Der Prozess gegen den Täter der rechten und rassistischen Auto-Attacke von Henstedt-Ulzburg vorm Landgricht Kiel geht dem Ende entgegen. Nach weiteren Verzögerungen wird das Urteil nun für den 21.12.2023 erwartet. Das Bündnis „Tatort Henstedt-Ulzburg“ hat auch die zurückliegenden Verhandlungstage mit Solidaritätsaktionen an der Seite der Betroffenen des Angriffs begleitet und ruft bei den Plädoyers und der Urteilsverkündung zu weiteren Kundgebungen auf.
Mehr als 45 Antifaschist*innen sorgten am Morgen des 27.10.2023 am Landgericht Kiel für einen angemessenen Empfang des in den Tatort HU-Komplex verstrickten AfD-Politikers Julian Flak, der dort als Zeuge geladen war. Bis 16 Uhr dauerten der 15. Prozesstag und die antifaschistische Begleitkundgebung des Bündnis Tatort Henstedt-Ulzburg an.
Die Aussagestrategie Flaks war durchschaubar: Ihm ging es vor allem darum Schaden von seiner Partei abzuwenden, durchaus auch auf Kosten des Täters. Z.B. konnte er die Darstellung Melvin Sch.s und seiner Begleiter nicht bestätigen, dass diese vor der rechten und rassistischen Amokfahrt angegriffen worden seien. Unmittelbar nach der Tat hatte Flak Kontakt zum Angreifer gehabt, verurteilte den Tötungsversuch jedoch nicht, sondern forderte Melvin Sch. letztendlich nur zum Austritt aus der AfD auf, weil die Tat kontraproduktiv für die AfD gewesen sei. Desweiteren sagte am Verhandlungstag die ehemalige Lebensgefährtin Sch.s aus.
Insgesamt 25 Antifaschist*innen begleiteten am 16.11.2023 auch den 17. Verhandlungstag. Während viele von ihnen den Prozess im Gerichtssaal verfolgten, fand draußen parallel den ganzen Tag lang bei Wind und Wetter eine erneute Begleitkundgebung. In einem Redebeitrag wurde darauf hingewiesen, dass der Prozess, der im Juli begann, in den kommenden Wochen zu Ende gehen wird. Es wurde als Erfolg der vielschichtigen antifaschistischen Arbeit bewertet, die unmittelbar nach der rechten und rassistischen Auto-Attacke am Bürgerhaus Henstedt-Ulzburg im Oktober 2020 ansetzte und in der Nebenklage der Betroffenen sowie der prozessbegleitetnden Kampagne mündete, dass die rechten Beweggründe des damaligen AfD-Mitglieds und Täters Melvin Sch. erst ans Tageslicht und in die breite Öffentlichkeit gelangten und schlussendlich auch im Prozess berücksichtigt werden mussten. Diese wichtige Solidaritätsarbeit mit den Betroffenen des Angriffs gelte es nun auch noch in den verbleibenden, mutmaßlich drei Prozesstagen aufrecht zu erhalten und ihnen auch während der anstehenden Plädoyers und beim Urteil weiter den Rücken zu stärken.
Der lange Verhandlungstag selbst, der bis in den späten Nachmittag andauerte, stand im Zeichen verschiedener Gutachten von KFZ- und rechtsmedizinischen Sachverständigen.
Etwa 15 Antifaschist*innen versammelten sich dann am 23.11.2023 zum 18. Verhandlungstag zur morgendlichen Kundgebung. Anders als bei den vergangenen begleitenden Kundgebungen, positionierten sich die Teilnehmer*innen diesmal an den Treppen zum Haupteingang des Gerichts. Nachdem hier ein Redebeitrag gehalten wurde, in dem der Prozess und seine politische Begleitung rückbetrachtet und allen Unterstützer*innen gedankt wurde, gingen Betroffene der Auto-Attacke und ihre Unterstützer*innen geschlossen in den Gerichtssaal. Angesichts des fortgeschrittenen Verhandlungsverlaufs waren für heute eigentlich die ersten Plädoyers erwartet worden. Nachdem die Nebenklage Schmerzensgeldanträge gestellt hatte, beantrage der Täter-Anwalt jedoch, den Prozess zu unterbrechen, um darüber mit seinem Mandanten beratschlagen zu können. Es folgte somit lediglich noch das Gutachten der Jugendgerichtshilfe, das über Täter auffällig wohlmeinend und über die politischen Hintergründe der Tat sehr fahrlässig urteilte. Gegen Mittag endete der Verhandlungstag.
Ein gutes Dutzend Antifaschist*innen kam auch am 05.12.2023 zum 19. Verhandlungstag zum Landgericht Kiel. Nach einer kurzen morgendlichen Kundgebung an den Eingangstreffen des Gerichts nahmen die Teilnehmer*innen wieder geschlossen im Besucher*innenbereicht des Verhandlungssaals Platz. Die für diesen Prozesstag eigentlich erwarteten Plädoyers wurden wegen der Hinhalte- und Sabotagetaktik des Täteranwalts Hummel abermals vertagt. In verschiedenen Anträgen bestritt er die durch die Nebenklage geltend gemachten Schmerzensgeldansprüche der Betroffenen der rechten und rassistischen Auto-Attack und ihre während des Prozesses ausführlich nachgewiesenen psychischen und physischen Folgeschäden. Zudem forderte er einen Sachverständiger für eher nebensächliche Details der Beweisaufnahme. Obwohl kaum zu erwarten ist, dass das Gericht den Anträgen folgen wird, wurde der Prozess schließlich zum Mittag vertagt.
Die Plädoyers werden nun vorraussichtlich nächsten Montag (11.12.2023) abgehalten. Das Urteil ist daher erst am neu angesetzten, weiteren Verhandlungstag am 21.12.2023 zu erwarten. Das Bündnis „Tatort Henstedt-Ulzburg“ ruft an beiden Terminen wieder zur solidarischen Prozessbegleitung auf. Am Montag wird es vor Prozessbeginn ab 8.30 Uhr eine Kundgebung geben, zur Urteilverkündung in zwei Wochen mobilisiert das Bündnis ab 10 Uhr zu einer großen antifaschistischen Abschlusspräsenz am Gericht. Zu beiden Aktionen sind nochmal alle Unterstützer*innen der letzten Monate ausdrücklich eingeladen, um auch das Ende des Prozesses mit einer klaren antifaschistischen Botschaft zu verbinden: Die Betroffenen des rechten und rassistischen Terrors in der BRD werden nicht allein gelassen und die Täter kommen nicht unbehelligt davon.