Gerade machen gegen „Querdenken“ – den reaktionären Aufmarsch der Corona-Relativierer*innen stoppen!

Datum/Zeit
12.12.20
11:30

Veranstaltungsort
Wall


Samstag, 12. Dezember 2020
Antifaschistische Bündniskundgebung | 11.30 Uhr | Wall (Schiffahrtsmuseum) | Kiel

Info-Update (11.12.2020)

### Querdenken ###
Die Verschwörungsideolog*innen und Sozialdarwinist*innen wollen ihre Kundgebung um 12.12 Uhr am Ostsseekai beginnen. Anschließend wollen sie eine Demo durchführen, die mutmaßlich die Brunswiker Straße hinauf Richtung Holtenauer Straße laufen wird. Ob sie anschließend die Holtenauer Straße entlang oder die Bergstraße hinab gehen werden, ist derzeit nicht absehbar. Die Abschlusskundgebung soll wieder am Ostseekai stattfinden.

### Antifaschistische Gegenproteste ###
Ab 11.30 Uhr findet am Wall Höhe Schifffahrtsmuseum eine Bündnis-Kundgebung des Runden Tisch gegen Rassismus und Faschismus Kiel statt. Diese befindet sich in Sicht- und Hörweite zum „Querdenken“-Auftakt. Eine Demoroute in Richtung Kiellinie wurde von den Behörden nicht genehmigt, die antifaschistischen Aktionen sollen sich nach deren Willen gen Innenstadt orientieren. Zusätzlich zur zentralen Gegenkundgebung gibt es angemeldete Antifa-Versammlungen auf der Reventlouwiese und am Lorentzendamm vor der Sparkasse. Inwieweit sich diese als Anlaufpunkte für Gegenproteste eignen, wird sich morgen entsprechend der Marschroute von „Querdenken“ zeigen. Seid flexibel und achtet auf kurzfristige Ankündigungen! Eine Fahrraddemo der TKKG gegen klimaschädliche Verkehrskonzepte beginnt um 11 Uhr am HBF und wird sich später den antifaschistischen Protesten anschließen.

### Hygieniekonzept ###
In Anbetracht der steigenden Corona-Fallzahlen auch in Kiel, rufen die Veranstalter*innen der antifaschistischen Kundgebungen dazu auf, auf den Veranstaltungen und drumherum unbedingt sowohl das Tragen von Masken, als auch das Einhalten von Abständen konsequent einzuhalten. Wir wissen, dass dies effektiven Protest erschwert, setzen unsere Prioritäten allerseits ausdrücklich bei der Gesundheit der Teilnehmer*innen sowie Unbeteiligter und einem verantwortungsvollen Umgang mit der Pandemie.

### Ermittlungsausschuss ###
Morgen ist während der Aktionen ein EA geschaltet. Dieser ist unter der Rufnummer 0431 / 530 34 35 zu erreichen.

Passt auf Euch und andere auf – alle zusammen für einen erfolgreichen antifaschistischen Widerstand gegen rechtsoffene „Querdenker*innen“, auch unter erschwerten Bedingungen!
Wir sehen uns morgen auf der Straße!

>> Auffrufflugblatt als PDF

Für den 12.12. kündigt der lokale Ableger von „Querdenken“ – mittlerweile umbenannt in „Kiel Steht auf“ – eine Demonstration in der Kieler Innenstadt an. Dort soll auch für das nächste bundesweite Querdenkerevent am 31.12. in Berlin mobilisiert werden. Bei den vorangegangenen Kundgebungen im August und September tummelten sich jeweils mehrere hundert Verschwörungsideolog*innen und Sozialdarwinist*innen auf der Reventlouwiese, darunter bundesweites Pilgerpublikum inklusive rechter Szeneprominenz wie der antisemitische „Volkslehrer“ Nikolai Nehrling oder der rechte Youtuber „Aktivist Mann“. Für die Aktion am 12.12. werden bekanntere Coronaleugner und -verharmloser wie der Ex-Grüne David Claudio Silber oder „Dr.“ Walter Weber („Ärzte für Aufklärung“) angekündigt. Es muss also davon ausgegangen werden, dass dann in Kiel mehrere hundert Coronaleugner*innen, darunter auch rechte Akteur*innen verschiedenster Couleur, durch die Stadt ziehen wollen. Wir rufen dazu auf dies nicht unwidersprochen hinzunehmen und jeglichen Aufmarschversuch im Keim zu ersticken.

Die Demo in Leipzig hat sich zum ersten mal seit langem richtig angefühlt“

Die Kieler Veranstaltung war eigentlich schon für den 7.11. geplant, wurde dann aber zugunsten der bundesweiten Aktion in Leipzig verschoben. In Leipzig feierten an diesem Tag bis zu 40.000 Corona-Leugner*innen bei bewusster Missachtung jeglicher Hygienestandards ein reaktionäres Happening gegen die Corona-Maßnahmen. Masken trugen nur die bis zu 1000 Neonazis, die Journalist*innen und Antifaschist*innen attackierten und schlussendlich mit ihren Angriffen auf die unterbesetzten Polizeikräfte den Weg für die Demo über den Leipziger Ring freimachten. Im Kieler Telegram-Chat wurde das mit den Worten „Die Demo in Leipzig hat sich zum ersten mal seit langem richtig angefühlt“ gefeiert, ungeachtet dessen, wer da alles auf der Straße war. Denn lokale und aus dem ganzen Bundesgebiet angereiste Nazi-Hools, NPD-Kader, Identitäre, AfDler*innen und autonome Nationalisten machten diesen Tag zu dem größten Erfolg der extremen Rechten in Deutschland in den letzten Jahren. Weder offen auftretende Neonazis noch die zahlreichen schwarz-weiß-roten Fahnen schreckten dabei die restlichen Demo-Teilnehmer*innen ab, vielmehr bestätigte sich die auf Arbeitsteilung beruhende Allianz aus den Weg frei prügelnden Nazis, meditierenden Esoteriker*innen und betenden antifeministischen Fundi-Christen, zu der es auch schon davor und danach z.B. in Berlin kam.

Auch die AfD hat das Thema nach anfänglicher Zurückhaltung für sich erkannt und hofft damit, Rechte und den reaktionären Kern der sogenannten Mitte auf sich vereinen zu können. Auf der Straße marschieren AfDler*innen zusammen mit bekannten Neonazis und im Parlament inszeniert man sich als Opposition gegen eine angebliche „Corona-Diktatur“. Skandale werden bewusst herbei geführt, etwa das Einschleusen rechter YouTuber*innen in den Bundestag, um sich dann halbherzig davon zu distanzieren. Noch scheint diese Taktik nicht in politische Zustimmung umzuschlagen, die Neonazi- und Hooligan-Originale sind scheinbar noch gefragter bei der Bewegung.

Wo „Kiel steht auf“ drauf steht, ist „Querdenken“ drin

„Querdenken“ erweist sich damit als reaktionärer Dammbrecher, der eingestaubten Nazi-Strukturen einen zweiten Frühling beschert und neue rechte Bündnisse unter dem Deckmantel der Kritik von Corona-Maßnahmen ermöglicht. Ziel der aktiv am Protest teilnehmenden neuen Rechten ist die Formierung ein herbei gesehnten neuen rechten Blocks. Der lokale Ableger in Kiel, der sich an den bundesweiten Strukturen orientiert, fester Teil dieser ist und zu bundesweiten Events mobilisiert, muss sich an den geschilderten Geschehnissen messen lassen. Da hilft es auch nicht zu halluzinieren, dass Neonazis keine Rolle spielen würden, sich oberflächlich von „jeglicher Form des Extremismus“ zu distanzieren oder den eigenen Namen von „Querdenken Kiel“ zu „Kiel steht auf“ zu ändern. Laut dem lokalen Organisator Björn Dinklage/Björn de Vil ist dies ein rein taktischer Schachzug, da der eigentliche Name in der Öffentlichkeit vorerst verbrannt sei. Hintergrund ist ein öffentlich bekannt gewordenes Treffen des „Querdenken“-Mitbegründers Michael Ballweg mit dem selbsternannten Reichsbürger-„König“ Peter Fitzek. Aus Angst vor schlechter Publicity soll lokal bis auf Weiteres von dem bundesweiten Label Abstand genommen werden. Gleichzeitig machte Dinklage intern gegenüber seinen Mitstreiter*innen deutlich, dass der Kontakt zu Ballweg keineswegs abgebrochen wird, auch eine Rückkehr zum alten Namen wird nicht ausgeschlossen.

Die praktische Offenheit für rechte Akteur*innen zeigt sich auch in Kiel, wo immer wieder AfDler*innen oder Mitglieder der Saufnazigang „Bollstein Kiel“ an Aktionen teilnahmen. Ebenfalls Stammgast bei den Corona-Protesten und Mitorganisator der „Kinder stehen auf“-Initiative ist Godwin Bachmann, der auch als Vorsitzender des „Deutsch-Russischen Friedenswerk“, einem völkischen Kolonisierungs-Netzwerk mit Sitz in Kiel, bekannt ist. Bachmann selbst entstammt familiär einem völkischen Neonazi-Clan. Wenn sie auch scheinbar keine Hegemonie in der Kieler „Querdenken“-Szene innehaben, unter dem „wir müssen für alle offen sein, die in irgendeiner Weise gegen die Maßnahmen sind“-Konsens sind auch sie willkommen.

Echter Widerstand geht nur solidarisch und antifaschistisch

Wir müssen also für den 12.12. in Kiel damit rechnen, dass hunderte Coronaleugner*innen durch die Stadt ziehen wollen. Wir sagen nicht, dass alle, die sich den „Querdenken“-Aktionen anschließen Neonazis oder Faschist*innen sind, schließlich gibt es Gründe genug, um gegen die autoritäre Formierung im Zuge der Coronakrise zu protestieren. Wir sagen aber ganz deutlich, dass die „Querdenken“-Bündnisse wissentlich gemeinsam mit Nazis und Faschist*innen Seite an Seite stehen. Und wer in Berlin, Leipzig und anderswo mit Rechten paktiert, wird in Kiel keinen Meter geschenkt bekommen. Wir werden deswegen am 12.12. gemeinsam gegen den Querdenken-Aufmarsch auf die Straße gehen. Dabei verlassen wir uns nicht auf die Repressionsorgane oder hoffen auf eine Auflösung oder Verbot des Aufmarsches, werden Corona-Relativierer*innen von der Kieler Polizei doch geradezu gehätschelt. Vielmehr fordern wir alle Antifaschist*innen auf, sich diesem reaktionären Spektakel entschlossen entgegenzustellen, zu intervenieren und zu blockieren

Wir wollen uns aber auch weiterhin nicht nur an der notwendigen Kritik des durchgeballerten „Querdenken“-Haufens abarbeiten. Nutzen wir unsere antifaschistische Präsenz an diesem Tag, um die vielen guten Gründe, gegen das bestehende System aufzubegehren, zu benennen und in die Öffentlichkeit zu tragen: Ob die rassistische Herabwürdigung von Geflüchteten und die elenden Lebensbedingungen in den Lagern an den EU-Außengrenzen. Ob die Milliardengeschenke an zig Großkonzerne, während zahlreiche Menschen durch Corona in ihrer Existenz bedroht sind oder Pflegekräfte sogar noch um ihre versprochene knauserige Sonderzahlung kämpfen müssen. Ob das neue verschärfte Polizeigesetz in Schleswig-Holstein, der Bau des Abschiebeknasts in Glückstadt oder die Rodung des Dannenröder Forstes. Ob der Abbau von Grundrechten unter dem Corona-Deckmantel, alltägliche rassistische Polizeigewalt oder das regelmäßige Auffliegen rechter Netzwerke in Bundeswehr und Polizei. Ob die sich häufenden Repressionsschläge nach §129 gegen die radikale Linke oder die weitergehende Rachejustiz gegen Teilnehmer*innen der G20-Proteste – Gründe für Widerstand gibt es zuhauf.

Wir rufen alle Genoss*innen in Kiel dazu auf, am 12.12. die rechtsoffene Mobilisierung zurückdrängen und stattdessen gemeinsame Perspektiven eines solidarisches Auswegs aus Corona, Krise und autoritärer Zuspitzung auf die Straße zu tragen – natürlich wie immer mit Abstand und Maske.

Wer mit Nazis marschiert, wird nicht toleriert – den „Querdenken“-Aufmarsch am 12.12. in Kiel stoppen!