Am vergangenen Sonntag, den 17. November, dem so genannten „Volkstrauertag“, trafen sich wieder einmal norddeutsche Neonazis um ihren toten „Helden“ zu Gedenken. Die schleswig-holsteinische NPD versammelte sich an einem Vorabtreffpunkt am Rand von Neumünster, um von dort aus zum „Gedenkstein“ nach Groß Kummerfeld zu fahren. Dabei wurden sie von Antifaschist_innen beobachtet und fotografiert. Die anwesenden Neonazis starteten daraufhin einen Angriff auf die Antifas.
Im Internet behauptet die NPD (mal wieder) sich lediglich verteidigt zu haben: „Der Entschlossenheit unserer Teilnehmer ist es zu verdanken, daß diese vermummte, bewaffnete und schwarz gekleidete Personengruppe keine Möglichkeit hatte einen Angriff zu starten. Sie mussten den Rückweg antreten und konnten sich nur durch den Einsatz mehrerer großer Pfeffersprayflaschen den Weg zu ihren Fahrzeugen sichern.„
Auf den bei linksunten.indymedia.org veröffentlichten Fotos ist zu erkennen, wie sich vermummende Neonazis, darunter die NPD-Kader Jörn Lemke und Daniel Nordhorn, sich auf die Fotograf_innen zu bewegen. Wir dokumentieren im Folgenden die Veröffentlichung der Genoss_innen:
„Heldengedenken 2013“: NPD und ihre Schlägertrupps
Der Neumünsteraner Kreisverband der SPD hatte angesichts des Einzugs der NPD in die Ratsversammlung dazu aufgerufen, sich am „Volkstrauertag“ an der Kranzniederlegung am Gedenkstein für die Opfer des Nationalsozialismus zu beteiligen, und viele der Parteien nahmen dann auch an der offiziellen Veranstaltung im Friedenshain teil. Die NPD allerdings wollte keinesfalls der Opfer der Nazi-Diktatur sowie der Kriegstoten aller Nationen gedenken, sondern in Anlehnung an den 1934 von Reichspropagandaminister Goebbels eingeführten „Heldengedenktag“ lediglich ihrer „Gefallenen der Bewegung“. Dieser Tag ist in den letzten Jahren für die schleswig-holsteinische extreme Rechte einer der wenigen regelmäßigen Anlässe gewesen, bei der sie ihrer menschenverachtenden Ideologie ungestört frönen konnten. Fern jeder kritischen Öffentlichkeit können sie dabei Devotionalien mit den NS glorifizierende und extrem rechte Symbolik mit sich tragen, die sie bei offiziellen Parteiveranstaltungen lieber zu Hause lassen.
Auch dieses Jahr haben sich die Nazis vor dem braun umrandeten Spiegel schick gemacht: Daniel Nordhorn, Vorsitzender des NPD-Kreisverbandes Segeberg-Neumünster, trägt sein gebügeltes schwarzes T-Shirt mit der Aufschrift „1488 – Our time will come“, Tom Petersen seine Jacke mit SS-Stahlhelm und dem Schriftzug „Gott mit uns“. Liedermacher Lars Hildbrandt hingegen präsentiert sein „Ansgar Aryan“-T-Shirt mit Schusswaffe, Alexander Meeder trägt ganz „klassisch“ das „Mein Kamerad“-T-Shirt mit dem Bild eines Wehrmachtssoldaten, während der Rest der insgesamt 25 Neonazis überwiegend schwarz gekleidet ist.
Kurz vor 14 Uhr treffen die ersten Nazis am Vorabtreffpunkt auf dem Parkplatz am Süd-Bahnhof in Neumünster ein, von wo aus sie geschlossen zum „Gedenkstein“ nach Groß Kummerfeld aufbrechen wollten. Aus Lübeck kommen zwei vollbesetzte Autos an: das erste steuert der „Chef“ höchstpersönlich, Jörn Lemke, Vorsitzender des NPD-Kreisverbandes Lübeck-Ostholstein sowie Pressesprecher und stellvertretender Vorsitzender der NPD in Schleswig-Holstein. Am Steuer des zweiten Fahrzeugs ein Mitglied seines Kreisverbandes, Michael Konczal. Die Kameraden aus Neumünster um den „Ratsherrn“ Mark Proch sind schon da. Die Situation ist entspannt, die Sonne scheint, es wird geklönt und gelacht. Es hätte alles so schön werden können…
Nordhorn schaut auf seine Armbanduhr, es ist kurz nach 14 Uhr. Wo bleiben nur die Kamerad_innen aus Kiel um Björn Schubert? Nun ja, der „Kamerad Schubert“ gilt nicht als der Zuverlässigste, es wird also weiter gewartet. Doch auf einmal kippt die Stimmung. Eine Gruppe von Antifas nähert sich, um das Geschehen zu dokumentieren. Die Nazis, die sich eben noch angeregt unterhalten haben, blicken sich nervös um. Ernüchterung macht sich breit. Der Plan das „Heldengedenken“ klammheimlich durchzuführen ist gescheitert, der Vorabtreffpunkt ist aufgeflogen. Stille senkt sich über den Parkplatz, das Auslösen der Kamera ist kurzfristig das Einzige, was zu hören ist.
Doch nicht lange – es ertönt Lemkes Stimme, er befiehlt, Steine zu sammeln und den Fotografen anzuvisieren. Die Kamerad_innen gehorchen, auf einmal ist alles ziemlich hektisch. Die Nazis vermummen sich mit Tüchern, Schals oder Kapuzen, sie durchsuchen ihre Autos nach geeigneten Waffen. Die ersten Steine fliegen – verfehlen allerdings ihr Ziel. Die Gruppe formiert sich schließlich zu einem Trupp, an deren Spitze sich Jan Petersen und kurzzeitig auch sein jüngerer Bruder Tom vom „Aktionsbündnis Lübeck-Stormarn“ setzen, auf einer Höhe mit ihnen Daniel Nordhorn und Lars Hildebrandt. Die Frauen müssen auf Befehl bei den Fahrzeugen bleiben. Nachdem Lemke nach dem dritten Anlauf geeignetes Wurfmaterial entdeckt hat, huscht ein Lächeln über seine Lippen. An der Seite von gewaltbereiten Aktivist_innen aus der Kameradschaftsszene darf auch er, der in Lübeck Angst hat das Haus zu verlassen und seine Ehefrau Karin zum Einkaufen schickt, sich endlich einmal stark fühlen. Er versucht die Gunst der Stunde zu nutzen und gibt aus dem Hintergrund den Befehl zum Angriff.
Kaum haben sich die Nazis gegenseitig aufgeputscht, macht sich auch schon wieder Verunsicherung breit. Der Angriff scheint nicht beeindruckend genug zu sein. Die Gruppe von Antifas bleibt stehen anstatt zu fliehen, sie weichen lediglich den Steinen aus und dokumentieren weiterhin die Vorgänge. Lemke erweist sich als „Führer“ mal wieder ungeeignet, Daniel Nordhorn hingegen fängt an Pfefferspray einzusetzen, Reneé Rudi Eggert vom „Aktionsbündnis Lübeck-Stormarn“ wirft mit Autoteilen, ohne damit den gewollten Effekt zu erzielen. Nordhorn und Lemke, beide Vorsitzende ihrer NPD-Kreisverbände, denken vermutlich an Steinburg und es wird ihnen langsam klar, dass das angefertigte Bildmaterial ihnen und ihrer Partei nachhaltig schaden wird. Letztendlich geben sie den Befehl zum Rückzug, ganz zum Unmut ihrer Kamerad_innen, die wieder nur das bekommen, was sie aus ihrer kompletten Historie heraus nur zu gut kennen: eine Niederlage.
Im unmittelbaren Anschluss an das eigentliche „Heldengedenken“ in Groß Kummerfeld, bei dem unter anderen auch Nordhorn einen Redebeitrag verlas, wurde der NPD-Kranz mit dem Rest des abgelegten Gerümpels fachgerecht entsorgt.
In diesem Sinne verbleiben wir unter dem Motto:
Ehre wohin Ehre gehört – in den Müll!