um Freiheit, um eben dieses
selbstbestimmte Leben Alltag sind für viele viele Menschen rund um den Globus. Und
wir sehen auch, dass diese Kämpfe auf den verschiedenen Flecken der Welt so
unterschiedlich sind wie die Anzahl der Menschen, die sie führen. Ob Frankreich,
Kurdistan, oder Mexico, USA, Baskenland, oder Türkei, Katalonien, Palästina oder
Israel, Kopenhagen, Koblenz oder Kiel – es gibt keinen einen Weg zur Revolution,
aber es gibt einen gemeinsamen Weg, den wir mit vielen verschiedenen Menschen
zusammen gehen können.

Zusammen ist eine andere Welt möglich und bitter nötig. Zusammen können wir die
Verhältnisse zum Tanzen bringen, wenn wir die schweigende Mehrheit verlassen, unsere
Augen und Ohren öffnen, und laut sagen, was ist.

Lucha y fiesta ? que se vayan todos!

Feiern und kämpfen ? auf dass sie alle verschwinden!* *

Allerdings können wir mit den meisten Menschen diesen internationalen Austausch gar
nicht haben; viele Bands können wir in der Meierei nicht veranstalten. Und das
nicht nur, weil sie nicht die Mittel haben, hierher zu reisen. Es ist nach wie vor
so, dass vielen vielen Menschen auf der Erde das Recht verwehrt wird, sich frei zu
bewegen.

Die großen kapitalistischen Blöcke, allen voran die EU und die USA, sind schon lange
zu Festungen des Reichtums geworden, an deren Außengrenzen jedes Jahr Hunderte von
Menschen grausam zu Tode kommen. Menschen, die sich nichts weiter erhoffen, als ein
würdiges Leben zu finden. Um das hier noch einmal ganz deutlich zu sagen: Die
Abschottungspolitik der EU bedeutet Massenmord! Nirgendwo zeigt die EU ihre
rassistische menschenverachtende Fratze so deutlich wie an seinen Außengrenzen.

Dass auch innerhalb der EU Flüchtlinge nicht sicher vor Staatsterror und Rassismus
sind, beweist auf erneute und sehr tragische Weise der Suizid von David aus
Georgien, der nach Deutschland geflüchtet war und vom Hamburger Senat in den
Abschiebeknast gesteckt wurde, anstatt ihm in seiner schwierigen Situation zu
helfen. Die öffentlichen Diskussionen um das Alter von David belegen dabei auf
widerliche Weise die gesellschaftliche Akzeptanz dieser mörderischen und
menschenverachtenden deutschen Asylpolitik.

Wenn wir sagen, wir wollen leben, dann meinen wir damit alle Menschen! Alle Menschen
haben das Recht zu leben, wie, wann und wo sie wollen. Deshalb rufen wir heute und
bis ans Ende der Tage dazu auf: Alle Grenzzäune einreißen, shut down fortress
Europe! Shut down every fortress! Alle Festungen einreißen! Hoch die internationale
Solidarität!

Auch die Alte Meierei hat nach den Schüssen viel internationale Solidarität
erfahren. Zum Beispiel sorgten Bands wie KOP und Obrint Pas dafür, dass Infos über
die Schüsse und ein Aufruf zur Solidarität auf zahlreichen Websites im spanischen
Staat veröffentlicht wurden. Eine Mail der baskischen Band Sagarroi, die wunderbar
die Zärtlichkeit internationaler Solidarität zusammenfasst, wollen wir euch nicht
vorenthalten.
?Eine dicke solidarische Umarmung für die Alte Meierei aus dem Baskenland. Unsere
Unterstützung gilt allen Menschen, die für die Freiheit und den Antifaschismus
arbeiten, für alle Menschen, die organisieren, teilnehmen, denken, sprechen,
arbeiten, singen, tanzen, arbeiten, zeichnen, lachen, arbeiten, weinen….um eine
Gegenkultur zu schaffen, eine leuchtende und heisse linke Alternative, gegen
diejenigen, die die ewige Dunkelheit der kalten Nächte des Winters predigen.?

Rein metereologisch betrachtet gehen die kalten Nächte des Winters langsam dem Ende
entgegen, diejenigen jedoch, die die ewige Dunkelheit predigen, verschwinden leider
nicht in den Gullis der Geschichte ? so wie zumindest temporär die Hundescheiße auf
Gaardens Straßen mit dem tauenden Schnee… Dass gerade der Naziterror in Kiel in
der letzten Zeit Ausmaße angenommen hat, die immer wieder Menschen an den Rand des
Todes bringen, zeigt uns allen, dass man jeder Erscheinungsform des Faschismus
absolut nicht einen einzigen Millimeter Platz geben darf. Nicht erst wenn Menschen
sterben, ist dieser Punkt erreicht!
Wir begrüßen deshalb ausdrücklich alle antifaschistischen Aktionen, die in den
vergangenen Monaten Nazis aus der Anonymität geholt und den braunen Schlägern ihre
Grenzen aufgezeigt haben!
Wir begrüßen, dass heute soviele Menschen gegen diesen ganzen Scheiß auf der Straße
sind.
Wir begrüßen, dass Nazis auch mit ihrem ständigen Nacht- und Nebelterror in Kiel
keinen Fuß an Deck kriegen!
Und wir begrüßen, dass trotz der ganzen Heuchelei, Lügen und Schweigen von Kieler
Nachrichten, Politik und Polizei – dass trotzdem Kiel weiterhin eine
antifaschistische Hochburg bleiben wird!

Redebeitrag der Kieler Gruppe marlene hates germany auf der antifaschistischen Meierei-Demo am 13.3.10 in Kiel

Links gleich Rechts und Außen gegen Mitte. Nationalsozialismus gleich Antifaschismus.

Nicht erst seit den ideologischen Debatten, im Zuge der schwarz-gelben Regierungsbildung, um Förderungsprogramme gegen „Rechtsextremismus“ und Gewalt geistert der so genannte Extremismus-Begriff durch die deutsche Diskussionslandschaft.

Schon längst hat sich die „Extremismus-Forschung“ als eigenständiger, interdisziplinärer Bereich der Sozialwissenschaften etabliert, die eine vulgarisierte, post-kommunistische Form der Totalitarismus-Theorien des Kalten Krieges darstellt und auf Grund ihrer intellektuellen Einfachheit gerne von der deutschen Politik rezipiert wird. Während die Totalitarismus-Theorie sich mit bestehenden diktatorischen Regimen auseinandersetzte, konstruiert die Extremismus-Formel eine demokratische Mitte der Gesellschaft, die durch Extremist_innen unterschiedlichster Couleur gleichermaßen bedroht sei. Berührungspunkte finden sich vor allem dort, wo die Totalitarismus-Theorie sich mit den jeweiligen totalitären Bewegungen beschäftigt. Hier existiert für keine_n jener vermeintlichen Empiriker_innen eine Überschneidung des jeweiligen Totalitarismus/Extremismus mit einer bürgerlichen Ideologie der Mitte. Völkischer Nationalismus, Antisemitismus und autoritärer Ordnungswahn wurden und werden zu Randphänomenen erklärt; das Ressentiment, das in Auschwitz endete, als fester Bestandteil der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft verneint.

Es wurde unlängst von kritischen Sozialwissenschaftler_innen konstatiert, dass die Totalitarismus-/Extremismus-Theorie nicht mehr als reine Ideologie sei, auch wenn sie sich selbst als Wissenschaft ausgibt. Doch lässt sich mit ihr zum einen eine als positiv interpretierbare deutsche Identität konstruieren und zum anderen jenen, die die Emanzipation forcieren und in ihrer alltäglichen politischen Praxis die postnazistische Gesellschaft kritisieren, eine generelle Unglaubwürdigkeit ausstellen. Gerade letzteres dient den Behörden und der lokalen Politik immer auch dazu antifaschistische Politik zu behindern und zu diffamieren.

Dort wo die deutschen Verbrechen an den europäischen Juden und Jüdinnen in eine Reihe gestellt werden mit anderen Verbrechen diktatorischer Regime – und seien diese noch so verabscheuendswert -, verlieren sie ihre Singularität und gehen unter in einem allgemeinen „Jahrhundert des Terrors”. Die Kontinuität zum Nationalsozialismus verliert so ihr Tabu, da mit dem Verweis auf angeblich gleiche Situationen andernorts Vergleichbarkeiten hergestellten werden und sogar darauf verwiesen werden kann, dass man ja selbst die “Schrecken des Krieges” besser als andere aufgearbeitet habe. So verwundert es nicht, dass gerade die Apologeten der Extremismus-Formel, Eckhard Jesse und Uwe Backes, mit ihrem Vorstoß einer Historisierung des Nationalsozialismus die Loslösung der Geschichte der Bundesrepublik von demselben anstreben und zumindest für ihr wissenschaftliches Klientel den oft geforderten Schlussstrich unter der deutschen Geschichte schon längst gezogen haben.

Gleichzeitig findet in Folge jenes Diskurses eine Verschiebung des politischen Fokus der bundesrepublikanischen Förderprogramme, weg vom „Kampf gegen Rechts“ hin zu einem allgemeinen “anti-extremistischen” Eintreten gegen „Gewalt und Demokratiefeindlichkeit“ und damit eine generellen Gleichsetzung von linksradikaler Politik mit neonazistischen Umtrieben, statt. Beide so genannten Randgruppen werden als politische Gegenpole zur bestehenden freiheitlich-demokratischen Grundordnung angesehen. Es ist den selbsternannten “Anti-Extremist_innen” egal, wodurch oder mit welchen Mitteln das schlechte Bestehende ersetzt bzw. überwunden werden soll. Die kapitalistische Ordnung wird so zur einzig denkbaren Freiheit erklärt und die Alltagswiderlichkeiten des falschen Ganzen zum Randgruppenphänomen. Dies würde bedeuten, dass die gegen die vorherrschenden Ungleichheitsideologien, die eben auch zentrale Inhalte der NS-Ideologie sind, gerichtete Kritik, die eine praktische Emanzipation zum Ziel hat, sinnfrei wäre, da der Gegenstand derselben nur von einem “politischen Spektrum” getragen wird und nicht gesellschaftlich verwurzelt ist, wie uns die Extremismus-Theorie glauben machen will.

Eine Gleichsetzung durch “Anti-Extremist_innen” delegitimiert praktische antifaschistische Arbeit und linke Kritik an der bürgerlichen Gesellschaft gleichermaßen. Diejenigen, die bei Naziaufmärschen, Stadtteilarbeiten und Kulturprojekten sich gegen nationalsozialistische Bestrebungen einsetzen werden mit den willigen Vollstrecker_innen nazistischer Ideologie auf eine Stufe gestellt. Dass ein Zusammenwerfen politischer Strömungen nicht etwa bedeutet, dass eine intellektuelle Auseinandersetzung mit offen nationalsozialistischen Einstellungen eintritt beweist das Beispiel einer Bundesministerin Kristina Schröder, die in ihren Bundestagsreden gerne mal aus dem Nazi-Blatt Junge Freiheit zitiert. Hier muss uns als Repräsentant_innen einer besseren Gesellschaft in der falschen klar sein, dass jene “anti-extremistischen” Spinnereien linksradikale Positionen noch stärker als es ohnehin der Fall ist marginalisieren. Rechte Vordenker_innen gelingt es hingegen ihre Verknüpfung mit der bürgerlichen Mitte zu nutzen, da einerseits auch für die Extremismus-Formel der Übergang von konservativer und offen neonazistischer Weltanschauung fließend ist und andererseits sich die Theoretiker_innen jener Formel selbst des öfteren durch antisemitische und geschichtsrelativierende Äußerungen hervortun.

Auf der Ebene der praktischen Politik in der deutschen Provinz muss die Extremismus-Formel jedoch auch immer zum Schönlügen von Naziproblemen und zur Kriminalisierung antifaschistischer Praxis herhalten. Während sich die Extremismus-Formel meistens gegen linke Aktivist_innen richtet, haben wir es in Kiel mit einem besonderen Spezifikum des “anti-extremistischen” Ringelreigens zutun: Der Entpolitisierung und des Verschweigens. Statt das Problem einer gewaltbereiten Naziszene zu thematisieren und seine Leser_innen aufzuklären entpolitisiert das örtliche Lokalblättchen, die KN, das Thema vollends: Da werden Naziangriffe zu Auseinandersetzungen rivalisierender Jugendgangs, antisemitische Nazi-Flyer zu interessantem Material zum Nahostkonflikt und Schüsse auf die Alte Meierei werden mit der gleichen Aufmerksamkeit bearbeitet wie die letzte Messerstecherei in einer beliebigen Disko. Die Notwendigkeit einer antifaschistischen Arbeit wird weder erkannt, noch honoriert.
Dieses Klima der Ignoranz gegenüber neonazistischer Gewalt ist ebenso erschreckend wie gefährlich und zeigt nur zu deutlich, wie dringend es ist einen ernsthaften Bruch mit dem Extremismus-Begriff zu suchen und der bürgerlichen Gesellschaft ihr Märchen von der demokratischen Mitte zu nehmen. Denn nicht alles, was von ihr kommt ist harmlos und so werden wir auch weiterhin unsere Kritik an ihr haben.

Keine Märchen für Deutschland!
Den Unsinn der Extremismus-Theorie kollektiv verweigern!

Redebeitrag über Neonazi-Strukturen in Schleswig-Holstein auf der antifaschistischen Meierei Demo am 13.3.10 in Kiel

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Genossinnen und Genossen.

Wenn wir heute anlässlich der enrneuten, schwerwiegenden Nazi-Übergriffe auf linke Projekte in Kiel auf der Straße sind, lohnt es sich auch einmal mehr, einen Blick auf die Entwicklungen der Neonaziszene in Schleswig-Holstein zu werfen, denn aktiver Antifaschismus ist nur möglich, wenn wir ihre Strukturen und Akteure kennen – um Aufzuklären und zu Handeln.

Die heutigen Nazistrukturen sind ein Ausdruck eines allgemeinen Wandels innerhalb der schleswig-holsteinischen Naziszene. Die Strukturen des aus Ende der 1990ern hervorgegangenen Spektrums der „freien Kameradschaften“, welche Anfang des Jahrtausends die Führung in der schleswig-holsteinischen NPD übernehmen konnten, waren mit dem Versuch „Combat18“-Gruppen aufzubauen selbst für die deutschen Repressionsorgane zu weit gegangen. Wichtige Nazi-Aktivisten diese Spektrums – wie z.B. Peter Borchert – sahen sich mit Gefängnisaufenthalten konfrontiert, waren in in dessen Folge unter einander zerstritten und außerdem zumindest in der NPD politisch entmachtet worden.
Um 2005 war die schleswig-holsteinische Neonazisszene dominiert und geführt von einem sich eher spießbürgerlich gebenden NPD-Landesverband, der die Reste der offen gewalttätigen Kameradschaftsszene in sich integrieren und weitestgehend ruhig halten konnte. Darüber hinaus war nicht viel los. Öffentliche Auftritte von Nazis waren, das können wir zumindest für Kiel sagen, dementsprechend geprägt vom isolierten, regungslosen „Hinter-Bullenketten-Stehen“, umzingelt von wütenden AntifaschistInnen. In Anbetracht dessen wurden Versuche von Aufmärsche, Kundgebungen und Demos ob der wenig motivierenden Situation immer seltener. Mit Ausnahme des Wahlkampfauftaktes in Steinburg 2005 fand Nazigewalt selten am Rande von offiziellen Nazi-Veranstaltungen statt, sondern hauptsächlich in Verbindung mit Alkohol und abseits politischer Aktionen.

Vor etwa 2 Jahren änderte sich diese Tendenz in Schleswig-Holstein wieder: Die bundesweite Nazi-Trenderscheinung „Autonome Nationalisten“ erreichte auch den Norden und verbreitete sich in Kiel – wo dieser Prozess durch die Haftentlassung Peter Borcherts erheblich beschleunigt wurde – und nahezu im gesamten Bundesland. Selbsternannte „Aktionsgruppen“ sprossen wie Pilze aus dem Boden, mal als Internet-Phantom, oft aber auch begleitet von einem hohen, extrem gewaltfixierten Aktionismus. Bisherige Höhepunkte dessen waren z.B. die Angriffsserien auf linke bzw. alternative Läden in Kiel in den vergangenen 2 Jahren, der Brandanschlag auf das alternative Kulturzentrum T-Stube in Rendsburg letzten Sommer oder auch die verschieden Angriffen auf Antifas in Neumünster. Eine vollständige Aufzählung der Naziaktionen der letzten Jahre in Schleswig-Holstein würde hier den Rahmen sprengen.

Schwerpunkte dieser modernisierten Kameradschaftstrukturen mit Namen „Autonome Nationalisten“ haben sich seitdem vor allem in Kiel, im Kreis Steinburg, in Dithmarschen, aber auch in Neumünster oder in Rendsburg herausgebildet. Und diese sind untereinander vernetzt: Man fährt gemeinsam zu Nazidemonstrationen auch in andere Bundesländer, unterstützt sich gegenseitig bei eigenen Aktionen und betreibt ein gemeinsames Internetportal. Es sind z.B. auch mehrere Busse voller Nazis aus Schleswig-Holstein am 13. Februar 2010 zum erfreulicherweise verhinderten verhinderten Aufmarsch nach Dresden gefahren.

Auch im einzigen offen bestehenden Nazitreffpunkt in Schleswig-Holstein, dem Club 88 in Neumünster, hat die Wiederbelebung so genannter „freier“ Nazistrukturen Spuren hinterlassen: Aus dem erklärten Interesse dieser neuen Nazigeneration heraus, die Existenz eines ihrer bundesweit wenigen, ausdrücklich nationalsozialistischen Treffpunkte zu sichern und zu nutzen, scheint der Club 88 in den letzten 2 Jahren eine kleine Renaissance erlebt zu haben. Nicht nur dadurch, dass erstmalig wieder größere Veranstaltungen abseits der obligatorischen Geburtstagsfeiern stattfanden, sondern auch dass der Club88 wieder öfter als offene Infrastruktur für politische Tätigkeiten genutzt wurde.

In der Gesamtsituation gibt es allerdings im Unterschied zu früheren Jahren trotz der Erneuerung des offen neonazistischen und gewaltfixierten Spektrums keinen wahrnehmbaren Flügelkampf in der rechten Szene Schleswig-Holsteins. Im Gegenteil: Immer wieder wurde deutlich, dass „Aktionsgruppen“ und NPD, deren Mitglieder sich ohnehin überschneiden, eng miteinander kooperieren: Der insgesamt vergleichsweise spärliche Land- und Bundestagswahlkampf der NPD 2008 wäre ohne die Mithilfe der erlebnisorientierten Aktionsgruppen wohl noch dürftiger ausgefallen. Aktionsgruppen und NPDlerInnen hängten zusammen Plakate auf, verklebten Aufkleber und NPD-Vorzeigespießer Ingo Stawitz tuckerte einträchtig mit einer der Führungspersonen der „Aktionsgruppe Kiel“, Daniel Zöllner, in einem alten Wohnmobil durch Teile Schleswig-Holsteins und beschallte die Umwelt mit schlechten Reden.

Aber auch die „Aktionsgruppen“ durften wie schon bei den letztjährigen Kommunalwahlen wieder ihre eigene aktionistische Note mit in den Wahlkampf einbringen: In Kiel, vor allem im Stadtteil Wik, versuchten bewaffnete Neonazis die NPD-Nazipropaganda vor PlakatpflückerInnen zu beschützen, und im letzten September kam es zu einem brutalen Angriff auf eine Gruppe alternativer Jugendlicher in zeitlicher und räumlicher Nähe zu einer Anti-NPD-Wahlkampfparty in der Alten Meierei.

Dass es nun schon wieder zu zwei Angriffen auf linke Projekte in Kiel kam, nämlich auf den Buchladen Zapata und die Alte Meierei, von denen einer auch mit Schusswaffen durchgeführt wurde, ist Ausdruck einer qualitativen Verschärfung dieser allgemeinen Tendenz innerhalb der Naziszene. Diesen und allen anderen Betroffenen von Nazigewalt sprechen wir an dieser Stelle unsere ausdrückliche Solidarität aus!

Der derzeitige Zustand der schleswig-holsteinischen Nazisszene lässt sich also zusammenfassend als politisch nach wie vor an der NPD orientiert beschreiben, wobei die Partei auf die Unterstützung der oft jungen und motivierten „Aktionsgruppen“ angewiesen ist, sich aber auch auf diese verlassen kann. Im Gegenzug scheinen die zeitweisen Gewaltexzesse der Aktionsgruppen vom gemäßigteren Parteiflügel der NPD akzeptiert zu werden.

Eine kleine Erneuerung hat es mittlerweile auch wieder bei einer anderen rechten Partei gegeben: Die DVU, welche lange Zeit in Schleswig-Holstein und fast im ganzen Bundesgebiet nur auf dem Papier existierte, versucht seit kurzem mit neuen Leuten wie dem Ex-NPDler Kevin Stein in Nordfriesland und dem bundesweit bekannten Neonazi-Kader Christian Worch wieder aus der Versenkung hervorzutreten. Sie kündigt öffentliche Auftritte und Propagandaaktionen an. Erstes wahrnehmbares Zeichen hinter diesen Ankündigungen war eine Kundgebung in Husum vor einer Woche, der nun noch mehr folgen sollen. So will die DVU am 17. April in Plön eine Kundgebung abhalten, zu der wir natürlich eine entsprechende Antwort finden werden.

Wie auch immer: Die insgesamt erstarkte offen neonazistische Szene in Schleswig-Holstein, die das Fundament der gewalttätigen Aktionen gegen linke und alternative Einrichtungen und Menschen ist, macht eine offensive alltägliche antifaschistische Praxis und das Anliegen der heutigen Demonstration umso erforderlicher. Beim Kampf gegen die Nazis verlassen wir uns jedoch weder auf unregelmäßige Versuche die Nazi-Organisationen zu verbieten, noch stellen wir irgendwelche Forderungen an die Polizei oder andere staatliche Organe, weil wir wissen, dass in der Logik des Staates auch wir als linke AntifaschistInnen durch den Verfassungsschutz und seine Extremismustheorie zu Feinden erklärt werden.

Wir vertrauen auf das solidarische Zusammenstehen aller emanzipatorischen Menschen gegen die Nazis und wir nehmen die Sache selber in Hand:

Nazi-Aktionsgruppen, NPD, DVU und alle anderen rassistischen, nationalistischen und antisemitischen Banden zerschlagen!
Übernehmt Verantwortung: Organisiert die autonome Antifa!