23.06.15
15:00
Dokumentation eines Aufrufs gegen die Kieler Kriegskonferenz am 23.6.2015.
Kiel ist Kriegsgebiet!
War starts here – die NATO-Konferenz versenken!
Dienstag, 23. Juni 2015 | Kiel
Antimilitaristische Demonstration
Kundgebung: 15 Uhr, Universität (Westring/Olshausenstr.)
Demostart: 16 Uhr
Am 23. Juni 2015 soll im Maritim Hotel Bellevue in Düsternbrook anlässlich der Kieler Woche erstmalig die sogenannte „Kiel Conference“ tagen, die gemeinsam vom Kieler „Institut für Sicherheitspolitik“ (ISPK) an der Christian-Albrechts-Universität (CAU) und dem NATO-Think Tank „Center of Excellence for Operations in Confined and Shallow Waters“ (COECSW) ausgerichtet wird. Geladene Gäste aus Militär, Wissenschaft, Politik und Industrie wollen hier die Grundlagen der militärischen, wirtschaftlichen und geostrategischen Bestrebungen der NATO-Kriegspolitik weiterentwickeln und über deren aktuelle Agenda insbesondere im Ostseeraum beratschlagen. Konkret geht es laut offizieller Ankündigung etwa um die „Effektivität der Seestreitkräfte“, um den „Fluch oder Segen von Seeminen“ oder die Ausbildung von Marine-Einsatzkräften für mögliche Kampfeinsätze im Ostseeraum. Solche Verlautbarungen lassen keinen Zweifel daran, dass die NATO-Strateg_innen und ihre Handlanger_innen sich während der Tagung auf kommende Kriege im Ostseeraum vorbereiten wollen.
SiKo des Nordens 2.0
Neben hochkarätigen NATO-Militärs und ihren „wissenschaftlichen“ Vordenker_innen werden zur „Kiel Conference“ mehrere deutsche maritime Rüstungskonzerne erwartet, die durch die Waffen- und Rüstungsproduktion einen Großteil ihrer Profite einfahren. Konzerne wie Airbus, ThyssenKrupp und Blohm[&]Voss haben das Interesse, ihren Standortvorteil im Baltikum zu nutzen und auszubauen. Sie sind es, die direkt von jeder Aufrüstung im Ostseeraum profitieren, das Schüren von Kriegsparanoia, reale Kriegsgefahr und längst entflammte kriegerische Eskalationen ihr Treibstoff.
Mit der „Kiel Conference“ soll dem Militär- und Rüstungsstandort Kiel ein eigenes Event geschaffen werden, mit dem seine Relevanz auch zukünftig aufrecht erhalten und er gleichzeitig für die möglichen Konsequenzen des sich zuspitzenden wechselseitigen Säbelrasselns mit Russland gewappnet werden soll. Thematisch und personell knüpft es damit an die jährliche NATO-„Sicherheitskonferenz“ (SiKo) in München an, wo die vereinten Kriegstreiber_innen des Westens schon seit Jahrzehnten im informellen Rahmen ihr aggressives Hegemoniestreben in aller Welt ideologisch und praktisch weiterentwickeln. Bereits 2010 scheiterten Pläne der militaristischen Eliten „aus Kostengründen“ nur knapp, mit dem „Celler Trialog“ ein Zusammentreffen von Wirtschaft, Politik und Bundeswehr an der Förde zu etablieren, um gemeinsame Interessen auszuloten und die zivil-militärische Zusammenarbeit zu intensivieren.
ISPK: Chef-Ideologen des Krieges an der Uni Kiel
Als einer der beiden Hauptdrahtzieher der Kieler Kriegs-Konferenz zeichnet sich das „Institut für Sicherheitspolitik“ (ISPK) an der Uni Kiel verantwortlich. Das ISPK, das personell und inhaltlich eng mit der Bundeswehr sowie weltweit führenden NATO-Think-Tanks wie dem „Center for a New American Security“(CNAS) verbunden ist, wurde an der CAU etabliert, um esals „wissenschaftliche“ Alternative der Friedensforschung, die nicht-militärische Formen der Konfliktbewältigung untersucht, diekriegsbefürwortende „Sicherheitspolitik“entgegen zu setzen. Diese geht von einem Weltbild aus, das den brutalen Wettstreit der Standorte um globale ökonomische und geo-politische Machtsphären und das über Jahrhunderte gewachsene kolonialistische Ausbeutungs- und Herrschaftsverhältnis des Globalen Nordens über den Süden quasi naturalisiert und aufrecht erhalten will. Nicht also die Überwindung von Elend, Armut, Unterdrückung und Gewalt in aller Welt, sondern ihre Kontrolle zur Sicherung der Interessen der mächtigsten und reichsten Staaten und Konzerne ist das Ziel der selbsternannten Sicherheitspolitik. Die Schaffung von ökonomischen und politischen Abhängigkeiten, die gezielte Destabilisierung und der Krieg in geostrategisch bedeutsamen Regionen sind nicht nur Begleiterscheinungen, sondern zentrale Werkzeuge der „Sicherheitspolitik“, um den uneingeschränkten Zugriff der kapitalistischen Zentren auf Handelswege, Rohstoffe und Arbeitskraft sicherzustellen und die abgehängten „bottom billions“ am unteren Ende der globalen Klassengesellschaft genau dort zu behalten wo sie sind.
Die ISPK-Strategen indes empfehlen – anders als manch diplomatisches Weichei unter Ihresgleichen -keine halben Sachen und setzen, nach eigenen Angaben stets dem Frieden verpflichtet, vor allem auf militärische Abschreckung und Konfrontation. Ihr Anliegen ist die strategische und technische Perfektionierung der NATO-Militärapparate und deren propagandistische Legitimierung. Stolz ist man am ISPK etwa auf die Mit-Herausgabe eines von Gewaltphantasien durchsetzten Truppenleitfadens zur „Aufstandsbekämpfung“ undseine Mitarbeiter wettern regelmäßig gegen eine angebliche deutsche „Kultur der Zurückhaltung“. Gemeint ist damit die zumindest einige Jahrzehnte durchaus wirkmächtige Forderung, dass als Konsequenz aus der Entfachung zweier Weltkriege in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, von Deutschland nie wieder Krieg ausgehen dürfe. Die historische Lehre des Professors für Politik-Wissenschaft und Direktors des ISPK Joachim Krause dagegen ist eine andere. So forderte er erst kürzlich die militärische Unterstützung der Ukraine durch die NATO gegen die „russischen Expansionsbestrebungen“ und lieferte zur moralischen Absicherung gleich den nächsten „neuen Hitler“ – ähnlich wie einst schon die Grünen während ihres Umschwenks auf Kriegskurs in den 1990ern. Der bisherige Verzicht auf eine offene NATO-Kriegsbeteiligung gegen Putin-Russland auf Seiten der ukrainischen Regierung verglich er mit dem zögerlichen Vorgehen der westlichen Staaten gegenüber Hitler beim „Münchner Abkommen“ von 1938. Ein ähnliches verqueres wie NS-relativierendes Geschichtsverständnis offenbarte Krause bereits vor zwei Jahren, als er die Forderung nach einer Zivilklausel zum Ausschluss von Kriegsforschung an der CAU mit der systematischen antisemitischen Ausgrenzung von jüdischen Wissenschaftler_innen aus den nazi-deutschen Hochschulen verglich.
Mit seinem nicht ganz selbstlosen Gesuch nach Abschaffung von Zivilklauseln hatte Krause trotz seiner Dramaturgie zwar bisher keinen Erfolg,im Gegenteilist die Forderung nach ihrer Einführung auch an der Kieler Uni weiterhin brandaktuell und umkämpft.Andererseits kann er hier weiterhin weitestgehend ungestört und unverhohlen für den Krieg forschen, wie die unmittelbare Kooperation seines Institutsmit der NATO verdeutlicht. Gerade vor dem Hintergrund des eskalierten Ukraine-Konflikts, des Ausbaus des Rüstungsstandorts Kiel und des Umstands, dass immer mehr Rüstungstransporte über Kiel laufen, Kiel also im aktuellen Konflikt zwischen NATO und Russland zu so etwas wie einem „Aufmarschgebiet“ wird, ist es unerträglich, dass die CAU sich aktiv an der Konzeption von Kriegen und Aufrüstung beteiligt.
Genese des deutschen Wesens
Spätestens seit der Annektion der DDR 1990 ist ein verstärktes Drängen der BRD nach politischer und ökonomischer Dominanz in Europa und darüber hinaus spürbar. Seit dem Angriff auf Jugoslawien 1998 wird dieser Zielsetzung längst auch wieder mit kriegerischen Mitteln zum Durchbruch verholfen. Nicht nur die Unterwerfung Griechenlands unter das EU-Spardiktat und die Umstrukturierung der europäischen Sozialsysteme nach deutschem Hartz-4-Verarmungsmodell oder die Sicherung des deutschen Zugriffs auf den Mittleren Osten durch Kooperation mit so manchem Folterregime sind die Agenda dieses neuen deutschen Imperialismus, derzeit ist die Ausweitung der Absatzmärkte nach Osten eines seiner zentralen Projekte – z.B. durch die Durchsetzung des EU-Assoziationsabkommens mit der Ukraine. Die sich dadurch zuspitzende Konkurrenz zwischen EU-Deutschland und Russland um die Hegemonie in Osteuropa hat Konflikte zur Folge, bei denen alle Seiten bereit sind, notfalls auch kriegerische Methoden in Kauf zu nehmen und anzuwenden, wie die seit über einem Jahr andauernde militärische Eskalation in der Ukraine aktuell dramatisch unter Beweis stellt. Was Priorität hat ist der wirtschaftliche Nutzen für den Standort und die weltweit führende deutsche Kriegsproduktion sowie ihre zivilen Zulieferer. Diese profitieren letztlich von jeder Kriegsgefahr, erst recht, wenn diese sich auch noch unweit der Haustür am anderen Ufer der Ostsee Bahn bricht.
Warzone Capitalism
Kriegskonferenzen, sei es die SiKo in München, der schlussendlich gescheiterte „Celler Trialog“ oder eben dessen neue Variante, die „Kiel Conference“, dienen neben der tatsächlichen Vernetzung der kriegstreibenden Eliten in Militär, Wirtschaft, Wissenschaft und Politik immer auch der Verankerung und Normalisierung von Krieg und Militär in Gesellschaft und Alltag. Überall dort, wo die euphemistische Gleichung von Sicherheit und Militarisierung penetrant wiederholt wird, wird sie Spuren in den Köpfen an der Heimatfront hinterlassen. Jede offene Kooperation von wissenschaftlichen Einrichtungen mit der Bundeswehr wird dazu beitragen, dass die Gewöhnung an die Militarisierung der Unis und Schulen voranschreitet und Kriegseinsätze mitunter sogar als etwas Vernünftiges, wenn nicht sogar Friedensstiftendes legitimiert werden – quasi „wissenschaftlich“ nachgewiesen. Und jeder weitere Albig, der gebetsmühlenartig den angeblichen Gemeinnutzen der nicht zuletzt an der Ostsee allgegenwärtigen Bundeswehr-Präsenz und Rüstungsindustrie für den Standort und seine Anwohner_innen beschwört, meißelt das perfide Verständnis von Krieg und Militär als etwas geradezu humanistisches in die Wahrheiten der kriegsführenden Gesellschaften. Zumindest dann, wenn die Prozesse der Militarisierung unwidersprochen bleiben.
Was damit bezweckt werden soll liegt auf der Hand: Eher eine Minderheit unter den modernen Militarist_innen mögen heute noch als klassische Kriegs-Fans im alten preußischen Sinne durchgehen – in den Krieg ziehen des Krieges willen. Was hinter der Militarisierung der globalen Konfliktbewältigung und der Gesellschaft längst nicht nur in Deutschland steht, ist die zunehmende Enge der kapitalistischen Weltmarktkonkurrenz. Nicht nur, dass die alteingesessenen Global Player unter den Staaten und Konzernen die Welt längst bis in die abgelegenste Ecke aufgeteilt und der totalen Ausbeutung unterworfen haben und der Akkumulationsdruck immer schwieriger befriedigt werden kann, in den letzten Jahrzehnten wird die tradierte westliche Hegemonie immer mehr auch von aufstrebenden Großmächten aus ganz anderen Ecken der Welt sowie immer wieder auch von Versuchen der Selbstermächtigung in den betroffenen Regionen selbst bedroht. Um den steten Kapitalfluss in die reichen Metropolen jedoch am Laufen zu halten und so die kapitalistische Herrschaftsordnung vor dem Kollaps zu bewahren, braucht es neben den militärisch gesicherten Grenzzäunen zum Ausschluss des Elends dann im Zweifelsfall eben auch mal den Nachdruck eines zünftigen Bombardements wie in Kundus, eine kollaborierende Diktatur wie Saudi-Arabien, die eine oder andere fundamentalistische Terrormiliz und die Vernichtung jeglicher sozialer Strukturen wie im Mittleren Osten oder aber ein anständiges Feindbild der zu verteidigenden Zivilisation egal wo. Solange der Zugriff auf Rohstoffe, Arbeitskraft und Handelswege und das weltweite Geschäft mit Mordinstrumenten dadurch abgesichert werden kann, ist keine Lüge zu dreist, kein temporärer Verbündeter zu skrupellos und kein opportunistischer Kriegskurs zu widersprüchlich. Es sei denn, jemand widerspricht und hindert die Verantwortlichen.
Law and Order-Kriegsstrategen – wir werden Euch das Handwerk legen!
Wir rufen zur bestmöglichen Sabotage der Kieler Kriegskonferenz auf, weil wir die Militarist_innen und Kriegsprofiteur_innen mit ihren Plänen nicht durchkommen lassen wollen. Wir wollen keinen Krieg, keine Seeminen, keine einsatzbereite Marine an den ausländischen Küsten der Ostsee, keine Großmacht Deutschland und keinen Profit von Konzernen und Standort durch Tod und Elend. Dem dauerhaften Kriegszustand, den sie erschaffen haben und weiter zuspitzen wollen, um die Haltbarkeit ihrer auf Sand errichteten kapitalistischen und kolonialistischen Ordnung der Welt mit brutaler Gewalt weiter hinauszuzögern, setzen wir unversöhnlich eine Welt der globalisierten Solidarität und des geteilten Reichtums, der Selbstbestimmung und der Würde entgegen. Statt ihre wechselnden Feindbilder zu fressen, wollen wir mit allen Menschen, die weltweit unter der Ausbeutung, der Angst und dem Gemetzel leiden oder die Sicherheit der Herrschenden ganz einfach satt haben, zusammenkommen und die Feinde der Menschheit gemeinsam besiegen. Kiel ist Kriegsgebiet, der Krieg beginnt hier. Also nehmen wir uns ein Beispiel an den ehrenwerten Genoss_innen, die am 13. Juni 2015 erfolgreich für mehrere Stunden das Kriegsschulschiff „Gorch Fock“ in der Flensburger Förde enterten und fangen vor unserer Haustür an! Weder auf dem Campus noch sonstwo sprechen wir den kriegerischen Planspielen der politischen, militärischen und ökonomischen Eliten der NATO-Staaten auch nur einen Quadratmillimeter Raum zu. Vermiesen wir ihnen bereits im ersten Jahr der „Kiel Conference“ gehörig Lust und Laune an ihrem Event, auf dass der Kieler Militaristenriege vom ISPK die anvisierte Wiederholung in den Kommenden garnicht erst mehr in den profilierungsgeilen Sinn kommt.
Ihre Sicherheit heißt Tod, Kontrolle und Ausbeutung!
Gegen Krieg und Kapitalismus – „Kiel Conference“ versenken!
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