Auch in Kiel demonstrierten heute knapp 50 Teilnehmer*innen einer Spontandemo am Tag X der bundesweiten Kampagne Gemeinschaftlicher Widerstand ihre Solidarität mit den Angeklagten der Rondenbarg-Massenprozesse gegen G20-Gegner*innen, die nächste Woche vorm Landgericht Hamburg beginnen. Am frühen Abend zog die unangemeldete Demo unter dem Motto „Kriminell ist das System, nicht der Widerstand!“ lautstark, schnellen Schrittes und untermalt vom Pyrotechnik vom Anna-Pogwisch-Platz durch die Holstenstraße. Am Rande der Aktion wurden Flugblätter verteilt, am Asmus-Bremer-Platz fand eine kurze Zwischenkundgebung statt.
Noch während des Redebeitrags konnte das Herannahen der dem Geschehen bis dahin abwesenden Polizei vernommen werden, was die Demonstrant*innen jedoch nicht hinderte, ihren Weg zum planmäßigen Abschluss am Hauptbahnhof fortzusetzen. Ein erster Versuch der wenig später in geringer Stärke eingetroffenen Uniformierten, die Demo aufzuhalten wurde rechts liegengelassen und die Route unbeirrt fortgesetzt. Statt jedoch ihrer Aufgabe nachzukommen, den Verkehr zu regeln und das Versammlungsrecht zu gewährleisten, griff die konfus und überfordert agierende Polizeieinheit die Demospitze auf Höhe Holstenplatz unvermittelt mit einem massiven Pfeffersprayeinsatz an.
Dabei wurde ein halbes Dutzend Pfefferlöscher über den vorderen Reihen entleert, so dass die Handlungsfähigkeit der Demo abrupt zerschlagen wurde und die Aktion an Ort und Stelle aufgelöst werden musste. Im Anschluss kam es zu halbherzigen Einkesselungsversuchen, dem viele Demonstrant*innen sich jedoch entziehen konnten. Insgesamt kam es zu mindestens neun Personalienfeststellungen und Platzverweisen, einzelne Betroffene wurden abfotografiert. Ingewahrsamnahmen blieben aus. Zahlreiche Menschen wurden durch das Pfefferspray verletzt.
Bei vielen Passant*innen sorgte der eskalative Polizeieinsatz in der Fußgänger*innenzone für Empörung. Die völlig unroutiniert vorgehenden Polizist*innen mussten sich lautstarke Kritik gefallen lassen, die Begründung ihres Einsatzes fiel ihnen schwer. Am Rande des Geschehens kam es zu Provokationen durch drei Neonazis.
Dass eine Demonstration, die sich gegen die Repression infolge einer während der G20-Proteste mit massiver Polizeigewalt massakrierten Demo richtete, durch die Polizei für Kieler Verhältnisse ungewohnt gewalttätig abgebrochen wurde, ist die bezeichnende Ironie des Tages. Zumindest vorher konnte jedoch auch in Kiel eine kraftvolle und im Vorweihnachtstrubel in der Innenstadt viel beachtete Botschaft der Solidarität an die Betroffenen der Rondenbarg-Prozesse gesendet werden.
„Wir stehen an der Seite derer, die nun stellvertretend für uns alle, die gegen die G20 auf die Straße gewesen sind, auf der Anklagebank sitzen. Wir stehen an der Seite von allen, die gegen den Kapitalismus und seine Verbrechen aufbegehren und für eine lebenswerte Zukunft streiten. Herzliche solidarische Grüße schicken wir auch an unsere Genoss*innen Lina, Dy und Jo, die derzeit in Leipzig und Stuttgart in U-Haft sitzen, weil sie antifaschistischen Widerstand gegen Neo-Faschist*innen organisiert haben sollen.“
Beste Genesungswünsche gehen an alle, die heute die Pfefferdusche frei drehender Ego-gekränkter Jungbullen über sich ergehen lassen mussten.