Ungeklärt – Der erste Prozesstag gegen rassistischen Brandstifter von Escheburg

In der nächsten Woche erscheint ein umfassender Bericht zur Verhandlung über den Brandanschlag in Escheburg. Da das Bild in den hiesigen Medien zum Prozessauftakt etwas verzerrend wirkt, für uns einige Fragen ungeklärt sind und wir Kritik am Vorgehen der Justiz haben, gibt es vorab diesen Kommentar.

Der Prozess gegen den Finanzbeamten Kim Alexander Müller begann wenig überraschend mit einem Geständnis des Angeklagten. Es stimme, dass er die Tat aus dem Motiv heraus, dass die Geflüchteten vorerst nicht einziehen könnten, begangen habe. Dies sollte Zeit schaffen, bis ein Anwalt Verfahrensfehler gefunden hat, um den Einzug von Flüchtlingen in seine Nachbarschaft zu verhindern. Seinen ursprünglichen Plan, lediglich mit einem Hammer die Scheibe einzuschlagen, verwarf er, als er den Pinselverdünner und Streichhölzer entdeckte. Damit bewaffnet ging er ans Terrassenfenster, schlug dieses ein, kippte den Verdünner durch das Loch, warf den Kanister hinterher und entzündete die Flüssigkeit. Danach fuhr er wie selbstverständlich Einkaufen. Er nahm in Kauf, dass Handwerker_innen, die sich potentiell in dem Gebäude aufhalten könnten, ebenso wie Nachbar_innen durch die Brandlegung hätten verletzt werden können.

So klar und deutlich er zwar seine Tat beschreibt, ergeben sich bereits erste Fragen. Wieso rechnet ein studierter Finanzbeamter, der nicht gerade dumm wirkt, damit, dass ein paar Glasscherben im Innenraum des Wohnzimmers den Einzug von Flüchtlingen in das Gebäude mehrere Tage oder Wochen verhindern würden? Ist dieser Teil seines Geständnisses eine Schutzbehauptung, um den Vorsatz, eine geplante Tat, abzuwenden und das Strafmaß zu mildern?

Springen wir chronologisch noch einmal zurück. Am gleichen Tag der Tat stürmten einige Anwohner_innen das Büro der Verwaltungschefin, nachdem der stellvertretende Bürgermeister Escheburgs diese dazu aufhetzte, und setzen diese unter Druck. Die Situation eskalierte, einige äußerten Gewaltfantasien, um den Einzug zu verhindern. Wieder in der Siedlung angekommen, stellten sie fest, dass in beiden Doppelhaushälften der Einbruch versucht worden ist. Lediglich eine Nachbarin kam auf die Idee die Polizei zu verständigen, während der Rest sich im Garten des Hauses aufhielt. Während die Polizei auf dem Weg ist, klirren Fensterscheiben. Die äußere Scheibe der Doppelverglasung der Terrassentür, durch die Kim Alexander Müller später den Brand legen sollte, wird eingeschlagen. Interessanterweise will niemand der Anwesenden etwas mitbekommen haben, alle hätten sich angeblich bereits wieder vom Tatort entfernt, niemand wartete auf die Polizei und niemand ging in einer Nachbarschaft wo man sich doch sorgt und kümmert, nachsehen wenn man eine Scheibe klirren hört. Wer soll das glauben?

Während seiner Einlassungen bricht der Angeklagte mehrmals in Tränen aus. Er schäme sich für die Tat – schließlich ist er ein pflichtbewusster Beamter und gläubiger Christ. Die Folgen und Auswirkungen seines Handelns hätte er nicht abschätzen können. Damit meint er nicht etwa die Folgen für die Asylsuchenden, denen er den Wohnraum raubte und sie damit obdachlos machte, für die ehrenamtlichen Helfer_innen in Escheburg, für die seine Tat einem Schlag ins Gesicht gleichkommt oder die Bestätigungen aus der rechte Szene – nein, er meint die Folgen für sich und seine Familie. Dass er seinen Job verlieren wird, dass Eheprobleme entstanden, er Angst hatte, seitens den Nachbar_innen in Ungnade zu fallen (was im Übrigen nicht der Fall war, schließlich hat man ja nur etwas gegen kriminelle Ausländer und nicht gegen kriminelle Deutsche), Angst um seine kleine Tochter – das alles scheint im wichtiger, kein Zeichen einer Entschuldigung.

Aber er sei kein „Ausländerfeind“, die Tat war keine „ausländerfeindliche Tat“. Wer eine Flüchtlingsunterkunft anzündet aus einer diffusen Angst vor allem Fremden heraus, wer Angst um Gründstückspreise, die Dorfsicherheit und vor Vergewaltigungen hat, nur weil im Haus gegenüber ihm unbekannte Flüchtlinge einziehen, der ist für uns ein Ausländerfeind – ein Rassist.


Und dann war da noch der Anruf.

Eine wichtige Frage, die vor Gericht versucht wird zu klären, ist ob die Tat geplant worden war. Eine Zeugin möchte gehört haben, wie eine Anwohnerin gegenüber ihrem Mann nach der Tat am Telefon „so did … make it true“ gesagt haben soll. Dies spräche dafür, dass sich Nachbar_innen über die Tat im Klaren waren und möglicherweise die Tat gemeinsam planten. Sowohl die Anwohnerin als auch ihr Mann, der überraschend während der Vernehmung doch wieder die deutsche Sprache verstand, fühlten sich von den Fragen der Richter_innen genervt und als Opfer einer Hetzkampagne. Sowieso sei doch „die ganze Sache nicht so schlimm“, schließlich sei ja nur ein wenig Laminat angebrannt. Die wahren Opfer sind die Anwohner_innen, denn bis in den Nacht war alles von Baustrahlern erleuchtet, die viele Polizei und Presse belagerten den Ort. Eine Täter – Opfer – Umkehr wie sich im Buche steht.


Und die Polizei?

Dann war da noch der Beamte des in politischen Kreisen bereits bekannten Kommissariats 5 aus Lübeck. Der konnte sich nicht mehr erinnern, wann dem Angeklagten die Ergebnisse des DNA Abgleichs mitgeteilt worden sind. Möglicherweise geschah dies zwei Tage vor dem Haftantrag per Telefon. Er konnte sich auch nicht mehr daran erinnern, warum er den Angeklagten am Tag vor der Verhaftung abholte und vernahm oder was der Inhalt des Gespräches war.

Alles in allem sind wir äußerst enttäuscht vom bisherigen Verlauf. Brennende Fragen werden nicht geklärt, man scheint froh über das Geständnis, damit der Prozess schnell beendet ist. Schlüsselfiguren des Geschehen werden nicht vorgeladen (der stellvertretende Bürgermeister, Zimmermann vom K5, erneute Vorladung der Betroffenen bezüglich des Telefonats) und der Rassismus des Angeklagten und der Anwohner_innen („Bei uns hat niemand was gegen Ausländer, mein Mann ist selber Ausländer“) findet kaum Erwähnung im Prozess, Polizei und Justiz wirken dilettantisch.

Bericht des NDR

www.ahl-antifa.org