Am gestrigen Sonntag, 18.12.2016 stellten sich in Kiel mehrere hundert Antifaschist_innen kurdischer, türkischer und deutscher Herkunft einem Aufmarsch von mindestens 300 türkisch-nationalistischen und faschistischen Anhänger_innen des diktatorischen Erdogan-Regimes entgegen.
Bereits am Mittag versammelten sich die Gegendemonstrant_innen am und um den Gaardener Vinetaplatz, der von der mit einem Großaufgebot und schwerem Gerät wie Wasserwerfern im Stadtteil präsenten Polizei komplett abgeriegelt wurde und auf dem sich später die AKP-Fans sammeln sollten. Dabei kam es zu zahlreichen Personalienfeststellungen, Platzverweisen und Durchsuchungen von potentiellen Antifaschist_innen.
Als die NationalistInnen mit ihren unzähligen Türkeifahnen ab 13.30 Uhr schließlich auf dem Vinetaplatz im Bereich Elisabethstraße eintrafen, waren die meisten angrenzenden Straßenzüge mit Gegendemonstrant_innen bevölkert. Dabei kam es wiederholt zu Angriffen auf eintreffende NationalistInnen und gewalttätigen Übergriffen sowie ersten Festnahmen durch die Polizei. Die etwa 150 Menschen zählende größte Gruppe von Gegendemonstrant_innen hatte sich entgegen der wiederholten Aufforderungen von Polizei und persönlich anwesenden Ordnungsamtleiter direkt am Vinetaplatz im Bereich Wikingerstraße festgesetzt. Von hieraus, aber auch von anderen Zufahrtsstraßen zum Vinetaplatz, kam es während der gesamten Sammlungsphase der NationalistInnen zu lautstarken Protesten. Immer wieder gelang es einzelnen Antifaschist_innen, diesen auch direkt auf dem Vinetaplatz zu artikulieren. Wiederholt versuchten NationalistInnen in Richtung Gegenprotest vorzudringen und mussten von der Polizei davon abgehalten werden.
Als sich der mittlerweile mindestens 300 Menschen umfassende NationalistInnen-Aufmarsch, darunter jedoch viele Kinder, auf direktem Weg über die Gablenzbrücke zum Hauptbahnhof in Bewegung gesetzt hatte, löste die Polizei den Belagerungszustand in Gaarden nach einiger Zeit auf, obwohl es auch in dieser Situation zu kurzzeitigen Konfrontationen mit kleineren Gruppen türkisch-nationalistischer Jugendlicher kam und die Polizei wahllos Pfefferspray gegen Antifaschist_innen einsetzte. Der Marsch der Nationalis_innen konnte von nun an lediglich von kleineren Protesaktionen begleitet werden, da die Polizei sich nicht zu schade war, kurzerhand den Stadtteil Gaarden auf dem Fußwege komplett vom Westufer abzuschotten. Zu diesem Zweck wurde die Hörnbrücke über mehrere Stunden durchgängig hochgeklappt und komplett unpassierbar gemacht. Große Gruppen Gegendemonstrant_innen machten sich dennoch an der Hörn auf den Weg zum Hauptbahnhof, wurden aber in dem weitläufigen Areal von omnipräsenten Polizeieinheiten festgesetzt. Endgültig offenbarte sich der skandalös hohe Preis, den Polizei und Ordnungsamt für Ihr Sicherheitskonzept bereit waren zu zahlen, als die Hörnbrücke eigens für den nationalistischen Mob wieder herabgelassen wurde, um ihnen so einen problemlosen Nachhauseweg zurück nach Gaarden zu ermöglichen. Dies obwohl die angemeldete Route bereits am Hauptbahnhof geendet war. Unter den Augen der nur locker begleiteten Polizist_innen kam es hierbei aus der Menge heraus zu kurzen aber heftigen Jagdszenen auf ein Dutzend kurdischer Gegendemonstrant_innen im Bereich Germaniahafen. Dabei wurde mindestens eine Person verletzt.
Die nationalistische Demo löste sich schließlich gegen 16.30 Uhr wieder auf dem Vinetaplatz auf, diesmal in Abwesenheit von antifaschistischen Protesten, da ein Großteil weiterhin im Bereich der Hörn eingekesselt war. Nachdem die Polizei die Antifaschist_innen endlich passieren ließ, begaben sich diese in verschiedenen Spontandemonstrationen durch die Stadt zum Polizeikomplex in der Blumenstraße, wo die im Laufe des Tages in Gewahrsam genommenen Genoss_innen solidarisch vom Knast abgeholt wurden.
Alles in Allem können die antifaschistischen Gegenaktionen trotz der extrem kurzfristigen Mobilisierung, die anlässlich türkisch-nationalistischer Aktionen in dieser Form ein Novum für Kiel waren, als positiv bewertet werden. Viele Gegendemonstrant_innen waren entschlossen, den nationalistischen Marsch nicht wiederstandslos hinzunehmen, ergriffen auf allen Ebenen Eigeninitiative und ließen vielfältige Taten folgen. Hätte es nicht dem ausdrücklichen polizeilichen Willen entsprochen, die Erdogan-Fans gewähren zu lassen und dafür einen Ausnahmezustand in Gaarden vom Zaun zu brechen, wäre der Aufmarsch im Chaos versunken. Auch in der nächsten Zeit gilt es diesbezüglich Aufmerksam zu sein, da ein weiteres Überschwappen der permanenten Eskalationsaufrufe Erdogans auch hierzulande leider befürchtet werden muss.
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Bericht der Kieler Nachrichten (18.12.2016)