Was eigentlich nur als sogenannter Sprungtermin zur Wahrung formaler Fristen im laufenden Prozess gegen einen Kieler Antifaschisten im Zusammenhang mit den Gegenaktivitäten zum Hamburger Naziaufmarsch am 2. Juni 2012 angelegt war, endete vor dem Amtsgericht Hamburg-St. Georg heute am 9. August 2013 binnen weniger Minuten überraschend mit der Einstellung des Verfahrens nach §153a StPO. Sowohl Richterin und Staatsanwaltschaft, als auch der Anwalt des Angeklagten stimmten dieser unter der Auflage einer Zahlung von 500€ an die Arbeitsgemeinschaft Neuengamme, der Interessenvertretung ehemaliger Häftlinge des KZ Neuengamme, ihrer Angehörigen und Hinterbliebenen, zu.
Sowohl die Unterstützer_innen außerhalb des Gerichtssaals, wie auch der Anklagte selbst in seiner Prozesserklärung hatten immer wieder betont, dass das vordergründige Anliegen der Prozessführung darauf abziele, brutale Polizeieinsätze wie dem in Hamburg am 2. Juni 2012, die mit der üblicherweise anschließend inszenierten medialen Hetze und der strafrechtlichen Verfolgung von Antifaschist_innen in keinen kausalen Einklang zu bringen sind, nicht unwidersprochen im Raum stehen zu lassen und stattdessen den Kampf um die Deutungshoheit der Geschehnisse politisch und juristisch zu führen. Ziel war es gewesen, durch die öffentliche Begleitung, die politische Einordnung und eine offensive Verteidigungsstrategie in die strukturell ungleichen Machtverhältnisse vor Gericht einzugreifen und die polizeiliche Darstellung der Ereignisse in ihrer Glaubwürdigkeit zu beschädigen. Zur juristischen Wahrheitsfindung im bürgerlichen Sinne habe man jedoch nicht beitragen wollen, weshalb der Angeklagte die Aussage verweigert hatte.
Dass der Prozess nun entgegen ursprünglicher Erwartungen mit einer Einstellung endete, werten der Angeklagte und seine Unterstützer_innen als Hinweis darauf, dass diese Strategie aufgegangen ist. Dass die Anklage den billigen Hintergrund gehabt habe, dass die am Einsatz beteiligten Beamten die Tatsache ihres brutalen Übergriffs mit einer prophylaktischen Anzeige unter umgekehrten Vorzeichen verwässern wollten, sei während des Prozesses allzu offensichtlich geworden. Die schwache Polizeilegende sei nicht mehr ohne Weiteres als Begründung für eine Verurteilung aufrecht zu erhalten gewesen, weshalb die Option der einvernehmlichen Einstellung des Verfahrens überhaupt auf den Tisch gekommen sei. Auch wenn es bedauerlich sei, dass die zwei noch nicht gehörten Brandenburger Polizeizeugen sich nun nicht mehr zu ihrer gewalttätigen Festnahmepraxis werden äußern müssen, was sicherlich noch das eine oder andere interessante Detail über den Normalzustand des deutschen Polizeiwesens ans Licht der Öffentlichkeit gebracht hätte, sei das Ergebnis der Prozessarbeit zufriedenstellend. Auch wenn der Angeklagte die Spende sicherlich lieber aus freien Stücken getätigt hätte: Kein Cent gehe in irgendwelche Staatskassen, sondern komme der Aufrechterhaltung des Gedenkens an die Verbrechen Nazi-Deutschlands zu Gute. Und der betroffene Genosse sei im wahrsten Sinne des Wortes mit einem blauen Auge davon gekommen – alles in allem demnach eine gute Bilanz!
Der Angeklagte und seine Unterstützer_innen danken allen, die den Prozess solidarisch begleitet haben und hoffen, dass die insgesamt positive Wendung des Verfahrens andere Betroffene staatlicher Repression dazu ermutigt, kämpferisch und politisch mit Strafbefehlen, Bußgeldern und Prozessen umzugehen und nicht im stillen Kämmerlein jede staatliche Frechheit zu schlucken.
Solispaziergang zum Gericht am 26.7.2013