Etwa 60 Antifaschist*innen beteiligten sich am Samstagvormittag (27.08.2022) an den Aktionen gegen den Landesparteitag der AfD in Schleswig-Holstein, den diese am Wochenende abermals im Bürgerhaus von Henstedt-Ulzburg abhalten konnte. Bereits am Morgen versammelte sich der Gegenprotest zu einer Kundgebung am Bürgerhaus. Die Polizei hatte im Vorfeld versucht, den Protest in Sicht- und Hörweite mit einem abstrusen Auflagenkatalog, weiträumigen Absperrungen und einem Großaufgebot auf Grundlage einer absurden Gefahrenprognose zu verhindern. Dennoch gelang es, die Delegierten der rassistischen, nationalistischen und chauvinistischen Partei über die Bauzäune hinweg mit antifaschistischen Parolen und lautstarken Schmähungen persönlich zu empfangen.
Als die Anreise der insgesamt etwa 180 Teilnehmer*innen des Parteitags sich dem Ende zuneigte, zogen die unterschiedlichen politischen Spektren zuzuordnenden AfD-Gegner*innen mit einem kurzen Demozug zum Marktplatz im Ortskern, wo eine ausgiebige Zwischenkundgebung stattfand. Hier sprachen u.a. Redner*innen des Henstedt-Ulzburger Bündnis für Demokratie und Vielfalt, der Kampagne Aufstehen gegen Rassismus Schleswig-Holstein und die Ehrenvorsitzende der VVN-BdA Schleswig-Holstein und Zeitzeugin des NS-Faschismus Marianne Wilke.
Immer wieder wurde die Gemeindevertretung dafür kritisiert, der zunehmend offen faschistischen AfD das kommunale Bürgerhaus trotz verschiedentlicher Handlungsoptionen seit Jahren regelmäßig zur Verfügung zu stellen. Auch der rechte Anschlag eines AfD-Sympathisanten mit seinem Auto auf antifaschistische Gegendemonstrant*innen im Oktober 2020 hatte an dieser ignoranten Haltung nichts geändert. Desweiteren wurden solidarische Grüße an die am selben Tag in Rostock abgehaltene bundesweite Demo zum 30. Jahrestag des rassistischen Pogroms von Lichtenhagen ausgerichtet. Abschließend sorgte der Kieler Rapper LPP 143 für die hinsichtlich der niederschmetternden AfD-Niederlage bei den Langtagswahlen im Mai im Vorfeld angekündigte „Begleitmusik zum Untergang“ sowie klare politische Kante. Im Anschluss zog ein Teil der Demonstrannt*innen zurück zum Bürgerhaus, während ein Großteil der auswärtigen Antifaschist*innen die Heimreise per Bahn antrat.
Insgesamt können die Proteste auch in Anbetracht der im Ort widrigen politischen Rahmenbedingungen für Antifaschist*innen als unerlässlich, jedoch auch unbedingt ausbaufähig bewertet werden. Dass die skandalöse Dauernutzung des Bürgerhauses durch die AfD mittelfristig beendet werden kann, sollte zukünftig deshalb umso mehr Anliegen und Aufgabe aller Antifaschist*innen in Schleswig-Holstein und darüber hinaus sein. Die im Vorfeld zwischen den verschiedenen antifaschistischen Akteur*innen zu Tage getretenen Differenzen in Stil- und Strategiefragen spielten während der Proteste am Samstag erfreulicherweise keine prägende Rolle. Im Gegenteil wurde wiederholt die Notwendigkeit des Zusammenwirkens aller Antifaschist*innen betont, um am Tatort Henstedt-Ulzburg ein Gegengewicht zu bilden.
Nach jahrelanger provisorischer Führung konnte die AfD auf ihrem Parteitag wieder einen Landesvorstand bilden. Zum Vorsitzenden wurde Kurt Kleinschmidt aus Nordfriesland gewählt, was einen weiteren Rechtsruck der Partei ausdrückt. Zu seinen Stellvertretern wurden der aus Hamburg stammende Volker Schnurrbusch und Julian Flak aus dem Kreis Segeberg gekürt. Ob es ihnen gelingt, den tief zerstrittenen Landesverband zu stabilisieren, bleibt offen.