Seit Anfang Juli 2023 läuft vorm Landgericht Kiel der Prozess gegen Melvin Sch., Täter der rechten und rassistischen Auto-Attacke vom Oktober 2020 in Henstedt-Ulzburg. Viele der bisher acht Verhandlungstage wurden mit Kundgebungen in Solidarität mit den Betroffenen des Angriffs begleitet, auch im Gerichtssaal zeigten Antifaschist*innen kontinuierlich solidarisch. Der Prozess wird Ende September fortgesetzt und zieht sich vorraussichtlich noch bis in den Herbst hinein.
Anlässlich der ersten Zeug*innengenaussage eines Betroffenen in der laufenden Verhandlung fand zum dritten Prozesstag am Mittwoch, 03.08.2023, ab morgens eine weitere Kundgebung des Bündnis Tatort Henstedt-Ulzburg vor dem Gerichtsgebäude statt. In Redebeiträgen wurden die Hintergründe der Tat, die sich am Rande einer AfD-Veranstaltung im Bürgerhaus Henstedt-Ulzburg ereignete, beleuchtet, die AfD als wichtigste politische Kraft des Neofaschismus in der BRD als Mittäterin benannt und den damals geschädigten Gegendemonstrant*innen Solidarität und Kraft für ihre Nebenklage übermittelt. Zeitgleich begleiteten zahlreiche Unterstützer*innen den Zeugen in den Gerichtssaal, wo sich jedoch auch vier Angehörige des Täters im Besucher*innenbereich tummelten. Kundgebung und Prozess dauerten bis in den frühen Nachmittag an.
Während der Verhandlung machte die Richterin eingangs deutlich, dass sie Melvin Sch.s Ausflüchte über seine rassistische und faschistische Tatmotivation sowie dessen Erinnerungslücken zum Tathergang vom ersten Prozesstag als unglaubwürdig einstuft. Anschließend wurde der betroffene Zeuge bei seiner zeitweise emotionalen Aussage ausführlich zum Tatgeschehen befragt. Insbesondere der Verteidiger von Sch. tat sich dabei durch respektlose Nachfragen hervor.
Am 10. und 11. August wurde der Prozess an zwei Verhandlungstagen fortgesetzt. Jeweils 50 Antifaschist*innen praktizierten an beiden Tagen abermals ihre Solidarität mit den Betroffenen des Angriffs, die als Nebenkläger*innen auftreten.
Am fünften Prozesstag erfolgte Donnerstag die zweite Zeugenaussage eines Betroffenen. Seit dem Mittag fand zu seiner Unterstützung die Begleitkundgebung am Gerichtsgebäude am Schützenwall statt, die wie die Verhandlung bis zum späten Nachmittag andauerte. Der Zeuge schilderte während seiner ausführlichen Befragung sein Erleben sowie die persönlichen Folgen des Tages, an dem er von dem Auto des Täters erfasst wurde und bewusstlos stürzte.
Der Prozess wurde bereits am Folgetag mit dem sechsten Verhandlungstag fortgesetzt. Auch am Freitagmorgen fand deshalb eine antifaschistische Kundgebung statt, um auch der dritten Betroffenen bei ihrer Aussage den Rücken zu stärken. Die Aktion wurde bis in den Nachmittag hinein aufrecht erhalten. In der Verhandlung stellte sie dar, wie der Täter gezielt Jagd auf sie machte und sie schließlich überfuhr. Dabei wurde vor allem auch die rassistische Dimension der Tat verdeutlicht.
Zum siebten Verhandlungstag im Prozess am Montag, 14.08.2023, kamen bis zu 60 Antifaschist*innen zur Begleitkundgebung. Viele von ihnen begleiteten die Verhandlung wie schon an den vorherigen Prozesstagen im Gerichtssaal. Als Zeuge war diesmal Julian R. geladen, der während des Angriffs ein Mitfahrer von Melvin Sch. gewesen ist. Dieser hielt mit seiner rechten Gesinnung nicht hinterm Berg, verdrehte und rechtfertigte den Anschlag und solidarisierte sich mit dem Täter. R. wurde vor Gericht von seinem Vater begleitet, der zum wiederholten Male Betroffene provozierte.
Während der Kundgebung, die wie der Prozess bis weit in den Nachmittag andauerte, wurden auch die Bestrebungen der AfD, am 16.09. ihren Landesparteitag am Tatort Bürgerhaus Henstedt-Ulzburg abzuhalten, schwerpunktmäßig thematisiert. Nach jahrelangem Druck durch Antifaschist*innen hatte die Gemeinde die Rechtspartei mit dem Verweis auf eine „Gefährdung der öffentlichen Ordnung“ erstmalig aus ihren Räumlichkeiten ausgeladen. Das Verwaltungsgericht hatte diese Weigerung jedoch noch in der selben Woche kassiert. Schnell wurde bekannt, dass die Gemeinde freiwillig darauf verzichtet, Widerspruch gegen diese Entscheidung einzulegen und die Faschist*innen abermals willkommen zu heißen, was eine Fortsetzung Unwillens der Verantwortlichen im Ort darstellt, konsequent gegen die AfD-Umtriebe vorzugehen. Antifaschist*innen im Norden sollten sich daher darauf einstellen, nächsten Monat eine weitere Reise nach Henstedt-Ulzburg anzutreten, um selbst gegen die Versammlung vorzugehen.
Auch am Mittwoch, 23.08.2023 begleiteten über 50 Antifaschist*innen den achten Verhandlungstag im Tatort-HU-Prozess mit einer Kundgebung draußen und im Gerichtssaal. Diesmal machte der vierte und letzte Betroffene sowie Nebenkläger seine Zeugenaussage, in der er die gegen antifaschistische Demonstrant*innen gerichtete Zielstrebigkeit der Autoattacke und dessen politische Motivation bestätigte. Zudem berichtete er von den körperlichen Folgeschäden der Tat, mit denen er heute leben muss, u.a. in Form einer Berufsunfähigkeit in seiner bisherigen Tätigkeit. Am frühen Nachmittag endeten Prozess und Kundgebung. Der rechte Täter Melvin Sch. wurde diesmal nur noch von einem Angehörigen ins Gericht begleitet.
Am darauf folgenden Freitag setzte sich der Prozess ganztägig fort. Bei verschiedenen Zeug*innenaussagen von einem Kundgebungsteilnehmer, einer Passantin sowie zwei Polizistinnen bestätigte sich die bisherige Rekonstruktion der Tat abermals. Am Montag sagte zudem die Mutter des Täters aus. An beiden Prozesstagen verzichtete das Bündnis Tatort Henstedt-Ulzburg auf Kundgebungen.
Da sich der Prozess jedoch noch bis in den Herbst ziehen wird, sind weitere antifaschistische Begleitaktionen an ausgewählten Verhandlungstagen bereits in Planung. Achtet auf aktuelle Ankündigungen vom Bündnis Tatort Henstedt Ulzburg.