Antifa-Demo „Solidarisch kämpfen statt Verschwörungsmärchen – kein „Querdenken“-Aufmarsch in Kiel!“

Datum/Zeit
20.09.20
13:30

Veranstaltungsort
Ostseekai


Antifaschistische Bündnisdemo
Sonntag, 20.9.2020 | 13.30 Uhr | Ostseekai | Kiel


 


Aufruf Autonome Antifa-Koordination Kiel:

Linksunten klarsehen statt rechtsoffen querdenken.

Solidarisch kämpfen gegen Krise, autoritäre Formierung und reaktionäre Verschwörungsmärchen!

>> Aufrufflugblatt als PDF

Am Sonntag, 20.09.2020 will der Kieler „Querdenken“-Ableger um Björn Dinklage/Björn de Vil und sein Anhang abermals eine rechtsoffene, verschwörungsideologische und anti-solidarische Versammlung an der Kiellinie abhalten. Spätestens mit ihrer letzten Veranstaltung Mitte August haben die lokalen Initiator*innen endgültig klargestellt, wie sie politisch einzuordnen und zu behandeln sind: Sie fungierten als Erfüllungsgehilfen der bundesweiten „Querdenken“-Strukturen, hießen bekannte Antisemiten und Rassisten wie Nikolai Nerling aus Berlin oder die Mettenhofer Nazi-Truppe Bollstein Kiel in ihrer Mitte willkommen und riefen hunderte Corona-Relativierer*innen und -Leugner*innen aus ganz Norddeutschland und darüber hinaus in die Stadt.

Die reaktionäre Zusammenkunft in Kiel war Teil der Mobilisierung zur viel beachteten „Querdenken“-Großdemo vor zwei Wochen in Berlin, wo der offene Schulterschluss zwischen Esoteriker*innen, Verschwörungsideolog*innen, Wutbürger*innen und Nazis so deutlich wie nie zuvor zu Tage getreten ist. Reichsfahnen und weitere offen rechte Utensilien waren etablierter Teil des Szenarios, die extreme Rechte in allen Facetten tummelte sich unter den etwa 30.000 Demonstrant*innen aus dem gesamten Bundesgebiet. Mit ihrer medienwirksamen Inszenierung eines handzahmen „Sturms“ auf die Reichstagstreppen ging sie schließlich als politische Gewinnerin aus dem Tag hervor.

Nun droht Kiel eine Wiederholung des unseligen Aufmarschs des letzten Monats. Ob an die letztmalige Dimension angeknüpft werden kann, sei dahingestellt. Die Redner*innenliste verspricht bisher keine Szene-Prominenz und die bundesweiten „Querdenken“-Strukturen fokussieren sich derzeit in Hinblick auf ihr nächstes Großevent am 3.10. in Konstanz auf den süddeutschen Raum. Nichtsdestotrotz sollten die Größenordnung und Zusammensetzung der letzten Corona-Demo in Kiel alle Antifaschist*innen in der Stadt alarmiert haben, die Gemengelage ernst zu nehmen. Die ausgeprägte Reisetätigkeit des Spektrums und die überregionale Vernetzung der Kieler Organisator*innen sprechen nicht für Entwarnung.

Warum wir davon überzeugt sind, dass die „Querdenken“-Bewegung trotz ihres oft skurrilen und widersprüchlichen Ausdrucks nicht einfach rechts liegen gelassen werden sollte, haben wir in den letzten Monaten wiederholt argumentiert: Die selbsternannten Querdenker*innen und Corona-Widerständler*innen geben eine in jeder Hinsicht falsche Antwort auf die großen Herausforderungen, die die lebensgefährliche Pandemie unter kapitalistischen Bedingungen im letzten halben Jahr hervorgebracht hat und noch hervorbringen wird. Statt auf gesellschaftliche Solidarität mit den Gefährdeten und Leidtragenden, setzen sie auf ein individualisiertes Recht des Stärkeren. Statt auf politische und ökonomische Analyse der verschärften Krise, ihrer Profiteure und Verlierer*innen, setzen sie auf irrationalen Aberglauben. Statt im Ausnahmezustand die Position der Ausgebeuteten und Marginalisierten und den Klassenkampf von unten zu stärken, reiten sie auf Luxusproblemen herum und fordern die Rückkehr zu einer potentiell tödlichen Normalität. Sie sind entgegen ihrer Selbstwahrnehmung keineswegs Rebell*innen, sondern die narzisstischen bürgerlichen Schreihälse im Sinne der Kapitalinteressen. Dies lässt sie der einstigen Massenbasis des historischen Faschismus ähneln.

Wir werden deshalb auch dieses Mal gegen den erneuten Halt des rechtsoffenen Wanderzirkus in Kiel auf die Straße gehen. Wir werden dabei jedoch auch weiterhin nicht den Fehler begehen, uns ausschließlich an dessen zweifelsohne notwendiger Kritik abzuarbeiten. Wir werden unsere antifaschistische Präsenz vielmehr dazu nutzen, die vielen guten Gründe, gegen das bestehende System zu rebellieren, zu benennen und in die Öffentlichkeit zu tragen: Ob die rassistische Herabwürdigung von Geflüchteten und die elenden Lebensbedingungen in den Lagern an den EU-Außengrenzen, die letzte Woche im verheerenden Brand von Moria mündeten. Ob die Milliardengeschenke an Großkonzerne wie die Lufthansa, während zahlreiche Menschen durch Corona in ihrer Existenz bedroht sind oder Pflegekräfte sogar noch um ihre versprochene knauserige Sonderzahlung kämpfen müssen. Ob das neue verschärfte Polizeigesetz in Schleswig-Holstein, das im Schatten von Corona durchgewunken werden soll oder der Bau des Abschiebeknasts in Glückstadt. Ob der klammheimliche Abbau von Grundrechten, alltägliche rassistische Polizeigewalt oder staatlich verhinderte Gedenkdemos an die Opfer des Nazi-Terrors in diesem Land. Ob die jüngsten Repressionsschläge nach §129 gegen die radikale Linke oder die weitergehende Rachejustiz gegen Teilnehmer*innen der G20-Proteste – Gründe für Widerstand gibt es zuhauf.

Wir rufen alle Genoss*innen in Kiel dazu auf, sich mit ihren jeweiligen Themenschwerpunkten an den antifaschistischen Gegenaktionen am 20.09. zu beteiligen. Lassen wir die Polizeistrategie, unseren Widerspruch möglichst unsichtbar zu machen, diesmal ins Leere laufen, indem wir uns möglichst breit aufstellen und den „Querdenken“-Irrsinn auf der Reventlouwiese geschlossen mit unserem deutlichen Nein zu den brutalen, ausbeuterischen, repressivem und verblödenden kapitalistischen Verhältnissen auskontern, die sich unter Corona einmal mehr verschlimmert haben. Lasst uns unsere Kräfte bündeln, die rechte Mobilisierung zurückdrängen und gemeinsame Perspektiven eines solidarisches Auswegs aus Corona, Krise und autoritärer Zuspitzung entwickeln. Wir sehen uns mit Abstand und Maske auf der Straße.

Solidarität verteidigen – gegen den „Querdenken“-Aufmarsch am 20.09.2020 in Kiel!