(Update 26.4.) Am Abend des 23. April 2010 fand im „Eckmann-Speicher“ am Kieler Hauptbahnhof eine Neonazi-Veranstaltung zum so genannten „Tag der deutschen Zukunft“ statt, an der zwischen 30 und 50 Neonazis aus Schleswig-Holstein und darüber hinaus teilnahmen. Der „Tag der deutschen Zukunft“ ist eine relativ neue Kampagne von Neonazis aus Norddeutschland, in deren Rahmen letztes Jahr erstmals in Pinneberg aufmarschiert wurde. Dieses Jahr soll der dazugehörige Naziaufmarsch in Hildesheim stattfinden.
Bereits am späten Nachmittag registrierten Kieler Antifaschist_innen Gruppen von Neonazis, die sich in der Innenstadt bewegten und zeitweise Flyer verteilten. Um kurz vor 18 Uhr sammelten sich ca. 20 Neonazis, die optisch allen gängigen Nazispektren und verschiedenen Altersklassen zuzuordnen waren, auf dem Exerzierplatz. Dieser Treffpunkt fungierte als Schleusungspunkt, von dem aus diese zum „Eckmann-Speicher“ weitergeleitet wurden, einem kleinen mietbaren Veranstaltungsort direkt an der Kieler Hörn in unmittelbarer Nähe zum Hauptbahnhof. Zwischenzeitig mussten die Nazis den Exerzierplatz mit quietschenden Reifen räumen, nachdem dort einige Antifaschist_innen erschienen waren.
Bis 20 Uhr sammelten sich zwischen 30 und 40 Neonazis im und an der Wasserseite vorm „Eckmann-Speicher“. Diese reisten aus ganz Schleswig-Holstein und darüber hinaus an. Neben bekannten Kielern wie dem „AG Kiel“-Nazi Daniel Gericke, waren Neonazis aus Nordfriesland, Lüneburg, Kreis Plön, Kreis Rendsburg-Eckernförde und Neumünster vor Ort.
Die Veranstaltung war eine Infoveranstaltung zum Naziaufmarsch am 05.06.2010 in Hildesheim. Dort wollen Nazis unter dem rassistischen Motto „Tag der deutschen Zukunft, unser Signal gegen Überfremdung“ aufmarschieren. Letztes Jahr fand dieser Naziaufmarsch in Pinneberg statt. Nach außen hin war das Szenario für Unwissende auf den ersten Blick schwer als Nazi-Veranstaltung zu erkennen, zumal das Gebäude ob seiner weiträumigen Umzäunung und kleinen Fenster relativ schwer einsehbar ist und sich nur selten größere Gruppen von Nazis vor dem Gebäude aufhielten. Ab 0.30 Uhr begann sich die Veranstaltung aufzulösen, gegen ca. 2 Uhr verließen die letzten Nazis und ihre Autos den Ort des Geschehens. Weitere Nazi-Aktivitäten im Umfeld der Veranstaltung sind derzeit nicht bekannt.
Als Redner auf der Veranstaltung traten NPD-Ratsherr Gutsche, „AG Kiel“-Kader Daniel Zöllner und der NPD-Landesvorsitzende Jens Lütke auf. Hauptredner war der bekannte niedersächsiche Nazi Dieter Riefling. Riefling ist ehemaliger Kader der verbotenen Organisation FAP und tritt bundesweit als Redner bei rechten Aufmärschen und Kundgebungen auf.
Unerfreulicherweise konnte die Nazi-Veranstaltung weitestgehend störungsfrei stattfinden, auch wenn durchgehend einige kleinere Gruppen Antifaschist_innen die Veranstaltung im Auge hatten. Größere Aktionen blieben jedoch aus. Den ganzen Abend über war eine recht große Dichte an Polizeistreifen und Zivis im Innenstadtbereich zu beobachten, es kam auch zu Personalienkontrollen. Zudem waren auch polizeiliche Kampfeinheiten einsatzbereit vor Ort.
Wieder einmal hat sich gezeigt, dass NPD und so genannte „autonome Nationalisten“ eng zusammenarbeiten. Dass ein paar Dutzend Neonazis mitten in Kiel eine weitestgehend störungsfreie Veranstaltung durchführen konnten, ist selbstredend nicht hinnehmbar, auch wenn die Nazis im Internet alleine diese Tatsache schon als „vollen Erfolg“ bezeichnen. Um einer Wiederholung eines solchen Ereignisses vorzubeugen, werden wieder entsprechend verstärkte antifaschistische Maßnahmen von Nöten sein.
Dieter Riefling