Wir dokumentieren einen Text der Antifa Rendsburg:
In den letzten Tagen flatterten einigen Menschen in Rendsburg und Kiel Vorladungen aus dem K5, der Staatsschutzabteilung der schleswig-holsteinischen Polizei, ins Haus. Die Liste der Vorwürfe darin ist so lang wie lächerlich: Nötigung, gefährliche Körperverletzung, Hausfriedensbruch, Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz, unerlaubtes Abhalten einer Versammlung und unerlaubte Kontaktaufnahme mit Gefangenen.
An dieser Stelle der Vorschlag an die Lesenden, sich ein Szenario vorzustellen, dass es möglich macht, diese Tatvorwürfe zu kombinieren. Gewaltsames Eindringen in eine JVA und anschließend ein Loch in die Mauer gesprengt? Militante Aktionen, um unsere Gefangenen aus dem Knast zu holen sind in den letzten Jahrzenten leider sehr rar und so konnte sich keine_r der Betroffenen erinnern, in diesem Leben an so einer Aktion beteiligt gewesen zu sein. Was zum Teufel also möchte die Mitteilung aus der Blumenstraße uns sagen?
Nach einigem Nachdenken, konnte auf den Anlass der Briefe geschlossen werden: Eine Personalienfeststellung vor dem Rendsburger Abschiebeknast im Dezember 2010. Dort hingen Transparente über dem Zaun und es standen einige Leute rum und kommunizierten mit den Abschiebehäftlingen, so gut es eben über den Knasthof und durch die vergitterten Fenster möglich ist. Die angerückten Bullen kontrollierten die Personalien aller, die sich nicht schnell genug auf die andere Straßenseite verdrückten, um dort eine Schneeballschlacht zu veranstalten.
10 Monate später also eine Vorladung, wegen eben dieser Personalienfeststellung, inklusive einer sich martialisch lesenden Liste an Vorwürfen, von denen sich kein einziger wird beweisen lassen – es braucht nicht viel Fantasie, um zu erraten, was das K5 zu erreichen probiert: Gerade auf jüngere und vielleicht unerfahrenere Genoss_innen, bei Minderjährigen auch auf die Eltern, soll Druck ausgeübt werden, ins K5 zu gehen und dort Infos über linke Strukturen preiszugeben.
Auf einen der Vorwürfe muss dennoch kurz gesondert eingegangen werden: „Unerlaubte Kontaktaufnahme mit Gefangenen“ ist eine Ordnungswidrigkeit, die sich auf nicht genehmigte Kontaktaufnahme mit Strafgefangenen oder vorläufig Festgenommenen bezieht. Abschiebehäftlinge werden von dieser Vorschrift also gar nicht erfasst, weil sie weder Strafhäftlinge noch vorläufig festgenommen sind. Dennoch gelten im Rendsburger Abschiebeknast rigide Besuchsregelungen, Besuche bei Insassen sind nur möglich, wenn der Name des Insassen bekannt ist. Die Kontaktaufnahme über den Knasthof ist also auch eine Möglichkeit, Namen der Häftlinge zu erfragen, um sie besuchen zu können, mit ihnen über ihre Lebens- und Fluchtumstände sprechen zu können – mithin eine Voraussetzung, um Öffentlichkeitsarbeit für einzelne Personen organisieren zu können. Wir werden den dümmlichen Versuch, die Kontaktaufnahme mit Abschiebehäftlingen zu kriminalisieren, nicht einfach kommentarlos hinnehmen.
Ohne allzu viel über die Motivation der Bullen spekulieren zu wollen, stellen wir uns dennoch die Frage, was dieser Aushorchversuch nach 10 Monaten plötzlich soll. Der Protest gegen den Abschiebeknast in Rendsburg ist leider etwas eingeschlafen, außer der kriminalisierten Aktion im Dezember und ein bisschen Farbe und Glasbruch im März, ist dort im vergangenen Jahr von autonomen Zusammenhängen nicht viel gelaufen. Es kann dem K5 also nicht darum gehen, Druck auf eine starke Protestbewegung auszuüben oder diese auszuspionieren. Es wäre allerdings denkbar, dass die Vorladungen in Zusammenhang mit den Bullenbriefen wegen der Proteste gegen das Global Economic Symposium (GES) in Kiel einen aktuellen Versuch des K5 darstellen, Einblick in linke Strukturen im Allgemeinen zu kriegen.
Müßig, zu sagen, dass dies natürlich nicht gelingen wird: Ayshe und Arthur halten das Maul und labern nicht mit den Bullen. Wir werden euch nicht dabei helfen, irgendwelche abstrusen Konstrukte gegen uns und unsere Freund_innen und Genoss_innen zu erfinden, zu erhärten oder was auch immer ihr vorhabt. Wir werden uns auch weiterhin für eine Welt ohne Grenzen einsetzen und würden uns freuen, wenn auch Menschen außerhalb von Rendsburg den Protest gegen den Abschiebeknast mal wieder etwas beleben würden.
Antifa Rendsburg & antirassistische Brieffeind_innen