Solidarität und Emanzipation statt nationalistischer Barbarei!
Naziaufmarsch am 1. Mai in Neumünster blockieren – angreifen – verhindern! Die befreite Gesellschaft erkämpfen!
Am 1. Mai 2012 will die neonazistische NPD als Höhepunkt ihres Landtagswahlkampfes im schleswig-holsteinischen Neumünster aufmarschieren. Der 1. Mai ist traditionell der internationale Kampftag der Arbeiter_innenbewegung, anlässlich dessen seit 1890 weltweit Millionen von Menschen in Gedenken an die Opfer des Arbeiter_innenaufstands vom Chicagoer Haymarket 1886 und für Arbeiter_innenrechte auf die Straße gehen. Bezugspunkt für die NPD an diesem Datum ist aber der nationalsozialistische „Tag der nationalen Arbeit“. Dieser wurde 1933 nur wenige Monate nach der Machtübertragung an Hitler als gesetzlicher Feiertag in Nazi-Deutschland installiert, um den befürchteten antifaschistischen Kundgebungen der organisierten Arbeiter_innenschaft am 1. Mai das Wasser abzugraben und die Zerschlagung der Gewerkschaften am 2. Mai vorzubereiten. Statt internationalem Klassenkampf wurde die Deutsche Arbeitsfront gefeiert, im Mittelpunkt standen nicht mehr antagonistische Klassenverhältnisse sondern die deutsche Volksgemeinschaft und das spezifisch deutsche Verhältnis zur Arbeit als Selbstzweck.1
Wer vom Kapitalismus nicht reden will, soll vom Faschismus schweigen…
Die zahlreichen faschistischen und rechts-autoritären Regime in ganz Europa waren die reaktionären Antworten auf die sozialen Verunsicherungen einerseits und revolutionären Prozesse andererseits im Zuge der großen Weltwirtschaftskrise von 1929. Dennoch lässt sich gerade die deutsche Spielart des Faschismus nicht eindimensional als Krisenfolge erklären: Der Nationalsozialismus konnte auf ein lange tradiertes Fundament aus Antisemitismus, Chauvinismus, Autoritarismus und Militarismus des völkisch begründeten deutschen Nationalgefühls aufbauen. Die Entscheidung der Mehrheit der Deutschen für die wahnhafte Ausgrenzung, Ausbeutung, Versklavung und Vernichtung von zu Untermenschen oder Volksschädlingen erklärten Menschen und gegen die Option der emanzipatorischen Aufhebung der krisenhaften kapitalistischen Verhältnisse und der Durchsetzung der Gleichheit aller, gipfelte in Vernichtungskrieg und Shoa. Statt die Schuld für die Folgen der Wirtschaftskrise in der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaftsordnung zu suchen, wurde sie einem ideologischen Außen zugeschoben – vor allem einer angeblichen jüdisch-bolschewistischen Weltverschwörung. Trotz seiner teilweise rebellischen und anti-bürgerlichen Inszenierung: Der NS ist nur auf Grundlage der Widersprüchlichkeit der bürgerlichen Gesellschaft zu verstehen, die mit der barbarischen Regression seit ihrer Entstehung mindestens ebenso schwanger geht, wie mit der Möglichkeit ihrer emanzipatorischen Aufhebung.
Autoritäre Krisenlösungen
Wir erleben grade die heftigste Krise der kapitalistischen Wirtschaft der letzten 80 Jahre. In einem globalisierten Kapitalismus versuchen die einzelnen nationalstaatlich verfassten Wirtschaftsstandorte ihren Arsch zu retten. Wenn die deutsche Regierung ihre ökonomische und politische Vormachtstellung in Europa, die vor allem durch ihre exportorientierte Wirtschaft auf Kosten der importierenden Staaten und der hiesigen Lohnabhängigen ermöglicht wurde, aggressiv durch den Ruin und die Unterwerfung von Standorten wie Griechenland durchsetzt, betreibt sie kapitalistischen Konkurrenzkampf der Nationalökonomien.
Dass häufig grade in solchen Zeiten irrationale und menschenfeindliche Ideologien an Bedeutung gewinnen ist kein Zufall. Durch vorhandene Ressentiments und autoritäre Charakterzüge unterstützen viele Menschen reaktionäre Formen der Krisenverwaltung. Wenn auf eher links verorteten Krisendemos unter Verwendung antisemitischer Stereotypen in gierigen Machtcliquen die Verantwortlichkeit gesucht und an deutschen Stammtischen rassistisch gegen „faule Pleitegriechen“ gehetzt wird, geschieht die Ideologieproduktion nicht selten auch ohne Hochglanz-Kampagnen als Selbstgänger von unten. So wird der Konkurrenzkampf der nationalstaatlich organisierten Standorte durch reaktionäre Ressentiments legitimiert.
Grenzenlose Solidarität statt Kapitalismus und Volksgemeinschaft!
Am 1. Mai gilt es für uns also auch, dem Gefasel von wahlweise „Standort“ oder „Volksgemeinschaft“ entgegenzutreten und klarzumachen, dass das Interesse der deutschen Scholle nicht unser Interesse ist. Vielmehr gilt es zu unterstreichen, dass Deutschland nur deshalb Krisengewinnler ist, weil es hier seit Jahren stagnierende Reallöhne gibt, dass der Aufschwung vor allem dadurch erkauft wurde, dass massenweise beschissen bezahlte Jobs geschaffen worden sind, sprich: Dass dem Kapital allerbeste Verwertungsmöglichkeiten geschaffen worden sind. Wir haben keinen Bock darauf, uns hier für ne Handvoll oder auch ein paar mehr Euro kaputt zu arbeiten, wir haben keinen Bock uns als moderne Sklaven in Leiharbeitsverhältnissen zu verkaufen oder von Hartz4 zu vegetieren, damit der großdeutsche Standort weiter zu seinen Gunsten die Lebensbedingungen ganzer Gesellschaften anderswo zerstören kann. Deshalb kämpfen wir auch und gerade heute noch im Geiste der Haymarket-Aufständischen vom 1. Mai 1886 für die Aufhebung des zerstörerischen und menschenfeindlichen kapitalistischen Ausbeutungsverhältnisses – überall! Wenn wir den Normalbetrieb der Kapitalverwertung hier in Deutschland sabotieren, betreiben wir praktische Solidarität mit den kämpfenden Menschen in Griechenland und anderswo!
Kommt zur revolutionären Vorabenddemo am 30.4. in Kiel.
Gegen reaktionäre Krisenverwaltungsstrategien – für internationalen Klassenkampf!
Kapitalismus abschaffen!
Its just a moment between history and now…
Gerade im Umgang des deutschen Staates und Stammtisches mit Griechenland zeigt sich, dass es ein „geläutertes Deutschland“ nicht gibt, dass auch der „modernisierte“ deutsche Nationalismus nicht ohne Großmachtstreben auskommt.Auf der einen Seite verweigert der selbsternannte „Erinnerungsweltmeister“ den Opfern von NS-Kriegsverbrechen nicht nur im griechischen Distomo Entschädigungszahlungen, andererseits fordert die BILD-Zeitung in imperialer Manier: „Gebt uns Korfu, dann gibt’s Kohle.“ Zur Erinnerung: Der letzte deutsche Anlauf zur Beherrschung Korfus kostete fast 1600 der 1900 dort lebenden Jüdinnen und Juden das Leben, die Anzahl der Opfer der Bombardierungen ist nicht bekannt.
Die NPD vertritt mit ihrem stumpfen Motto ihres Aufrufes zum 1. Mai „Wir arbeiten – Brüssel kassiert! Raus aus dem Euro!“ eine eher altbackene Version reaktionärer Krisenverwaltung in Form der nationalen Autarkie – die freilich ohne kriegerische Raubzüge nicht zu haben ist. Tatsächlich macht sie sich damit für einen anderen Weg anti-emanzipatorischer Krisenpolitik stark, als den der deutschen Dominanz in einem ökonomisch vereinigten Europa. Die deutsche Dominanz als Ziel haben auch zahlreiche Liberale, Sozialdemokraten und Konservative. Das chauvinistische Streben nach einer deutschen Großmacht als Zielvorstellung gibt es als in verschiedenen Varianten, allerdings ist es bei den bekennenden Neonazis näher an der mörderischen Tradition des historischen Nationalsozialismus angesiedelt.
Mordende Nazis unter staatlichem Auge – Deutsche Normalität
Doch es braucht in Deutschland keine Krise um Ausgrenzung und mörderischen Rassismus hervorzubringen, dafür reicht auch schon der deutsche Alltagsbetrieb ganz allein. Aus dem großdeutschen Jubel Anfang der 1990er Jahre heraus begingen Neonazis reihenweise rassistische Morde und Pogrome, häufig im ideologischen oder auch praktischen Schulterschluss mit der deutschen Mehrheitsgesellschaft und der deutschen Legislative. Dem damals erstarkte Milieu des organisierten Neonazismus entstammt die in Schleswig-Holstein 2003 aufgeflogene Combat18-Zelle, dem gleichen Milieu entstammt auch der im November letzten Jahres nur zufällig aufgeflogene NSU, dessen rassistischer Mordserie seit 2000 mindestens 10 Menschen zum Opfer gefallen sind.
Die Geschichte dieser neonazistischen Mörderbande kann dabei exemplarisch gesehen werden für die Bedingungen, unter denen selbst offen terroristisch auftretende Neonazis in der BRD agieren können. Unter Aufsicht des deutschen Inlandsgeheimdienstes „Verfassungsschutz“, von ihm unterstützt oder gar angeführt entstehen Nazistrukturen – finanziert aus öffentlichen Mitteln. Solange diese Informationsquellen unter Kontrolle scheinen, hält der VS seine schützende Hand über sie, offensichtlich sogar bei Morden. Gleichzeitig spielt sich selbige in nationalsozialistischer und antikommunistischer Tradition stehende Institution als führender Stichwortgeber politikwissenschaftlicher Theorie auf, um mit seiner platten Extremismusdoktrin antifaschistisches und linkes Engagement zu denunzieren und Nazi-Ideologie zu verharmlosen. Eine Schelmin, die Böses dabei denkt: Das Agieren des VS ist kein Versagen, wie es derzeit viele empört, aber staatsgläubig, feststellen wollen, sondern entspricht seiner Struktur.
Eine antifaschistische Minimalforderung kann nicht nur in Anbetracht der jüngsten deutschen Horrorgeschichte nur die nach sofortiger Auflösung des Verfassungsschutzes sein. Unser Auftrag darüber hinaus bleibt einmal mehr die Stärkung und Organisierung antifaschistischer Strukturen unabhängig von staatlichen Institutionen, insbesondere seiner Repressionsorgane. Es ist an uns, autonome Antifa-Strukturen zu organisieren!
Neumünsteraner Zustände
Auch in Neumünster sind gewalttätige Nazis kein Ausnahmezustand, der nur bei Aufmärschen am 1. Mai auftritt. In der Stadt herrscht ein Klima der Ignoranz bezüglich rechter Ideologien und Aktivitäten. Es herrscht eine Tradition des Wegschauens, bis hin zur Befürwortung neonazistischen Treibens, deren prominenteste Konsequenz das mittlerweile über 15jährige bestehen des norddeutschlandweiten Nazitreffpunktes Club88. Auch die zwischen 2001 und 2003 in Schleswig-Holstein existierende Zelle der Nazi-Terrorgruppe „Combat18“ war mit den Neumünsteraner Nazi-Strukturen eng verbandelt.
Zwar hat der „Club“ in den vergangenen Jahren an Bedeutung als Infrastruktur der organisierten Neonaziszene verloren und auch seine BesucherInnenzahlen sind mit den Ausmaßen um die Jahrtausendwende längst nicht mehr vergleichbar, allerdings steigt seine Symbolkraft mit jedem Jahr, in dem er existiert. Darüber hinaus existiert seit einigen Jahren auch noch eine Nazikneipe in der Neumünsteraner Innenstadt in unmittelbarer Nähe zur linken „Aktion Jugendzentrum“. Betreiber dieser Kneipe sind Horst und Pascal Micheel. Mittlerweile wird die Titanic auch vermehrt von Mitgliedern der „Bandidos“ frequentiert, welche sich – nicht nur in Neumünster – aus bekannten Nazis zusammensetzen. Trotz der nicht nur potenziellen, sondern bereits auch schon realen Bedrohungssituationen, die von Besucher_innen der Titanic ausgingen, sieht die Stadt keinen Handlungsdruck gegen diese Nazikneipe vorzugehen. Stattdessen wird gegen Veranstaltungen der AJZ und deren Besucher_innen repressiv vorgegangen.
In Zeiten des Wahlkampfes und der Möglichkeit einer medienwirksamen Positionierung zum Thema NSU fühlen sich die sogenannte Stadtvertreter_innen nun plötzlich dazu berufen, sich wider ihres bisheriges Umgangs zu positionieren.
Dennoch: Gerade der Bedeutungsverlust des Club88 ist auch ein Erfolg antifaschistischer Mobilisierungen nach Neumünster und einer jahrelangen Kampagne gegen den Club88-Geburtstag und keinesfalls der eines
vermeintlichen Engagements etablierter Politiker_innen.
Den NPD Wahlkampf gemeinsam lahmlegen!
Abgesehen von dem jährlichen Aufmarsch-Event in Lübeck kann die Neonaziszene in Schleswig-Holstein schon seit Jahren keine Mobilisierungsfähigkeit über den zahlenmäßig zweistelligen Bereich mehr
vorweisen. Die auf Konfrontation ausgerichteten „Autonomen Nationalisten“, die hier zusammen mit der NPD kurzzeitig die größte Straßenpräsenz hatten, sind mangels Erfolgserlebnissen im Niedergang begriffen. Auch die meist unter Parteiweisung stattfindenden Infostände und Kleinstkundgebungen der letzten Monate sind eher auf der permanenten Flucht vor antifaschistischen Gegenaktivitäten als öffentlichkeitswirksam gewesen. Der Aufmarsch am 1. Mai in Neumünster, bei dem die NPD und ihre FreundInnen sich nicht unwesentliche Unterstützung auch aus anderen nördlichen Bundesländern erhoffen können, darf in Kombination mit dem „Trauermarsch“ in Lübeck am 31. März und auch dem „Tag der deutschen Zukunft“ am 2. Juni in Hamburg als Versuch der hiesigen, lediglich durch das kontinuierliche Wirken einiger weniger Führungskader noch existenten organisierten Naziszene gewertet werden, diese Tendenz aufzubrechen und sich eine erneuerte Basis auf der Straße zu schaffen.
Nicht nur in dieser Hinsicht muss sich die antifaschistische Bewegung in den kommenden Monaten auch auf die obligatorischen kleineren öffentliche Wahlkampfauftritte und die Verbreitung von Nazi-Propaganda im ganzen Land einstellen. Für uns steht fest, dass wir weder die leider üblichen braunen Begleiterscheinungen des Wahlkampfs, noch das offensichtliche Bemühen der NPD um eine verbesserte Ausgangssituation auf der Straße dulden werden. Wo immer das Pack meint, mit seinem nationalistischen, antisemitischen und rassistischen Dreck rumhetzen zu müssen, dürfen sie damit rechnen, mit uns auf motivierte Gegner_innen zu treffen. Der Erfolg von Dresden hat gezeigt, dass das respektvolle Zusammenwirken unterschiedlicher Aktionsformen ein riesiges Potential birgt. So war es möglich die eigenen Interessen gegen die der Polizei durchzusetzen, die seit Jahren unter dem Vorwand der Meinungsfreiheit den Neonazis den Raum auf der Straße erkämpft. Ob Trillerpfeifen-Tinitus in Naziohren oder übertönte Hetzreden bei ihren Kundgebungen, ob umgeschepperte Infotische oder kraftvolle Antifa-Proteste, ob zerstörte Wahlplakate oder zerfetzte Flugblätter: Wir begrüßen jedes durch politische Reflexion entwickelte Mittel, den NPD-Wahlkampf tatkräftig zu sabotieren. Ob deutliche Worte auf einer antifaschistischen Kundgebung oder militante Angriffe auf die Nazidemo, ob Massenblockaden oder ein paar verletzte Nazis bei der An- und Abreise . Wir freuen uns auf eure Kreativität und Geschicklichkeit, wenn es darum geht den widerlichen NPD-Aufzug am 1. Mai in Neumünster mitsamt seiner Protagonist_innen nachhaltig, unmissverständlich und selbstredend immer so friedlich, wie eben möglich von der Straße zu wämmsen.
Wir rufen alle Antifaschist_innen dazu auf, den Nazis am 1. Mai 2012 den Empfang zu bereiten, der ihnen gebührt. Organisiert Euch, bereitet Euch auf den Tag vor und informiert Euch regelmäßig über die geplanten Aktionen. Der Antrieb unseres Antifaschismus nicht nur an diesem Tag, ist nicht etwa die Verteidigung der deutschen Heimat vor irgendwelchen Verfassungsfeinden oder Imageschäden, sondern weit links der selbsternannten Mitte angesiedelt: In dem kämpferischen Begehren nach einem würdevollen Leben in Solidarität für alle Menschen weltweit frei von jeder Form der Ausbeutung und Unterdrückung – die ursprüngliche, einzige, unsere Begründung des 1. Mai.
Die Vernichtung des Faschismus mitsamt seiner Wurzeln bleibt unser Ziel!2
1. Mai – nazifrei! Auf nach NMS!
Zusammen den NPD-Aufmarsch rocken: Auf Euren Ebenen, mit Euren Mitteln!
Autonome Antifa-Koordination Kiel | Antifa Neumünster | Antifaschistische Initiative Pinneberg | Smiley Faces/USP | FAU Kiel
30. April: Revolutionäre Vorabenddemo
17 Uhr | Waitzstr./Holtenauerstr. | Kiel
Im Anschluss: Tanz in den Mai in der Alten Meierei mit letzten Infos & u.a. Esne Beltza (Baskenland)
1. Mai: Antifaschistische Aktionen gegen den Naziaufmarsch
all day | all areas | Neumünster
Aktuelle Infos:
nonazisneumuenster.blogsport.de
1 Literaturhinweis: Zum spezifisch deutschen Arbeitsbegriff und dessen antisemitischer Konnotation: Schatz, H./Woeldike, A.: Freiheit und Wahn deutscher Arbeit. Zur historischen Aktualität einer folgenreichen antisemitischen Projektion.
2 Frei nach dem Schwur von Buchenwald der KZ-Überlebenden vom 19. April 1945 nach ihrer Befreiung.