Immer wieder wurde in den Redebeiträgen das Wirken der Innenministerkonferenz in den Zusammenhang gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen im Zuge der globalen spätkapitalistischen Krise gestellt, die als autoritäre Formierung benannt wurden: „Wenn wir die gegenwärtigen politischen, gesellschaftlichen und staatlichen Entwicklungen als autoritäre Formierung bezeichnen, meinen wir damit die in vielen bürgerlich-kapitalistischen Staaten allgemein zu beobachtende Tendenz, soziale und auch globale Konflikte nicht mehr in Aushandlungsprozessen zu entschärfen – also z.B. durch Zugeständnisse an soziale Bewegungen, Integration von potentiell subversiven Milieus ins Gesellschaftssystem oder Befriedung des Klassenkampfes durch Sozialstaat und Sozialpartnerschaft -, sondern autoritär bis gewalttätig zu unterdrücken bzw. abzuwälzen. Diese Tendenz führt unweigerlich nicht nur zur Verschärfung des Konkurrenzverhältnis und damit einhergehend zur Brutalisierung der Gesellschaft, also des allgemeinen Ringens Aller gegen alle und des Nach-unten-Tretens. Sie führt auch immer zur Aufrüstung des Staates im Inneren sowie nach Außen. Erstere, also Ausbau der Überwachung, Ermächtigung des Polizeiapparates und Abschottung der Grenzen, ist genau das Business der heute in Kiel tagenden IMK.“ (Autonome Antifa-Koordination Kiel)
Während und nach den Demonstrationen kam es zu mindestens zwei Ingewahrsamnahmen von Teilnehmer*innen. Zudem wurde der Block der Fanszene Kiel kurz vor Erreichen der Abschlusskundgebung von Polizeieinheiten bedrängt. Vorwand waren mitgeführte Schilder mit der polizeikritischen Aufschrift „ACAB“. Nur der besonnenen Reaktion der Teilnehmer*innen des Blocks blieb es zu verdanken, dass die Situation hier nicht eskalierte. Das NoIMK-Bündnis bewertet das martialische Polizeiaufgebot im unmittelbaren und weiteren Umfeld von Demos und Konferenz, ausgestattet mit schwerem Gerät wie Wasserwerfern, als unmittelbaren Ausdruck autoritärer Zuspitzung und Sinnbild der IMK-Politik auch an diesem Tag: „Direkt beobachtbar war die autoritäre Verschärfung auch am heutigen Verhalten der Polizei: der Einsatz war eine Machtdemonstration, die ungewöhnlich hohe Anzahl an Einsatzkräften, die eingesetzten Mittel und die brutalen Festsetzungen am Ende der Demonstration veranschaulichten einmal mehr, wie sehr für den Staat Einschüchterung, Unterdrückung und Repression die Mittel der Wahl sind. “ (Presseerklärung des NoIMK-Bündnis)
Die hohe Teilnehmer*innenzahl, die sich selbst nach dem mehrstündigen Demonstrationsgeschehen noch zum Ende am Hauptbahnhof auf mehrere hundert Menschen beziffern ließ, sowie die heterogene Zusammensetzung der Proteste übertraf sämtliche Erwartungen der vorbereitenden Gruppen. Das NoIMK-Bündnis bewertet die Mobilisierung gegen die Innenministerkonferenz 2019 in Kiel als großen Erfolg, auf den zur zweiten IMK des Jahres im Dezember in Lübeck selbstbewusst aufgebaut werden sollte.
Am Donnerstag fand zudem parallel zur Innenministerkonferenz die traditionelle Gala von Jugendliche ohne Grenzen (JoG) im Theater der Niederdeutschen Bühne Kiel statt. Hier wurden Initiativen geehrt, die sich besonders um Flucht und Geflüchtetensolidarität verdient gemacht haben. Ausgezeichnet wurden in diesem Jahr das von langjährigen Haftstrafen bedrohte Team der Iuventa, Asmara’s World Refugee Support und das Watch the med-Alarmphone. Die anschießende Wahl des Abschiebeministers entschied mit großer Mehrheit der Innenminister aus Sachsen Roland Wöller für sich. Die Preisübergabe fand am Freitag vor dem Tagungsort der IMK statt und wurde von einem Mitarbeiter des Orga-Team entgegengenommen, da der Minister dafür keine Zeit hatte oder haben wollte.