400 – 500 Menschen nahmen am Nachmittag des Samstag, 27. Juni 2020 an der antirassistischen Demonstration des Afrodeutschen Verein SH in der Kieler Innenstadt teil. Nach einer kurzen Auftaktkundgebung auf dem Platz der Matrosen zogen die Teilnehmer*innen zum Europaplatz, wo eine Zwischenkundgebung mit einer Schweigeminute für alle Todesopfer rassistischer Gewalt stattfand. Anschließend endete die laute und lebendige Demo am Rathausplatz, wo anknüpfend eine Open Air-Veranstaltung mit zahlreichen Redner*innen und Kulturbeiträgen durchgeführt wurde.
Diese wurde zwischenzeitlich durch ein starkes Gewitter mit sintflutartigen Regenfällen abrupt unterbrochen, konnte jedoch nach dessen Abflauen fortgesetzt werden. Einige Beiträge konnten aus technischen Gründen jedoch leider nur in veränderter Form bzw. unverstärkt vorgetragen werden. Nichtsdestotrotz verweilten bis zum Ende über 150 Menschen bei ausgelassener und kämpferischer Stimmung vor und auf der Bühne am Rathaus. Zu zwischenzeitlicher Unruhe kam es in Folge wiederholter sexistischer Anmachen und Übergriffe gegen Demo-Teilnehmerinnen durch eine mitlaufende Person. Als Demonstrantinnen sich gegen den Mann zur Wehr setzten und sich auch die Polizei einschaltete, drohte die unübersichtliche Situation kurzzeitig zu eskalieren, beruhigte sich aber wieder, nachdem diese durch die Veranstalter*innen aufgeklärt werden konnte. Schon zu Beginn der Demo hatte ein Mann die Teilnehmer*innen vom Rand mit einer Deutschland-Fahne gezielt provoziert.
Der Bezug auf die nach dem Polizeimord an George Floyd in den USA erstarkte Black Lives Matter-Bewegung war allgegenwärtig. In den zahlreichen Redebeirägen wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass rassistische Morde nur der brutalste Ausdruck eines umfassenden gesellschaftlichen Herrschaftsverhältnis sind, das auf mehr als 500 Jahren kolonialer Ausbeutung und Ausplünderung beruht, das nicht auf die USA begrenzt ist. Subtilere Formen dieses strukturellen Rassismus sind Benachteiligungen bei der Wohnungs- und Jobsuche, anlasslose Polizeikontrollen sowie permanente diskriminierende Zuschreibungen, Abwertungen und Ausgrenzungen, mit denen Schwarze Menschen alltäglich konfrontiert sind und gegen die sie sich zur Wehr setzen müssen. Die daraus resutierenden Verletzungen und Anstrengungen für die Betroffenen sollten sich insbesondere auch Angehörige der weißen Mehrheitsgesellschaft immer wieder bewusst machen, ihre eigene Position innerhalb der Struktur des Rassismus hinterfragen und diese solidarisch im Bund mit den Leidtragenden bekämpfen.
Insgesamt ist der gestrige antirassistische Aktionstag eine beeindruckende politische Demonstration Schwarzen Selbstbewusstseins in Kiel gewesen. An die organisatorische Konstellation, die sich auf der Veranstaltung wiederfand und von den veranstaltenen afrodeutschen und afrikanischen Vereinigungen bis hin zu linken Organisationen und antifaschistischen Gruppen reichte, sollte auch zukünftig angeknüpft werden, um Kämpfe gegen alle Formen des Rassismus in Kiel und darüber hinaus zu verbinden und weiter voranzutreiben.