300 Menschen für bezahlbaren Wohnraum, mehr Wagenplätze und Freiräume in Kiel

Am Samstag, 22. Juli 2017 demonstrierten unter dem Motto „Die Stadt gehört uns allen!? Demo für mehr Freiräume [&] Wohnträume“ am frühen Nachmittag bis zu 300 Menschen trotz Dauerregen vom Kieler Rathausplatz durch die Innenstadt in den Stadtteil Gaarden, um auf den akuten Mangel von bezahlbarem Wohnraum aufmerksam zu machen sowie für politische und kulturelle Freiräume einzutreten. In verschiedenen Redebeiträgen sprachen Vertreter*innen der Demovorbereitung, des Bündnis für bezahlaren Wohnraum, der Wagengruppe Schlagloch, des Libertären Laden Gaarden sowie der Wohnungsgenossenschaft Dampfziegelei.

Im Fokus stand die laufende Auseinandersetzung um den Wagenplatz Schlagloch, der nach seiner gewaltsamen Räumung vom Möbel Kraft-Gelände auf dem Prüner Schlag noch immer auf der Suche nach einer dauerhaften Bleibe ist. Auch die Hetze gegen linke Zentren wie die Hamburger Rote Flora im Nachklang des massenhaften Widerstands gegen den G20-Gipfel wurde in Redebeiträgen zurückgewiesen und die Notwendigkeit emanzipatorischer Projekte als Keimzellen gesellschaftlicher Veränderung betont.

Ein weiterer thematischer Schwerpunkt lag auf der prekären Wohnsituation in Kiel, von der insbesondere arme und marginalisierte Menschen betroffen sind, für die es zunehmend schwerer wird, überhaupt noch eine bezahlbare, geschweige denn zumutbare Wohnung zu finden. Der soziale Wohnungsbau hinkt dem realen Bedarf seit Jahren hinterher, während in Innenstadtquartieren immer weitere Luxusbauten entstehen.

Trotz des schlechten Wetters war die Stimmung durchweg gut. Es beteiligten sich meherere LKWs, Traktoren und Wagen verschiedener Plätze an dem Zug durch die Stadt. In Gaarden unterstützten zudem Anwohner*innen die Forderungen der Demonstration mit einem großen Transparent, das von einem Balkon aus abgerollt wurde: „Mieten runter! Schlagloch durchsetzen! Rote Flora verteidigen! Kapitalismus abschaffen.“. Die Demonstration endete schließlich auf dem Vinetaplatz, anschließend gab es Suppe für alle im Stadtteilladen Li(e)ber Anders.

Presse: KN |Indymedia

15 Tage(ssätze) für eine Torte auf Beatrix von Storch

Heute versammelten sich am Morgen des 12. Juni 2017 etwa 30 Antifaschist*innen vor dem Kieler Amtsgericht, um ihre Solidarität mit einer angeklagten antifaschistischen Aktivistin zu demonstrieren. Diese musste sich heute vor Gericht verantworten, weil ihr vorgeworfen wurde, Ende November 2017 die stellvertretende AfD-Vorsitzende Beatrix von Storch bei einer Wahlkampfveranstaltung in der Parteilandeszentrale Kiel mit einem gezielten Tortenwurf beleidigt zu haben.

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Nach einer kurzen Kundgebung und einem Stück Kuchen wollte ein Großteil der Teilnehmer*innen sich in den Gerichtssaal begeben, um dem Prozess beizuwohnen. Mehreren Menschen wurde ohne konkrete Begründung der zutritt zum Gericht verweigert, darunter die von der Angeklagten als verteidigerin benannte Person.. alle anderen Prozessbeobachter*innen mussten sich einer Personalienfeststellung samt Leibesvisitation unterziehen und sämtliche mitgeführte Gegenstände abgeben. Ein Genosse, den die eingesetzten Beamt*innen als zur Fahndung ausgeschrieben identifiziert haben wollte, gelang es, sich in letzter Sekunde vom Ort des Geschehens zu entfernen. Erst eine halbe Stunde nach Prozessbeginn konnten wegen dieser Verzögerungstaktik seitens Polizei und Gericht die handgezählten 18 Plätze im viel zu kleinen Gerichtssaal durch solidarische Besucher*innen vollständig eingenommen werden.

Die Verhandlung, bei der sich die Angeklagte erzwungenermaßen selbst verteidigte und immer wieder den politischen Kontext der kriminalisierten Aktion ausführlich darlegte, endete mit einer Verurteilung zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu 10 Euro. Die Antifaschistin kündigte an, die Strafe wie schon den vorherigen Strafbefehl nicht zu zahlen, sondern diese aus Protest gegen das Urteil im Gefängnis absitzen zu wollen. Beatrix von Storch erschien trotz Vorladung durch die Verteidigung nicht.

Prozessbericht der Unterstützer*innengruppe sowie Pressespiegel bei der Roten Hilfe OG Kiel

„Kategorie C“ Konzert im Clubhaus der Bandidos in Wahlstedt

Am vergangenen Samstag, den 13.05.2017, fand im Clubheim des „Bandido MC Northgate“, dem sogenannten „Kuddels Inn“ im schleswig-holsteinischen Wahlstedt ein Neonazi-Konzert mit den Bands „Kategorie C“ und „Hausverbot“ statt [1]. Die zuvor im Internet beworbene Veranstaltung entwickelte sich zum Stell-Dich-ein der organisierten Neonaziszene im Norden und offenbarte abermals die Verbindungen in die organisierte Kriminalität, insbesondere ins Rocker-Milieu. So schienen die Räumlichkeiten des „Bandido MCs“ nicht zufällig gewählt. Deren Mitglieder beteiligten sich aktiv an der Ausrichtung des Events, so übernahmen sie die Schleusung anreisender Neonazis und versuchten anwesende Journalist_innen bei der Dokumentation zu behindern.

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Anreisende Teilnehmende wurden ab 17 Uhr über zwei Schleusungspunkte an der A21 und der B206 zum Konzert in die kleine Stadt unweit von Bad Segeberg geführt. Nachdem ein Großteil der Neonazis bereits ab 18 Uhr die Räumlichkeiten des sogenannten „Outlaw Motorcyleclubs“ im Wahlstedter Industriegebiet erreichte, erschien die Polizei erst ab 19 Uhr mit Einsatzkräften am Ort des Geschehens. Eine schwer bewaffnete Spezialeinheit der Eutiner Polizei sperrte eine Zufahrt an der Hauptstraße zum Clubheim und führte Vorkontrollen durch, was offensichtlich eher dem Veranstaltungsort als der politischen Ausrichtung der Veranstaltung geschuldet war. Einige der anreisenden Neonazis machten ihre Zugehörigkeit zur organisierten Neonaziszene durch das Verwenden von Szenekürzeln wie „BH“, „C18“ oder „1488“ in ihren Autokennzeichen deutlich. Während die Polizei im Nachhinein von etwa 60 Teilnehmenden sprach, konnten insgesamt wohl über 100 Neonazis und Personen aus dem Rocker-Milieu aus verschiedenen Bundesländern in Wahlstedt zusammenkommen.

Unter ihnen befanden sich bekannte Personen wie beispielsweise der Hamburger Neonazi Thorsten de Vries. Der langjährige Neonazi scheiterte zuletzt mit dem Versuch zum 12.09.2015 in Hamburg eine Hooligan-Demonstration anzumelden. In den letzten Wochen postete er in sozialen Netzwerken wiederholt Bilder mit dem Label „KC Crew Hamburg“. Ein langjähriger Freund von de Vries, Sven Johansson, war ebenfalls Gast der Veranstaltung. Johansson war früher im Umfeld von „Blood [&] Honour“ organisiert, ist gut mit Stefan Silar aus Tostedt befreundet und mittlerweile bei den Rockern von „Gremium MC“, einem der letzten MCs die sich nicht den „Hells Angels“ oder den „Bandidos“ angeschlossen haben.

Ebenso anwesend waren Neonazis aus den Strukturen des Terrornetzwerks „Combat 18“ (C18) wie Marco Eckert und Lars Bergeest aus Ostholstein, die erst im vergangenen Jahr, zum „Tag der deutschen Zukunft“ in Dortmund gemeinsam mit dem C18-Gründer Will „the Beast“ Browning in Erscheinung traten [2]. Neben Neonazis die sich aus Strukturen von „Blood [&] Honour“ (B[&]H) rekrutierten, waren auch Mitglieder der „Hammerskins“ vertreten, wie z.B. der Möllner Thorsten Wolff, welcher regelmäßig das „Thinghaus“ in Grevesmühlen besucht und an die Mecklenburger „Hammerskin“-Struktur angebunden ist [3].

Auch alte NPD Kader wie Mark Michael Proch und Jan Steffen Holthusen nahmen an der Veranstaltung teil. Proch übernahm teilweise auch das Schleusen der Neonazis am Treffpunkt.

Interessant war die Anwesenheit des Neonazis Rene Callesen, einem bekennenden „Hells Angels“ Supporter, der dem Milieu-Laden „Lokalpatriot“ auf der Hamburger Reeperbahn zugeordnet werden kann. Callesen ist eng befreundet mit Thorsten de Vries und Sacha Bothe, einem ehemaligen „Blood [&] Honour“-Kader aus Niedersachsen, der mittlerweile bei dem größten „Hells Angels“ Supporter Club „Red Devils MC“ in Hannover aktiv ist.

Fraglich ob die „Bandidos“ wussten, dass sie sich mit diesem Rechtsrock-Konzert auch einige Supporter der verfeindeten „Hells Angels“ in ihr Clubhaus holen oder ob in diesem Falle die Nazi-Kameradschaft über der Rockerfeindschaft steht. Die Überschneidungen zwischen Neonazis und Rockern in Schleswig-Holstein sind nicht neu, vielmehr ist das gesamte Chapter „Northgate“ von ehemaligen „Blood [&] Honour“ Leuten aufgebaut worden [4].

Deutlich wurde auch bei diesem Konzert wieder, dass bei Rechtsrockveranstaltungen die Musik für viele Besucher nur eine untergeordnete Rolle spielt. Besonders stehen hier der Austausch und die Vernetzung zwischen alten und neuen rechten Kadern, militanten Neonazis, sowie der Ausbau der Beziehungen zu Rocker-Strukturen und dem kriminellen Milieu im Vordergrund.

Stellungnahme der Antifaschistischen Aktion Neumünster und der Antifa Koordination Lübeck

Bilderstrecke bei recherche-nord

Artikel bei KN Online (15.5.17)

linksunten.indymedia.org

250 Antifaschist*innen am Wahlabend gegen AfD und Abschiebungen

Am gestrigen Wahlabend demonstrierten in Kiel etwa 250 Antifaschist*innen unter dem Motto „Gegen jeden Rassismus – antifaschistische Gegenmacht aufbauen!“ gegen den erstmaligen Einzug der Rechtspartei „Alternative für Deutschland“ (AfD) in den Schleswig-Holsteinischen Landtag. Mangels einer AfD-Wahlparty in der Landeshauptstadt zogen die Demonstrant*innen am Abend lautstark von Hauptbahnhof vorbei an der Parteizentrale im Walkerdamm, wo eine Zwischenkundgebung stattfand, zum durch zahlreiche Polizeikräfte abgeschirmten Landeshaus. Die AfD hatte als Konsequenz der zahlreichen antifaschistischen Interventionen im Wahlkampf der letzten Monate abermals keinen Raum in Kiel finden können und musste wiederholt in der Gaststätte „Tivoli“ in der Gemeinde Aukrug ausweichen und ihre eher schlecht besuchte Feier dort unter Polizeischutz verbringen.

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In verschiedenen Redebeiträgen des Kampagnenbündnis Nationalismus ist keine Alternative (NIKA) Schleswig-Holstein, des netzwerk antirassistische aktion (nara) kiel und der Afghanische Gemeinschaft Kiel wurde nicht nur weiterer Widerstand gegen die AfD in der bevorstehenden Legislaturperiode sowie im Bundestagswahlkampf angekündigt, sondern auch der strukturelle Rassismus als fest verankerter Bestandteil des politischen und geselllschaftlichen Mainstreams benannt. In diesem Zusammenhang wurde auch die uneingeschränkte Aufrechterhaltung des Abschiebestopps ins Kriegsgebiet von Afghanistan gefordert. In einem weiteren Beitrag stellte sich zudem die Wagengruppe Prüner Schlagloch vor, die seit nunmehr 10 Tagen eine Fläche der Firma „Möbel Kraft“ besetzt hält, um in nach rechts rückenden Zeiten mit der Begründung emanzipatorischer Räume auf die gesellschaftlichen Entwicklungen zu kontern.

Die AfD konnte bei der Schleswig-Holsteinischen Landtagswahl 5,9% der Stimmen auf sich vereinen. Dass dieses Ergebnis hinter dem Bundestrend zurückfällt, ist auch der hartnäckigen antifaschistischen Gegenwehr gegen Auftritte und Propaganda der Partei im Land zu verdanken. In Kiel haben 6173 Wähler*innen (5,2%) die proto-faschistische Partei gewählt, zusätzlich votierten 359 Berechtigte (0,3%) für die AfD-Abspaltung „Liberal-Konservative Reformer“ (LKR), die landesweit gerademal 0,2% der Stimmen erlangte. Die neonazistische NPD ist in diesem Jahr nicht mehr angetreten.

Aufstehen gegen Rassismus Schleswig-Holstein zur Landtagswahl

Presse: KN (Sonntag20:08, 20:28, 20:40) | SHZ (7. Mai 2017 20:30 Uhr, 20:39 Uhr, 20:41 Uhr, 21:03 Uhr) | NDR | LN (1/2)

Offener Brief zur Veranstaltung mit AfD-Beteiligung in der Pumpe

Offener Brief linker Kieler Gruppen an die Pumpe:

Liebe Verantwortliche der Pumpe,

mit Unverständnis und Empörung mussten wir feststellen, dass die Alternative für Deutschland (AfD) im Rahmen einer Podiumsdiskussion am 20.04.2017 in eure Räumlichkeiten eingeladen wurde. Uns ist bewusst, dass nicht die Pumpe selbst der Veranstalter war, doch wurde das Erscheinen von Jörg Nobis nicht unterbunden, weshalb wir uns direkt an euch wenden.

Euch zu erzählen, was die AfD für eine Partei ist, ersparen wir uns an dieser Stelle. Denn eigentlich spricht euer Veranstaltungskalender dafür Bände, dass das widerliche Gedankengut der AfD bei euch nichts zu suchen hat: Linke Musiklabel und links-alternative Gruppen aus Kiel und der Umgebung führen bei euch Veranstaltungen durch. Herkunft, Ethnizität, Sexualität, Geschlecht, Alter, Religion, Behinderung und vieles mehr spielen bei euch in der Regel keine große Rolle. Die Pumpe ist ein Raum, den fast ausschließlich Menschen nutzen, die nicht in das Weltbild der AfD passen. Und das sollte auch so bleiben!

Unter pseudo-demokratischen Begründungen wurde am vergangenen Donnerstag der AfD die Bühne geboten, ihre rechtspopulistischen, rassistischen, nationalistischen, sozialchauvinistischen und homophoben Denkmuster zu verbreiten. Diese bieten den Nährboden und Rückhalt für Angriffe auf Menschen, die der AfD und ihr nahestehenden Personen nicht in den Kram passen. Wir halten euren Umgang mit dem Besuch der AfD nicht nur für falsch, sondern auch für schlichtweg gefährlich. Wer der AfD eine Bühne gibt, setzt sich nicht aufklärerisch mit rechten Positionen auseinander, sondern legitimiert sie durch den vermeintlich salonfähigen Charakter selbiger. Solche Menschen haben in einem Kulturzentrum, und ganz besonders auf einer Bühne, nichts verloren. Positionen, die die Würde und Gleichwertigkeit eines jeden Menschen in Abrede stellen, bedürfen aus unserer Sicht keinerlei Diskussion.

Von einem Kulturzentrum wie der Pumpe erwarten wir deshalb, dass dort kein Raum für Nazis und deren Stichwortgeber geschaffen wird und kritische Stimmen auch in Zukunft noch Platz bei euch finden – und nicht wie am besagten Donnerstag des Saales verwiesen werden, um rechtspopulistischer Hetze Raum zu geben. Wir fordern euch auf, dass der AfD in Zukunft kein Zutritt mehr in die Räumlichkeiten der Pumpe gewährt wird.

Allgemeiner Studierendenausschuss CAU Kiel
asta.uni-kiel.de

Autonome Antifa Koordination Kiel
antifa-kiel.org

G20 Kielholen! Kieler Netzwerk gegen den G20-Gipfel in Hamburg
g20kielholen.blackblogs.org

Kurdistan Solidaritäts-Komitee Kiel
kurdistansolikiel.noblogs.org

netzwerk antirassistische Aktion [nara] kiel
antiravernetzungsh.noblogs.org

Rote Hilfe OG Kiel
rotehilfeogkiel.gaarden.net

TurboKlimaKampfGruppe (TKKG) Kiel
tkkg.noblogs.org

And Aukrug did it again: Über 200 Antifaschist_innen gegen Besuch des AfD-Rechtsaußen Alexander Gauland

AfD so: Scheiße die Wahl steht vor der Tür und unsere Umfragewerte sinken immer weiter, laden wir lieber mal n bisschen Politprominenz ein und machen ordentlich Welle. In den Städten kriegen wir keine Räume mehr, also gehen wir wieder aufs Land nach Aukrug. Da gibts nen Gasthof mit dem wir cool sind, mieses Essen und vergilbte Möbel hin oder her.

Antifa so: Wenn hier irgendwer Welle macht, dann sind das immer noch wir und wenn wir irgendwem die Tour vermasseln wollen, dann der AfD. Das sehen ne Menge Leute aus Aukrug auch so, die haben nämlich gar keinen Bock auf die braune Soße in ihrer Hood.

Donnerstagabend in Aukrug so: Über 200 Antifaschist_innen aus Aukrug und umliegenden Städten stellen sich gegen den Besuch des Bundestagswahl-Spitzenkandidaten der AfD Alexander Gauland im lokalen Gasthof Tivoli. Bereits kurz nach 18 Uhr konnten über 100 Antifaschist_innen dem AfD-Rechtsaußen mit Mittelfingern, Parolen und Beschimpfungen einen gebührenden Empfang bereiten. In der nächsten Stunde verdoppelte sich die Zahl der AfD-Gegner_innen, sodass auch die 30-35 Besucher_innen der Rassisten-Veranstaltung von diesem “Walk of Shame” begleitet werden konnten. Nachdem die besorgten Chauvinisten es dann endlich in sicheres Terrain geschafft haben, wurden vom parteieigenen Ordnungsdienst, bestehend aus einem 90er Jahre Nazi-Duo, erstmal die Namen auf der Registrierungsliste gegengeprüft, um dann den freundlichen Willkommens-Handshake folgen zu lassen.

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Wie schon die letzten Male, glänzten die Cops mit einem überzogenen Aufgebot. Mit rund 100 Einsatzkräften, weiträumigen Absperrungen und persönlicher Eskorte für einzelne AfDler_innen, setzte die Staatsmacht mal wieder alles daran den reibungslosen Ablauf der rechten Wahlkampfshow zu garantieren. Dabei stand aber auch der Selbstschutz an erster Stelle. So forderte ein erboster Einsatzleiter einige Antifas auf, sofort die Sirenengeräusche übers Megaphon einzustellen, da er seiner Einheit diesen Lärm nicht zumuten könne. Der von den Antifas favorisierte Vorschlag, die Cops lieber mit Gehörtschutz-Mickey-Mäusen auszustatten, stieß hingegen auf bemerkenswert wenig Begeisterung.

Das Ende vom Lied so: Nach zwei Stunden löste sich die Kundgebung allmählich auf, Bewohner_innen aus Aukrug und Antifas zeigten dem Tivoli nochmal gemeinsam den Mittelfinger und clappten dann gegenseitig ab.

Die AfD im Wahĺkampf so: Kriegt in Schleswig-Holstein weiter keinen Fuß auf den Boden. Die öffentliche Wahrnehmbarkeit ist, dank einer Vielzahl antifaschistisch entsorgter Wahlkampfplakate und dem Ausbleiben von Wahl- und Infoständen aus Sicherheitsbedenken, marginal. Die Probleme bei der Raumfindung weiten sich aus, sowohl in größeren Städten wie Kiel oder Flensburg, als auch in kleineren Städten im gesamten Bundesland kriegt die AfD kaum Veranstaltungsorte angemietet. Jüngstes Beispiel ist die Absage des Brauhaus Eutin, wo an diesem Freitag ein AfD-Infoabend stattfinden sollte. Die AfD hatte die Räumlichkeiten unter einem Pseudonym angemeldet, als dem Besitzer der Gaststätte dies bekannt wurde, kündigte er umgehend die Reservierung. Noch Anfang des Jahres konnte dort das Drei-Königs-Treffen der AfD stattfinden.

Und wenn diese Hürde erstmal genommen wurde, sind Veranstaltungen der AfD stets mit breiten antifaschistischen Gegenprotesten konfrontiert. Erst Anfang der Woche veranstalteten die Chauvinisten eine Diskussion mit dem schleswig-holsteinischen Spitzenkandidaten Jörn Nobis und dem Landesvorstandssprecher der AfD Mecklenburg-Vorpommern Leif-Erik Holm in Aukrug, zu der sich kümmerliche acht Gäste verirrten, denen trotz kürzester Mobilsierung über 60 engagierten Antifaschist_innen und Bürger_innen gegenüberstanden. In Lübeck konnten letzte Woche innerhalb von 24 Stunden über 250 Menschen zu Protesten gegen die AfD mobilisiert werden, nachdem eine klandestin angekündigte Wahlkampveranstaltung der AfD in den Media Docks kurzfristig bekannt wurde.

Auch für die kommenden Tage sind weitere Veranstaltungsversuche der AfD angekündigt. Am morgigen Freitag wollen Beatrix “auf Kinder würde ich schonmal schießen lassen” von Storch und die frische Spitzenkandidatin Alice Weidel in Henstedt-Ulzburg auftreten. Das Bündnis “Aufstehen gegen Rassismus” mobilisiert bereits zu Gegenaktivitäten. Am Samstag wollte das Trümmerduo eigentlich auch in Heikendorf vorstellig werden, doch aktuellen Informationen zufolge, hat der vorgesehene Austragunsort “Sportheim” die Veranstaltung mit einer klaren Distanzierung wieder abgesagt. Da Vorsicht bekanntlich besser ist als Nachsicht und Vertrauen zwar gut aber Kontrolle besser ist, solltet ihr auch diesen Termin weiter im Auge haben und auf aktuelle Infos achten.

Worauf ihr euch aber verlassen könnt, wir werden alle gemeinsam am 7.Mai die Wahlparty der AfD crashen oder noch besser, gemeinsam den Nichteinzug der AfD ins Landesparlament mit einer Jubeldemo feiern. Antifa so: Die AfD-Wahlparty crashen! Gegen jeden Rassismus – antifaschistische Gegenmacht aufbauen! Startpunkt ist 19 Uhr am Kieler Hauptbahnhof!

Nicht-offizieller “Antifa-Kiel” Mastodon-Account aufgetaucht!

In jüngster Vergangenheit ist auf der alternativen Kommunikationsplattform “Mastodon” ein Account unter dem Namen “Antifa-Kiel (@antifa_kiel)” aufgetaucht. Auf diesem Account sind sämtliche Inhalte des “Antifa-Kiel” Twitter-Accounts gespiegelt und die Website der Autonomen Antifa-Koordination Kiel verlinkt. Auch wenn es den offensichtlichen Anschein macht, dieser Account wird nicht von der Autonomen Antifa-Koordination Kiel verwaltet! Richtet keine Anfragen an diesen Account und nutzt für verifizierte Informationen nur unsere offiziellen Kanäle www.antifa-kiel.org und den dazugehörigen Twitter-Account (@antifa_kiel). Die urhebenden Personen hinter diesem Mastodon-Account fordern wir auf, diesen umgehend zu löschen.

Autonome Antifa-Koordination Kiel, 24.04.2017

„Identitäre“ und Neonazis stören antimilitaristische Wahlkampf-Aktion in Laboe

Am gestrigen Donnerstag, 13. April 2017 störten am späten Nachmittag etwa je ein Dutzend Anhänger der „Identitären Bewegung“, Neonazis und rechte Schaulustige eine antimilitaristische und feministische Wahlkampfaktion der LINKEN vorm kriegsverherrlichenden U-Boot-Museum in Laboe. Die Faschisten, von denen viele sogar aus anderen Bundesländern angereist waren, lungerten am Straßenrand herum und begleiteten die ansonsten wie geplant durchgeführte halbstündige Kundgebung von etwa 20 Teilnehmenden mit Zwischenrufen. Zu Angriffen kam es jedoch nicht. Die Polizei war mit 15 Beamt_innen inklusive Hundestaffel vor Ort.

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Die Ankündigung einer Lübecker LINKEN-Kandidatin, das Laboer U-Boot pink streichen zu wollen, hatte schon im Vorfeld medial, bei den Behörden und bei Reaktionären aller Couleur für Furore gesorgt. Farbe gab es schlussendlich allerdings nur vor dem Kriegsschiff. Die spontane Mobilisierung von bis zu 30 organisierten Faschisten ist eine für den Kieler Raum in den letzten Jahren ungekannte Größenordnung. Das Vorhaben, den Normalbetrieb im Wallfahrtsort für NS-NolstalgikerInnen, MilitaristInnen und Deutschnationale außer Kraft zu setzen, hatte jedoch schon 2010 für ein vorerst letztes Aufbäumen in der militanten Neonazi-Szene gesorgt, als diese das Ehrenmal für deutsche Kriegsverbrecher vor linken Antimilitarist_innen schützen wollten.

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Allemal sollten die gestrigen Ereignisse jedoch allen Antifaschist_innen zu denken geben, auch die eigene spontane Handlungsfähigkeit mal wieder auf den Prüfstein zu legen, handelte es sich doch gestern nicht nur um die erste öffentliche Versammlung von Neo-FaschistInnen im Kieler Raum seit 2013, sondern auch um den ersten Auftritt der selbsternannten „Identitären“ in der Region überhaupt. Diese waren mit einem eigenen Transparent vor Ort und hatten ihre Präsenz sogar ordnungsgemäß angemeldet. Diese Entwicklung sollten Antifaschist_innen nicht nur scharf beobachten, sondern jede weitere Entfaltung schon im Frühstadium unterbinden.

Presse: www.kn-online.de

Repressives Potpourri – Staatsanwaltschaft und AfD Hand in Hand gegen Kieler Antifaschist_innen

Nach etwa eineinhalb Jahren wurden im Oktober 2016 die letzten Verfahren gegen Antifaschist_innen im Zusammenhang mit den Protesten gegen den Landesparteitag der AfD 2015 in Kiel eingestellt. Vorausgegangen ist diesem Erfolg eine ebenso lange und kontinuierliche gemeinsame Antirepressionsarbeit von Betroffenen, Anwält_innen, Antifa und Rote Hilfe e.V..

Anfang des Jahres 2015 wurde bekannt, dass der schleswig-holsteinische Landesverband der rechtspopulistischen und chauvinistischen Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD) einen Landesparteitag in der „Business-Lounge“ der Sparkassenarena mitten in der Kieler Innenstadt abhalten will. Gegen diesen Parteitag mobilisierte ein Bündnis linker und antifaschistischer Gruppen aus Kiel, Schleswig-Holstein und Hamburg unter dem Motto „Das ist keine Alternative: Gegen Nationalismus, Rassismus, Sexismus und Chauvinismus! Grenzenlose Solidarität statt autoritäre Krisenlösungen!“1 zu einer Kundgebung. Bereits im Vorfeld wurde durch die lokale Presse bekannt, dass die AfD eine Strafanzeige wegen des antifaschistischen Aufrufs stellte.2

Am Morgen jenes 21. März 2015 folgten etwa 200 Antifaschist_innen dem Aufruf zur Kundgebung gegen die AfD in Sichtweite des Tagungsortes. Von hier aus bewegten sich wenig später über 100 Menschen zum Delegierten-Eingang, um die teilnehmenden AfD-Mitglieder mit ihrer antifaschistischen Kritik direkt zu konfrontieren. Dieser Versuch, den Protest so nah wie möglich an seine Adressat_innen heran zu tragen, wurde erst kurz vor dem Eingangsbereich durch massive Gewalt der herbeieilenden Polizei in Form von Schlagstockgebrauch, Faustschlägen und Fußtritten aufgehalten. Mehrere Demonstrant_innen wurden dabei verletzt. Die an dieser Aktion beteiligten Antifaschist_innen wurden anschließend auf dem Vorplatz der Arena eingekesselt und in einem langwierigen Prozedere kontrolliert, durchsucht und abfotografiert. Hierbei wurden die Personalien von 129 Aktivist_innen aus unterschiedlichen politischen Spektren festgestellt, was im Nachklang des Tages zu einer Reihe von Anzeigen und Verfahren gegen die Betroffenen führte. Unter den Eingekesselten befand sich ebenfalls ein Landtagsabgeordneter der Grünen, welcher von der Polizei in den Kessel gelassen wurde um mit den Antifaschist_innen zu sprechen, jedoch danach nicht mehr heraus gelassen wurde und ebenfalls den polizeilichen Maßnahmen ausgesetzt war.3

Gemeinsame spektrenübergreifende Antirepressionsarbeit

Noch am Tag selber kündigte die Polizei gegenüber den Demonstrant_innen an, dass eine Strafanzeige gestellt wurde und gegen sie wegen „Hausfriedensbruch“ ermittelt werden würde. Um einen möglichst koordinierten Umgang mit der zu erwartenden Repression zu organisieren, luden die Autonome Antifa-Koordination Kiel und die Rote Hilfe Ortsgruppe Kiel für Mitte April 2015 zu einem großen Antirepressionstreffen im Kieler Gewerkschaftshaus ein, um mit möglichst vielen Betroffenen das weitere Vorgehen zu besprechen. An diesem Treffen nahmen über 50 Menschen sowie ein solidarischer Anwalt teil. Dort konnte vielen – gerade auch jüngeren – Genoss_innen die Angst vor möglichen Nachteilen durch die Strafanzeigen genommen werden, in dem vereinbart wurde, dass mit Polizei und Staatsanwaltschaft nicht kooperiert und auf mögliche Vorladungen nicht reagiert wird und dass es eine kollektive Aufarbeitung der Geschehnisse geben solle. Der Anwalt beantragte stellvertretend für einen Betroffenen Akteneinsicht. Die Rote Hilfe OG Kiel stellte sich und ihre Arbeit vor und wies auf die Möglichkeit hin, nach Ende der Verfahren Unterstützungsanträge bei der Roten Hilfe zu stellen. Auch Vertreter_innen der an der Aktion beteiligten Gruppen bekräftigten, dass die Betroffenen sowohl politisch als auch finanziell nicht alleine gelassen werden.

Im Mai flatterten schließlich die bereits erwarteten Vorladungen und Anhörungsbögen vom Kommissariat 5 (Staatsschutz) der Kieler Polizei ein. In den Briefen wurde den Betroffenen mitgeteilt, sie sollen als „Beschuldigte/r“ wegen des Vorwurfs eines „Hausfriedensbruchs“ (§ 123 StGB) am 21. März 2015 auf dem Gelände der Sparkassenarena angehört werden. Der ebenfalls eingekesselte Gründe Landtagsabgeordnete war aufgrund seiner Immunität nicht mehr davon betroffen. Abermals luden die Rote Hilfe und die Antifa zu einem Antirepressionstreffen ein. Im Juni 2015 sind dann weitere Vorladungen der Polizei bei verschiedenen Betroffenen eingetroffen, denen jetzt auch andere Vorwürfe als nur Hausfriedensbruch (u.a. „Vermummung“4, „Beleidigung“, „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ und „versuchte Körperverletzung“) gemacht wurden.

Einstellung #1

Knapp fünf Monate nach der Aktion wurde im Laufe des August dann erfreulicherweise bekannt, dass die Staatsanwaltschaft die Verfahren wegen „Hausfriedensbruch“ nach § 170 Abs. 2 StPO, also mangels Tatverdachts, eingestellt hat, da der Platz vor der Arena, obwohl er zum dortigen Privatgrundstück gehört, üblicherweise für Fußgänger nutzbar ist. Die Frage, ob das nicht-abgesperrte Areal vor der Sparkassenarena ein so genanntes „befriedetes Gebiet“ oder doch öffentlicher Raum ist, hätte als erstes in einer möglichen Verhandlung vom Gericht geklärt werden müssen. In den folgenden Monaten und Jahren hätte die Kieler Justiz eine Menge zu tun gehabt, da viele der betroffenen Antifaschist_innen bereit waren, ihre Verfahren vor Gericht auszutragen. Die Rote Hilfe Kiel wertete die Einstellung der Verfahren als Erfolg der organisierten und gemeinsamen Antirepressionsarbeit aller Betroffenen, da es der Polizei nicht gelungen sei, ihre Strategie der Einschüchterung zum Erfolg zu führen.5 Ende September wurde ebenfalls bereits ein in dem Zusammenhang stehendes Verfahren wegen „Widerstand“ gegen einen Genossen eingestellt.

Die spannende – bis dahin unbeantwortete – Frage blieb, wer am 21. März die Anzeige wegen Hausfriedensbruch stellte: War es die AfD, oder doch die das Hausrecht besitzende Betreiber_innen-Gesellschaft der Sparkassenarena?

Da geht doch noch was – Anklage reloaded

Die Freude über die eingestellten Verfahren wegen Hausfriedensbruch währte jedoch nicht allzu lange: Ende August hatten 11 Menschen, die vorher wegen Hausfriedensbruch angeklagt waren, erneut Vorladungen bekommen – dieses mal mit dem Vorwurf des „Landfriedensbruchs“ (§ 125 StGB). Die Kieler Polizei und Staatsanwaltschaft schienen sich mit der Einstellung der Verfahren nicht zufriedengeben zu wollen. Des weiteren standen immer noch weitere Vorwürfe gegen einzelne Aktivist_innen im Raum. Die Rote Hilfe, die Antifa-Koordination und die SDAJ (Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend) luden abermals zum nunmehr dritten großen Treffen ein, an dem wieder viele der (ehemals) Betroffenen und ein Anwalt teilnahmen.

Nach Abschluss der „Ermittlungen“ übergab die Polizei die Fälle im Dezember 2015 an die Kieler Staatsanwaltschaft. Diese wertete die Vorwürfe gegen die 11 Antifaschist_innen zwar nicht als Landfriedensbruch, jedoch als „Widerstand“, da sich die Betroffenen nicht einfach so von den eingesetzten Eutiner Polizist_innen haben schubsen und schlagen lassen, wie es offensichtlich von ihnen erwartet wurde. Als „Beweis“ diente das von der Polizei am 21. März angefertigte Videomaterial.

Mittlerweile war auch bekannt, dass die Anzeige wegen Hausfriedensbruch am 21.3. von der Betreiber_innen-Gesellschaft der Sparkassenarena gestellt wurde. Dies wurde auch vorher so von der Geschäftsführung mit der AfD für den Fall einer versuchten Blockade des Eingangs durch Antifaschist_innen abgesprochen. Die „Konzert- und Veranstaltungsgesellschaft mbH [&] Co. KG Kiel“ ist ein Zusammenschluss aus Provinzial Versicherungen, Kieler Nachrichten und Citti Großmarkt, den Eigentümern der Halle. Diese hatte mir ihrer bereitwilligen Kooperation mit der rassistischen Partei AfD somit für eine Repressionswelle gegen Kieler Antifaschist_innen gesorgt, anstatt sich, z.B. mit einer Absage der Veranstaltung, gegen die allgegenwärtige rassistische Stimmungsmache zu positionieren. Neben den laufenden Verfahren gab es auch noch mindestens eine nachträgliche Vorladung zur Polizei zu einer erkennungsdienstlichen Behandlung. Einige dieser Verfahren wurden zu diesem Zeitpunkt, im Dezember 2015, zwar bereits eingestellt – teilweise gegen Auflagen – die anderen Verfahren liefen jedoch noch.

Einstellung #2 und #3

Am 7.3.2016 sollte dann ein erster Gerichtsprozess im Zusammenhang mit den Geschehnissen am 21. März 2015 stattfinden. Dem Angeklagten wurde vorgeworfen „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“ (§113 Abs. 1 StGB) begangen zu haben, er hatte einen Strafbefehl über 900€ bekommen und dagegen Widerspruch eingelegt. Es hatten sich ca. 30 Unterstützer_innen des Betroffenen im Kieler Amtsgericht eingefunden, kurz darauf konnte der Genosse erfreulicherweise noch im Flur vor dem Saal verkünden, dass der Prozess nach einer Unterredung zwischen Anwalt und Gericht ohne Auflagen eingestellt wurde. Der Betroffene veröffentlichte im Nachgang seine Prozesserklärung, die er dort gehalten hätte, im Internet.6

Schlussendlich wurden im Oktober 2016 endlich auch die 11 von „Landfriedensbruch“ zu „Widerstand“ umgewandelten Verfahren durch die Staatsanwaltschaft wegen „geringer Schuld“ eingestellt, jeweils mit der Begründung, dass die Polizei zwar rechtmäßig gehandelt hätte, als sie die Demonstrant_innen gewaltsam abdrängte und einkesselte, aber die Widerstandshandlungen der Angeklagten am untersten Rand des strafbaren waren. Weitere einzelne Verfahren wegen „Widerstand“ wurde gegen Auflagen eingestellt.

Datenspeicherung bei LKA und BKA

Die von der Polizei am 21.3. aufgenommenen personenbezogenen Daten der 128 Betroffenen wurden sowohl beim Landeskriminalamt (LKA) als auch beim Bundeskriminalamt (BKA) gespeichert, allerdings (zumindest in einem durch einen Anwalt angefragten Fall) nicht in den so genannten „Informationssystemen“ der Behörden (den Datenbanken für z.B. „politisch motivierte Straftäter_innen“) sondern „nur“ zur Vorgangsverwaltung bzw. Dokumentation. In Schleswig-Holstein ist dies das Vorgangsbearbeitungssystem (VBS) „@rtus“. Laut Auskunft des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD) kann bei einem polizeilichen Einsatz, z.B. einer Verkehrskontrolle, nicht auf diese Daten zugegriffen werden. Ob dies für alle Betroffenen (insbesondere bei Menschen, die bereits andere Einträge haben) gilt, ist nicht bekannt. Über einen Rechtsanwalt konnte in einem Fall die Löschung der Daten beim BKA (in der bundesweiten Datenbank INPOL) erreicht werden.

Exkurs: Staatsanwalt Nowrousian

Dass die Kieler Repressionsorgane sich im Sommer 2015 nicht mit der Einstellung der Hausfriedensbruch-Verfahren zufrieden gaben und stattdessen dann gegen 11 Genoss_innen wegen Landfriedensbruch ermittelten, mag mehrere Gründe haben. Einer könnte sein, dass es den Behörden in Kiel auffällig selten gelingt, linke Aktivist_innen zu verurteilen, obwohl sie es auch hier häufig versuchen. Ein weiterer könnte in der Person des damals zuständigen Staatsanwaltes Nowrousian liegen. Nowrousian war bis Juli 2016 bei der Staatsanwaltschaft in Kiel und dort für die meisten „politischen“ Fälle – wie den vorliegenden – zuständig. In einem Artikel für „Die Kriminalpolizei. Zeitschrift der Gewerkschaft der Polizei“ legte Nowrousian im Juni 2016 eindeutig seine politischen Ansichten dar. Er ist der Meinung, Deutschland erlebe „in diesen Tagen Kriminalität, wie es sie in dieser Form noch nie gesehen“7 habe. Diese komme seiner Meinung nach vor allem von Täter_innen aus „muslimischen Parallelgesellschaften“, z.B. durch „Scharen junger Männer“, die Taten begingen, die „bisher nur aus der arabischen Welt [..], vor allem aus Ägypten“ bekannt seien. Er sieht Straßenzüge beherrscht von „libanesischen Familienclans“ und spricht von „Angstzonen in deutschen Großstädten“. Doch auch die „Linksextremisten“ stilisiert er zur großen Gefahr für die deutsche Wertegemeinschaft, die „sogenannte Antifa“, welche in „hohem Maße kampagnenfähig“ sei, habe einen „Großangriff auf die Demokratie“ begonnen. Die Rechtsextremisten natürlich auch, wie er kurz im Vorwort des zweiseitigen Artikels betont. Seine Lösungsvorschläge: Mehr Personal bei den Sicherheitsbehörden, schärfere Gesetze, „offensive Videoüberwachung des öffentlichen Raums“ und bei Täter_innen mit Migrationshintergund die Möglichkeit einer leichteren Ausweisung, welche „nicht mehr an der Strafe, sondern am Schuldspruch festzumachen“ sei. Kiel hatte somit einen eindeutig auf (mindestens) AfD-Linie denkenden Staatsanwalt. Heute ist Nowrousian Professor für Strafrecht und Ordnungswidrigkeitenrecht an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung in Münster.

Das Ende, nach 1 ½ Jahren…

Mit der Einstellung der Verfahren im Oktober 2016 neigt sich die Solidaritätsarbeit nach etwa 1 1/2 Jahren endlich dem Ende zu. Es war von an Anfang an klar, dass die Polizei mit der Einkesselung, ihrer Gewalt, Drohungen und Beleidigungen während des Kessels sowie der Ankündigung und dem Stellen von Anzeigen die 129 teils minderjährigen Antifaschist_innen einschüchtern wollte. Dies ist ihnen aufgrund der erfolgreich organisierten, spektrenübergreifenden Antirepressionsarbeit der an der Aktion beteiligten Gruppen und der Roten Hilfe Kiel nur spärlich gelungen. Es gab unseres Wissens nach keine Verurteilung und die allermeisten Ermittlungsverfahren wurden ohne Auflagen eingestellt. Einige der Betroffenen haben Unterstützungsanträge bei der Roten Hilfe gestellt, jedoch viel weniger, als zu Anfang zu befürchten war. Es hat sich gezeigt, dass eine Linke, die solidarisch zusammensteht, dieser Repression auch immer etwas entgegensetzen kann. Auch in diesem Fall zeigt sich, dass gemeinsames Vorgehen, konsequente Verweigerung der Kooperation und Aussageverweigerung bei Polizei und Staatsanwaltschaft die besten Erfolge bringt.

1http://www.antifa-kiel.org/index.php/aktuell/events/kiel-den-landesparteitag-der-afd-blockieren-sparkassen-arena.html

2http://www.kn-online.de/News/Aktuelle-Politik-Nachrichten/Nachrichten-Politik/Autonome-Antifa-will-AfD-Landesparteitag-stoeren-und-blockieren

3http://www.kn-online.de/News/Aktuelle-Politik-Nachrichten/Nachrichten-Politik/Kiel-AfD-Landesparteitag-unter-Polizeischutz

4Nach dem seit dem Juni 2016 geltenden neuen Versammlungsgesetz in Schleswig-Holstein gilt Vermummung nur noch als Ordnungswidrigkeit. Ein Betroffener zahlte in diesem Fall ein Bußgeld.

5http://rotehilfeogkiel.gaarden.net/nach-afd-blockade-in-kiel-verfahren-wegen-hausfriedensbruch-eingestellt/

6http://rotehilfeogkiel.gaarden.net/prozess-gegen-antifaschisten-wegen-afd-parteitag-blockade-eingestellt/

7Alle direkten und indirekten Zitate aus dem Artikel „Neue Risiken für den Rechtsstaat – Anmerkungen zum Stand der inneren Sicherheit in Deutschland“ – http://www.kriminalpolizei.de/ausgaben/2016/juni/detailansicht-juni/artikel/neue-risiken-fuer-den-rechtsstaat-anmerkungen-zum-stand-der-inneren-sicherheit-in-deutschland.html

kiel.rote-hilfe.de

1000 Teilnehmer*innen beim Women*s March am internationalen Frauen*kampftag in Kiel

Am Mittwoch, 8. März 2017 beteiligten sich am späten Nachmittag trotz regnerischen Wetters bis zu 1000 Menschen am Kieler Women*s March anlässlich des Internationalen Frauen*kampftags unter dem Motto „Internationale Solidarität statt Patriarchat und Nationalismus“ durch die Innenstadt. Im vorderen Bereich der Demo lief ein lautstarker FLTI*-only Block mit mehreren hundert Teilnehmerinnen*.

http://www.neu.antifa-kiel.org/wp-content/uploads/import/womensmarch1.jpg

In zahlreichen Redebeiträgen wurde bei der Auftaktkundgebung auf dem Bahnhofsvorplatz, bei den Zwischenkundgebungen am Asmus-Bremer-Platz sowie am Dreiecksplatz und bei der Abschlusskundgebung vorm Kulturforum in der Andreas-Gayk-Straße sowie während der laufenden Demo von dem persönlichen und politischen Nahbereich bis zu den derzeitigen Entwicklungen auf globaler Ebene auf die unterschiedlichen Ausformungen patriarchaler Herrschaft aufmerksam gemacht und dagegen zur grenzenlosen Frauen*solidarität aufgerufen. Die Autonome Antifa-Koordination Kiel beteiligte sich gemeinsam mit dem Kurdistan-Solidaritätskomittee mit einem eigenen Aufruf und Redebeitrag unter der Überschrift „No Trump. No AfD. No Fascist Patriarchy!“ an der Demo. In diesen wurden die explizit anti-feministischen Agenden der im Zuge der andauernden kapitalistischen Krise weltweit im Aufwind befindlichen rechten, autoritären und fundamentalistischen Bewegungen benannt und zum Widerstand gegen den Rechtsruck in Deutschland und international aufgerufen.

http://www.neu.antifa-kiel.org/wp-content/uploads/import/womensmarch2.jpg

Die Demonstration war mit ihrer beeindruckenden Teilnehmer*innenzahl die mit Abstand größte Aktion zum 8. März in der Landeshauptstadt seit vielen Jahren. Sie wurde von einem breiten Bündnis engagierter Feminist*innen, linker Gruppen, Institutionen, Einrichtungen und Vereine organisiert und durchgeführt.


Fotos und Redebeiträge: frauenkampftagkiel.tumblr.com

Medien: KN (8.3.2017)